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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 679

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 461/23, Urteil v. 27.03.2024, HRRS 2024 Nr. 679


BGH 2 StR 461/23 - Urteil vom 27. März 2024 (LG Frankfurt am Main)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (kinderpornographische Absicht: einer anderen Person Verschaffen, Verbreiten, Tatmodalitäten des § 184b StGB aF, Verwendungsabsicht, mittels Informations- oder Kommunikationstechnik angestrebte Übertragung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, Abspeichern auf Datenträgern, mehrfach überschießende Innentendenz, Teilnehmer; Konkurrenzen: Sich-Verschaffen kinderpornographischer Schriften; Verwendungsabsicht; Anstiftung); Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte (Verjährung: Sichverschaffen, Wideraufleben des subsidiären Besitztatbestandes; Konkurrenzen: Tatmehrheit).

§ 176a StGB aF; § 184b StGB; § 53 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Der gegenüber der Tatmodalität des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften grundsätzlich subsidiäre Besitztatbestand lebt wieder auf, wenn der Verfolgbarkeit des Sichverschaffens das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegensteht.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Generalstaatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. April 2023

a) im Schuldspruch in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte (Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe), des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften (Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe), davon in vier Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zu einem sexuellen Übergriff (Fälle II.3 bis II.6 der Urteilsgründe) schuldig ist,

b) aufgehoben

aa) im Strafausspruch in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe,

bb) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern in sieben Fällen (Fälle II.1 bis II.7 der Urteilsgründe), davon in fünf Fällen in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften (Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe), wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen (Fälle II.8 bis II.12 der Urteilsgründe), wegen öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sechzehn Fällen (Fälle II.13 bis II.17 und II.19 bis II.29 der Urteilsgründe) sowie wegen öffentlichen Zugänglichmachens jugendpornographischer Schriften (Fall II.18 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Generalstaatsanwaltschaft, mit der sie in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe jeweils den Schuldspruch und die darauf beruhende Strafzumessung beanstandet, hat Erfolg.

I.

Das Landgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Seit dem Jahr 2012 nutzte der Angeklagte unterschiedliche Chat- und sonstige Kommunikationsplattformen im Internet, die auch eine Kommunikation per Video miteinander vorsahen. Dort suchte er gezielt Kontakt zu Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts und forderte sie als Chatpartner dazu auf, bei eingeschalteter Videokamera mit Bildübertragung sexuelle Handlungen an sich selbst oder an anderen Kindern - darunter auch Kleinkindern - vorzunehmen. Er erteilte den minderjährigen Chatpartnerinnen im Einzelnen wiederholt schriftlich im Chat Weisungen, woraufhin diese sich auszogen, geschlechtsbetonte Körperhaltungen ein- und von dem Angeklagten näher bezeichnete sexuelle Handlungen vornahmen. In sämtlichen - hier gegenständlichen - Fällen erstellte der Angeklagte von den mittels Webcam „live“ übertragenen Tathandlungen mit Hilfe des Programms „A.“ heimlich eine Videoaufnahme, die er jeweils abspeicherte.

2. Auf dieser Grundlage hat die Strafkammer zu Ziffer II.1 bis II.7 der Urteilsgründe folgende Einzelfälle festgestellt:

a) Am 4. Juni 2012 und am 15. Juni 2012 (Fall II.1 und Fall II.2 der Urteilsgründe) kommunizierte der Angeklagte über die Video- und Chatanwendung „Skype“ mit einer unbekannt gebliebenen, minderjährigen weiblichen Person mit dem Profilnamen „L. “. Er forderte seine Chatpartnerin jeweils auf, ein im Unterkörper unbekleidetes, neben ihr liegendes Mädchen im Alter von circa sechs Jahren zu streicheln und es so vor der Kamera zu positionieren, dass man dessen Vaginalbereich und Gesäß sehen könne. Der anschließend schriftlich erteilten Anweisung des Angeklagten folgend, manipulierte die Chatpartnerin mit ihren Fingern an der Vagina des Mädchens, wobei sie abwechselnd unterschiedliche Finger ihrer rechten Hand vaginal einführte. Auf weitere Aufforderung des Angeklagten hin zog sie zudem die Schamlippen des Mädchens auseinander. Im Fall II.2 der Urteilsgründe legte die Chatpartnerin überdies auf Verlangen des Angeklagten die Hand des Kindes auf ihren eigenen entblößten Vaginalbereich.

b) Am 24. Juli 2019, am 28. Juli 2019 und am 1. August 2019 (Fälle II.3, II.4 und II.5 der Urteilsgründe) chattete der Angeklagte über „Skype“ mit einem circa 15-jährigen unbekannt gebliebenen Mädchen mit dem Profilnamen“ S. ". Im Verlauf des jeweiligen Chats forderte er dieses auf, ihm den Penis eines neben dem Mädchen stehenden männlichen Kleinkindes im Alter von circa einem Jahr zu zeigen. Das Mädchen zog dem Jungen - entsprechend der Anweisung des Angeklagten - daraufhin die Windel aus und präsentierte dessen Glied. In den Fällen II.4 und II.5 der Urteilsgründe manipulierte seine Chatpartnerin auf Verlangen des Angeklagten zudem zunächst mit der Hand, später auch mit dem Mund am Glied des Jungen, wobei es sich im Fall II.5 der Urteilsgründe um ein anderes männliches Kleinkind als in den beiden vorangegangenen Fällen handelte.

c) Am 4. August 2019 (Fall II.6 der Urteilsgründe) chattete der Angeklagte erneut mit“ S. “. Der Angeklagte veranlasste das Mädchen dazu, sexuelle Handlungen am Penis des bei ihr befindlichen - im Unterleibsbereich vollständig entkleideten - männlichen Kleinkindes vorzunehmen, an dem es bereits am 1. August 2019 (Fall II.5 der Urteilsgründe) sexuelle Handlungen vorgenommen hatte. Weisungsgemäß manipulierte es erst mit der Hand und später mit dem Mund an dessen Glied. Anschließend forderte der Angeklagte seine Chatpartnerin auf, ihren Vaginalbereich zu entblößen. Weiteren Anweisungen des Angeklagten folgend, setzte sie sich das männliche Kleinkind zwischen ihre Beine, so dass dessen Geschlechtsteil ihre Vagina berührte. Dabei forderte der Angeklagte seine Chatpartnerin dazu auf, den Geschlechtsverkehr mit dem Kleinkind durchzuführen.

d) Am 13. Oktober 2019 (Fall II.7 der Urteilsgründe) chattete der Angeklagte über „Skype“ mit einem minderjährigen, unbekannt gebliebenen Mädchen mit dem Profilnamen“ Z. ". Im Verlauf des Chats forderte er das Mädchen auf, ihre Shorts weit hochzuziehen und das Gesäß zu zeigen, woraufhin dieses aufstand, die Hose hochzog und ihr teilweise unbekleidetes Gesäß in die Kamera hielt. Sodann wies der Angeklagte das Mädchen an, sich hinzulegen und ihren Vaginalbereich zu zeigen. Nachdem seine Chatpartnerin dieser Aufforderung nachgekommen war, erschien sodann ein circa sechsjähriges Mädchen vor der Kamera. Der Angeklagte forderte nunmehr beide Mädchen auf, sich zu küssen, sich auszuziehen und sich gegenseitig zu berühren. Beide Mädchen kamen den zahlreichen und nachdrücklichen Anweisungen des Angeklagten nach, indem sie sich entsprechend seinen Forderungen teilweise auszogen, küssten, sich mit entblößtem Unterkörper aufeinanderlegten und teilweise an sich selbst, teilweise an der jeweils anderen mit den Fingern im Vaginalbereich manipulierten. Zudem wies der Angeklagte die Mädchen an, ihre Vagina direkt und nah vor die Kamera zu halten. Als“ Z.“ Bedenken äußerte und keine weiteren Handlungen mehr vornehmen wollte, teilte der Angeklagte ihr schriftlich im Chat mit, dass er sie nur im Falle des Fortfahrens mit der Sängerin Billie Eilish bekannt machen werde, woraufhin“ Z.“ die Handlungen fortsetzte.

3. Dieses Verhalten des Angeklagten hat das Landgericht jeweils als Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB i.d.F. vom 31. Oktober 2008 (Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe) bzw. i.d.F. vom 21. Januar 2015 (Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe), und in den Fällen II.3 bis II.7 der Urteilsgründe darüber hinaus als - tateinheitliche - Verbreitung kinderpornographischer Schriften in Form des Herstellens gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB i.d.F. vom 13. April 2017 gewertet. Eine Beteiligung an, insbesondere auch eine Anstiftung zu einem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht gemäß § 176a Abs. 3 StGB i.V.m. § 176 Abs. 1 StGB in den jeweils gültigen Fassungen hat es verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für ein „Verbreiten“ im Sinne des § 176a Abs. 3 StGB i.V.m. § 184b StGB nicht vorlägen. Zwar genüge es, wenn der „kinderpornographische Inhalt“ im Sinne des § 176a Abs. 3 StGB a.F. i.V.m. § 11 Abs. 3 StGB a.F. mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen und anschließend nur einer einzigen Person zur Verfügung gestellt werde, bei der es sich auch um einen Beteiligten der Tat nach § 176 StGB handeln könne. Hier habe der Angeklagte die übertragenen „kinderpornographischen Inhalte“ indes jeweils nur sich, nicht aber einer anderen Person verschafft. Das Sichverschaffen stelle aber gerade keinen Fall der beiden einschlägigen Fassungen des § 184b Abs. 1 bis 3 bzw. Abs. 1 oder 2 dar, der von § 176a StGB erfasst sein sollte.

II.

1. Die Generalstaatsanwaltschaft begehrt mit der erhobenen Sachrüge eine Schuldspruchänderung in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe und eine Aufhebung der in diesen Fällen ergangenen Einzelstrafaussprüche sowie im Gesamtstrafenausspruch.

Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft ist wirksam beschränkt. Zwar hat sie die allgemeine Sachrüge erhoben und einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Widersprechen sich jedoch Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründungsschrift, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2022 - 2 StR 305/22, juris Rn. 12). Danach macht sie - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - allein die unzutreffende rechtliche Würdigung der vorbezeichneten Taten geltend und greift die darauf beruhende Strafzumessung an.

2. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

a) Die rechtliche Bewertung in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe jeweils nur wegen Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1, § 26 StGB a.F., davon in fünf Fällen (Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe) in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. weist den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler auf.

aa) Hinsichtlich der Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des in kinderpornographischer Absicht begangenen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 3 StGB i.d.F. vom 21. Januar 2015, (nunmehr § 176c Abs. 2 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021, BGBl. I S. 1810) verkannt und infolgedessen den Unrechtsgehalt der Taten nicht ausgeschöpft hat.

(1) Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es genügt, wenn die kinderpornographische Schrift im Sinne des § 176a Abs. 3 StGB a.F. i.V.m. § 11 Abs. 3 StGB a.F. mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen und anschließend nur einer einzigen Person zur Verfügung gestellt wird, bei der es sich auch um einen Beteiligten der Tat nach § 176 StGB handeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 109 ff.). Auch gegen ihre Wertung, wonach der Täter oder Teilnehmer des Grunddelikts in der Absicht handeln muss, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB a.F.) zu machen, die nach den jeweils in Bezug genommenen Absätzen des § 184b StGB verbreitet werden soll, gibt es nichts zu erinnern. Soweit die Strafkammer jedoch weiter angenommen hat, an der nach § 176a Abs. 3 StGB a.F. erforderlichen Absicht fehle es, weil der Angeklagte die übertragenen kinderpornographischen Schriften jeweils nur sich, nicht aber einer anderen Person verschaffen wollte, ist ihr aus dem Blick geraten, dass das von § 176a Abs. 3 StGB a.F. in Bezug genommene „Verbreiten“ sämtliche Tatmodalitäten des § 184b Abs. 1 und Abs. 2 StGB a.F. umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 111) und es nach der im hier maßgeblichen Tatzeitraum (Juli 2019 bis Oktober 2019) anwendbaren Fassung des § 184b StGB (geändert durch das Gesetz vom 21. Januar 2015, BGBl. I S. 10) genügt, wenn der Täter oder Teilnehmer des Missbrauchs in der Absicht handelt, eine kinderpornographische Schrift herzustellen (§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.), ohne dass es einer weitergehenden Verwendungsabsicht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2018 - 5 StR 147/18, NStZ-RR 2018, 341, 342; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184b Rn. 31; zu der insoweit unveränderten Verweisung in § 176c Abs. 2 StGB n.F.: LK-StGB/Hörnle, 13. Aufl., § 176c Rn. 56; siehe auch Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 176a Rn. 25, § 184b Rn. 33; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 176c Rn. 3). Angesichts dessen ist die für die Qualifikation des § 176a Abs. 3 StGB a.F. erforderliche mehrfach überschießende Innentendenz (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 176a Rn. 6) bereits dann gegeben, wenn der Wille des Täters oder Teilnehmers des sexuellen Missbrauchs darauf gerichtet ist, die mittels Informations- oder Kommunikationstechnik angestrebte Übertragung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes auf Datenträgern abzuspeichern, um dadurch eine kinderpornographische Schrift, die ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herzustellen.

(2) Danach hat der Angeklagte auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen durch die im Jahr 2019 begangenen Taten in den Fällen II.3 bis II.7 der Urteilsgründe - als Täter - jeweils einen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht verübt, denn durch die heimliche Aufzeichnung und Fixierung in Datenspeichern der von seinen Chatpartnerinnen auf sein Geheiß vorgenommenen sexuellen Handlungen hat er eine kinderpornographische Schrift im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. hergestellt. Durch diese „Erstproduktion“ wurde ein Gegenstand kinderpornographischen Inhalts geschaffen (vgl. zu § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB: Schreibauer, Das Pornographieverbot des § 184 StGB, 1999, S. 277), dessen (wiederholte) visuelle Reproduktion und Wahrnehmung ohne weiteres möglich ist (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, 60. Ed., § 184b Rn. 16 vgl. zu § 184c Abs. 1 Nr. 3 StGB: BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - 4 StR 377/19, NStZ-RR 2019, 341; vgl. auch BT-Drucks. 15/2466, S. 5 zu § 201a Abs. 1 StGB). Dass der Herstellungsakt zugleich mit der Verschaffung von Eigenbesitz einherging, steht dem nicht entgegen, sondern lässt lediglich das Sich-Verschaffen kinderpornographischer Schriften hinter der mit höherer Strafe bedrohten Tatvariante des Herstellens kinderpornographischer Schriften im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2021 - 4 StR 48/21, juris Rn. 5; NK-StGB/ Papathanasiou, 6. Aufl., § 184b Rn. 55).

Einer täterschaftlichen Verurteilung steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte zu den zugrundeliegenden Missbrauchsgeschehen angestiftet, mithin als Teilnehmer (§ 28 Abs. 1 StGB) mitgewirkt hat. Als Täter dieses Qualifikationstatbestandes ist auch derjenige zu bestrafen, der am sexuellen Missbrauch eines Kindes zwar nur als Teilnehmer mitwirkt, dabei jedoch mit der von § 176a Abs. 3 StGB a.F. vorausgesetzten Absicht handelt (BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 114; Beschluss vom 1. August 2019 - 4 StR 237/19, juris; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 176a Rn. 26). Dies gilt selbst dann, wenn dem Haupttäter diese Absicht fehlt (vgl. LK-StGB/Hörnle, 13. Aufl., § 176c Rn. 58).

(3) Der von dem Angeklagten begangene schwere sexuelle Missbrauch steht jeweils mit dem Herstellen der kinderpornographischen Schriften nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., das bereits vor Beendigung des Missbrauchsgeschehens begonnen hatte, in Tateinheit.

bb) Demgegenüber ist auf die im Jahr 2012 begangenen Taten (Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe) der Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 3 StGB i.d.F. vom 27. Dezember 2003 nicht anwendbar, so dass - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ? eine Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs in diesen beiden Fällen sowohl als Täter als auch als Teilnehmer ausscheidet.

(1) § 176a Abs. 3 StGB a.F. verweist auf den - gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 3 StGB anzuwendenden - § 184b StGB i.d.F. vom 31. Oktober 2008 und damit zwar auch auf die Tatmodalitäten des Verbreitens im engeren Sinne (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F.), auf das öffentliche Zugänglichmachen (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.), auf § 184b Abs. 2 StGB a.F., der das Unternehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB) unter Strafe stellt, den Besitz einer kinderpornographischen Schrift einem „anderen“ zu verschaffen, sowie auf die - hier allein in Betracht kommende - Herstellung einer kinderpornographischen Schrift (§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.). Letztere wird allerdings nur dann erfasst, wenn diese verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172, 173). Eine derartige Verwendungsabsicht hat das Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr handelte der Angeklagte nach den Urteilsgründen allein in der Absicht, sich die Schriften selbst zu verschaffen. Dieses in § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB a.F. geregelte Verhalten wird von der Verweisung des § 176a Abs. 3 StGB a.F. nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 114).

(2) Auch eine Verurteilung wegen Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht kommt insoweit nicht in Betracht. Zwar war der Angeklagte aus Sicht der Chatpartnerin ein „anderer“ im Sinne dieser Vorschrift, auch wenn er an der Vortat, dem sexuellen Missbrauch, als Anstifter beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 109). Eine hierfür erforderliche Absicht seiner Chatpartnerin, die Missbrauchstaten zum Gegenstand kinderpornographischer Schriften zu machen, die nach § 184b Abs. 1 bis 3 StGB a.F. verbreitet werden sollen, hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Insbesondere fehlt es an der - insoweit allein in Betracht kommenden - Absicht zur Drittbesitzverschaffung (§ 184b Abs. 2 StGB a.F.). Auch wenn für die Annahme einer derartigen Drittbesitzverschaffung bereits die Übermittlung von Daten genügt, wenn sie - wie hier - zu einer zumindest vorübergehenden Abspeicherung auf einem Datenträger des Empfängers führt (BGH, Urteile vom 27. Juni 2001 - 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 58 ff. und vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 109), muss die Absicht des Täters oder Teilnehmers auf eine gegenüber dem Missbrauch gesonderte Verbreitungshandlung im Sinne des § 184b StGB a.F. gerichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20, BGHSt 66, 105, 113; Beschluss vom 4. April 2023 - 3 StR 69/23, juris Rn. 4). Dies ist - anders als nach der Neufassung von § 11 Abs. 3, § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB durch das Sechzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 30. November 2020 (BGBl. I, S. 2600), wonach es nunmehr genügt, dass ein Beteiligter des Missbrauchs den betreffenden Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB n.F.) einer anderen Person in Echtzeit zugänglich macht (vgl. BT-Drucks. 19/19859, S. 61) - bei einer Echtzeitübertragung per Webcam nach der hier maßgeblichen Rechtslage nicht der Fall.

cc) Im Hinblick auf die Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch dennoch zu beanstanden, denn auch er weist einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte sich auch wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften strafbar gemacht hat. Zwar ist das - über das Herstellen hinaus - auch als Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB a.F. anzusehende Abspeichern der betreffenden Videos bereits verjährt. Indes ist der Angeklagte in diesen Fällen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte nach § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB (i.d.F. des Gesetzes vom 16. Juni 2021, BGBl. I S. 1810) schuldig. Denn der gegenüber der Tatmodalität des Sichverschaffens grundsätzlich subsidiäre Besitztatbestand lebt wieder auf, wenn - wie hier - der Verfolgbarkeit des Sichverschaffens das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegensteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172, 173 und vom 22. Februar 2022 - 3 StR 482/21, juris Rn. 7). Da der Besitz an den betreffenden Videodateien noch bis zur Durchsuchung am 9. Juli 2021 andauerte, unterfällt er gemäß § 2 Abs. 2 StGB der durch das Gesetz vom 16. Juni 2021 geänderten Fassung des § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB (gültig ab 1. Juli 2021).

Der Beginn der jeweiligen Besitztat überschneidet sich mit der vom Angeklagten in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe verübten Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern und steht daher mit diesen Taten jeweils in Idealkonkurrenz, § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 5 StR 657/19, juris Rn. 4). Zwar stellt der gleichzeitige Besitz verschiedener Datenträger mit kinderpornographischen Schriften bzw. Inhalten grundsätzlich nur eine Tat dar (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 335/18, juris Rn. 3), hierdurch werden die in Tatmehrheit zueinander stehenden Missbrauchstaten jedoch nicht zu einer Tat verklammert, weil es an der insoweit vorausgesetzten annähernden Wertgleichheit der Delikte fehlt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172, 173 und vom 22. Februar 2022 - 3 StR 482/21, juris Rn. 7).

dd) Schließlich hat die Strafkammer nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte in den Fällen II.3 bis II.6 der Urteilsgründe wegen Anstiftung zu einem sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des Fünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460) schuldig ist. In diesen Fällen bestimmte er seine Chatpartnerin“ S.“ nämlich zur Vornahme sexueller Handlungen an zwei ca. einjährigen Kleinkindern und damit an Tatopfern, die nicht in der Lage waren, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Dass diese Unfähigkeit hier allein auf dem frühkindlichen Entwicklungsstadium der Opfer beruhte, ist nach der Neufassung des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2022 - 3 StR 249/22, NStZ 2023, 287). Die Unfähigkeit ist hier den Feststellungen mit Blick auf die Umstände zu entnehmen.

Die Anstiftung zum sexuellen Übergriff wird von dem in den Fällen II.3 bis II.6 der Urteilsgründe jeweils gleichzeitig verübten schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht nicht konsumiert, weil ansonsten im Schuldspruch nicht zum Ausdruck käme, dass sich die (Haupt-)Tat gegen ein zur Willensbildung und -äußerung unfähiges (Klein-)Kind richtete (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2022 - 3 StR 249/22, NStZ 2023, 287, 288).

ee) Infolge der Rechtsfehler ändert der Senat den Schuldspruch in den Fällen II.1 bis II.7 - wie aus dem Tenor ersichtlich - entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dabei ist zur Klarstellung zum Ausdruck zu bringen, dass die Qualifikation des § 176a Abs. 3 StGB a.F. verwirklicht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2022 - 5 StR 287/22, NStZ-RR 2023, 47 mwN) und § 184b StGB in der angewendeten Fassung nach der gesetzlichen Bezeichnung (s. § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) kinderpornographische Schriften (nunmehr kinderpornographische Inhalte) betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2023 - 3 StR 69/23, juris Rn. 7). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.

b) Aufgrund der Schuldspruchänderungen unterliegt der Strafausspruch in den Fällen II.1 bis II.7 der Urteilsgründe der Aufhebung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender materiellrechtlicher Würdigung höhere Freiheitsstrafen verhängt hätte.

aa) In den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe werden von der Schuldspruchänderung auch die sie betreffenden Einzelstrafen erfasst, weil die gleichzeitige Verwirklichung mehrerer Straftatbestände regelmäßig strafschärfend zu bewerten ist, wenn diese - wie hier - unterschiedliche Rechtsgüter schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1999 - 2 StR 66/99, StV 1999, 369).

bb) In Bezug auf die Fälle II.3 bis II.7 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Strafrahmen des § 176 Abs. 3 StGB a.F., der eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht, herangezogen. Insoweit hat es in allen Fällen das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB a.F. bejaht. Bei Annahme des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 176a Abs. 3 StGB a.F. wäre jedoch ein Strafrahmen von nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe, mithin von zwei Jahren bis zu 15 Jahren, anzuwenden gewesen.

cc) Der Wegfall der Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtstrafe.

c) Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um reine Wertungsfehler handelt, bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 353 Rn. 23). Ergänzende Feststellungen, die den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.

III.

Die nach § 301 StPO veranlasste umfassende Nachprüfung des von der Beschwerdeführerin angegriffenen Teils des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 679

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede