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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2007
8. Jahrgang
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1. Für Sitzungen einer Hilfsstrafkammer sind die für die entlastete ordentliche Strafkammer für den Sitzungstag - ggf. nach Verlegung auf den zeitnächsten Sitzungstag der ordentlichen Strafkammer - ausgelosten Hauptschöffen heranzuziehen, wenn diese nicht von der ordentlichen Kammer benötigt werden; im letzteren Fall sind Schöffen aus der Hilfsschöffenliste heranzuziehen.
2. Die Heranziehung von Hauptschöffen einer ganz anderen Strafkammer, nur weil diese "frei" sind oder der Strafkammer zugelost wurden, der Mitglieder der Hilfsstrafkammer angehören, scheidet aus.
Das Gegenvorstellungsverfahren dient der Überprüfung, ob der wesentliche Sachvortrag des Beschuldigten bei der Beschwerdeentscheidung Berücksichtigung gefunden hat. Es hat nicht die Aufgabe, sich mit nach diesem Zeitpunkt neu vorgebrachten Umständen auseinander zu setzen.
367. BGH 3 StR 38/07 - Beschluss vom 27. Februar 2007 (LG Aurich) Inbegriff der Hauptverhandlung (zu Protokoll gereichte Erklärung des Angeklagten); Mündlichkeitsprinzip. § 261 StPO
1. Überreicht der Verteidiger eine "Erklärung des Angeklagten zur Sache", die als Anlage zum Protokoll genommen wird, und stimmt der Angeklagte dem zu, so wird dadurch nicht der Wortlaut der Erklärung zum Inbegriff der Hauptverhandlung, sondern lediglich der mündliche Vortrag durch den Verteidiger und die zustimmende Erklärung des Angeklagten.
2. Eine Überprüfung, ob die zusammenfassende Darstellung des Inhalts einer schriftlichen Einlassung in den Urteilsgründen zutreffend und vollständig ist, ist dem Revisionsgericht ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich (BGH 3 StR 17/03 - Beschluss vom 14. August 2003 = NStZ 2004, 163).
3. Nur wenn das Gericht die Verlesung eines zu Protokoll gereichten Schriftstücks angeordnet und durchgeführt hat, wird die Urkunde in ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung eingeführt.
1. Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch
in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist.
2. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung mit einem Antrag nach § 356a StPO verbunden wird, der sich jedoch als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass nicht mehr in eine erneute Sachprüfung einzutreten ist, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist.
1. Eine Verständigung über das Verfahrensergebnis, bei der das Gericht dem Angeklagten eine Strafobergrenze zusagen darf und an diese Zusage gebunden ist (BGHSt 43, 195, 210; BGH - GS - BGHSt 50, 40, 51) ist als wesentlicher Verfahrensvorgang im Protokoll über die Hauptverhandlung festzuhalten. Dies ist schon deshalb geboten, um spätere Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob es zu einer Absprache gekommen ist.
2. Die Sitzungsniederschrift mit der ihr gemäß § 274 Satz 1 StPO zukommenden positiven und negativen Beweiskraft für das Revisionsverfahren beweist grundsätzlich bindend die Existenz einer Verständigung in der Hauptverhandlung (BGHSt 45, 227, 228).
3. Schweigt das Protokoll zur Frage einer Absprache, so ist grundsätzlich bewiesen (§ 274 Abs. 1 StPO), dass eine Verständigung nicht stattgefunden hat. Das Revisionsgericht ist in diesem Falle gehindert, im Wege des Freibeweises Feststellungen zum Ablauf der Hauptverhandlung zu treffen.
1. Im Falle mehrerer Verteidiger sind diese grundsätzlich alle zu laden, sofern es sich nicht um Rechtsanwälte einer Sozietät handelt.
2. Ein Verteidiger in einer Bürogemeinschaft muss sich die an einen anderen Verteidiger in derselben Bürogemeinschaft gerichtete Ladung zur Hauptverhandlung jedenfalls dann zurechnen lassen, wenn tatsächlich eine gemeinsame Büroorganisation vorliegt, bei der Räume, Personal und sonstige Betriebsmittel gemeinsam genutzt werden und alle Mitglieder der Bürogemeinschaft Zugang zu allen Mandantendaten haben.
1. Befasst im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Gericht erst dann mit der Sache, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen können.
2. Hierzu bedarf es konkreter Anhaltspunkte für einen Widerruf der Strafaussetzung, weswegen die Bitte um Übersendung der Akten oder des Strafaussetzungsbeschlusses nicht ausreichen, wohl aber ggf. Mitteilungen gem. Nr. 13 Abs. 1 MiStra.
1. Wird durch den Eröffnungsbeschluss die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen, so führen schwere Mängel des Anklagesatzes zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses. Solche Mängel liegen vor, wenn unklar bleibt, auf welchen konkreten Sachverhalt sich die Anklage bezieht und welchen Umfang die Rechtskraft eines daraufhin ergehenden Urteils haben würde (st. Rspr.; vgl. z. B. BGHSt 10, 137 = BGH 5 StR 411/56 - Urteil vom 26. Februar 1957; BGH 1 StR 417/84 - Urteil vom 21. März 1985 = NStZ 1985, 464, 465).
2. Sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind als eine Tat des Handeltreibens anzusehen, weil bereits der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen. Zu dieser einen Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen.
3. Dies gilt auch, soweit die Veräußerungsgeschäfte den Tatbestand der Abgabe an Minderjährige (§ 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) erfüllen. Mehrere Abgaben an einen Minderjährigen aus derselben Rauschgiftmenge stellen nur eine Abgabe (Bewertungseinheit) dar, die tateinheitlich mit dem Handeltreiben zusammentrifft (vgl. BGH aaO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der
als Zeuge vernommene und weiterhin als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft tätige Staatsanwalt sich bei der Beweiswürdigung - namentlich beim Schlussvortrag - auf diejenigen Teile der Beweisaufnahme zu beschränken, die von seiner zeugenschaftlichen Aussage nicht beeinflusst sein können (BGHR StPO § 24 Staatsanwalt 2, 5, 6). Daraus folgt, dass der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotene Revisionsvortrag im Fall einer Rüge der vorliegenden Art auch die Mitteilung enthalten muss, ob der als Zeuge gehörte Staatsanwalt bei seiner weiteren Mitwirkung in der Hauptverhandlung - insbesondere im Schlussvortrag - seine eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt hat oder ob solches nicht geschehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1983 - 5 StR 736/82).
1. Der gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Vertreters der Verfallsbeteiligten im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Interesse der Verfallsbeteiligten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung mit der Sachrüge beanstandet hat.
2. Der Senat fände es unverständlich, wenn die Gebühren für eine derartige Tätigkeit in der Revisionsinstanz letztlich ohne sachlichen Grund das Vielfache einer normalen Gebühr für die umfassende revisionsrechtliche Verteidigung gegen ganz erhebliche Rechtsfolgen bis hin zu lebenslanger Freiheitsstrafe betragen.
1. Steht fest, dass vorverurteile Mittäter am Tatort anwesend waren, so ist bei der Würdigung ihrer Aussage unter dem Aspekt des Glaubwürdigkeitsanzeichens der Mitteilung von "Selbsterlebten" zu berücksichtigen, dass unter diesen Umständen die vorverurteilen Mittäter fraglos weitestgehend Selbsterlebtes bekunden können.
2. Bei einer Beweiswürdigung der Aussagen früherer Mittäter in der Konstellation Aussage-gegen-Aussage sind eventuelle frühere, widersprechende Einlassungen der Mitangeklagten zu berücksichtigen. Liegen solche vor, ist der Tatrichter genötigt, sämtliche Qualitätsmängel der Aussagen der Verurteilten in einer Gesamtschau daraufhin zu würdigen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten.
3. Ein Aspekt bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit kann auch sein, ob der Aussagende zu anderweitigen Täuschungen, wie die Stellung von Asylanträgen in der Lage war.
4. Entzieht sich ein als Mittäter verurteilter Zeuge, welcher sich im Ausland befindet der erneuten Aussage, indem er sich mit der Begründung weigert am Verfahren teilzunehmen, er hätte seinen früheren, belastenden Aussagen nichts hinzuzufügen, ist dieser Umstand bei der Beweiswürdigung kritisch zu erörtern.