Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2006
7. Jahrgang
PDF-Download
Eine ausdrückliche Entscheidung, einen Zeugen nicht zu vereidigen, ist nach der Änderung des gesetzlichen Regel-/Ausnahme-Verhältnisses in § 59 Abs. 1 Satz 1 StPO nur dann zu treffen und in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen Antrag auf Vereidigung gestellt hat. (BGHSt)
1. Der in der ersten Hauptverhandlung unterlassene oder verspätete Widerspruch wegen Verletzung der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO oder sonstiger Belehrungspflichten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens kann nach Zurückweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden. (BGHSt)
2. Grundsätzlich ist dem Beschuldigten vor seiner polizeilichen Vernehmung mitzuteilen, dass ihm bereits ein Verteidiger bestellt worden ist (BGH NStZ 1997, 502). (Bearbeiter)
3. Generell ist der Verwertung einer Aussage, die unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahren nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG im Ermittlungsverfahren erlangt worden ist, bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt zu widersprechen (vgl. zur Widerspruchslösung BGHSt 38, 214; 42, 15, 22; BGH NStZ 1997, 502). (Bearbeiter)
1. Wird eine zunächst unterbliebene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung nachgeholt, so entscheidet darüber beim Landgericht auch dann die große Straf- bzw. Jugendkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der Schöffen, wenn die Kammer die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 33 b Abs. 2 Satz 1 JGG) durchführt. (BGHSt)
2. Ein bislang fehlender Eröffnungsbeschluss kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch in der Hauptverhandlung nachgeholt werden (BGHSt 29, 224). (Bearbeiter)
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit BGHSt 2, 125) ist eine Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls vom Revisionsgericht nicht zu berücksichtigen, wenn sie erst nach erhobener Verfahrensrüge vorgenommen wurde und dieser die Grundlage entzieht.
2. Der 1. Strafsenat neigt der Auffassung des 2. Strafsenats zu, der welcher der Rechtsauffassung zuneigt, dass ein ordnungsgemäß berichtigtes Protokoll bei der Frage, ob ein behaupteter Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt, auch dann berücksichtigt werden kann, wenn dadurch einer vor der Berichtigung erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen wird (StV 2005, 256, 257 m. w. N.).
3. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die Beweiswirkung des § 274 Satz 1 StPO nicht, wenn das Protokoll Fehler hat, die die Eindeutigkeit seines Inhalts in Frage stellen. Das ist namentlich der Fall, wenn es Widersprüche, Lücken oder sonstige offensichtliche Mängel, insbesondere Unklarheiten enthält. Entfaltet das Protokoll keine Beweiskraft, hat das Revisionsgericht im Freibeweisverfahren den Sachverhalt zu ermitteln.
4. Ein Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 oder (hier) Abs. 2 StPO ist eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit. Dabei ist jedenfalls die Bestimmung in ihrer ziffernmäßigen gesetzlichen Bezeichnung im Protokoll aufzuführen, inwieweit dies auch für tatsächliche Erläuterungen gilt, kann hier dahinstehen.
Die §§ 22 ff. StPO gelten nicht für Staatsanwälte. Auch kann nicht eine ganze Behörde (hier: GBA) als solche abgelehnt werden.
1. Ein (Hilfs-)Beweisantrag kann nur dann mit der Begründung zurückgewiesen werden, er ziele auf eine Wiederholung der Beweisaufnahme ab, wenn das bereits herangezogene und das neu benannte Beweismittels identisch sind, nicht aber, wenn die Heranziehung und Verwendung eines qualitativ anderen Beweismittels beantragt wird.
2. Für einen Antrag auf Augenscheinsbeweis gilt gem. § 244 Abs. 5 Satz 1 StPO das grundsätzliche Verbot der Beweisantizipation nicht. Er kann daher auch mit der Begründung abgelehnt werden, die Beschaffenheit des Augenscheinsgegenstands stehe auf Grund der schon erhobenen Beweise bereits fest. Die Urteilsgründe müssen dann jedoch erkennen lassen, dass der Tatrichter die Beschaffenheit der Augenscheinsobjekte und ihre Beweiseignung zutreffend eingeschätzt hat. Außerdem ist darzulegen, aus welchem Grunde die beantragte Beweiserhebung nicht zu weiterer Sachaufklärung hätte führen können.
3. Wenn ein Hilfsbeweisantrag in zulässiger Weise erst in den Urteilsgründen beschieden worden ist, kann das Revisionsgericht zwar die Ursächlichkeit eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 5 StPO mit der Begründung verneinen, der Antrag habe mit anderer Begründung rechtsfehlerfrei abgelehnt werden können. Hierfür reicht aber nicht die bloß abstrakte Möglichkeit eines tragfähigen anderen Ablehnungsgrunds. Ein solcher muss sich vielmehr, wenn er nicht offenkundig ist, aus den Urteilsgründen selbst ergeben.
4. Mangelt es an indiziellen äußeren Tatsachen für die innere Tatseite, so können den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen nicht allein auf eine besonders nachdrückliche Darlegung des Tatrichters gestützt werden, er sei "überzeugt". Wenn der Tatrichter aus einer Mehrzahl möglicher Tatmotivationen und subjektiver Vorstellungen solche feststellen will, deren Annahme den Angeklagten belastet, so darf diese Feststellung nicht nur auf Vermutungen beruhen. Ihre Begründung darf sich nicht in der bloßen Behauptung von Plausibilität erschöpfen.
Die gleichzeitige Ablehnung eines Beweisantrags durch Wahrunterstellung und wegen Bedeutungslosigkeit ist nicht möglich ist, weil eine Wahrunterstellung nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt.
Wenn "Aussage gegen Aussage" steht, ist es nicht notwendig rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht eine Version des tatsächlichen Geschehens feststellt, welche weder mit der vom Angeklagten noch mit der von der Nebenklägerin geschilderten übereinstimmt.
1. Ein Revisionsführer, der das Vorliegen eine Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Nur wenn sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufdrängt, kann es einen auf die Sachrüge zu berücksichtigenden Erörterungsmangel darstellen, wenn sich das Urteil zu den näheren Umständen der Verfahrensverzögerung nicht verhält (vgl. BGHSt 49, 342 m.w.N.).
2. Drängt sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht auf, hat der Beschwerdeführer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, in der Revisionsbegründung darzulegen, um dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 2004, 504).
Es genügt nicht den Anforderungen des § 345 StPO, wenn der Rechtsanwalt eine vom Angeklagten stammende Schrift lediglich mit seiner Unterschrift versieht. Seine Mitwirkung darf sich nicht in der bloßen Beurkundung erschöpfen, vielmehr ist eine gestaltende Mitwirkung erforderlich.