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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2007
8. Jahrgang
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1. Ein "Teilrücktritt" von der Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB kommt nicht in Betracht, wenn das Qualifikationsmerkmal bereits verwirklicht ist. (BGHSt)
2. Anders wäre es, wenn die Qualifikation selbst nur versucht wäre. (Bearbeiter)
1. Ein Mitarbeiter einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ist kein Amtsträger, wenn die Wohnungsbaugesellschaft nur einer von vielen Anbietern von Wohnraum ist, der mit städtischen Belegungsrechten belastet ist (im Anschluss an BGHSt 38, 199). (BGHR)
2. Wird die kommunale Wohnungsbaugesellschaft von der Bevölkerung als eine von 100 Wohnungseigentümern und Anbietern auf dem Wohnungsmarkt, nicht aber als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen, ist dieses Erscheinungsbild angesichts des von den §§ 331 ff. StGB geschützten Rechtsguts bei der Prüfung einer möglichen Amtsträgerschaft berücksichtigungsfähig (BGHSt 49, 214, 227). Die Amtsdelikte schützen das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Institutionen (BGHSt aaO; 43, 370, 377). (Bearbeiter)
3. Nach § 299 Abs. 1 StGB setzen die Tatbestandsmerkmale "Bevorzugung" und "Wettbewerb" mindestens zwei Konkurrenten voraus, von denen einer, nämlich der Vorteilsgeber oder ein von diesem bestimmter Dritter, nach der mit dem Bestochenen getroffenen Unrechtsvereinbarung gegenüber dem Mitbewerber besser gestellt werden soll. Dabei muss der benachteiligte Mitbewerber in der Unrechtsvereinbarung nicht der Person nach bestimmt sein, solange feststeht, dass es überhaupt wenigstens einen anderen Konkurrenten gibt (BGHR StGB § 299 Abs. 2 Geschäftlicher Verkehr 1 m.w.N.; BGH wistra 2003, 385, 386). Eine nur scheinbar vorgenommene Auftragsvergabe erfüllt diese Anforderungen nicht. (Bearbeiter)
1. Eine Abhängigkeit von Alkohol oder Drogen begründet nicht für sich allein, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Derartige Umstände erkennt die Rechtsprechung grundsätzlich nur dann an, wenn auf Grund langjährigen Konsums schwere Persönlichkeitsveränderungen eingetreten sind oder der Abhängige durch starke Entzugserscheinungen oder durch Angst vor solchen zu Beschaffungstaten getrieben wird.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB regelmäßig nicht offen bleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB vorliegt (BGHSt 49, 347, 351).
3. Die Diagnose einer wie auch immer gearteten Persönlichkeitsstörung lässt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu (vgl. BGHSt 42, 385, 388). Bei einer nicht pathologisch bedingten Persönlichkeitsstörung liegt eine andere schwere seelische Abartigkeit, die hier als Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB in Betracht kommen könnte, nur dann vor, wenn sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401; BGH NStZ 2005, 326, 327).
1. Der mit der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB gleichzeitig verwirklichte Versicherungsmissbrauch gegenüber der Gebäudeversicherung ist keine andere Straftat im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB, die der Täter durch die Brandlegung zu ermöglichen beabsichtigt. (BGHSt)
2. Dieser Qualifikationstatbestand ist auch dann nicht verwirklicht, wenn der Täter durch das Feuer in dem Wohngebäude befindliches Inventar eines Dritten zerstören und damit eine Sachbeschädigung begehen will, um dem Dritten Leistungen aus dessen Hausratversicherung zu verschaffen. (BGHSt)
3. Die unmittelbar mit der Tathandlung des Grunddelikts ohne weiteren Tätigkeitsakt beabsichtigte Herbeiführung eines über das Grunddelikt hinausgehenden strafrechtlichen relevanten Erfolges erfüllt nicht den Qualifikationstatbestand des Ermöglichens einer anderen Straftat. (Bearbeiter)
1. Bei Beurteilung der Frage, ob ein Körperglied im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB wichtig ist, sind auch individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten zu berücksichtigen. (BGHSt)
2. Dauerhafte körperliche Besonderheiten eines Tatopfers bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Wichtigkeit eines Körperglieds weiter gänzlich außer Acht zu lassen, widerspräche dem heutigen Verständnis eines gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher körperlicher Beschaffenheit. (Bearbeiter)
3. Die dauernde Gebrauchsunfähigkeit setzt keinen völligen, in jeder Hinsicht gegebenen Funktionsverlust des betroffenen Körpergliedes voraus. Für die Beurteilung, ob ein wichtiges Körperglied dauernd nicht mehr gebraucht werden kann, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln, ob als Folge der vorsätzlichen Körperverletzung so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Körperglied weitgehend unbrauchbar geworden ist und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlusts entsprechen. (Bearbeiter)
1. Auch bei serienmäßig begangenen Vergewaltigungstaten, zumal wenn diese über einen erheblichen Zeitraum (hier: mehr als anderthalb Jahre) begangen werden, bedarf der jeweilige Einsatz des Nötigungsmittels genauer Feststellungen (st. Rspr., vgl. BGHSt 42, 107 f.; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 7).
2. Zwar kann einmal angewandte Gewalt als Drohung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB fortwirken (BGHR StGB §
177 Abs. 1 Drohung 8) und dazu führen, dass das Opfer nur aus Furcht vor weiterer Gewalt keinen nennenswerten Widerstand mehr leistet. Wenn jedoch zwischen Gewaltanwendung und dem späteren Geschlechtsverkehr ein längerer Zeitraum, etwa von Wochen oder sogar Monaten liegt, kommt eine Gleichsetzung von Gewalt und Ausnutzung der Angst vor Gewalt nicht in Betracht (vgl. BGHSt 42, 107, 111; BGH NStZ 1986, 409). Im Übrigen setzt auch die konkludente Drohung durch Ausnutzen der Angst vor Gewalt eine finale Verknüpfung mit der sexuellen Handlung voraus. Der Täter muss erkennen und zumindest billigen, dass das Opfer sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet und nur deshalb den Geschlechtsverkehr erduldet (BGHSt 42, 107, 111 m.w.N.).
Die durch Täuschung unternommene Abwendung der Verhängung oder Vollstreckung bußgeld- oder strafrechtlicher Sanktionen wird vom Schutzbereich des Tatbestands des § 263 StGB nicht erfasst (BGHSt 38, 345, 351; 43, 381, 405 f.).