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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1147

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 377/21, Urteil v. 18.08.2022, HRRS 2022 Nr. 1147


BGH 4 StR 377/21 - Urteil vom 18. August 2022 (LG Ingolstadt)

Verbotenes Kraftfahrzeugrennen (Qualifikation: Voraussetzungen, konkrete Gefahr, Beeinträchtigung der Sicherheit eines der benannten Individualrechtsgüter, Eintritt der Rechtsgutsverletzung nur vom Zufall abhängig, bloße enge räumliche Nähe zur Gefahrenquelle, Ausbleiben des Schadens, Verhinderung des Unfalls durch eine andere plötzliche Wendung, objektiv nachträgliche Prognose, Beinnaheunfall, Gefährdungsvorsatz, Abfinden mit dem Eintritt der Gefahrenlage, Vorstellung des Täters, Umstände des Einzelfalls, keine überspannten Anforderungen, Indizien).

§ 315d Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Rennen gegen sich selbst i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fährt, verwirklicht den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein Fahrverhalten während des Alleinrennens eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht.

2. Dazu muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine Verkehrssituation geführt haben, in der die Sicherheit eines der benannten Individualrechtsgüter so stark beeinträchtigt worden ist, dass der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung - was aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - nur noch vom Zufall abhing. Dabei genügt es in der Regel nicht, dass sich Menschen oder bedeutende Sachwerte in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befunden haben. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, etwa weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte oder eine andere plötzliche Wendung den Unfall noch verhinderte. Erforderlich ist ein Geschehen, das - nicht anders als in den Fällen der § 315b Abs. 1 und § 315c Abs. 1 StGB - auf der Grundlage einer objektiv nachträglichen Prognose als ein sog. Beinaheunfall beschrieben werden kann.

3. Dies bedeutet in subjektiver Hinsicht, dass der Täter nur dann mit dem erforderlichen zumindest bedingten Gefährdungsvorsatz handelt, wenn er über die allgemeine Gefährlichkeit des Alleinrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfindet. Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung zum Gefährdungsvorsatz in den §§ 315 - 315c, auf die nach der Gesetzesbegründung zu § 315d Abs. 2 StGB zurückgegriffen werden kann.

4. Wie konkret die Vorstellung des Täters sein muss und in welchem Umfang das Tatgericht dazu Feststellungen treffen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z. B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen, Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 6. April 2021 mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Der Nebenkläger erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Beide Rechtsmittel haben überwiegend Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen befuhr der 22-jährige Angeklagte am 20. Oktober 2019 mit seinem BMW M4 kurz nach 23:00 Uhr die Bundesautobahn A 9 bei Ingolstadt. Das Fahrzeug des Angeklagten verfügte - auch aufgrund von durch ihn selbst mittels einer für den Offroad-Betrieb bestimmten Tuning-App vorgenommenen technischen Veränderungen - über 575 PS, 850 Nm Drehmoment und eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h. Wegen der durch die Veränderungen und weitere Umbauten bedingten Verschlechterung der Geräusch- und Abgasemissionen war die Betriebserlaubnis des BMW erloschen. Der von dem Angeklagten befahrene geradlinig und eben verlaufende Streckenabschnitt der A 9 verfügt über drei nicht beleuchtete Spuren mit separatem Standstreifen. Aus Lärmschutzgründen ist die Geschwindigkeit ab 1.400 m vor der tatgegenständlichen Unfallstelle in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf 120 km/h beschränkt, ab 750 m vor dieser auf 100 km/h. Das Verkehrsaufkommen war moderat, die Sicht war gut und die Fahrbahn trocken. Es befanden sich von Zeit zu Zeit Fahrzeuge auf allen drei Spuren. Auch die linke Spur wurde regelmäßig für Überholvorgänge genutzt.

Bereits innerhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h überholte der links fahrende Angeklagte einen mit ca. 100 km/h auf der mittleren Fahrspur befindlichen Pkw, wechselte vor diesem zunächst auf die mittlere Spur, dann auf die rechte Spur und ließ sich anschließend hinter den Pkw zurückfallen, so dass der Pkw wieder an ihm vorbeifuhr. Anschließend wechselte er über die mittlere Spur auf die linke Spur, setzte zu einer massiven Beschleunigung an und passierte den weiterhin auf der mittleren Fahrspur fahrenden Pkw erneut mit hoher, nicht mehr näher feststellbarer Geschwindigkeit. Das gesamte Fahrmanöver nahm er in der Absicht vor, eine möglichst schnelle Beschleunigung und die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, um die Leistungssteigerung seines Fahrzeugs „auszuleben“. Dabei ignorierte er die ihm bekannten Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 120 km/h und 100 km/h. Wenige Sekunden später schloss er zu einem vor ihm auf der linken Fahrspur fahrenden Pkw auf und ging leicht vom Gas. Nachdem der Fahrer dieses Pkw, der den mit hoher Geschwindigkeit sich nähernden BMW bemerkt hatte, auf die mittlere Spur gewechselt war, gab der Angeklagte wieder stark Gas, überholte den Pkw mit weit überhöhter Geschwindigkeit und beschleunigte weiter auf mindestens 233 km/h.

Noch im Sichtbereich des Fahrers des zuvor überholten Pkw nahm der Angeklagte erst im letzten Augenblick den mit eingeschaltetem Abblendlicht vor ihm mittig auf der linken Spur fahrenden Audi A4 des Geschädigten wahr. Obwohl er noch eine Vollbremsung einleitete und weitestmöglich nach links auswich, fuhr er mit 207 km/h auf das Heck des Audi auf. Der Geschädigte, der angeschnallt mit ca. 120 km/h auf der mittleren Spur gefahren war, hatte etwa 4,2 Sekunden vor der Kollision seinen linken Blinker gesetzt und war anschließend auf die linke Spur gewechselt, um ein vor ihm mit ca. 100 km/h fahrendes Wohnwagengespann, das seinerseits einen mit etwa 85 km/h auf der rechten Fahrspur fahrenden Lkw passierte, zu überholen. Als der Geschädigte den Blinker setzte, war der Angeklagte noch 125 m entfernt. Der Geschädigte hätte zu diesem Zeitpunkt die Lichter des BMW im Rück- und Seitenspiegel erkennen und den Spurwechsel unterlassen können. Eine zutreffende Einschätzung der Position des BMW und dessen hoher Geschwindigkeit war dem Geschädigten allerdings nur eingeschränkt und nur mit hoher Fehlertoleranz möglich. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, wenn der Angeklagte höchstens 197 km/h gefahren wäre.

Durch den Zusammenprall schleuderte der Audi A4 über die mittlere und rechte Spur ins Bankett und überschlug sich. Der Geschädigte erlitt ein schweres, offenes Schädel-Hirn-Trauma und verstarb noch an der Unfallstelle. Der BMW des Angeklagten geriet ebenfalls ins Schleudern, kollidierte mit dem auf der mittleren Spur fahrenden Wohnwagengespann und überschlug sich. Aufgrund der Sicherheitsausstattung seines Fahrzeugs erlitt der Angeklagte nur leichte Verletzungen. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden. An weiteren Fahrzeugen wurden hohe Sachschäden verursacht.

II.

Die Revision des Angeklagten ist ganz überwiegend begründet. Seine Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge (§ 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und Abs. 5 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht hat, indem er die Bundesautobahn A 9 trotz einer ihm bekannten Geschwindigkeitsbegrenzung mit Geschwindigkeiten bis zu 233 km/h befuhr. Auch die Absicht des Angeklagten, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, ist rechtsfehlerfrei festgestellt.

2. Der objektive Tatbestand des § 315d Abs. 2 StGB (konkrete Gefährdung des Lebens anderer Menschen und fremder Sachen von bedeutendem Wert) ist mit Blick auf das festgestellte Unfallgeschehen ebenfalls verwirklicht. Jedoch ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht widerspruchsfrei, dass der Angeklagte auch mit dem nach § 315d Abs. 2 StGB erforderlichen (bedingten) Gefährdungsvorsatz handelte.

a) Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Rennen gegen sich selbst i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fährt, verwirklicht den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein Fahrverhalten während des Alleinrennens eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2021 - 4 StR 511/20 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Dazu muss die Tathandlung - wie hier - über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine Verkehrssituation geführt haben, in der die Sicherheit eines der benannten Individualrechtsgüter so stark beeinträchtigt worden ist, dass der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung - was aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - nur noch vom Zufall abhing (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2021 - 4 StR 155/21 Rn. 5 [zu § 315c StGB]; Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 505/18, NJW 2019, 615 Rn. 7 [zu § 315b StGB]; jeweils mwN). Dabei genügt es in der Regel nicht, dass sich Menschen oder bedeutende Sachwerte in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befunden haben. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, etwa weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte oder eine andere plötzliche Wendung den Unfall noch verhinderte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 - 4 StR 528/20, NStZ-RR 2021, 187, 188 [zu § 315c StGB]; Urteil vom 15. Dezember 1967 - 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 73 ff. [zu § 315b StGB]; Urteil vom 11. Januar 2017 - 5 StR 409/16, NStZ 2017, 281, 282 [zu § 306a StGB]). Erforderlich ist ein Geschehen, das - nicht anders als in den Fällen der § 315b Abs. 1 und § 315c Abs. 1 StGB - auf der Grundlage einer objektiv nachträglichen Prognose als ein sog. Beinaheunfall beschrieben werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2021 - 4 StR 155/21 Rn. 5; Beschluss vom 17. Februar 2021 - 4 StR 528/20, NStZ-RR 2021, 187, 188; Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, NStZ 2014, 85, 86; Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 725/94, BGHR StGB § 315c Abs. 1 Nr. 1a Gefährdung 3 [jeweils zu § 315c StGB]; LK-StGB/König, 13. Aufl., § 315c Rn. 150 ff.).

Dies bedeutet in subjektiver Hinsicht, dass der Täter nur dann mit dem erforderlichen zumindest bedingten Gefährdungsvorsatz handelt, wenn er über die allgemeine Gefährlichkeit des Alleinrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfindet (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 532/15 Rn. 10; Beschluss vom 9. September 2014 - 4 StR 365/14 Rn. 3; Beschluss vom 18. November 1997 - 4 StR 542/97, NStZ-RR 1998, 150; Beschluss vom 22. August 1995 - 4 StR 456/95, BGHR StGB § 315c Abs. 1 Nr. 1a Vorsatz 2; Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 591/91 Rn. 9; Urteil vom 24. Juli 1975 - 4 StR 165/75, BGHSt 26, 176, 179; Urteil vom 15. Dezember 1967 - 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 73 ff.; LK-StGB/König, 13. Aufl., § 315 Rn. 101 und § 315c Rn. 191 mwN). Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung zum Gefährdungsvorsatz in den §§ 315 - 315c, auf die nach der Gesetzesbegründung zu § 315d Abs. 2 StGB zurückgegriffen werden kann (BT-Drucks. 18/12964 S. 6).

Wie konkret die Vorstellung des Täters sein muss und in welchem Umfang das Tatgericht dazu Feststellungen treffen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z. B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 - 4 StR 225/20 Rn. 5 und 20; BayObLG, Beschluss vom 22. Juli 2020 - 207 StRR 245/20, BeckRS 2020, 17421 Rn. 32), sein vorangegangenes Fahrverhalten (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1996 - 4 StR 267/96 Rn. 6), Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1967 - 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 74) Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein.

b) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe schon deshalb nicht, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes bejaht hat, nicht mit den Ausführungen in Übereinstimmung gebracht werden können, die der Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegen.

Die Strafkammer hat unter anderem mit Blick darauf, dass der Angeklagte kurz vor der Kollision mit dem Fahrzeug des Geschädigten auf einen anderen mit 120 km/h auf der linken Spur fahrenden Pkw getroffen war, dessen Fahrer ihm bereitwillig Platz gemacht hatte, den Schluss gezogen, dass er spätestens zu diesem Zeitpunkt sicher wusste, dass sich überholende Fahrzeuge mit erheblich langsamerer Geschwindigkeit auf der linken Spur befinden oder auf diese wechseln können und in einem solchen Fall infolge des erheblichen Geschwindigkeitsunterschiedes die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zu einem schwerwiegenden Unfall mit möglicherweise sogar tödlichen Folgen kommt (UA 22 und 104 ff.). Im Rahmen der Würdigung des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes ist sie dann aber davon ausgegangen, die Einlassung des Angeklagten nicht widerlegen zu können, er habe darauf vertraut, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug sehen und die Spur nicht wechseln würden, da sie ihn und seine Geschwindigkeit erkannt haben (UA 109). Dies zugrunde gelegt hat der Angeklagte aber - jedenfalls nicht ausschließbar - angenommen, dass es überhaupt nicht zu einer konkreten Gefahrenlage kommen werde. Denn er vertraute nicht lediglich darauf, dass im Fall des Eintritts einer Gefahrenlage eine Erfolgsvermeidung durch ihn oder die gefährdeten Verkehrsteilnehmer doch noch möglich wäre. Stattdessen rechnete er mit dem Ausbleiben von Gefahrenlagen aufgrund der Umsicht der anderen Verkehrsteilnehmer. Der Umstand, dass die Strafkammer diesen Gesichtspunkt nicht herangezogen hat, um das kognitive Element des bedingten Tötungsvorsatzes zu verneinen, sondern - insoweit unrichtig - deshalb allein das voluntative Element für nicht belegt hielt, ändert daran nichts (vgl. zum Verhältnis von Gefährdungsvorsatz und bedingtem Schädigungsvorsatz BGH, Urteil vom 31. Januar 2019 - 4 StR 432/18 Rn. 13; Urteil vom 15. Dezember 1967 - 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 73 ff. mwN).

3. Die Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge kann daher nicht bestehen bleiben. Schon wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens unterliegt auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB der Aufhebung. Hinsichtlich des erforderlichen Gefährdungsvorsatzes gilt das oben Gesagte entsprechend.

III.

Die nach § 400 Abs. 1 StPO zulässige Revision des Nebenklägers hat ebenfalls ganz überwiegend Erfolg.

Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft auch die Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen zu einer anderen Bewertung gekommen wäre.

IV.

Während die übrigen ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen bestehen bleiben können, hebt der Senat nur die tatsächlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1147

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede