HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 250
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 175/23, Urteil v. 20.12.2023, HRRS 2024 Nr. 250
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 2. Januar 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil - im Fall II.2.1 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte tateinheitlich des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig ist; - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall II.2.2 der Urteilsgründe) sowie wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei tateinheitlichen Fällen (Fall II.2.1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie eine (isolierte) Sperre zur Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet und Einziehungsentscheidungen getroffen.
Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rüge des Angeklagten führt zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Während einer von März 2021 bis August 2021 dauernden Maßnahme nach § 35 BtMG lernte der vielfach vorbestrafte Angeklagte den Zeugen K. kennen, der bereits seit einigen Jahren für die Polizei in J. als Vertrauensperson unter dem Decknamen „T.“ tätig war, wovon der Angeklagte jedoch keine Kenntnis hatte. Bei einem Freizeitgespräch offenbarte der Angeklagte dem Zeugen, dass er wegen Taten im Zusammenhang mit Metamphetamin verurteilt worden sei und erklärte zugleich, dass er Metamphetamin von hoher Qualität besorgen könne. Der Zeuge K. zeigte Interesse an einem derartigen Erwerb, zu weitergehenden Absprachen kam es während der Therapie indes zunächst nicht, beide blieben jedoch in der Folgezeit in telefonischem Kontakt.
Am 21. Januar 2022 sandte der Angeklagte, der den Zeugen K. nicht mehr über die ihm bekannte Mobilfunknummer erreichen konnte, über einen Messenger-Dienst eine Sprachnachricht, in der er diesem mitteilte, dass er „soweit alles in Sack und Tüten“ habe und er, der Zeuge K., nur „zum Abholen“ kommen müsse. Dabei pries der Angeklagte erneut seinen „guten Kurs“ an und bat schnellstmöglich um Rückmeldung. Der Zeuge K. signalisierte am selben Tag erneut Interesse und schlug vor, das Geschäft zeitnah abzuwickeln. Beide vereinbarten daraufhin ein Treffen für den 28. Januar 2022, zu dem es jedoch aus ungeklärten Gründen nicht kam. Am 4. März 2022 teilte der Zeuge K. dem Angeklagten mit, dass er in den letzten zwei Monaten „familiären Stress“ gehabt, in der folgenden Woche aber Zeit habe. Eine daraufhin für den 11. März 2022 getroffene Verabredung, an die der Angeklagte am 10. März 2022 den Zeugen K. mit den Worten, er solle ihn „dieses Mal ja nicht wieder hängen lassen“, erinnerte, kam erneut nicht zustande. Schließlich trafen sich der Zeuge K. und der Angeklagte auf dessen Initiative am 24. März 2022, nachdem der Angeklagte kurz zuvor mitgeteilt hatte, dass er „shoppen“ gewesen sei. Der Zeuge K., der sein Vorgehen mit seinem VP-Führer, dem Zeugen KHK M., abgestimmt hatte, erklärte sich nunmehr gegenüber dem Angeklagten zur Durchführung eines von diesem als „Testkauf“ vorgeschlagenen Geschäfts bereit. Für weitere Treffen stellte die Polizei der VP K. den nicht offen ermittelnden Polizeibeamten mit dem Decknamen „Ma.“ unterstützend zur Seite.
a) Am 8. April 2022 fuhr der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügende Angeklagte gegen 13:00 Uhr mit seinem Motorrad auf den Parkplatz eines Schnellrestaurants in J., um sich dort mit dem Zeugen K. zu treffen, der „wenige Minuten später“ in Begleitung des „Ma.“ in einem zivilen Einsatzwagen erschien. Der Angeklagte übergab der VP K. - wie zuvor vereinbart - gegen Zahlung von 500 Euro verschiedene opiathaltige Medikamente als eine Art „Testkauf“ und besprach mit ihr die Modalitäten eines beabsichtigten Folgegeschäfts über 1 kg Methamphetamin zum Preis von 40.000 Euro. Nach „kurzem Smalltalk“ wurde die Unterhaltung sodann beendet, und der Angeklagte fuhr mit seinem Motorrad gegen 14:00 Uhr über die Bundesautobahn in Fahrtrichtung D. davon (Fall II.2.1 der Urteilsgründe).
b) Am 11. April 2022 ließ sich der Angeklagte von der Zeugin H. mit deren Fahrzeug von W. nach J. fahren, um das am 8. April 2022 mit dem Zeugen verabredete Geschäft über den Verkauf von 1 kg Methamphetamin zum Preis von 40.000 Euro abzuwickeln. Dabei führte der Angeklagte eine Reisetasche mit sich, in der sich eine Tüte mit 992,86 Gramm Methamphetamin befand. Gegen 12:45 Uhr kamen sie an dem verabredeten Treffpunkt, dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in J., an und begaben sich zunächst in das Restaurant. Als der Angeklagte sah, dass der Zeuge K. in Begleitung des „Ma.“ mit dem bereits am 8. April 2022 benutzten zivilen Einsatzfahrzeug auf den Parkplatz einfuhr, bat er die Zeugin H. unter dem Vorwand, ihr Fahrzeug umparken zu müssen, da sich dieses im Halteverbot befände, um die Schlüssel ihres Autos. Sodann parkte er dieses unmittelbar neben dem Fahrzeug des Zeugen K. Dabei war er sich im Klaren darüber, dass er die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß. Anschließend entnahm er aus dem Fahrzeug der Zeugin H. die Reisetasche mit dem Metamphetamin, nahm auf der Rücksitzbank des Einsatzwagens Platz und stellte die Sporttasche samt Inhalt auf die Mittelkonsole. Nachdem der Zeuge K. den Inhalt der Reisetasche überprüft hatte, erfolgte der polizeiliche Zugriff. Die 992,86 Gramm Methamphetamin enthielten bei einem Mindestwirkstoffgehalt von 75,65% eine Mindestwirkstoffmenge von 750,34 Gramm Methamphetamin-Base. Während der gesamten Tatausführung trug der Angeklagte eine Kette mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 5,2 cm griff- und gebrauchsbereit um seinen Hals, um - falls aus seiner Sicht notwendig - dieses zur Verletzung von Personen zur Verfügung zu haben (Fall II.2.2 der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat eine von der Verteidigung behauptete rechtsstaatswidrige Tatprovokation verneint. Die Übergabe der Medikamente (Fall II.2.1 der Urteilsgründe) hat es abweichend vom Anklagevorwurf nicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sondern als unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln gewertet und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass der Angeklagte diese Tat als „Testkauf“ geplant, er mithin nicht das Ziel gehabt habe, mit dem Verkauf der Medikamente einen Gewinn zu erzielen. Soweit es das konkurrenzrechtliche Verhältnis der zur Verurteilung gelangten Taten betrifft, ist die Strafkammer im Fall II.2.1 der Urteilsgründe von zwei Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ausgegangen, die mit der Abgabe von Betäubungsmitteln tateinheitlich zusammentreffen. Im Fall II.2.2 der Urteilsgründe hat es sowohl ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als auch den der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrundeliegenden Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der - insoweit widersprüchlichen - Einlassungen des Angeklagten eine uneigennützige Weitergabe nicht habe ausgeschlossen werden können, weshalb es ihn auch insoweit nur wegen Abgabe von Betäubungsmitteln - in nicht geringer Menge - verurteilt hat.
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils.
1. Ein Verfahrenshindernis aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation besteht nicht. Nach den insoweit auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. zum Maßstab BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 - 5 StR 650/17, juris Rn. 28) liegen die Voraussetzungen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 2018 - 5 StR 650/17 und vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 197/21, NStZ 2023, 243; EGMR, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 40495/15, NJW 2021, 3515; Schneider, NStZ 2023, 325), die zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis führen würde (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juni 2015 - 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276, 282 ff.; vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 197/21 und vom 15. Februar 2023 - 2 StR 270/22, NStZ 2023, 560), nicht vor.
Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme die Einlassung des Angeklagten, er sei von der VP K. zu dem Drogengeschäft gedrängt worden, als widerlegt angesehen. Danach trifft es nicht zu, dass erst die VP K. bei dem Angeklagten den Entschluss zur Durchführung der gegenständlichen Drogengeschäfte hervorgerufen hat. Vielmehr war es der tatgeneigte Angeklagte, der aus eigenem Antrieb unter Hinweis auf die gute Qualität und den guten Preis des Rauschgifts mehrfach an den Zeugen K. herangetreten ist, um diesen zum Kauf einer größeren Menge Metamphetamin zu veranlassen. Der Angeklagte schlug zudem die Durchführung eines Testkaufs mit Medikamenten vor, um sich der Zuverlässigkeit des Zeugen K. für den geplanten Verkauf des Metamphetamins zu vergewissern. Auch eine Intensivierung des Betäubungsmittelgeschäfts dergestalt, dass der Angeklagte aufgrund einer Einwirkung durch den Zeugen K. in eine Tat mit einem erheblich höheren Unrechtsgehalt verstrickt wurde (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 2018 - 5 StR 650/17, juris Rn. 26 und vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 197/21, juris Rn. 22 mwN), ist nicht festgestellt. Der Angeklagte war von vornherein zum Verkauf einer größeren Menge Metamphetamin bereit und auch ohne weiteres dazu in der Lage.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanst-andung nicht ankommt. Die Verurteilung des Angeklagten jeweils nur wegen Abgabe von und nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist fehlerhaft.
a) Die Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis im Fall II.2.2 Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die der Verneinung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zugrundeliegende Beweiswürdigung hält - auch eingedenk des beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2022 - 2 StR 503/21 und vom 2. März 2023 - 2 StR 119/22, juris Rn. 9 mwN) - rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zudem lassen die Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie ihrer Wertung ein zu enges Verständnis der Tatbestandsalternative des Handeltreibens zugrundegelegt hat.
(1) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit; der Begriff ist weit auszulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256, 262 mwN). Eigennützig handelt, wer von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder wer sich einen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder immateriell bessergestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1986 - 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124; Beschlüsse vom 11. August 1995 - 2 StR 329/95; vom 14. Februar 2023 - 4 StR 507/22, NStZ-RR 2023, 210 f.; BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - 2 StR 199/23, juris Rn. 11; Patzak/Volkmer/Patricius-Patzak, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 342).
(2) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Strafkammer nicht festzustellen vermocht, „ob und wenn ja welchen Gewinn“ der Angeklagte mit der Veräußerung der 992,86 g Methamphetamin für 40.000 Euro an den Zeugen K. zu erzielen beabsichtigte. Insbesondere hat sie sich außerstande gesehen, die Einlassung des Angeklagten, wonach er den Kaufpreis in Höhe von 40.000 Euro nach der Übergabe des Rauschgifts vollständig hätte weiterreichen sollen, zu widerlegen. Insofern seien die Aussagen des Angeklagten gegenüber der Polizei und gegenüber der Strafkammer derartig widersprüchlich, dass sich eine Gewinnerzielungsabsicht des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit nicht habe feststellen lassen.
(3) Diese Beweiserwägungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn sie bleiben lückenhaft.
(a) Ausweislich der Urteilsgründe hat der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt zu haben, sondern lediglich widersprüchliche Angaben zur Art des erstrebten Gewinns gemacht. So hat er in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gegenüber dem Vernehmungsbeamten KHK S. angegeben, das Methamphetamin von einem nicht namentlich benannten „Kumpel“ auf „Kommi“ erworben zu haben, wobei ihm für die Durchführung des Drogengeschäfts ein Betrag von 2.000 Euro versprochen worden sei. Auch gegenüber der VP K. hat der Angeklagte von einer Gewinnbeteiligung an dem in Rede stehenden Geschäft gesprochen, die sich allerdings auf 5.000 Euro belaufen sollte. In der Hauptverhandlung hat er sich eingelassen, der Zeuge K. habe ihm zusätzlich zu den vereinbarten 40.000 Euro, die er vollständig an seinen „Kumpel“ habe übergeben wollen, ein E-Bike versprochen; dieses habe er verkaufen wollen, um aus dem Erlös Drogenschulden zu begleichen und seinen Eigenbedarf an Betäubungsmitteln zu finanzieren. Auch die im Urteil wiedergegebene Kommunikation über „Facebook“ legt ein eigennütziges, auf Gewinnerzielung gerichtetes Handeln des Angeklagten nahe. Danach teilte der Angeklagte dem Zeugen K. im Zuge der Geschäftsanbahnung u.a. mit, dass er „alles in Sack und Tüten“ habe und der Zeuge K. „nur herkommen“ und „ein bisschen Geld mitbringen“ müsse, dann „kannst’s“ mitnehmen. In weiteren, im Zusammenhang mit dem geplanten Drogengeschäft stehenden Nachrichten berichtete der Angeklagte, dass er „shoppen“ gewesen sei und auch „was zum Zeigen und alles“ habe.
(b) Zwar hat die Strafkammer die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, denen zufolge der Zeuge K. diesem über den vereinbarten Preis von 40.000 Euro hinaus ein E-Bike zur eigenen Verwendung versprochen habe, gewürdigt und mit tragfähiger Begründung als unglaubhaft bewertet. In den Urteilsgründen ist aber nicht nachvollziehbar dargetan, warum das Landgericht aus dem festgestellten Beweisergebnis nicht die naheliegende Schlussfolgerung gezogen hat, dass der Angeklagte an dem vereinbarten Betäubungsmittelgeschäft - in welcher Höhe auch immer - partizipieren wollte. Eine solche Schlussfolgerung drängte sich schon mit Blick darauf, dass der Angeklagte auf Grundlage eigener Bekundungen eigennützig gehandelt hat, auf und hätte deshalb näherer Erörterung bedurft. Zudem führte der Angeklagte das Rauschgiftgeschäft über 40.000 Euro auch alleine durch, indem er das Methamphetamin nach J. transportierte, das Rauschgift dem Zeugen K. übergab und dafür den Kaufpreis entgegennehmen wollte. Damit hat er sich einem erheblichen Strafverfolgungsrisiko ausgesetzt und zur Geschäftsanbahnung und -abwicklung einen beträchtlichen Aufwand betrieben. Ein mögliches Motiv für ein solches kaum nachvollziehbares, szeneuntypisches Verhalten hat die Strafkammer nicht erörtert.
bb) Sollte der neue Tatrichter naheliegend zur Annahme des Tatbestandsmerkmals des „Handeltreibens“ im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gelangen, wird er mit Blick auf das Messer, welches der Angeklagte nach den Feststellungen während des Tatgeschehens um den Hals trug, ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu erwägen haben. So hat er sich bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung eingelassen, das Messer für den Fall mit sich geführt zu haben, dass „man ihn irgendwie hätte rippen wollen“.
b) Auch im Fall II.2.1 der Urteilsgründe ist die Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei tateinheitlichen Fällen rechtsfehlerhaft. Die Annahme der Strafkammer, ein eigennütziges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG liege nicht vor, weil die Veräußerung der opiathaltigen Medikamente für 500 Euro am 8. April 2022 lediglich ein „Testkauf“ gewesen sei, mit dem der Angeklagte die Zuverlässigkeit des Zeugen K. im Hinblick auf das nachfolgend geplante Betäubungsmittelgeschäft habe überprüfen wollen, ist unzutreffend.
aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts, scheidet (eigennütziges) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht schon deshalb aus, weil es dem Angeklagten bei dem „Testkauf“ vornehmlich darum ging, im Hinblick auf das geplante Folgegeschäft die Liquidität und Vertrauenswürdigkeit des Zeugen K. zu prüfen. Denn seine Absicht, den Zeugen K. zu „testen“, schließt nicht aus, dass daneben auch die Aussicht auf Gewinn ein Beweggrund seines Handelns war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 1 StR 462/95, juris Rn. 7 ff.).
bb) So geben bereits die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung Anlass zur Prüfung, ob dieser sich bei der Durchführung des als „Testkauf“ bezeichneten Geschäfts zumindest auch von einem Gewinnstreben leiten ließ. Dort hat sich der Angeklagte eingelassen, er habe für den Verkauf der Medikamente an den Zeugen K. „etwa 200 Euro oder so als Spritgeld bekommen“. Nach den Urteilsgründen fuhr der Angeklagte mit seinem Motorrad von seinem damaligen Wohnort in W. zum Übergabeort in J. und zurück, so dass er auch unter Berücksichtigung der hierfür aufgewendeten Benzinkosten im Ergebnis einen nicht unerheblichen Gewinn erzielt haben dürfte.
cc) Der neue Tatrichter wird darüber hinaus zu bedenken haben, dass auch im Falle einer Veräußerung von Betäubungsmitteln zum Einstandspreis die Annahme eines eigennützigen Handelns in Betracht kommt. So kann etwa das Interesse des Täters an der Anbahnung oder Aufrechterhaltung einer gewinnbringenden Geschäftsbeziehung insoweit genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2023 - 2 StR 244/23, juris Rn. 5).
c) Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs nach sich.
Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Abänderung des Schuldspruchs im Fall II.2.1 der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Anordnung der Unterbringung. Im Übrigen ist ihr der Erfolg zu versagen.
1. Die Formalrügen bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Soweit der Revisionsführer eine Verletzung von § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO rügt, weil die Strafkammer nicht zuvor auf die angeordnete Maßregel nach § 64 StGB hingewiesen habe, bedarf es einer Entscheidung des Senats im Hinblick auf die insoweit durchgreifende Sachrüge nicht.
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils hat - von der zur Abänderung des Schuldspruchs führenden konkurrenzrechtlichen Bewertung im Fall II.2.1 der Urteilsgründe abgesehen - zum Schuld-, Straf- und Einziehungsausspruch sowie zur isolierten Anordnung einer Sperrfrist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Soweit die Strafkammer ein eigennütziges Handeln und damit eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, Fall II.2.1 der Urteilsgründe) bzw. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, Fall II.2.2 der Urteilsgründe) verneint hat, ist dieser dadurch nicht beschwert.
b) Die konkurrenzrechtliche Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich - tateinheitlich zur Abgabe von Betäubungsmitteln - des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei tateinheitlichen Fällen, schuldig gemacht, ist rechtsfehlerhaft. Das Dauerdelikt des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG umfasst die gesamte von vornherein auch über eine längere Wegstrecke geplante Fahrt bis zu deren endgültigem Abschluss, ohne dass kurzzeitige Fahrtunterbrechungen zu einer Aufspaltung der einheitlichen Tat führen. Etwas Anderes gilt nur, wenn die Fortsetzung der Fahrt auf einem neu gefassten Willensentschluss des Täters beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2018 - 4 StR 149/18; vom 8. Juli 2020 - 4 StR 72/20, NStZ-RR 2020, 384, 385 und vom 24. November 2022 - 2 StR 55/22). Danach sind nicht - wie das Landgericht angenommen hat - zwei Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegeben, die mit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln tateinheitlich zusammentreffen; vielmehr liegt nur eine einheitliche Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor. Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte den Parkplatz ausschließlich wegen des Treffens mit dem Zeugen K. auf und setzte seine Fahrt - wie von Anfang an geplant - nach der dadurch bedingten kurzen Unterbrechung fort.
Da insoweit keine andere Entscheidung in Betracht kommt, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können. Auf die Höhe der Einzelstrafe hat die Änderung keinen Einfluss. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung, die den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat unberührt lässt, auf eine geringere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte.
c) Bei der Bemessung der Einzelstrafe in Fall II.2.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten - neben der „ganz erheblichen“ Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge um das 150-fache - auch die Art des tatgegenständlichen Rauschgifts gewertet, weil es sich bei Methamphetamin (umgangssprachlich: Crystal bzw. Crystal-Meth) um eine „aufgrund ihres hohen Suchtpotentials und der hohen gesundheitlichen Gefahren für Konsumenten äußerst gefährliche Droge“ handele. Diese Einschätzung teilt der Senat (vgl. dazu ausführlich nach Einholung von Sachverständigengutachten BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89, 90 ff.; dieser Einschätzung folgend auch BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16).
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Senat hat bei der revisionsrechtlichen Überprüfung einer Anordnung der Unterbringung gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung aktuelle Gesetzesfassung zugrundezulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. November 2007 - 3 StR 390/07, NStZ 2008, 213; vom 22. Januar 2008 - 5 StR 624/07; vom 3. August 2016 - 4 StR 305/16; vom 24. Oktober 2023 - 4 StR 364/23 und vom 7. November 2023 - 5 StR 345/23). Danach ist vorliegend die Vorschrift des am 1. Oktober 2023 in Kraft getretenen § 64 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203, S. 2) maßgebend, die strengere Anforderungen an die Annahme sowohl eines Hangs als auch eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem und einer Anlasstat sowie an die Erfolgsprognose stellt (vgl. zur Intention der Gesetzesänderung auch BR-Drucks. 687/22, S. 78 ff.).
b) Diesen Anforderungen werden die Erwägungen zu der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht. Insbesondere belegen die Feststellungen nicht, dass die Anlasstaten überwiegend auf den Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgehen. Zwar ist für die Annahme des symptomatischen Zusammenhangs nach § 64 Satz 1 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 nicht erforderlich, dass die Begehung der Anlasstat(en) ihre Ursache allein in der Suchterkrankung der „Person“ hat. Andererseits genügt nicht jede Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstat, so dass der von § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzte symptomatische Zusammenhang nicht vorliegt, wenn diese Taten nicht überwiegend auf den Hang, sondern auf andere Ursachen, wie etwa eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur zurückgehen (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 26, 46 ff.). Ob vorliegend diesen erhöhten Kausalitätsanforderungen Genüge getan ist, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Es wird einzig mitgeteilt, die Strafkammer habe „im Einklang mit den Ausführungen der Sachverständigen keinen Zweifel am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs“. Damit ist dem Senat bereits eine Prüfung der insoweit maßgebenden Erwägungen der Strafkammer verwehrt, weshalb die Anordnung der Unterbringung schon aus diesem Grunde der Aufhebung unterliegt (zu den Darstellungsanforderungen vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15, Rn. 14 und vom 20. Juli 2023 - 2 StR 75/23 mwN); dies zumal sich der Symptomcharakter der vom Landgericht als unentgeltliche Abgabe ausgeurteilten Betäubungsmittelgeschäfte auch nicht von selbst erschließt. Im Übrigen stellt die Strafkammer im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose darauf ab, dass aufgrund der Drogenabhängigkeit des Angeklagten und dessen Mangel an Selbstvertrauen ohne eine nachhaltige Veränderung seiner Lebensführung zu erwarten sei, dass er „zur Finanzierung des Lebensbedarfs und des Eigenkonsums“ künftig „erhebliche Straftaten gegen das BtMG“ begehen werde. Damit setzt sie sich jedoch in Widerspruch zu ihren Feststellungen, wonach der Angeklagte in keinem der beiden Anlasstaten „in der Absicht, Gewinn zu erzielen“ gehandelt habe.
c) Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der Anordnung der Unterbringung mit den zugehörigen Feststellungen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 250
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede