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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 940

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 85/25, Beschluss v. 07.05.2025, HRRS 2025 Nr. 940


BGH 4 StR 85/25 - Beschluss vom 7. Mai 2025 (LG Dortmund)

Beweiswürdigung (Darstellungsanforderungen: Abgrenzung von Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen zu anderen Beweislagen, keine detaillierte Wiedergabe der Aussage des Geschädigten); unterbliebene nachträgliche Gesamtstrafenbildung (unzureichende Feststellungen).

§ 55 Abs. 1 StGB; § 261 StPO; § 267 Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 15. August 2024 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Kompensations- sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte den Geschädigten am 31. Januar 2019 in dessen Fahrzeug unter Vorhalt eines Messers mit den Worten „Gib mir Geld, sonst steche ich dich ab“ zur Herausgabe von Bargeld auf. Unter dem Eindruck der Drohung übergab der Geschädigte dem Angeklagten 80 Euro. Da diesem der Betrag nicht ausreichte, forderte er den Geschädigten nunmehr auf, zu dessen Wohnung zu fahren, um dort Bargeld zu holen. Während der sich anschließenden Fahrt hielt der Angeklagte fortwährend das Messer an die rechte Körperseite des Geschädigten. Aus Angst entschloss sich der Geschädigte dazu, einen Unfall zu verursachen. In der Folge kollidierte er mit dem Taxi des Zeugen S. und sprang mit dem Ausruf „Überfall, Überfall! Fahr los!“ in dessen Taxi. Der Zeuge S. ging zunächst davon aus, selbst überfallen zu werden. Aufgrund der Bitte des Geschädigten, er solle die Polizei verständigen, kamen ihm dessen Angaben widersprüchlich vor. Er fragte deshalb nach, ob der Geschädigte ihn ausrauben wolle oder selbst Hilfe brauche. Daraufhin erklärte der sichtlich aufgeregte und verängstigte Geschädigte ihm die Situation.

2. Die den Schuldspruch tragende Beweiswürdigung hält der revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

Zwar hat die Strafkammer den wesentlichen Inhalt der Aussage des Geschädigten nicht in den Urteilsgründen im Einzelnen wiedergegeben. Dies war jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht rechtsfehlerhaft, da keine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorlag (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 - 4 StR 380/23 Rn. 4 f.; Beschluss vom 16. Januar 2024 - 4 StR 428/23 Rn. 13 f.; jeweils mwN zur Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen). Denn das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Schuld des den Tatvorwurf in Abrede stellenden Angeklagten nicht nur auf die Angaben des Geschädigten, sondern auch auf die Aussage des Zeugen S. zum unmittelbaren Nachtatgeschehen und -verhalten des Geschädigten. Es liegen mithin ganz gewichtige Gründe außerhalb der Angaben des Geschädigten vor, die dessen Darstellung des Kerngeschehens stützen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021 - 6 StR 477/21 Rn. 4; Urteil vom 30. August 2012 - 4 StR 108/12 Rn. 27 mwN).

3. Der Strafausspruch unterliegt der Aufhebung, da die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, ob das Landgericht zu Recht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe abgesehen hat.

Nach den Feststellungen hierzu wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Unna am 15. August 2019 wegen Erschleichens von Leistungen und am 20. September 2019 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu Geldstrafen rechtskräftig verurteilt. Die verfahrensgegenständliche Tat liegt vor beiden Verurteilungen. Da die Urteilsgründe weder die Zeitpunkte der abgeurteilten Taten noch den Vollstreckungsstand der Vorverurteilungen mitteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2024 - 4 StR 170/24 Rn. 5 mwN zum Erfordernis dieser Darstellung), ist dem Senat eine Nachprüfung, ob mit den Geldstrafen aus einer oder ggf. auch aus beiden Vorverurteilungen - letzteres für den Fall, dass diese untereinander gesamtstrafenfähig wären (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2016 - 1 StR 316/16) - nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB hätte gebildet werden müssen, nicht möglich. Dadurch kann der Angeklagte beschwert sein.

Da auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Härteausgleich zu gewähren gewesen wäre, sollte die Geldstrafe oder eine von ihnen im Zeitpunkt des Urteils bereits im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollständig vollstreckt gewesen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2025 - 4 StR 67/25 Rn. 3; Urteil vom 31. Juli 2024 - 2 StR 44/24 Rn. 25), hat der Strafausspruch im Ganzen keinen Bestand. Die Feststellungen können jedoch bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig und geboten.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 940

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede