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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 588

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 132/21, Beschluss v. 05.05.2021, HRRS 2021 Nr. 588


BGH 6 StR 132/21 - Beschluss vom 5. Mai 2021 (LG Braunschweig)

Körperverletzung (Verletzung durch mehrere Handlungen; eine Tat im Rechtssinne; Verhältnis von Vollendung und Versuch; Versuch einer weiteren Qualifikationsvariante).

§ 223 Abs. 1 StGB; § 224 Abs. 1, Abs. 2 StGB; § 52 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Wird dieselbe Person durch mehrere Handlungen des Täters verletzt, handelt es sich nur um eine Tat im Rechtssinne, wenn die einzelnen Akte in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, ohne dass wesentliche Zäsuren eintreten, und mit der Mehrheit der Handlungen das tatbestandliche Unrecht intensiviert wird. Die Vollendung der Tat ist dann als speziellere Gestaltung gegenüber dem Versuch desselben Delikts zu verstehen und verdrängt den Versuch.

2. Nichts anderes gilt, wenn der Täter im Rahmen der fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung eine weitere Qualifikationsvariante versucht. Denn zwischen den gleichwertigen Tatmodalitäten desselben Qualifikationstatbestands scheidet gleichartige Idealkonkurrenz (§ 52 Abs. 1 Alt. 2 StGB) aus, unabhängig davon, in welcher Weise die Tatmodalitäten aufgezählt sind.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 3. November 2020 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch im Fall II. 2. b) dahin geändert, dass die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung entfällt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch wegen einer in Tateinheit zur ausgeurteilten gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) stehenden versuchten gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe hat zu entfallen.

a) Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer 30 cm langen Stabtaschenlampe heftig auf den linken Arm und mit einem Sportschuh mit harter Gummisohle in das Gesicht. Den Schlag mit einer Glasflasche (0,33 l) gegen den Kopf der Nebenklägerin, zu dem der Angeklagte auf der am Boden liegenden Nebenklägerin sitzend bereits ausgeholt hatte, konnte ein Zeuge durch sein Eingreifen verhindern.

b) Wird dieselbe Person durch mehrere Handlungen des Täters verletzt, handelt es sich nur um eine Tat im Rechtssinne, wenn die einzelnen Akte - wie hier - in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, ohne dass wesentliche Zäsuren eintreten, und mit der Mehrheit der Handlungen das tatbestandliche Unrecht intensiviert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2019 - 5 StR 32/19, NStZ 2019, 471 Rn. 2; Urteil vom 16. Mai 1990 - 2 StR 143/90 Rn. 12; LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., vor § 52 Rn. 41). Die Vollendung der Tat ist dann als speziellere Gestaltung gegenüber dem Versuch desselben Delikts zu verstehen und verdrängt den Versuch (vgl. BeckOK-StGB/v. Heintschel-Heinegg, Stand 2/2021, § 52 Rn. 13; SSW-StGB/Eschelbach, 5. Aufl., § 52 Rn. 9).

c) Nichts anderes gilt, wenn der Täter im Rahmen der fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung eine weitere Qualifikationsvariante versucht. Denn zwischen den gleichwertigen Tatmodalitäten desselben Qualifikationstatbestands scheidet gleichartige Idealkonkurrenz (§ 52 Abs. 1 Alt. 2 StGB) aus, unabhängig davon, in welcher Weise die Tatmodalitäten aufgezählt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - 4 StR 656/93; NJW 1994, 2034, m. Anm v. Hippel, JR 1995, 125). Das dem versuchten Schlag mit der Flasche gegen den Kopf innewohnende Handlungsunrecht wäre im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 StGB). Deshalb schließt der Senat aus, dass die abweichende Bewertung des Tatgeschehens die Strafkammer veranlasst hätte, eine mildere Freiheitsstrafe zu verhängen.

2. Der Urteilstenor ist nicht um den Anrechnungsmaßstab von in Polen erlittener Auslieferungshaft zu ergänzen (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Denn aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, dass gegen den Angeklagten in Polen Auslieferungshaft verhängt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1988 - 1 StR 361/87, BGHSt 35, 238, 241); eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.

Die von dem Generalbundesanwalt beantragte und mit einem Verwerfungsantrag gemäß § 349 Abs. 2 StPO verknüpfte Ergänzung des Urteilstenors steht einer Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluss nicht entgegen, weil Schuld- und Strafausspruch hierdurch nicht berührt wären (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - 2 StR 326/08, NStZRR 2008, 384). Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der Generalbundesanwalt auch auf Absatz 4 des § 349 StPO bezogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 1993 - 2 StR 346/93, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Antrag 1).

3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 588

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 212; StV 2022, 165

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede