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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 561

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 506/06, Urteil v. 18.04.2007, HRRS 2007 Nr. 561


BGH 5 StR 506/06 - Urteil vom 18. April 2007 (LG Hildesheim)

BGHR; Amtsträgerschaft eines Mitarbeiters einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (Konkurrenz; städtische Belegungsrechte); Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr; Betrug (Irrtum und Prüfungsumfang: sachgedankliches Mitbewusstsein).

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB; § 299 Abs. 1 StGB; § 263 StGB

Leitsätze

1. Ein Mitarbeiter einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ist kein Amtsträger, wenn die Wohnungsbaugesellschaft nur einer von vielen Anbietern von Wohnraum ist, der mit städtischen Belegungsrechten belastet ist (im Anschluss an BGHSt 38, 199). (BGHR)

2. Wird die kommunale Wohnungsbaugesellschaft von der Bevölkerung als eine von 100 Wohnungseigentümern und Anbietern auf dem Wohnungsmarkt, nicht aber als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen, ist dieses Erscheinungsbild angesichts des von den §§ 331 ff. StGB geschützten Rechtsguts bei der Prüfung einer möglichen Amtsträgerschaft berücksichtigungsfähig (BGHSt 49, 214, 227). Die Amtsdelikte schützen das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Institutionen (BGHSt aaO; 43, 370, 377). (Bearbeiter)

3. Nach § 299 Abs. 1 StGB setzen die Tatbestandsmerkmale "Bevorzugung" und "Wettbewerb" mindestens zwei Konkurrenten voraus, von denen einer, nämlich der Vorteilsgeber oder ein von diesem bestimmter Dritter, nach der mit dem Bestochenen getroffenen Unrechtsvereinbarung gegenüber dem Mitbewerber besser gestellt werden soll. Dabei muss der benachteiligte Mitbewerber in der Unrechtsvereinbarung nicht der Person nach bestimmt sein, solange feststeht, dass es überhaupt wenigstens einen anderen Konkurrenten gibt (BGHR StGB § 299 Abs. 2 Geschäftlicher Verkehr 1 m.w.N.; BGH wistra 2003, 385, 386). Eine nur scheinbar vorgenommene Auftragsvergabe erfüllt diese Anforderungen nicht. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 5. Juli 2006 werden mit der Maßgabe verworfen, dass die jeweiligen Verurteilungen wegen tateinheitlicher Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (B.) bzw. wegen tateinheitlicher Bestechung im geschäftlichen Verkehr (G., D. und W.) entfallen. Die Angeklagten sind damit wie folgt verurteilt:

a) Der Angeklagte B. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 108 Fällen, der Steuerhinterziehung in drei Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung.

b) Der Angeklagte G. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in 89 Fällen.

c) Der Angeklagte D. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in elf Fällen.

d) Der Angeklagte W. ist schuldig des Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue in acht Fällen.

2. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue und mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 108 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 89 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorentscheidung eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt, gegen den Angeklagten D. wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr in elf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie gegen den Angeklagten W. wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und mit Bestechung im geschäftlichen Verkehr in acht Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der drei zuletzt genannten Gesamtfreiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft, die mit ihren Revisionen, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, beanstandet, dass die Angeklagten nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung eines Amtsträgers (§ 332/§ 334 StGB) verurteilt sind. Sämtliche Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Lediglich die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor ersichtlich, teilweise zu berichtigen und neu zu fassen.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte B. war seit 1996 bei der G. B. H. GmbH (GBH), einem 1927 gegründeten kommunalen Wohnungsunternehmen, als "technischer Bestandsbetreuer" für die Unterhaltung des Wohnungsbestandes verantwortlich und hatte Reparatur- sowie Renovierungsarbeiten zu vergeben. Die Stadt Hannover hielt fast 90 % der Gesellschaftsanteile an der GBH, im Übrigen war Anteilseignerin die Stadtsparkasse.

Die Landeshauptstadt stellte gemäß der Satzung zwölf von 15 Aufsichtsratsmitgliedern, deren Amtszeit sich nach der Wahlperiode des Stadtrats bestimmte. Bei den ihr zugewiesenen Geschäften in der Wohnungswirtschaft hatte die GBH den "Grundsatz sozialer Verantwortung für die sozial schwachen Schichten der Bevölkerung" zu beachten (§ 2 Nr. 3 Satz 2 der Satzung).

Um den Satzungszweck des § 2 ("sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der Bevölkerung Hannovers mit dem Schwerpunkt öffentlich geförderter Wohnungsbau") zu erfüllen, besaß die Stadt Hannover im Tatzeitraum 1999 bis 2002 ein Belegungsrecht an 10.000 Wohnungen von einem von der GBH verwalteten Gesamtbestand von 14.000 Wohnungen, die mit öffentlichen Fördermitteln errichtet worden waren. Die mit einem Belegungsrecht belasteten Wohnungen konnten nur mit einem von der Stadtverwaltung vergebenen Bezugsschein gemietet werden. Daneben hatte die Stadt Hannover Belegungsrechte bei etwa 100 anderen privaten Vermietern oder Wohnungsbaugesellschaften. Mieter mit solchen Bezugsscheinen wurden gleichmäßig auf alle Wohnungsanbieter verteilt. Im Übrigen verwaltete die GBH den Wohnungsbestand nach erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Beachtung des Mietspiegels, um zur Konsolidierung des Haushalts der Landeshauptstadt Hannover beizutragen.

Der Angeklagte B. war zunächst städtischer Angestellter und wurde nach BAT vergütet. "Nach Umstrukturierung" der GBH wurde er als "Bezirksleiter Technik" und stellvertretender Geschäftsstellenleiter des Stadtbereichs Stöcken nach einem Haustarif bezahlt. Aus privaten Geldnöten vereinbarte der Angeklagte B. ab 1999 mit dem ihm bekannten Angeklagten G., einem Malermeister, Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Werkleistungen bei der Kasse der GBH einzureichen, um anschließend den ausgezahlten Werklohn (ohne Umsatzsteueranteil) unter sich aufzuteilen. Insgesamt 89 von dem Mitangeklagten G. ausgestellte Scheinrechnungen gab der Angeklagte B. zur Kasse, nachdem er sie abgezeichnet und die erforderliche Unterschrift eines weiteren Mitarbeiters eingeholt hatte, von dem er im Einzelfall wusste, dass dieser als Vertreter des eigentlich zuständigen, aber verhinderten Kollegen die Rechnung nicht sachlich prüfen konnte. In gleicher Weise erhielt der Angeklagte B. von den Mitangeklagten D. und W. elf bzw. acht Scheinrechnungen, deren Beträge sie sich nach Auszahlung durch die GBH teilten. Insgesamt verursachte der Angeklagte B. einen Schaden von rund 440.000 € zu Lasten der GBH.

Der Angeklagte B. verschwieg gegenüber dem Finanzamt die ihm aus den vorgenannten Taten zugeflossenen Erlöse und verkürzte damit Einkommensteuer für 1999 bis 2001 von insgesamt fast 90.000 DM. Für das Jahr 2002 wurde die Einkommensteuer mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren noch vor Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten im April 2004 zutreffend festgesetzt.

2. Das Landgericht hat die Amtsdelikte der §§ 331 ff. StGB nicht angewendet, da die GBH nicht als "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB anzusehen sei. Dies hat das Landgericht insbesondere damit begründet, dass die Stadt Hannover die Wohnungsversorgung für sozial schwächere Mieter in gleicher Weise über die anderen Wohnungsanbieter sichergestellt und sich die GBH folglich nicht mehr von den anderen Anbietern unterschieden habe, zumal sie Erträge zur Entlastung des Stadthaushalts erwirtschaften sollte. In der öffentlichen Wahrnehmung sei der GBH keine öffentliche Aufgabenerfüllung mehr zugekommen.

II.

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagte B. führt lediglich dazu, dass im Schuldspruch die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe jeweils entfällt.

1. Die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB wird von den Feststellungen nicht getragen. Gleichwohl lässt dieser Rechtsfehler die verhängten Einzelstrafen unberührt.

a) Nach § 299 Abs. 1 StGB ist unter anderem Tatbestandsvoraussetzung, dass der Bestochene den Vorteil als Gegenleistung für eine Bevorzugung bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Die Tatbestandsmerkmale "Bevorzugung" und "Wettbewerb" setzen also mindestens zwei Konkurrenten voraus, von denen einer, nämlich der Vorteilsgeber oder ein von diesem bestimmter Dritter, nach der mit dem Bestochenen getroffenen Unrechtsvereinbarung gegenüber dem Mitbewerber besser gestellt werden soll. Dabei muss der benachteiligte Mitbewerber in der Unrechtsvereinbarung nicht der Person nach bestimmt sein, solange feststeht, dass es überhaupt wenigstens einen anderen Konkurrenten gibt (BGHR StGB § 299 Abs. 2 Geschäftlicher Verkehr 1 m.w.N.; BGH wistra 2003, 385, 386).

b) Die Urteilsfeststellungen belegen auch nicht in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Strafzumessungserwägungen, dass der Angeklagte B. bei der "Vergabe" der Scheinaufträge an die Mitangeklagten andere Unternehmer übergangen hat. Dies erscheint auch von vornherein insofern ausgeschlossen, als tatsächlich keine Werkleistungen erbracht werden sollten und es insoweit keine (lautere) Wettbewerbssituation gab, in der der Angeklagte B. die Mitangeklagten gegenüber den "Angeboten" anderer Handwerker oder Maler "bevorzugen" konnte. Schließlich geben die Feststellungen insgesamt nichts dafür her, dass der Angeklagte B. gegenüber den Mitangeklagten G. und D. die Vergabe von tatsächlich zu erbringenden Werkarbeiten von deren Beteiligung an den fingierten Rechnungen abhängig machte.

c) Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die Fälle II. 101 bis II. 108 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte W. davon ausging, weitere tatsächlich zu erfüllende Werkaufträge nur dann zu erhalten, wenn er dem Angeklagten B. das Ausstellen der Scheinrechnungen zusagte. Dies reicht nicht aus, um die Strafbarkeit des Angeklagten B. nach § 299 Abs. 1 StGB bei den insoweit allein maßgeblichen Tathandlungen des "Forderns" der fingierten Rechnungen, des "Sichversprechenlassens" mit der Entgegennahme der Zusage und des "Annehmens" bei Aufteilung der Taterlöse zu bejahen. Denn insoweit belegen die Feststellungen nicht mehr, als dass der Angeklagte B. die Gelegenheit nutzen wollte, den Angeklagten W. zum Beteiligten und Mitnutznießer von Untreue- und Betrugstaten zu machen, nicht indes eine (zustande gekommene oder zumindest erstrebte) Unrechtsvereinbarung.

d) Der Senat schließt angesichts des Zeitablaufs und der konkreten Umstände des Einzelfalls aus, dass in einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen möglich wären, die eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr rechtfertigen könnten.

2. Die Überprüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten B. auf, soweit er sich gegen die Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue in 108 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung wendet. Anzumerken ist insoweit nur Folgendes:

a) Die Feststellungen in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe belegen ausreichend, dass sich sowohl der Kollege des Angeklagten im Rahmen der Gegenzeichnung der Scheinrechnungen als auch die Kassenmitarbeiter der GBH bei Auszahlung der "Werklöhne" in einem Irrtum befanden.

Zwar beschränkte sich der Prüfungsumfang der Kassenmitarbeiter auf die erforderlichen Abzeichnungen der Angestellten der GBH, die die Werklohnrechnungen in sachlicher Hinsicht zu prüfen hatten. Beide gingen jedoch - zumindest in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (vgl. dazu BGH wistra 2007, 102, 105, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Tröndle/ Fischer, StGB 54. Aufl. § 263 Rdn. 35) - davon aus, dass es sich um Rechnungen mit einem realen Hintergrund, mithin also nicht um bloße Scheinrechungen handelte.

b) Das Landgericht hat zwischen Betrug und Untreue zutreffend Tateinheit angenommen, weil der Angeklagte B. schon bei Vornahme der Täuschungshandlungen in einem Treueverhältnis zu der GBH stand und der Tat deshalb ein zusätzlicher Unrechtsgehalt zukam (BGH wistra 1991, 218, 219 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

c) Die Annahme von Tatmehrheit wird durch die Feststellungen getragen. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe reichte der Angeklagte B. die 108 Scheinrechnungen einzeln bei der Kasse der GBH ein.

3. Trotz des berichtigten Schuldspruchs haben die vom Landgericht auch in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen Bestand. Das Landgericht hat die Einzelstrafen zutreffend gemäß § 52 Abs. 2 StGB dem Gesetz mit der schwersten Strafandrohung entnommen, hier also dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB von sechs Monaten bis zehn Jahren, den das Landgericht im Hinblick auf die Spielsucht des Angeklagten B. gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht die Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nicht strafschärfend in Ansatz gebracht. Es hat die Höhe der Einzelstrafen allein mit solchen Umständen begründet, die der Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue zuzurechnen sind.

III.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung des Angeklagten B. wegen Steuerhinterziehung wirksam von ihrem Revisionsangriff ausgenommen hat, sind im Wesentlichen unbegründet.

1. Die Staatsanwaltschaft erstrebt ohne Erfolg eine Verurteilung der Angeklagten wegen Amtsdelikten nach §§ 331 ff. StGB.

a) Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer früheren Entscheidung (BGHSt 38, 199) den Geschäftsführer eines in Rechtsform einer GmbH geführten, auf dem Gebiet des Wohnungsbaus tätigen landeseigenen Unternehmens nicht als Amtsträger im Sinne der §§ 331 ff. StGB angesehen. Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Wohnungsbaugesellschaft privatrechtlich organisiert sei. Dies spreche gegen eine Amtsträgerschaft, auch wenn es Ausnahmefälle geben mag, in denen der Bürger zur Befriedigung grundlegender Lebensbedürfnisse ohne Ausweichmöglichkeiten auf die Leistungen einer von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in privatrechtlicher Form organisierten Einrichtung angewiesen sei (BGHSt 38, 199, 204). Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) ist § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB insoweit erweitert worden, als die Wörter "unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform" eingefügt wurden (Art. 1 Nr. 1). Auch diese Erstreckung des Amtsträgerbegriffes auf privatrechtliche Organisationsformen führt nicht dazu, dass die Mitarbeiter der GBH, obwohl die Gesellschaft von der Stadt Hannover letztlich vollständig beherrscht wird, als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB angesehen werden könnten.

b) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB ist, wer dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, und zwar unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform. Sonstige Stellen sind behördenähnliche Institutionen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (BGHSt 49, 214, 219; 43, 370, 375 ff.). Auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand können demnach "sonstige Stellen" sein. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bereits dann der Fall, wenn sie Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen. Hinzukommen müssen weitere aussagekräftige Unterscheidungskriterien, um privates von staatlichem Handeln abzugrenzen.

Eine Gleichstellung mit Behörden ist besonders dann gerechtfertigt, wenn die juristische Person des Privatrechts bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher bzw. kommunaler Steuerung unterliegt, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheint (BGH wistra 2007, 17; BGHSt 49, 214, 219; BGHSt 50, 299, 303).

c) Hier ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt, dass der Angeklagte B. als technischer Bestandsbetreuer schon objektiv nicht als Amtsträger anzusehen ist, weil er bei einer juristischen Person des Privatrechts beschäftigt ist, die keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erledigt.

aa) Die Wohnungsfürsorge ist eine öffentliche Aufgabe, deren Erfüllung einem Hoheitsträger zugewiesen ist. Diese Aufgabe nimmt die Stadtverwaltung wahr, indem sie an sozial schwache Bürger Berechtigungsscheine vergibt und einzelne Wohnungen mit Belegungsrechten belastet. An diesem Vorgang ist jedoch die GBH nicht unmittelbar beteiligt, weil sie weder über die Erteilung einer Berechtigung entscheidet noch über die Bedingungen bestimmt, die mit den Berechtigungsscheinen verbunden sind. Diese Entscheidungszuständigkeiten begründen den hoheitlichen Charakter der Aufgabe. In diese Verwaltungsvorgänge ist die GBH jedoch nicht eingebunden.

Vielmehr stellt die GBH lediglich Teile ihres Wohnungsbestandes für den entsprechenden Begünstigtenkreis zur Verfügung. Insoweit unterscheidet sich das Handeln der GBH nicht von demjenigen anderer Wohnungseigentümer, deren Wohnungen unter einem entsprechenden Belegungsrecht der Stadt Hannover stehen. Dass dies bei der GBH in einer deutlich höheren Größenordnung geschieht, weil etwa 70 % ihres Wohnungsbestandes unter das Belegungsrecht der Kommune fällt, ändert qualitativ an der grundsätzlichen Austauschbarkeit der Leistungen nichts.

bb) Allerdings enthält das angefochtene Urteil keine Ausführungen dazu, ob und in welchem Umfang die Eigentümer solcher Wohnungen, die einer entsprechenden Bindung unterliegen, von der Stadt Hannover Leistungen erhalten oder einer besonderen Förderung unterliegen. Die fehlende Darlegung der Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen der Stadt Hannover und den Eigentümern der sozialgebundenen Wohnungen begründet hier jedoch keinen wesentlichen Mangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nötigen könnte. Maßgeblich ist insoweit nämlich in erster Linie der Umstand, dass die in der Zurverfügungstellung der Wohnung liegende Leistung der GBH keine der staatlichen Sphäre zugeordnete Leistung ist und durch gleichwertige Leistungen anderer Wohnungseigentümer ersetzt werden könnte. Dies nimmt dem Handeln der GBH den hoheitlichen Charakter.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden Belegungsrechte der Stadt Hannover bei etwa 100 anderen Wohnungseigentümern begründet, wozu auch weitere Baugesellschaften mit eigenem Wohnungsbestand rechnen. Demnach besteht kein - für die Erledigung hoheitlicher Aufgaben typisches - Aufgabenfeld der Staatsverwaltung, das lediglich in einer privatrechtlichen Organisationsform abgewickelt wird. Vielmehr verschafft sich die Kommune in Erfüllung ihrer eigenen Sozialverpflichtung Wohnungen, wobei sie unter mehreren Wohnungsanbietern auswählen kann. Für diese Beschaffung mit Wohnraum ist ein Markt eröffnet, auf dem neben der GBH letztlich auch andere Wohnungseigentümer Wohnraum für soziale Zwecke zur Verfügung stellen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass - so der vom Landgericht als Zeuge einvernommene Stadtkämmerer We. - die Belegung der Wohnungen im marktgerechten Wettbewerb unter Berücksichtigung aller Eigentümer von geförderten Wohnungen erfolgt. Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation fehlt der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung mit behördlichem Handeln rechtfertigt. Auch eine Gesellschaft in alleiniger städtischer Inhaberschaft stellt letztlich nur einen weiteren Wettbewerber auf einem Markt dar, der vom Staat eröffnet wurde und sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildet hat (vgl. BGHSt 50, 299, 307). Die Entstehung wettbewerblicher Strukturen im Zusammenhang mit der Vergabe sozialgebundener Wohnungen im Raum Hannover wird im Übrigen durch den Umstand belegt, dass auch die Verwertung von Wohnungen, die mit Belegungsrechten der Stadt belastet sind, gewinnbringend sein kann, wie das Beispiel der GBH zeigt.

cc) Die soziale Zielsetzung der GBH, die in der Satzung niedergelegt ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Allerdings ist der Staatsanwaltschaft zuzugeben, dass diesem Umstand Indizcharakter für eine Aufgabe zukommen kann, die typischerweise durch die öffentliche Verwaltung wahrgenommen wird. Das Gewicht dieses Gesichtspunktes vermindert sich im vorliegenden Fall jedoch dadurch deutlich, dass die GBH nach den Feststellungen des Landgerichts erwerbswirtschaftlich tätig ist und auch tatsächlich erhebliche Gewinne erzielt hat. Weiterhin wurden in den Haushaltsplanungen der Stadt Hannover bis 2009 jährliche Gewinnerwartungen in Höhe von 4 % des Eigenkapitals eingestellt. Obwohl eine Gewinnerzielungsabsicht ebenso wenig wie tatsächlich erzielte Gewinne der Einstufung als öffentliche Aufgabe entgegenstehen (BGHSt 49, 214, 221; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7), relativiert ihr Vorhandensein doch die in der Satzung festgelegte soziale Zweckbindung. Abgesehen davon, dass eine solche soziale Zielstellung nur ein einzelner Gesichtspunkt innerhalb der vorzunehmenden Gesamtbewertung (BGHSt 50, 299, 305) sein könnte, kommt ihr auch deshalb keine wesentliche Bedeutung zu, weil die GBH tatsächlich beträchtliche Gewinne erwirtschaftet hat.

dd) Schließlich hat das Landgericht zutreffend in seine Gesamtbewertung einbezogen, dass die GBH von der Bevölkerung als eine von 100 Wohnungseigentümern und Anbietern auf dem Wohnungsmarkt, nicht aber als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen wird. Die GBH tritt - wie andere gewerbliche Unternehmen auch - auf dem Markt werbend auf und operiert nach außen wie andere private Wohnungsbauunternehmen.

Dieses Erscheinungsbild der GBH in der Öffentlichkeit ist angesichts des von den §§ 331 ff. StGB geschützten Rechtsguts berücksichtigungsfähig (BGHSt 49, 214, 227). Die Amtsdelikte schützen das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Institutionen (BGHSt aaO; 43, 370, 377). Wird das privatrechtlich strukturierte Unternehmen nicht als Teil der Staatsverwaltung angesehen, weil eine Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht mehr deutlich wird, verliert sich vor dem Hintergrund des durch die Amtsdelikte verfolgten Strafzwecks auch im Korruptionsfalle das Bedürfnis nach einer Ahndung gemäß §§ 331 ff. StGB.

3. Der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis II. 108 der Urteilsgründe ist gemäß § 301 StPO auch bei den Nichtrevidenten G., D. und W. dahingehend zu berichtigen, dass die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr entfallen. Aus den gleichen Gründen, wie beim Angeklagten B. ausgeführt, haben diese Schuldspruchberichtigungen jedoch keinen Einfluss auf die verhängten Strafen.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 561

Externe Fundstellen: NJW 2007, 2932; NStZ 2007, 461; StV 2007, 350

Bearbeiter: Karsten Gaede