HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 431
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 295/22, Urteil v. 15.12.2022, HRRS 2023 Nr. 431
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 2022 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.1. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
c) soweit von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen worden ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil in den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem auf die Sachrüge gestützten - und insoweit beschränkten - Rechtsmittel im Fall II. 1. der Urteilsgründe die rechtliche Würdigung. Ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat im vollen Umfang Erfolg. Sie hat die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe, der verhängten Gesamtstrafe und des Absehens von der Anordnung des Vorwegvollzugs zur Folge. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe; im Übrigen bleibt sein Rechtsmittel ohne Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte fasste den Entschluss, sich durch den Verkauf von Betäubungsmitteln eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, um durch den Gewinn seinen wöchentlichen Cannabis-, Amphetamin- und MDMA-Konsum sowie die gelegentliche Einnahme von Ecstasy und Kokain zu finanzieren. Zu diesem Zweck kaufte er regelmäßig, im Schnitt einmal im Monat, jeweils 100 Gramm Amphetamin und Marihuana. Er legte sich in der Folge in seiner Wohnung einen Bestand an Betäubungsmitteln zu, der - wie von Anfang geplant - jeweils etwa hälftig zum Verkauf und für den Eigenkonsum bestimmt war.
a) Am 4. November 2021 wurden beim Angeklagten im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung 5,47 Gramm (netto) MDMA mit einem Wirkstoffgehalt von 2,9 Gramm MDMA-Base, das für den Eigenkonsum bestimmt war, weitere 3,12 Gramm (netto) Amphetamin sowie im Kühlschrank 76,07 Gramm (netto) Amphetaminpaste mit einem Trockengewicht von 44,10 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von 21,93 %, mithin 8,7 Gramm Amphetaminbase, sichergestellt, die jeweils zur Hälfte zum Eigenkonsum und zum Verkauf bestimmt waren. Daneben verwahrte der Angeklagte im Wohnzimmer 45,41 Gramm (netto) Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11,36 %, mithin 4,64 Gramm THC auf, das ebenfalls jeweils hälftig zum Eigenkonsum und als Handelsbestand dienen sollte. Ferner wurden eine Marihuana-Tabak-Mischung ohne bestimmbaren Wirkstoffgehalt und zwei Ecstasy-Tabletten zum Eigenkonsum sichergestellt. Darüber hinaus befand sich in der Wohnung - neben einer Feinwaage, einem Laminiergerät, einer Rolle Schweißfolie und Griptütchen - im Bereich des Wohnzimmereingangs auf einem Bügelbrett ein Baseballschläger (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
b) Anlässlich einer zweiten Durchsuchung seiner Wohnung am 10. November 2021 verfügte der Angeklagte über Reste eines neuen Handelsbestandes von ca. 13 Gramm (netto) Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 1,45 Gramm THC, welches erneut hälftig zum Eigenkonsum und zum Verkauf bestimmt war. Zudem lagerte er im Wohnzimmer gut 10 Gramm eines Marihuana-Tabak-Gemischs, kleinere Mengen Haschisch und Amphetamin sowie zum Eigenkonsum zwei Joints und zwei Tüten mit zerkleinerten Ecstasy-Tabletten. Ferner wurden weitere neu angeschaffte Drogenutensilien, Bargeld und ein Einhandmesser zur Absicherung der Verkaufsgeschäfte sichergestellt (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat beide Fälle jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG gewertet. Hingegen hat es im Fall II. 1. sowohl ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als auch ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar durch die Addition der Wirkstoffmengen der verschiedenen Betäubungsmittel der Grenzwert der nicht geringen Menge überschritten werde. Unter Berücksichtigung des hälftigen Eigenkonsumanteils werde jedoch weder für die Besitz- noch für die Handelsmenge der Grenzwert erreicht.
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist trotz des gegenüber ihrer Begründung weitergehenden Antrags, das Urteil insgesamt aufzuheben, auf den Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe, den Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie das Absehen der Anordnung eines Vorwegvollzugs beschränkt. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich eindeutig, dass weder der Schuld- und Strafausspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe noch die Unterbringungsentscheidung als solche angegriffen werden.
Diese Beschränkung ist wirksam; insbesondere ist die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in zulässiger Weise von der Revision ausgenommen. Die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil - rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2012 - 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587, 588; vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49 mwN). Zudem muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58; Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.).
Soweit die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung eines Maßregelausspruchs dann für unwirksam erachtet wird, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann, da die Feststellung der Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58; vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172), steht dies der Beschränkung der Revision hier nicht entgegen. Denn die Strafkammer hat mit der Tat vom 10. November 2021 (II. 2. der Urteilsgründe) eine Symptomtat festgestellt, die vom Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen wird und die Maßregelanordnung - losgelöst von den Beschwerdepunkten - trägt. Lediglich die Frage der Anordnung eines Vorwegvollzugs bedarf gegebenenfalls neuer Entscheidung.
2. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe allein wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG unterliegt zu Lasten des Angeklagten der Aufhebung, weil das Landgericht die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinn nicht erschöpfend abgeurteilt hat und insoweit seiner Kognitionspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 2 StR 291/18, NStZ 2019, 614 Rn. 14 f. mwN).
Die sich aus § 264 StPO ergebende Kognitionspflicht erfordert, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlichrechtlichen Mangel dar (BGH, Urteile vom 1. Juli 2021 - 3 StR 84/21, NStZ-RR 2021, 273, 274; vom 20. September 2018 - 3 StR 195/18, juris Rn. 35 mwN).
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Denn es hat weder eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 1 BtMG noch eine Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG im ausreichenden Maß in den Blick genommen, obschon die getroffenen Feststellungen dazu Anlass geboten haben.
a) Sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, werden vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ-RR 2017, 218, 219 mwN; vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14, juris Rn. 5). Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470), aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden (BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ-RR 2017, 218, 219; vom 11. Januar 2012 - 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122; vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11). Demgegenüber kann allein der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen aus unterschiedlichen Liefervorgängen eine Bewertungseinheit nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2000 - 5 StR 444/99, NStZ 2000, 431; Beschluss vom 23. Oktober 1996 - 5 StR 505/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9).
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass es sich bei dem im Fall II. 1. der Urteilsgründe sichergestellten Amphetamin und Marihuana um Restmengen aus einer vorangegangenen größeren Lieferung, gegebenenfalls von jeweils 100 Gramm der vorbezeichneten Drogen handelt. Indem die Strafkammer zur Bestimmung der Gesamtwirkstoffmenge lediglich auf die jeweiligen Restmengen abgestellt hat, hat sie sich den Blick darauf verstellt, dass sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, als eine Tat des Handeltreibens in Bezug auf die ursprüngliche Gesamtmenge gelten und diese damit auch von der Tat des Handeltreibens umfasst ist (vgl. zur Berechnung BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 StR 473/02, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 12).
Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Landgericht vor dem Hintergrund der festgestellten Wirkstoffgehalte in Höhe von 11,36 % hinsichtlich des aufgefundenen Marihuanas und in Höhe von 21,93 % hinsichtlich des sichergestellten Amphetamins (bezogen auf dessen Trockengewicht) den Angeklagten bei rechtsfehlerfreier Würdigung im Fall II. 1. der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für schuldig befunden hätte.
Vor diesem Hintergrund wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer auch in den Blick zu nehmen haben, ob sich der Angeklagte darüber hinaus im vorbezeichneten Fall aufgrund des ebenfalls in seiner Wohnung aufgefundenen Baseballschlägers wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2019 - 2 StR 294/19, NStZ 2020, 233, 234; vom 18. Juli 2018 - 5 StR 547/17, juris Rn. 29 f.).
b) Der Umstand, dass der Angeklagte ursprünglich eine Vorratsmenge von jeweils 100 Gramm Amphetamin und Marihuana erworben hatte, ist auch von der Anklageschrift umfasst (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 2022 - 3 StR 360/21, NJW 2022, 2349 Rn. 9; vom 8. Dezember 2021 - 5 StR 236/21, NStZ 2022, 409 Rn. 10 mwN; Beschluss vom 20. Mai 2021 - 3 StR 443/20, StV 2022, 69 Rn. 11 mwN).
Dem Angeklagten wird mit dieser zur Last gelegt, er habe „ungefähr seit dem 1. Juli 2020“ (richtig: 2021) den Entschluss gefasst, sich durch den wiederholten Verkauf von Betäubungsmitteln zumindest durchschnittlicher Qualität, insbesondere von Amphetamin, Marihuana, Ecstasy und MDMA, eine Einnahmequelle von einiger Dauer und Umfang zu verschaffen, wobei ihn Drogenhändler mit größeren Mengen entsprechender Betäubungsmittel versorgen konnten. Weiter heißt es im Anklagesatz, dass im Rahmen von zwei Wohnungsdurchsuchungen beim Angeklagten am 4. und 10. November 2021 die - oben unter Gliederungspunkt I. 1. näher dargestellten - Drogenrestmengen sichergestellt werden konnten.
Damit waren der Erwerb von jeweils 100 Gramm Marihuana und Amphetamin, der dem Teilakt des Besitzes der Restmengen vorausging, Gegenstand der Anklage. Denn insoweit liegt aufgrund der vorliegenden Bewertungseinheit nicht nur eine materiellrechtliche, sondern auch eine einheitliche prozessuale Tat i.S.v. § 264 Abs. 1 StPO vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. November 2020 - 3 StR 360/20, juris Rn. 10; vom 16. November 2000 - 3 StR 457/00, StV 2001, 460; vom 18. Mai 1994 - 2 StR 169/94, BGHR StGB Vor § 1/Serienstraftaten Handeltreiben 1).
c) Daneben ist die Strafkammer im Fall II. 1. der Urteilsgründe ihrer Kognitionspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen, weil eine Strafbarkeit des Angeklagten jedenfalls wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG nicht geprüft worden ist, obwohl nach den Feststellungen dazu Anlass bestanden hat.
Erwirbt der Täter eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln, die teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teils zum Eigenkonsum bestimmt ist, hängt die rechtliche Bewertung von den Wirkstoffgehalten der jeweils zum Weiterverkauf und zum Eigenkonsum vorgesehenen Teilmengen ab. Liegen sowohl die Handels- als auch die Eigenverbrauchsmenge unter der Grenze zur nicht geringen Menge, macht sich der Täter wegen des durch den Besitz der Gesamtmenge verwirklichten Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG, der durch die Vergehenstatbestände des § 29 Abs. 1 BtMG nicht verdrängt werden kann, des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig. Zur Klarstellung des dem Handeltreiben innewohnenden zusätzlichen Unrechtsgehalts tritt die Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln tateinheitlich hinzu (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 - 4 StR 368/19, juris; Urteil vom 20. Juni 2018 - 5 StR 68/18, NStZ 2019, 95 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 8. Juni 2015 - 2 StR 252/14, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2 Rn. 4; Urteil vom 12. März 2002 - 3 StR 404/01, juris Rn. 10).
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen kommt in Betracht, dass der Angeklagte insgesamt eine über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge besaß und sich daher wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG strafbar gemacht hat.
Die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist daher mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).
d) Dies führt zum Wegfall der betreffenden Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe und entzieht der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie dem an sich rechtsfehlerfreien Absehen von der Anordnung des Vorwegvollzugs die Grundlage, da diese gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB untrennbar mit der Höhe der verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe verknüpft ist (BGH, Urteile vom 20. Dezember 2018 - 4 StR 395/18, juris Rn. 10; vom 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12, juris Rn. 7).
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe; im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
1. Die Strafzumessung hält materiellrechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie weist einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von den Taten und der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 22. Juni 2022 - 2 StR 49/22, juris Rn. 14; vom 29. August 2018 - 5 StR 214/18, NStZ-RR 2018, 358).
Das Landgericht hat die verhängte Einzelstrafe im Fall II. 1. dem Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG entnommen und ein Absehen von der Regelwirkung nach Würdigung der allgemeinen Strafzumessungskriterien abgelehnt. In diesem Rahmen hat die Strafkammer ebenso wie bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, dass „auch harte Drogen“ aufgefunden wurden.
Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung zwar grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17, juris Rn. 5; vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN). Indes besteht insoweit ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis, das von sog. harten Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen, wie Cannabis reicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2022 - 3 StR 217/22, juris Rn. 5; vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17, juris Rn. 5; vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN; vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, juris Rn. 20).
Daran gemessen ist es rechtsfehlerhaft, die am 4. November 2021 in seiner Wohnung aufgefundenen Drogen in Form von Amphetamin, MDMA und Ecstasy als „harte“ Drogen anzusehen.
Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler, denn es ist nicht auszuschließen, dass sich die genannte Erwägung bei der Strafrahmenwahl sowie der Bemessung der Einzelstrafe und der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Der Strafausspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe unterliegen daher der Aufhebung. Indes bleiben die zugehörigen Feststellungen von dem Wertungsfehler unberührt, sodass sie bestehen bleiben können (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
2. Im Ãœbrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 431
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede