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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 970

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 170/24, Beschluss v. 21.05.2024, HRRS 2024 Nr. 970


BGH 4 StR 170/24 - Beschluss vom 21. Mai 2024 (LG Dortmund)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. Oktober 2023 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Formalrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die umfassende Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Auf der Grundlage der Feststellungen kann nicht geprüft und entschieden werden, ob das Landgericht zu Recht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung abgesehen hat.

a) Laut den Feststellungen ist der Angeklagte nach dem verfahrensgegenständlichen Tötungsdelikt vom 10. Juni 2021 durch rechtskräftige Strafbefehle des Amtsgerichts Dortmund vom 12. Oktober 2021, 26. April 2022 und 6. Januar 2023 jeweils wegen Erschleichens von Leistungen zu Geldstrafen verurteilt worden. Weder deren Vollstreckungsstand noch die Tatzeitpunkte der zugrundeliegenden Delikte sind festgestellt. Im Rahmen der Strafzumessung verhalten sich die Urteilsgründe zu der Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht.

b) Die lückenhaften Feststellungen gestatten dem Senat keine Überprüfung, ob eine der rechtskräftigen Geldstrafen nach § 55 Abs. 1 StGB in die verhängte Freiheitsstrafe von zehn Jahren hätte einbezogen werden können (vgl. zur notwendigen Darlegung von Vollstreckungsstand und Tatzeit nur BGH, Beschluss vom 14. Februar 2024 - 4 StR 17/24 Rn. 8 mwN; Beschluss vom 21. November 2023 - 5 StR 330/23 Rn. 5). Für die Geldstrafe von 40 Tagessätzen aus dem Strafbefehl vom 12. Oktober 2021 ist dies der Fall, sollte sie noch nicht vollständig vollstreckt sein. Zugleich schiede dann wegen der Zäsurwirkung dieser Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2018 - 4 StR 269/18 Rn. 13 mwN; Beschluss vom 11. April 2018 - 4 StR 53/18 Rn. 4) eine weitere Gesamtstrafenbildung mit den Strafen aus den späteren Erkenntnissen aus, wenn nicht die Tatzeiten der dort abgeurteilten Delikte ebenfalls vor dem Strafbefehl vom 12. Oktober 2021 liegen. Wäre dieser Strafbefehl hingegen vor den weiteren Taten ergangen und vollständig vollstreckt, käme aufgrund des Entfallens seiner Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2022 - 4 StR 227/22 Rn. 5; Beschluss vom 27. März 2019 - 2 StR 450/18 Rn. 2 mwN) eine Gesamtstrafenbildung allein mit (einer der) später verhängten Strafen in Betracht. Ob stattdessen bei vollstreckungsbedingt (insgesamt) ausgeschlossener Gesamtstrafenbildung ein Härteausgleich veranlasst war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. Juni 2015 - 4 StR 176/15 mwN), lassen die Urteilsgründe ebenso wenig erkennen.

c) Der Strafausspruch beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. In Ansehung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, denen zufolge eine Vollstreckung der Geldstrafen im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht kommt, kann seine Beschwer durch eine möglicherweise fehlerhaft unterbliebene Gesamtstrafenbildung oder einen unterlassenen Härteausgleich nicht ausgeschlossen werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. April 2019 - 4 StR 25/19 Rn. 13).

Die Feststellungen können bestehen bleiben, denn sie sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich; sie dürfen den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 970

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede