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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 538

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 270/22, Beschluss v. 15.02.2023, HRRS 2023 Nr. 538


BGH 2 StR 270/22 - Beschluss vom 15. Februar 2023 (LG Erfurt)

Strafzumessung (minder schwerer Fall: gesetzlich vertypter Milderungsgrund, allgemeine Strafzumessungsgründe, Prüfungsreihenfolge).

§ 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 15. November 2021, soweit es ihn betrifft,

a) im Strafausspruch aufgehoben und

b) in der Einziehungsentscheidung dahingehend abgeändert, dass 4.776,06 Gramm Marihuana sowie 0,84 Gramm Kokain eingezogen sind.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und „die sichergestellten Betäubungsmittel“ eingezogen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge, die den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Strafrahmen nicht richtig bestimmt hat.

a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist ? wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB ? auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtabwägung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 13. September 2022 - 2 StR 236/22, NStZ 2023, 163 f.).

Diese Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet, sondern einen minder schweren Fall allein unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsgründe abgelehnt und sodann eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.

b) Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Denn der Senat kann angesichts der Diskrepanz zwischen dem angewandten Strafrahmen von drei Monaten bis elf Jahren und drei Monaten und dem möglicherweise in Betracht kommenden Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe nicht ausschließen, dass die verhängte Freiheitsstrafe auf dem Rechtsfehler beruht.

c) Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.

2. Im Übrigen holt der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog die konkrete Bezeichnung der einzuziehenden Betäubungsmittel nach.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 538

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede