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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 974

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 234/23, Urteil v. 23.05.2024, HRRS 2024 Nr. 974


BGH 4 StR 234/23 - Urteil vom 23. Mai 2024 (LG Münster bei dem Amtsgericht Bocholt)

Gefährliche Körperverletzung (mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung: bedingter Vorsatz, allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers, potenzielle Gefährdung, Beweiswürdigung; Strafzumessung: fehlgeschlagener Versuch); Dauer der Jugendstrafe (Belange des gerechten Schuldausgleich; Strafzweck: Erziehungsgedanke, Schwere der Schuld); Adhäsionsverfahren (Schmerzensgeldentscheidung; Ersatzpflicht für noch entstehende materielle und immaterielle Schäden: Einheitlichkeit des Schmerzgeldes, Feststellungsausspruch).

§ 224 StGB; § 23 StGB; § 261 StPO; § 403 StPO; § 18 JGG

Leitsatz des Bearbeiters

Für den Vorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist es neben dem zumindest bedingten Körperverletzungsvorsatz erforderlich, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Dabei muss der Täter die von ihm erkannten Umstände zwar nicht als lebensgefährdend bewerten, die Handlung muss aber nach seiner Vorstellung auf Lebensgefährdung „angelegt“ sein. Der Täter muss daher über eine Körperverletzung hinaus zumindest eine potentielle Gefährdung des Lebens des Opfers erkennen und billigen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 6. Februar 2023 im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil zudem im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass

a) der Angeklagte verurteilt wird, an den Adhäsionskläger 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 19. Januar 2023 bis zum 6. Februar 2023 aus 4.000 € und seit dem 7. Februar 2023 aus 3.000 € zu zahlen;

b) festgestellt wird, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die diesem zukünftig aus der Tat vom 11. Juli 2022 entstehen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergeht;

c) wegen des weiter gehenden Feststellungsbegehrens von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen wird.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die er vor der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, mit der sie ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts rügt, wendet sich die Staatsanwaltschaft zuletzt ebenfalls noch gegen „den Rechtsfolgenausspruch“. Die Rechtsmittel führen jeweils zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Jugendstrafe; die Revision des Angeklagten hat zudem eine Klarstellung und Änderung des Adhäsionsausspruchs zur Folge. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Im Rahmen seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker wurde dem damals 18-jährigen Angeklagten am 23. Juni 2022 von seinem Vorgesetzten E. und der Geschäftsführerin des Ausbildungsbetriebs nahegelegt, das mangelhaft abgeschlossene Lehrjahr zu wiederholen oder die Berufswahl zu ändern. Er wurde zudem wegen wiederholter Unpünktlichkeit abgemahnt. Am selben Tag kam es später zu einem lautstarken Wortgefecht zwischen dem Zeugen E. und dem Angeklagten, nachdem dieser seinen Bus verpasst hatte. Erst im Anschluss an seinen Urlaub bis 10. Juli 2022 kehrte der lernbehinderte Angeklagte, der eine Persönlichkeitsakzentuierung mit einer schlechten Ausprägung der Problemlösefertigkeit, des Durchsetzungsvermögens und der Emotionsverarbeitung aufweist, an seine Arbeitsstätte zurück.

Am 11. Juli 2022 gegen 6.30 Uhr fühlte sich der Angeklagte „verkatert“ durch einen am Vorabend konsumierten Joint. In dieser Stimmung fasste er den Plan, den Zeugen E. einzuschüchtern und „sich wieder Respekt zu verschaffen“. Hierzu wollte er ihn „in einschüchternder Aufmachung“ zur Rede stellen. Nachdem der Angeklagte Alkohol getrunken hatte, brach er mit einem Rucksack auf, in dem sich seine Survivalausrüstung, eine 80 cm lange Machete, ein Messer und ein ca. 38 cm langes Beil befanden. Im Betrieb zog er sich in der Umkleide ab etwa 7.45 Uhr eine Sturmhaube und mindestens einen Handschuh an. Zudem nahm er das Beil zur Hand; das Messer in seiner Scheide steckte er in eine Umhängetasche, die er am Körper trug. So ausgerüstet begab er sich an den Fuß einer Wendeltreppe und wartete dort längere Zeit im Treppenhaus, während deren er - wie schon zuvor - Fotos von sich machte.

Der Nebenkläger und hinter ihm der Zeuge Es., die auf der Suche nach dem Angeklagten waren, kamen gegen 9.00 Uhr die Wendeltreppe herunter. Der Nebenkläger erkannte den Angeklagten, mit dem er in der Vergangenheit eine Meinungsverschiedenheit um Wechselgeld gehabt hatte, trotz dessen Aufmachung und sprach ihn von der dritten oder vierten Treppenstufe aus an. Nachdem sich beide einen Moment angeschaut hatten, wandte sich der Nebenkläger zu dem Zeugen Es. um, der den Angeklagten nicht bemerkt hatte und bereits wieder auf dem Weg nach oben war. In diesem Moment schlug der Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von 0,94 Promille aufwies, dem Nebenkläger das Beil in den unteren Rücken. Hierdurch kam es zu einer vier Zentimeter langen und einen Zentimeter tiefen blutenden Wunde in Höhe des Beckenknochens, etwa zwei bis drei Zentimeter rechts der Wirbelsäule. Weder die konkrete Art der Ausholbewegung noch die Intensität des von dem Angeklagten geführten Schlages waren festzustellen. Der Nebenkläger drehte sich sodann zu dem Angeklagten um, der die rechte Hand mit dem Beil nunmehr etwa auf Höhe der eigenen Schläfe erhoben hatte und „in seine Richtung ausholte“. Weitere Einzelheiten konnte die Strafkammer auch insoweit nicht feststellen. Der Nebenkläger ergriff daraufhin den rechten Arm des Angeklagten, um ihn von weiteren Schlägen abzuhalten. Die Klinge des Beils war dabei in Richtung des Kopfes des Nebenklägers ausgerichtet. Der Zeuge Es. griff ein und schob die Kontrahenten aus dem Treppenhaus. Bei dem weiteren Handgemenge ließ der Angeklagte die Tatwaffe nicht los, dessen Arm konnte der Nebenkläger jedoch von sich wegdrücken. Hierbei traf das Beil beide Knie des Nebenklägers, der dort Schnittwunden davontrug. Erst als zwei weitere Zeugen einschritten, konnten dem Angeklagten Beil und Sturmhaube abgenommen und er an der Wand fixiert werden. Danach verhielt er sich ruhig. Dass er erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hatte, dass seine Handlungen zum Tod des Nebenklägers führen könnten, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen.

Der Nebenkläger trug neben den geschilderten Verletzungen, die am Rücken und linken Knie genäht werden mussten, Hämatome und Hautabschürfungen davon. Er leidet weiter an Bewegungsschmerzen am linken Knie und befindet sich aufgrund von tatbedingten Schlafstörungen in wöchentlicher psychologischer Behandlung.

2. Das Landgericht hat den Beilhieb in den Rücken des Nebenklägers als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB bewertet. Zudem hat es in dem anschließenden Ausholen mit dem Beil den Versuch einer weiteren gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gesehen, diesen jedoch im Rahmen der einheitlichen vollendeten Tat nicht gesondert ausgeurteilt.

II.

Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.

1. Sie ist nachträglich wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Dieser Beschränkung wäre allerdings die Anerkennung zu versagen, wenn die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig wären, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Ãœberprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen ließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2024 - 1 StR 218/23 Rn. 10; Beschluss vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 Rn. 20 mwN) oder unklar bliebe, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2014 - 2 StR 60/14 Rn. 7; Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12 Rn. 85 mwN). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor (vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Januar 2023 - 6 StR 298/22; Beschluss vom 13. Mai 2015 - 2 StR 488/14 Rn. 5). Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung wird jedenfalls von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB getragen, wobei der Strafkammer konkretere Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen ausdrücklich nicht möglich waren. Somit lassen die Urteilsgründe den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat zumindest in den wesentlichen Zügen erkennen und bilden damit hier eine ausreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung einschließlich des Adhäsionsausspruchs.

2. Das Urteil hat im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe keinen Bestand.

a) Keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten stellt es allerdings dar, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe „insbesondere“ die Belange des gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen hat. Sie hat dennoch nicht verkannt, dass der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke auch dann vorrangig zu berücksichtigen ist, wenn eine Jugendstrafe - wie hier - ausschließlich wegen der Schwere der Schuld verhängt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 4. August 2016 - 4 StR 142/16 Rn. 13 mwN; Beschluss vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13 Rn. 9). Die entsprechenden Grundsätze hat das Landgericht seiner Würdigung zutreffend vorangestellt und bei der Anwendung von § 18 Abs. 2 JGG darauf Bezug genommen. Es hat damit erkennbar wie geboten neben dem Erziehungsgedanken zugleich auch dem Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs Rechnung tragen wollen. Dieses Vorgehen entspricht dem Grundsatz, dass Erziehungsgedanke und Schuldausgleich in der Regel - und nach den Urteilsgründen auch hier - miteinander in Einklang stehen, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld bedeutsam sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. August 2016 - 4 StR 142/16 Rn. 13 mwN).

b) Das Landgericht hat jedoch bei der Bemessung der Jugendstrafe strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „zwei Ziffern des § 224 StGB“ verwirklicht habe. Diese Erwägung begegnet rechtlichen Bedenken, weil zwar die Voraussetzungen von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nicht aber jene des vom Landgericht ebenso angenommenen § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB festgestellt sind.

aa) Das Landgericht hat - wenn auch erst im Rahmen der Beweiswürdigung - rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Schlag mit dem Beil in den unteren Rücken des Nebenklägers angesichts dort verlaufender Arterien objektiv geeignet war, dessen Leben zu gefährden. Ausführungen zu einem hierauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten fehlen aber. Für den Vorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist es jedoch neben dem zumindest bedingten Körperverletzungsvorsatz erforderlich, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Dabei muss der Täter die von ihm erkannten Umstände zwar nicht als lebensgefährdend bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 15 mwN), die Handlung muss aber nach seiner Vorstellung auf Lebensgefährdung „angelegt“ sein (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 - 4 StR 325/23 Rn. 20; Urteil vom 27. Juli 2023 - 3 StR 509/22 Rn. 20; Beschluss vom 15. Februar 2023 - 4 StR 300/22 Rn. 10; Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 2 StR 267/22 Rn. 15; Beschluss vom 24. März 2020 - 4 StR 646/19 Rn. 9 mwN). Der Täter muss daher über eine Körperverletzung hinaus zumindest eine potentielle Gefährdung des Lebens des Opfers erkennen und billigen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 2 StR 267/22 Rn. 16; Beschluss vom 24. März 2020 - 4 StR 646/19 Rn. 10; Urteil vom 26. März 2015 - 4 StR 442/14 Rn. 12; s. auch BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - 3 StR 509/22 Rn. 21).

Dies war nach den Urteilsgründen nicht der Fall. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer zwar das unter § 224 StGB gefasste Handeln des Angeklagten pauschal als vorsätzlich bewertet. Sie hat aber ausdrücklich schon keine tatsächlichen Feststellungen dahin treffen können, dass er erkannte, seine Handlungen könnten zum Tod des Opfers führen. Insoweit hat die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Prüfung eines bedingten Tötungsvorsatzes bereits dessen kognitives Element verneint. Hierbei hat sie sich den Zweifeln der psychologischen Sachverständigen angeschlossen, die insbesondere an den Einschränkungen in der Persönlichkeit des Angeklagten festgemacht sind. Verblieben sind dem Landgericht - was im Einklang mit den getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite steht - „Zweifel daran, dass dem Angeklagten das Risiko eines tödlichen Ausgangs seiner Handlungen in der besonderen Situation bewusst gewesen ist“. Damit ergeben die Urteilsgründe mit Blick auf § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht, dass der Angeklagte die zumindest potentielle Gefahr für das Leben des Nebenklägers durch die Tathandlung erkannte (und in der Folge billigte).

bb) Auch einen - nach den Urteilsgründen ersichtlich fehlgeschlagenen - Versuch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, den die Strafkammer im Rahmen der einheitlichen Tat (vgl. hierzu näher BGH, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 6 StR 132/21 mwN) im „Ausholen“ des Angeklagten nach dem ersten Schlag gesehen hat, durfte sie nicht strafschärfend heranziehen. Die Feststellungen hierzu ergeben allein, dass der Angeklagte einen weiteren Schlag mit dem Beil gegen den Nebenkläger führen wollte. Die Strafkammer konnte sich hingegen nicht davon überzeugen, dass der Schlag dessen Kopf treffen sollte. Auch hiermit hat sie ihr Beweisergebnis begründet, dem Angeklagten habe das Risikobewusstsein für einen tödlichen Ausgang seines Handelns gefehlt. Damit lag nach den Urteilsgründen auch keine vorsatzgleiche Vorstellung einer lebensgefährdenden Behandlung vor.

c) Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt die Feststellung der Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG und damit die Verhängung von Jugendstrafe unberührt (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 7. November 2023 - 2 StR 344/23 Rn. 5; Beschluss vom 12. Januar 2022 - 1 StR 462/21 Rn. 6; Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 505/11 Rn. 5; Urteil vom 25. März 2009 - 5 StR 31/09 Rn. 13 [insoweit in BGHSt 53, 234 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 20. April 2005 - 5 StR 73/05). Denn insoweit hat die Strafkammer die gleichzeitige Verwirklichung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht herangezogen, sondern die Schwere der Schuld rechtsfehlerfrei bereits mit der Tatmotivation und -planung, dem hohen Maß an Gewalt und den eingetretenen Tatfolgen begründet (vgl. näher zu den Anforderungen BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - 3 StR 471/21 Rn. 10 f.; Urteil vom 15. Juli 2021 - 3 StR 481/20 Rn. 25).

Der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe ist hingegen aufzuheben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägung des Landgerichts einen den Angeklagten beschwerenden Einfluss auf die Strafhöhe hatte (§ 337 StPO). Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfehler stellt sich als bloßer Subsumtionsirrtum und damit Wertungsfehler dar. Denn die tatsächlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind auch unter Berücksichtigung der zugehörigen Beweisumstände nicht in sich widersprüchlich und beruhen auf einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung.

2. Der - zugleich klarzustellende - Adhäsionsausspruch kann ebenfalls nicht in Gänze bestehen bleiben.

a) Die Schmerzensgeldentscheidung stellt der Senat dahin klar, dass der vom Landgericht titulierte Zahlbetrag nicht mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz (= 105 % dieses Zinssatzes), sondern mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. In diesem Sinne sind sowohl der Adhäsionsantrag als auch das angefochtene Urteil auszulegen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 2/12 Rn. 12). Denn die geltend gemachten wie zugesprochenen Rechtshängigkeitszinsen sollen sich ersichtlich auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB stützen.

Darüber hinaus ist eine weitere Klarstellung mit Blick auf die bereits erfolgte Teilleistung des Angeklagten geboten. Insoweit ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte in Höhe von 1.000 € die Schmerzensgeldforderung des Adhäsionsklägers, d.h. die entsprechende Hauptforderung erfüllt hat (vgl. §§ 362, 367 Abs. 2 BGB). Die Tenorierung des Landgerichts („abzüglich“; zum Verständnis BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - VI ZB 63/14) weist demgegenüber dahin, dass die Leistung zum Nachteil des Angeklagten zuerst auf bereits aufgelaufene Zinsen anzurechnen sein könnte (§ 367 Abs. 1 BGB). Der Senat hat daher im Rahmen der Adhäsionsentscheidung den Leistungsausspruch insgesamt klarstellend neu gefasst.

b) Der weitere Adhäsionsausspruch, mit dem das Landgericht die Ersatzpflicht des Angeklagten für sämtliche dem Adhäsionskläger entstandenen und noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden festgestellt hat, ist in mehrfacher Hinsicht zu Lasten des Angeklagten rechtsfehlerhaft.

aa) Der Adhäsionskläger hat die Feststellung nur für ihm künftig entstehende Schäden beantragt. Mit seiner Tenorierung hat das Landgericht daher teilweise gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, was im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2024 - 1 StR 46/24 Rn. 1 mwN). Darüber hinaus ist den Urteilsgründen hinsichtlich der immateriellen Schäden nicht zu entnehmen, dass der Adhäsionskläger unvorhersehbare Spätfolgen der Tat zu befürchten hätte, die nicht bereits bei der Bemessung eines zu zahlenden Schmerzensgeldes berücksichtigt werden könnten. Insofern hat das Landgericht den Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht bedacht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2023 - 4 StR 66/23 Rn. 4; Beschluss vom 1. September 2022 - 4 StR 239/22 Rn. 3; Beschluss vom 11. Mai 2022 - 4 StR 21/22). Im genannten Umfang ist daher ebenfalls von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).

bb) Der Feststellungsausspruch kann dagegen im Ergebnis bestehen bleiben, soweit er künftige materielle Schäden des Adhäsionsklägers betrifft. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen weiter rechtsfehlerhaft von einem entsprechenden Anerkenntnis des Angeklagten ausgegangen ist. Denn der geltend gemachte Feststellungsanspruch des Adhäsionsklägers bedurfte hinsichtlich ihm künftig entstehender materieller Schäden keiner gesonderten Begründung. Vielmehr ergibt er sich hier aufgrund der rechtsfehlerfrei festgestellten fortbestehenden physischen und psychischen Beschwerden des Tatopfers ohne Weiteres auch schon aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. September 2020 - 3 StR 280/20 Rn. 10; Beschluss vom 12. November 2019 - 3 StR 436/19 Rn. 4).

III.

Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls teilweise Erfolg.

1. Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 9. August 2023 ihre ursprünglich unbeschränkt eingelegte Revision nach Ablauf der Begründungsfrist „auf den Rechtsfolgenausspruch“ beschränkt. Da die Staatsanwaltschaft zur Anfechtung des Adhäsionsausspruchs nicht befugt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - 3 StR 246/22 Rn. 11; Beschluss vom 11. Mai 2016 - 5 StR 456/15 Rn. 5 f.) und die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht auf die unterbliebene Anordnung weiterer Rechtsfolgen abstellen (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV), soll sich durch die erklärte Teilrücknahme das Rechtsmittel nur noch auf den (gesamten) Strafausspruch erstrecken. Diese Beschränkung ist wirksam. Insoweit gelten die Ausführungen zum wirksam beschränkten Rechtsmittel des Angeklagten, soweit es sich nicht zugleich auf den Adhäsionsausspruch erstreckt, auch an dieser Stelle.

2. Der Strafausspruch weist hinsichtlich der Höhe der Jugendstrafe Rechtsfehler zum Vorteil und zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.

a) Nicht zu beanstanden ist im Rahmen der Nachprüfung des Strafausspruchs allerdings, dass das Landgericht Jugendstrafrecht angewendet und schädliche Neigungen des unbestraften Angeklagten verneint hat.

b) Das Landgericht hat jedoch seiner Strafbemessung rechtsfehlerhaft den von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Jugendstrafe reichenden Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG zugrunde gelegt. Das korrekte Höchstmaß des Strafrahmens beträgt vorliegend zehn Jahre, wie aus § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG folgt. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Höhe der allein wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO). Dieser Ausspruch ist daher auch zuungunsten des Angeklagten aufzuheben. Die Feststellungen können bestehen bleiben, denn es liegt ein reiner Wertungsfehler vor.

c) Einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten weist der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe mit der straferschwerenden Berücksichtigung einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auf. Eine solche wird - wie ausgeführt - hinsichtlich der subjektiven Tatseite nicht von den Feststellungen getragen. Dieser Rechtsfehler führt gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten nach Maßgabe des zu seinem Rechtsmittel Ausgeführten ebenfalls dazu, dass (nur) der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufzuheben ist.

IV.

Die neue Jugendkammer, deren Zuständigkeit ungeachtet § 354 Abs. 3 StPO, § 40 Abs. 1 Satz 1 JGG sachgerecht erscheint, wird aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dem hier auch der für die Strafzumessung relevante (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 6 StR 132/21 Rn. 5) Versuch eines weiteren solchen Delikts zugrunde liegt, und unter Berücksichtigung der bindenden Feststellungen des ersten Rechtsgangs die Höhe der Jugendstrafe neu festzusetzen haben. Die bisherigen Feststellungen - etwa hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten - können widerspruchsfrei ergänzt werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 974

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede