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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2007
8. Jahrgang
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1. Eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung der Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts kann die Annahme eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung gewonnener Beweismittel rechtfertigen. (BGHSt)
2. Bei der Prüfung der "Gefahr im Verzug" steht es nicht im Belieben der Strafverfolgungsbehörden, wann sie eine Antragstellung beim Ermittlungsrichter in Erwägung ziehen. Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag an den Ermittlungsrichter zuwarten, bis etwa die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist, und damit die von Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen (BVerfGE 103, 142, 155; BVerfG - Kammer - NJW 2005, 1637, 1638 f.). Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es deshalb auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für erforderlich hielten. (Bearbeiter)
3. Einzelne Rechtsgüter können durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt wird. Dann wäre jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots - jenseits des in § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO normierten - unerträglich (vgl. BGHSt 31, 304, 308). (Bearbeiter)
4. In Sonderfällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind, sind Beweismittel darüber hinaus unverwertbar, weil der Staat - soweit nicht notstandsähnliche Gesichtspunkte Gegenteiliges ermöglichen sollten (vgl. BGHSt 31, 304, 307; 34, 39, 51 f.) - auch in solchen Fällen aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen (vgl. BGHSt 24, 125, 131). (Bearbeiter)
5. Der Senat kann ferner die Beantwortung der Frage dahingestellt sein lassen, ob das angenommene Verwertungsverbot einen Widerspruch des Verteidigers in der Hauptverhandlung vorausgesetzt hätte. Jenseits der Fälle von dem Rechtsverstoß berührter Verteidigungsrechte, deren effektive Verletzung der Betroffene selbst optimal beurteilen kann und die uneingeschränkt seiner Disponibilität unterliegen, wäre zu hinterfragen ob sich solches im Blick auf die betroffenen, für den Angeklagten nicht zweifelsfrei umfassend disponiblen Rechtsgüter verbieten würde (vgl. BGHSt 51, 1, 3). (Bearbeiter)
1. Nach einer Urteilsabsprache kann weder auf die gesetzlich geregelte noch auf die zusätzlich gebotene qualifizierte Belehrung verzichtet werden. (BGHSt)
2. Die Begründungserfordernisse des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gelten nicht für die Frage der Zulässigkeit der Re-
vision nach Erklärung eines Rechtsmittelverzichts. Ob dieser wirksam ist oder nicht, hat das Revisionsgericht vielmehr von Amts wegen zu prüfen. (Bearbeiter)
Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten (vgl. BGH NJW 2006, 1361, 1362; BGH wistra 2006, 311, 313). Zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen.
1. Eine unzulässige Drohung im Sinne von § 136a Abs. 1 StPO kann beim Inaussichtstellen einer bestimmten Strafhöhe in der Hauptverhandlung nur dann angenommen werden, wenn die angedrohte Strafe als schuldunangemessen hoch anzusehen wäre.
2. Umgekehrt kann das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils nur dann angenommen werden, wenn die für den Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellte Höchststrafe unangemessen milde wäre. Allein das Inaussichtstellen einer Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses stellt hingegen für sich betrachtet keinen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil dar.
3. Sagt der Tatrichter als Gegenleistung für ein Geständnis bewusst eine unzutreffende rechtliche Bewertung der Tat zu, etwa die Nichtannahme eines nach den bisherigen Feststellungen erfüllten Qualifikationstatbestands, so ist darin das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Eine solche Zusage gegenüber einem Instanzverteidiger muss auch dann spezifisch mit einer Verfahrenrüge gerügt werden, wenn weder der Angeklagte, noch der die Revision begründende Verteidiger bei der Zusage anwesend waren, soweit eine Erkundigung bei dem Instanzverteidiger möglich und zumutbar ist.
Zur erforderlichen Gesamtwürdigung bei einer Verurteilung, die allein auf der Aussage eines sich auch selbst belastenden Mitangeklagten beruht.
Zur Verneinung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung im Fall einer verfahrenverlängernden Verfahrensverbindung.
Ist dem Richter bei einer schwierigen medizinischen Frage eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens nicht möglich, so genügt es, wenn er sich dem Gutachten anschließt. Allerdings müssen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 6).
1. Das Verfahrenshindernis fehlender gerichtlicher Zuständigkeit hat auch das Revisionsgericht gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Ist das Verfahren aufgrund eines unwirksamen Verbindungsbeschlusses unerkannt bei einem anderen Gericht als dem erkennenden anhängig geblieben, so hat das Revisionsgericht die Sache insoweit gemäß § 355 StPO
an das Gericht zu verweisen, bei dem die Sache anhängig geblieben ist.
3. In der Dominikanischen Republik erlittene Auslieferungshaft ist im Verhältnis 3:1 auf in Deutschland erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen; das Verhältnis ist in die Entscheidungsformel aufzunehmen.
4. Eine doppelte Strafrahmenmilderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB entfällt bei der Untreue nicht schon deshalb, weil die Gehilfenstellung des Angeklagten allein auf dem Fehlen der Vermögensbetreuungspflicht beruht (vgl. BGHSt 26, 53, 55; 41, 1 f.), soweit dem Handeln des Angeklagten kein mittäterschaftlicher Charakter beizumessen ist.
Der Widerruf der Ermächtigung für den Verteidiger, Rechtsmittelverzicht zu erklären, ist jederzeit zulässig und wird schon dann wirksam, wenn ihn der Beschuldigte mündlich oder fernmündlich dem Gericht oder dem ermächtigten Verteidiger gegenüber erklärt. Der Widerruf führt jedoch nur dann zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts, wenn er gegenüber dem Gericht oder dem Verteidiger erklärt worden ist, bevor die Verzichtserklärung bei dem Gericht eingegangen ist (vgl. BGHSt 10, 245, 246; BGH NStZ-RR 2005, 211, 212; NStZ 1983, 469).
1. Soll nach der Anklage eine Straftat in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zu derjenigen begangen worden sein, wegen der der Angeklagte verurteilt wird, so ist der Angeklagte insoweit freizusprechen.
2. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht der Meinung ist, dass die nicht nachgewiesene Straftat bei einer Verurteilung in Tateinheit (§ 52 StGB) mit den Delikten stehen würde, deretwegen der Angeklagte verurteilt worden ist.