HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 409
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 657/19, Beschluss v. 04.02.2020, HRRS 2020 Nr. 409
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. September 2019
im Schuldspruch dahingehend geändert, dass er des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften und mit vorsätzlicher Körperverletzung und in vier Fällen in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, schuldig ist;
im Adhäsionsausspruch zu Ziffer 3 des Urteilstenors dahingehend ergänzt, dass sich die Ersatzpflicht nur auf zukünftig entstehende Schäden bezieht.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Der tateinheitliche Schuldspruch wegen Herstellung kinderpornographischer Schriften bedarf in den Fällen II.2 bis II.7 der Korrektur.
a) In diesen Fällen sind entsprechende Herstellungstaten verjährt, zudem sind insoweit auch die weitergehenden Voraussetzungen der zur möglichen Tatzeit (bis 26. Januar 2015) geltenden Fassung von § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht belegt (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Allerdings hat sich der Angeklagte durch Aufnahme seiner zu Lasten der Nebenklägerin begangenen Missbrauchstaten zugleich den Besitz an den kinderpornographischen Videos verschafft und diesen bis zur Durchsuchung am 7. März 2019 aufrechterhalten. Hinsichtlich des Dauerdelikts des Besitzes ist keine Verjährung eingetreten, denn diese beginnt erst nach der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes.
Für die Taten II.2 bis II.7 führt dies dazu, dass tateinheitlich zu den jeweiligen Schuldsprüchen wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs eines Kindes derjenige des Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 3 Satz 2 StGB in der vom 5. November 2008 bis 26. Januar 2015 geltenden Fassung) tritt. Zwar handelt es sich beim Besitz gegenüber dem Sich-Verschaffen um einen subsidiären Auffangtatbestand (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208). Dies gilt aber nicht, sofern hinsichtlich des Verschaffensaktes Verjährung eingetreten ist. Steht der Anwendung des verdrängenden Gesetzes Verjährung entgegen, ist aus dem verdrängten subsidiären Gesetz zu strafen (vgl. Fischer, 67. Aufl., Vor § 52 Rn. 46; LKStGB/Rissingvan Saan, 13. Aufl., Vor § 52 Rn. 117). Der Besitz der verschiedenen Tatvideos verklammert die tatmehrheitlichen Taten des (schweren) sexuellen Missbrauchs nicht zu Tateinheit, weil das Dauerdelikt in seinem Unwertgehalt deutlich hinter den Missbrauchstaten zurückbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - 5 StR 464/10 mwN).
b) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der Senat schließt angesichts des jeweiligen Tatbildes aus, dass das Landgericht bei abweichender Bewertung der tateinheitlich verwirklichten Delikte in den Fällen II.2 bis II.7 niedrigere Strafen oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Die für Fall II.8 verhängte Einsatzstrafe von vier Jahren bleibt ohnehin unberührt.
3. Der Senat sieht keinen Anlass, den Adhäsionsausspruch - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - dahingehend zu ändern, dass eine Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden nur insoweit besteht, als diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Denn der Angeklagte hat den weitergehenden Anspruch der Adhäsionsklägerin anerkannt. Beim Vorliegen der (hier gegebenen) Sachurteilsvoraussetzungen ist er nach seinem Anerkenntnis zu verurteilen (§ 406 Abs. 2 StPO), ohne dass es darauf ankäme, ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich in diesem Umfang besteht (vgl. zur Problematik Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl., § 406 Rn. 4; MüKoStPO/Grau, § 406 Rn. 6; SSWStPO/Schöch, 4. Aufl., § 406 Rn. 11 f.; HKStPO/Pollähne, 6. Aufl., § 406 Rn. 16 ff.; LRStPO/Hilger, 26. Aufl., § 406 Rn. 31 ff.). Der Senat kann ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts insoweit nach § 349 Abs. 2 StPO verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14, NStZ-RR 2014, 350 mwN).
Allerdings hat der Senat den Adhäsionsausspruch zu Ziffer 3 des Urteils dahingehend klargestellt, dass die Ersatzpflicht auf zukünftig entstehende Schäden beschränkt ist. Dies entspricht dem Adhäsionsantrag.
4. Angesichts des lediglich geringfügigen Erfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten zu belasten (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 409
Externe Fundstellen: StV 2020, 469
Bearbeiter: Christian Becker