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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2006
7. Jahrgang
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Es gibt grundsätzlich keine Rechtspflicht des Wohnungsinhabers, gegen in seiner Wohnung von einem Dritten betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten.
Bei gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen sind an die für die Annahme eines unbeendeten Versuchs erforderlichen Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen.
Kommunale Mandatsträger sind weder Beamte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB noch stehen sie in
einem sonstigen Amtsverhältnis im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) StGB. Auch eine Bestellung, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB liegt jedenfalls insoweit nicht vor, als es um die Ausübung des freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung geht, denn es fehlt an der hierfür erforderlichen organisatorischen Einordnung in ein der Amtsträgereigenschaft eigenes Dienst- oder Auftragsverhältnis. (Bestätigung von BGH 5 StR 453/05 - Urteil vom 9. Mai 2006).
Der Tätigkeitsort bei Begehungsdelikten ist überall dort anzunehmen, wo der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat.
1. Treten Auswirkungen einer im Ausland begangenen Tat im Inland ein, die für die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands nicht mehr von Bedeutung sind, so können sie allein einen Tatort im Inland nicht begründen.
2. Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht die Ladung eines Auslandszeugen gebietet, sind neben dem Gewicht der Strafsache die Bedeutung und der Beweiswert des weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme einerseits und der zeitliche und organisatorische Aufwand der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit andererseits abzuwägen.
1. Zum Anwendungsbereich des § 352 StGB bei Honorarvereinbarungen. (BGHR)
2. Rechnet der Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch zusteht, diese auf Grund einer Honorarvereinbarung und nicht nach der Gebührenordnung (BRAGO, jetzt RVG) ab, fällt sein Verhalten grundsätzlich nicht unter den Tatbestand des § 352 StGB. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich aus der anzuwendenden Vergütungsordnung jedenfalls dem Grunde nach ein Anspruch ergibt. Schließt der Rechtsanwalt dann hierüber eine Honorarvereinbarung und macht er aus dieser seine Vergütungsansprüche geltend, erfüllt dies nicht den Tatbestand der Gebührenüberhebung nach § 352 StGB, unabhängig davon, ob die Honorarvereinbarung wirksam zustande gekommen ist oder nicht. (Bearbeiter)
3. Das spezifische Unrecht der Gebührenüberhebung besteht darin, dass der Täter für seine Forderungen zu Unrecht die Autorität einer gesetzlichen Gebührenregelung in Anspruch nimmt. (Bearbeiter)
4. Der Tatbestand des § 352 StGB ist ein - freilich rechtspolitisch aus heutiger Sicht bedenklicher und überholter - spezialgesetzlicher Privilegierungstatbestand, der dem Betrug vorgeht. Aufgrund seines Privilegierungscharakters kann neben § 352 StGB tateinheitlich ein Betrug nur dann in Betracht kommen, wenn zu der Täuschungshandlung, die notwendig zu der Gebührenüberhebung gehört, eine weitere Täuschung hinzukommt (BGHSt 2, 35). (Bearbeiter)
5. Honorarvereinbarungen mit Sozialhilfeempfängern sind nicht grundsätzlich sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Die Sittenwidrigkeit ist aufgrund einer umfassenden Gesamtbetrachtung zu bestimmen (BGHZ 107, 92, 97; 86, 82, 88). Die wirtschaftliche Leistungskraft des Mandanten kann dabei nur ein Gesichtspunkt unter mehreren sein. Dies gilt erst recht dann, wenn Dritte bereit sind, für ihn eventuelle Zahlungen zu erbringen. (Bearbeiter)
6. Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann ein Honorar, das den gesetzlichen Vergütungsanspruch um mehr als das fünffache übersteigt, sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn das Verfahren nicht durch besonderen Aufwand gekennzeichnet ist (BGHZ 144, 343, 346; BGH AnwBl. 2004, 61). Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats in jedem Fall zu folgen wäre. (Bearbeiter)
1. Für eine Zueignung ist es in den Fällen bestehender Sicherungsübereignung erforderlich, dass der Täter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den sicheren Schluss darauf zulässt, dass er den Sicherungsgegenstand unter Ausschluss des Sicherungseigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben will (BGHSt 34, 309, 312). Im Fall der Drittzueignung muss das Verhalten des Täters darauf gerichtet sein, dass das Sicherungsgut dem Vermögen des Dritten zugeführt wird. Die Tathandlung muss zu einer Stellung des Dritten in Bezug auf die Sache führen, wie sie auch bei der Selbstzueignung für die Tatbestandserfüllung notwendig wäre. Bei der Unterschlagung von Sicherungsgut zum eigenen Vorteil ist dies anerkannt, falls der Sicherungsgeber das Sicherungsgut in einer Art und Weise weiter nutzt, die zum Ausdruck bringt, dass der Täter das Sicherungseigentum nicht mehr achtet, sondern den bisherigen Fremdbesitz an den Gegenständen in Eigenbesitz umwandeln wollte (BGHSt 34, 309, 313).
2. Sicherungsübereignungen begründen grundsätzlich ein Anvertrautsein (vgl. BGHSt 16, 280, 282).
Ein Text, der zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich gegen die in Deutschland lebenden Ausländer, partiell darunter insbesondere die Asylbewerber, aufstachelt, ist auch dann tatbestandsmäßig i.S. des § 130 Abs. 2 Nr. 1 a und b StGB, wenn er nur eine "politische Utopie" darstellt, deren Umsetzung völlig außerhalb der derzeitigen politischen Realität liegt.
1. Bei einem standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist es nicht erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt "in Ordnung" (vgl. BGHSt 2, 325, 326; 24, 386, 389). Daher setzt ein Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde.
2. Eine Beschlagnahmeanordnung eines deutschen Gerichts (vgl. BGHSt 1, 325) unterbricht nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB auch dann die Verjährung, wenn die Beschlagnahme bei Dritten erfolgen soll und der Beschuldigte vorher weder vernommen noch von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt wurde.
3. Ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, prüft das Revisionsgericht von Amts wegen aufgrund eigener Sachuntersuchung unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren (vgl. BGHSt 46, 307, 309).
4. Generell gilt: Es entspricht in Wirtschaftsstrafverfahren einem praktischen Bedürfnis und ist prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn der Tatverdacht in Durchsuchsuchungsbeschlüssen weit gefasst wird. Dementsprechend genügt es für die Darstellung der Verdachtslage, dass die Taten unter zusammenfassenden kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind, falls die Maßnahme wegen einer Vielzahl von Taten im prozessualen Sinne erfolgt, deren Einzelheiten die Ermittlungen noch klären müssen (vgl. BGH NStZ 2001, 191). Dies ist bei der Auslegung verjährungsunterbrechender Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sowie bei der Ermittlung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsbehörden zu bedenken.
1. Eine wirksame Bandenabrede setzt keine bindende Verpflichtung zur Tatbegehung voraus; erforderlich und ausreichend ist der übereinstimmende gemeinsame Wille, sich zusammen zu tun, um künftig für eine gewisse Dauer Straftaten der jeweils bestimmten Art zu begehen.
2. Ein bestimmter "Typus" des Zusammenschlusses ist für die Annahme einer Bande nicht erforderlich; ihr steht
namentlich auch nicht entgegen, dass die Beteiligten einander familiär oder in sonstiger Weise persönlich verbunden sind.
1. Eine dauernde Entstellung in erheblicher Weise im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt ein Maß der Verunstaltung der äußeren Gesamterscheinung des Opfers voraus, das einige Erheblichkeit erreicht. Dieses zur Tatbestandserfüllung erforderliche Maß ist auch mit Blick auf die übrigen in § 226 Abs. 1 StGB genannten Folgen zu bestimmen ist.
2. Die Entscheidung, ob von der fakultativen Strafmilderung beim Versuch gemäß § 23 Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist, ist eine für die Strafzumessung grundlegende Weichenstellung. Sie muss jedenfalls dann dem Tatrichter vorbehalten bleiben, wenn das Revisionsgericht auch den Schuldspruch geändert hat.
§§ 176, 176a StGB schützen die Möglichkeit zur ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern (vgl. BGHSt 45, 131, 132). Es erscheint nahe liegend, dass ein minder schwerer Fall gegeben sein kann, wenn das zu schützende Rechtsgut wegen Besonderheiten in der Person eines "weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten" Opfers weniger stark als üblich gefährdet erscheint. Die Annahme eines minder schweren Falles ist aber nicht von Rechts wegen auf diese oder überhaupt eine bestimmte Art der Fallgestaltung beschränkt.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung ist unter einer kriminellen Vereinigung ein auf eine gewisse Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens der Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (vgl. BGHSt 28, 147; 31, 239 f.; BGH NStZ 2005, 377). In organisatorischer Hinsicht ist eine interne Verbandsstruktur dergestalt erforderlich, dass sich die arbeitsteilig koordinierte Durchsetzung der Vereinigungsziele nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht. Hinzukommen muss die subjektive Einbindung der Beteiligten in die internen Willensbildungsprozesse der Vereinigung. Ausgehend von dem Schutzzweck der Vorschrift ist Anwendungsvoraussetzung die Feststellung von verbandsinternen Entscheidungsstrukturen zur Herausbildung eines Gruppenwillens, den die Mitglieder als verbindlich anerkennen und zur Maxime ihres Handelns machen (vgl. BGHSt 31, 239, 240).
2. Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, verbindet diese, solange der Wille des Einzelnen maßgeblich bleibt und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt, noch nicht zu einer kriminellen Vereinigung. Dies gilt selbst dann, wenn eine Person als Anführer eingesetzt wird, nach dem sich die anderen richten.
1. Zwar können sexuelle Äußerungen und Ansinnen im Ausnahmefall eine beleidigende Herabsetzung der Person enthalten, der gegenüber sie erfolgen. Voraussetzung ist dafür jedoch, dass der Täter selbst das der betroffenen Person angesonnene Verhalten als verwerflich oder ehrenrührig ansieht und durch die Äußerung zum Ausdruck bringen will, dass er dem Tatopfer eine entsprechende verachtenswerte Haltung zu Unrecht unterstellt. Es ist hingegen nicht ausreichend, dass die betreffende Person lediglich keinen Anlass zu der Annahme gegeben hat, sie sei an solcherlei Kontakten interessiert.
2. Angesichts des äußerst belastenden Charakters der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB müssen die Anforderungen an die Prognose hoch sein. Die Wahrscheinlichkeit von Lästigkeiten oder Straftaten geringeren Gewichts reicht - auch angesichts des Bedürfnisses oder des Erfordernisses, einen schuldunfähigen Beschuldigten zu heilen - nicht aus.