HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 619
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 104/20, Beschluss v. 23.04.2020, HRRS 2020 Nr. 619
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2019 - soweit es ihn betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch bestehen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter wurde die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten in Höhe von 1.000 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte K. zusammen mit den nicht revidierenden Mitangeklagten P. und M. und weiteren in der Türkei aufhältigen Hintermännern Mitglied einer Bande, die sich als „falsche Polizisten“ ausgaben und zum Nachteil älterer Personen handelten, um bei den Geschädigten Geldbeträge oder Vermögensgegenstände abzuholen, die wegen einer behaupteten Gefährdungslage angeblich in Sicherheit gebracht werden sollten. Der Angeklagte K. war dabei nur in drei der insgesamt vom Landgericht abgeurteilten sieben Einzelfälle als Fahrer tätig, der den jeweiligen sog. „Abholer“ zu den entsprechenden Wohnungen der Geschädigten fuhr, im Fahrzeug wartete und den Abholer nach Entgegennahme der Wertgegenstände wieder mitnahm. Er erhielt für diese Tätigkeit einen geringen Anteil an der Tatbeute.
2. Das Landgericht geht ohne nähere Begründung von einem in Mittäterschaft begangenen gewerbs- und bandenmäßigen Betrug des Angeklagten K. in drei tatmehrheitlichen Fällen aus. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht auf die hier naheliegende Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe nicht eingeht und deshalb auch keine wertende Gesamtbetrachtung vornimmt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Abgrenzung zwischen täterschaftlichen Handlungen und Beihilfehandlungen nach allgemeinen Regeln im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2019 - 1 StR 640/18 Rn. 5 und vom 8. Januar 2013 - 5 StR 606/12 Rn. 3; Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 Rn. 6 ff.), wobei wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft dabei der Grad des Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu sind (BGH, Beschluss vom 5. April 2016 - 3 StR 554/15 Rn. 4).
b) Vor dem Hintergrund, dass sich der Tatbeitrag des Angeklagten K. nach den Feststellungen des Landgerichts in den ihn betreffenden drei Fällen darauf beschränkte, den jeweiligen sog. „Abholer“ zu den Geschädigten zu fahren, ohne aber selbst bei der Entgegennahme der Vermögensgegenstände an den Wohnungen der Geschädigten beteiligt gewesen zu sein, wäre eine solche wertende Gesamtwürdigung hier aber erforderlich gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19 Rn. 6 f.; vom 19. April 2018 - 3 StR 638/17 Rn. 9 f. und vom 28. November 2017 - 3 StR 266/17 Rn. 10 f.). Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte K. nach den bisherigen Feststellungen nur einen Fahrauftrag hatte und in keinerlei konkretem Kontakt mit dem Abholer stand sowie der Großteil der von den Geschädigten überlassenen Vermögenswerte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang an die Hintermänner weitergeleitet werden musste. Dabei kann ferner Bedeutung erlangen, dass der Angeklagte K. nach den Feststellungen des Landgerichts (UA S. 17) auch mehrfach versuchte, telefonisch den Kontakt zu einem Hintermann in der Türkei herzustellen, und diesem gegenüber „Interesse an einer intensiveren Tatbeteiligung“ äußerte. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Würdigung.
3. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen sind aber rechtsfehlerfrei getroffen und werden durch den aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Eine Erstreckung der Revision auf die nicht revidierenden Mitangeklagten P. und M. (§ 357 Satz 1 StPO) kommt nicht in Betracht. Insoweit liegt schon eine andere Tatsachengrundlage vor, weil P. in den Fällen II.3. und II.5. jeweils die tatbestandsmäßige Handlung ausführte sowie im Fall II.7. beide Mitangeklagte schwerer zu gewichtende Tatbeiträge leisteten.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 619
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede