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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 217

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 246/24, Beschluss v. 04.12.2024, HRRS 2025 Nr. 217


BGH 4 StR 246/24 - Beschluss vom 4. Dezember 2024 (LG Landau in der Pfalz)

Vorsatz (Raserfall; bedingter Verletzungsvorsatz: Körperverletzung, Wissenselement, Willenselement, Eigengefährdung, risikoaffine Täter; bedingter Gefährdungsvorsatz); verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge; Körperverletzung mit Todesfolge; Schwere Körperverletzung; Übernahme des Verfahrens (Verlesung in der Hauptverhandlung: Übernahmebeschluss, Vorlegungsbeschluss).

§ 15 StGB; § 226 StGB; § 227 StGB; § 315d StGB; § 225a StPO; § 243 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein bedingter Verletzungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Schadens als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit seinem Eintritt abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Ob der Täter hiernach bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz (oder lediglich [bewusste] Fahrlässigkeit) vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich das Tatgericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht.

2. Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes. Gleichwohl kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an. Das Tatgericht hat daher die jeweils in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen.

3. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. Dementsprechend muss sich das Tatgericht bei einer naheliegenden Eigengefährdung einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien.

4. Ein bedingter Gefährdungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 21. Dezember 2023 mit den Feststellungen zur inneren Tatseite aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Aufhebung des zunächst ergangenen Strafbefehls nach Wiederaufnahme und Übernahme des Strafverfahrens - wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt, von der fünf Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als bereits vollstreckt gelten. Zudem hat das Landgericht gegen den Angeklagten Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Seine auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte bewegte am Abend des 20. Juli 2019 in L. einen allradgetriebenen Pkw BMW 740d mit einer Leistung von 230 kW auf der Bundesstraße 44. Er wollte das mit vier Passagieren besetzte Fahrzeug über diese Bundesstraße, die nach dem Ortsausgang mit Mittelleitplanken versehen insgesamt vierspurig verläuft, weiter in Richtung M. steuern. Ab etwa 19.00 Uhr kam es zu einem Starkregen, durch den sich auf der Straße Wasser sammelte und im weiteren Verlauf der Bundesstraße 44 Pfützen bildeten. Windböen schleuderten zeitweise - vom Angeklagten auch wahrgenommen - Gegenstände wie Mülltonnen und Planschbecken umher.

Gegen 19.10 Uhr brachte der Angeklagte sein Fahrzeug unmittelbar vor dem Ortsausgang von L. an einer roten Ampel auf der rechten Geradeausfahrspur an fünfter Stelle zum Halten. Auf der linken Geradeausspur stand an der Haltelinie ein hochmotorisiertes Fahrzeug Audi A8. Bei Grünlicht beschleunigte dessen Fahrer über die nach dem Ortsausgang auf 100 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit hinaus bis auf eine Geschwindigkeit von etwa 120 km/h. Der Angeklagte hatte im Kreuzungsbereich auf zunächst etwa 50 km/h beschleunigt, wechselte sodann auf die linke Fahrspur und gab Vollgas, um hierdurch seine Mitinsassen zu beeindrucken. Der Fahrer des Pkw Audi erkannte das sich nähernde Fahrzeug des Angeklagten und wechselte auf die rechte Fahrspur, um ein Überholen zu ermöglichen.

Der Angeklagte beschleunigte den Pkw BMW weiterhin maximal auf der gerade verlaufenden Fahrbahn, auf der er eine Geschwindigkeit von mindestens 179 km/h erreichte. Etwa 962 Meter hinter dem Kreuzungsbereich mündet die Bundesstraße in eine leichte Linkskurve, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch ein kurz hinter dem Kurveneingang positioniertes Verkehrsschild auf 90 km/h begrenzt ist. In der Kurve hatte sich im linken Fahrbahnbereich aufgrund des vorherigen Starkregens, der nunmehr nachgelassen hatte, Wasser angesammelt. Bei Nässe wäre die Kurve mit maximal 139 km/h zu durchfahren gewesen. Unmittelbar vor dem Verkehrsschild verlor der Angeklagte durch seine zu hohe Geschwindigkeit aufgrund Aquaplanings die Kontrolle über das Fahrzeug. Mit einer Geschwindigkeit von 144 bis 177 km/h touchierte der ins Schleudern geratene Pkw zunächst mit dem linken Hinterreifen den linken Randstein. Das Fahrzeug prallte infolge seiner Schleuderbewegung schließlich mit noch 95 km/h im Bereich der linken hinteren Tür gegen einen Baum im Bankett der rechten Fahrbahnseite. Den Insassen auf dem linken und dem mittleren Platz der Rückbank blieb keine Überlebenschance. Der weitere hinten sitzende Mitfahrer überlebte mit schwersten Verletzungen und ist dauerhaft pflegebedürftig. Der Beifahrer und der Angeklagte, der zudem eine Traumafolgenstörung entwickelte, trugen durch das Kollisionsgeschehen jeweils eine Armfraktur davon.

Das Landgericht hat die Absicht des Angeklagten bejaht, nach dem Kreuzungsbereich eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen. Zudem hat es seinen bedingten Gefährdungsvorsatz im Hinblick auf Leib und Leben der Mitfahrer sowie seinen bedingten Körperverletzungsvorsatz - unter Billigung eines Unfalls mit jedenfalls kleineren Verletzungen bei ihm und den übrigen Insassen - bejaht.

2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrüge nicht stand. Denn die Beweiswürdigung des Landgerichts zur inneren Tatseite genügt - auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 - 4 StR 197/23 Rn. 6 mwN) - in mehrfacher Hinsicht den rechtlichen Anforderungen nicht.

a) Die Strafkammer hat einen Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten, der zugleich den Gefährdungsvorsatz im Sinne von § 315d Abs. 2 StGB umfassen würde (vgl. Pegel in MüKoStGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 80 mwN), nicht tragfähig belegt.

aa) Ein bedingter Verletzungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Schadens als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit seinem Eintritt abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17 Rn. 11; Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Ob der Täter hiernach bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - 4 StR 350/23 Rn. 10; Urteil vom 16. Februar 2023 - 4 StR 211/22 Rn. 20). Die Prüfung, ob Vorsatz (oder lediglich [bewusste] Fahrlässigkeit) vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich das Tatgericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 84/15 Rn. 12; Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07 Rn. 11).

Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 84/15 Rn. 15; Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13 Rn. 8). Gleichwohl kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an. Das Tatgericht hat daher die jeweils in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 - 2 StR 54/14 Rn. 21; Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13 Rn. 11). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. Dementsprechend muss sich das Tatgericht bei einer naheliegenden Eigengefährdung einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien (vgl. näher zum Ganzen BGH, Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 17 ff.).

bb) Diesen Maßgaben wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Das Wissenselement des Körperverletzungsvorsatzes hat die Strafkammer nicht rechtsfehlerfrei belegt. Nach ihrer Überzeugung erkannte der Angeklagte aufgrund der Höchstgefährlichkeit seiner Handlung, dass es zu einem Verkehrsunfall mit Verletzungsfolgen kommen könne; die „massive Gefährlichkeit seines Handelns“ sei dem Angeklagten bewusst gewesen. Diesen Schlussfolgerungen fehlt die tatsächliche Grundlage. Die Strafkammer hat sich nicht davon überzeugen können, dass ihm der Unfallort als eine Gefahrenstelle für Aquaplaning aufgrund dortiger Wasseransammlung bekannt war. Welche möglichen Unfallabläufe aufgrund seiner Tathandlung der Angeklagte besorgte, inwiefern er diese also in der Tatsituation für gefährlich hielt, lassen die Urteilsgründe daher nicht erkennen. Somit ist bereits die Möglichkeitsvorstellung unfallbedingter Verletzungen bei den Mitinsassen nicht tragfähig begründet. Soweit das Landgericht weiter ausgeführt hat, die Geschwindigkeitsbegrenzungen hätten für den Angeklagten ein Warnsignal darstellen müssen, vermag dies von vornherein allenfalls ein fahrlässiges Handeln zu begründen. Denn dass er sie als ein solches Warnsignal erkannte, ist nicht festgestellt. Hinsichtlich der weiter herangezogenen Witterungsbedingungen hat das Landgericht nicht bedacht, dass sich diese im Tatzeitpunkt bereits gebessert hatten. Welche Bedeutung ihnen der Angeklagte - auch vor dem Hintergrund der Fahrzeugausstattung - beigemessen hat, führt die Strafkammer ebenfalls nicht aus. Gleiches gilt für die festgestellten Vorerfahrungen des Angeklagten mit Geschwindigkeitsverstößen, deren Vergleichbarkeit mit der tatgegenständlichen Verkehrssituation das Landgericht zudem nicht erörtert hat.

Das voluntative Vorsatzelement ist damit ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei belegt. Das Landgericht hat insoweit ferner ausgeführt, der Angeklagte möge zwar mit Blick auf die technische Ausstattung des Fahrzeugs auf das Ausbleiben größerer Verletzungen gehofft haben, jedenfalls habe er aber „kleinere Verletzungen“ bei sich und den Mitfahrern billigend in Kauf genommen. Mit diesen Ausführungen ist auch der gegen die Hinnahme eines Unfallgeschehens sprechende Gesichtspunkt der Eigengefährdung nur unzureichend erörtert. Denn den Urteilsgründen ist - wie ausgeführt - nicht zu entnehmen, welche Unfallszenarien sich der Angeklagte vorgestellt hat, bei denen allenfalls leichte Verletzungen einträten. Die im Abstrakten bleibenden Erwägungen des Landgerichts sind für sich nicht nachvollziehbar. Zudem hätte die Strafkammer die als ihrerseits gefährlich gewerteten früheren Verkehrsverstöße des Angeklagten auch vorsatzkritisch unter dem Blickwinkel zu bedenken gehabt, dass Schäden damals gerade ausgeblieben waren (vgl. auch zur Vorsatzprüfung bei risikoaffinen Tätern BGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - 4 StR 350/23 Rn. 12, 21).

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts, durch die es bereits für sich genommen einen bedingten Gefährdungsvorsatz des Angeklagten im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB als belegt angesehen hat, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.

Ein bedingter Gefährdungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - 4 StR 350/23 Rn. 17; Urteil vom 16. Februar 2023 - 4 StR 211/22 Rn. 28 mwN). Diese Voraussetzungen sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Landgericht hat es vielmehr unterlassen festzustellen und zu belegen, dass sich der Angeklagte - wie in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2022 - 4 StR 377/21 Rn. 11 mwN) - aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorgestellt hat, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen dem tatsächlich eingetretenen (Beinahe-)Unfall entsprach. Die allein bereits dem Beleg eines Gefährdungsvorsatzes dienenden Ausführungen des Landgerichts, auf die es im Rahmen der Prüfung des Wissenselements des Verletzungsvorsatzes Bezug genommen hat (s.o.), verhalten sich letztlich nur zu einer mit der Tathandlung verbundenen abstrakten Gefahr.

c) Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen mitsamt den Tatfolgen und zu den früheren Verkehrsverstößen des Angeklagten werden durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Unberührt sind auch die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen.

3. Soweit das Urteil nach den vorstehenden Ausführungen auf die Sachrüge Bestand hat, bleiben auch die darüber hinaus erhobenen Verfahrensrügen erfolglos.

a) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob im Fall der Übernahme des Verfahrens nach § 225a StPO auch der Übernahmebeschluss - und, wie die Revision zudem meint, der Vorlegungsbeschluss des Amtsgerichts - nach § 243 Abs. 3 StPO zu verlesen sind. Denn durch die in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung des ergangenen Strafbefehls (vgl. dazu Schuster in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 373a Rn. 16) waren auch die Schöffen darüber unterrichtet, auf welchen geschichtlichen Vorgang sich das Verfahren bezieht und auf welche Verfahrensvorgänge sie daher ihr besonderes Augenmerk zu legen hatten (zum Normzweck KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 243 Rn. 20 mwN). Somit kann das angefochtene Urteil jedenfalls im verbleibenden Umfang nicht auf dem gerügten Rechtsfehler beruhen (so auch allgemein BGH, Beschluss vom 13. Juli 2021 - 6 StR 287/21).

b) Ebenso liegt es bei den von der Revision vermissten Hinweisen nach § 265 Abs. 1 StPO auf die nunmehr anstelle von Fahrlässigkeitsdelikten ausgeurteilten Tatbestände, deren Eingreifen jeweils maßgeblich von der inneren Tatseite abhängt. Darüber hinaus hat sich das Landgericht in seinem Übernahmebeschluss unter Ziffer 2. des Tenors die rechtliche Bewertung des vorlegenden Amtsgerichts zu eigen gemacht und einen weiter gehenden Hinweis erteilt, wodurch dem Angeklagten eine mögliche Verurteilung wie geschehen vor Augen geführt wurde. Nicht anders als bei rechtlichen Hinweisen im Eröffnungsbeschluss, der durch den Übernahmebeschluss abgewandelt wird (vgl. Jäger in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 225a Rn. 20 f.), waren deshalb hier ohnehin keine Hinweise in der Hauptverhandlung mehr erforderlich (s. zu § 209 Abs. 2 StPO auch BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 84/07 Rn. 19 f.).

4. Angesichts der erfolgten Teilaufhebung und Zurückverweisung ist die Kostenbeschwerde des Angeklagten gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 - 1 StR 50/21 Rn. 19 mwN).

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht nicht nur eigene Feststellungen zu einem etwaigen Körperverletzungs-/Tötungsvorsatz oder zumindest Gefährdungsvorsatz des Angeklagten, sondern auch zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen des Grunddelikts des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, insbesondere also zu seiner Rennabsicht zu treffen haben wird. Darüber hinaus können die bestehenbleibenden Feststellungen um ihnen nicht widersprechende weitere Feststellungen ergänzt werden.

Bei der Entscheidung über die Rechtsfolgen wird das neue Tatgericht zudem zu prüfen haben, ob eine Anrechnung des im Rahmen der vormaligen Bewährungsauflage gezahlten Geldbetrages auf die neue Sanktion geboten ist (vgl. auch Cirener in Miebach/Hohmann, Wiederaufnahme in Strafsachen, 1. Aufl., Kap. H Rn. 65).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 217

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede