HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1442
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 326/23, Beschluss v. 20.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1442
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 20. Dezember 2022 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die ihr im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Im Übrigen wird davon abgesehen, der Angeklagten Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger trägt die Staatskasse.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und zum versuchten Mord in fünf Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer auf die ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Die Angeklagte wurde, nachdem sie eine kaufmännische Handelsschule absolviert und bereits zwei Jahre bei einer Bank als Stenotypistin gearbeitet hatte, im Alter von 18 Jahren ab dem 1. Juni 1943 im Konzentrationslager Stutthof tätig und war dort bis zu ihrer Verlegung in ein anderes Konzentrationslager am 1. April 1945 als einzige Stenotypistin im Kommandaturstab beschäftigt.
Das in der Nähe von Danzig gelegene Konzentrationslager Stutthof, das im Jahr 1939 als Gefangenenlager gegründet worden war, wurde Anfang 1942 zum Konzentrationslager umgewidmet und der Amtsgruppe D im SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt in Oranienburg unterstellt; der Lagerkommandant war zugleich der Kommandeur der für die Bewachung des Lagers eingesetzten Kompanien des SS-Wachsturmbanns. Das Lager war in das von der nationalsozialistischen „Rassenideologie“ geprägte KZ-System eingegliedert. Dieser lag die Vorstellung von der Vernichtung allen jüdischen sowie aus anderen, rassistischen oder sonst menschenverachtenden Gründen als „unwert“ betrachteten Lebens durch die als „Herrenrasse“ eingeordneten „arischen“ Deutschen zugrunde. Spätestens nach der Ermächtigung Reinhard Heydrichs, die „Gesamtlösung der Judenfrage“ organisatorisch vorzubereiten, sowie den auf der Wannsee-Konferenz von 1942 getroffenen Entscheidungen fungierte das KZ-System als zentraler Grundstein bei der Umsetzung der Ermordung der europäischen Juden. Das Konzentrationslager Stutthof diente zu Beginn der Ausbeutung von Häftlingen, die gemäß den Vorgaben des KZ-Systems zunächst noch bis zur völligen Entkräftung zur Zwangsarbeit eingesetzt werden sollten, wobei die Lagerverantwortlichen billigend in Kauf nahmen, dass die Gefangenen durch schwere körperliche Arbeit und/oder die geschaffenen und aufrechterhaltenen schlechten Lebensbedingungen in großer Zahl eines unnatürlichen Todes starben.
Dementsprechend waren die Haftbedingungen in dem Lager spätestens ab dem 1. Juni 1943 in so hohem Maße lebensfeindlich, dass zahlreiche der Lagerinsassen hierdurch verstarben. So herrschte eine ständige Unterversorgung mit Nahrung und frischem Trinkwasser. Die geringe Menge der durch die gewährte Ernährung aufgenommenen Kalorien führte zu einem drastischen Gewichtsverlust der Gefangenen binnen kürzester Zeit bis hin zur völligen Abmagerung. Das hierdurch ausgelöste Gefühl des Hungers war omnipräsent und quälend. Der durch die extrem geringe Flüssigkeitszufuhr bedingte ständige Durst und das Gefühl der Austrocknung führten zu Kopfschmerzen und Schwindel und stellten eine erhebliche zusätzliche Qual für die Gefangenen dar. Jede Form der üblichen Körperhygiene (Zähneputzen, Waschen, die Benutzung von Toilettenpapier oder Hygieneartikeln) war den Gefangenen verwehrt. Die sanitären Anlagen standen in viel zu geringer Anzahl zur Verfügung und waren nicht hygienisch; Exkremente fanden sich stets auch in den Baracken auf den als Schlafplatz dienenden Pritschen oder auf den Böden. Die Gefangenen erhielten keine den Witterungsverhältnissen angepasste Bekleidung. Sie mussten sich überwiegend im Freien aufhalten und waren der in der Regel Stunden dauernden Schikane des Appellstehens unter freiem Himmel bei jeder Witterung ausgesetzt. Schuhe waren oftmals nicht vorhanden; allenfalls verfügten die Gefangenen über nicht vor der Witterung schützende, unbequeme Holzpantinen. Durch das ständige Frieren bei den in Ostpolen außerhalb der Sommermonate herrschenden Witterungsverhältnissen wurden ebenfalls erhebliche Qualen und Leiden der Gefangenen verursacht. Die Kälte, der die Gefangenen vor allem in den Wintermonaten bei oft erheblichen Minusgraden nahezu ungeschützt ausgesetzt waren, führte zu Erkältungskrankheiten bis hin zu Erfrierungen von Gliedmaßen und tödlichen Unterkühlungen, an denen die Gefangenen unter erheblichen Leiden starben.
Ab dem Jahr 1944 wurden die in Stutthof ankommenden arbeitsfähigen Häftlinge zumeist nach kurzer Zeit zur Zwangsarbeit in Außenlager oder in andere Konzentrationslager gebracht, so dass im Lager zunehmend die arbeitsunfähigen Häftlinge zurückblieben; bis zum Sommer 1944 waren dort bis zu 60.000 Häftlinge angekommen. Angesichts der durch einen starken Anstieg der ankommenden, überwiegend jüdischen Häftlinge bedingten Überbelegung und zur „Vernichtung unwerten Lebens“ begannen regelmäßige Massentötungen. Spätestens Anfang September 1944 wurde dem Lagerkommandanten die Erlaubnis zur Ermordung aller arbeitsunfähigen Häftlinge „in eigener Verantwortlichkeit“ erteilt. Die Tötung der Häftlinge wurde im Konzentrationslager Stutthof insbesondere auf die folgende Art und Weise ins Werk gesetzt:
Mindestens 9.500 Häftlinge verstarben in der Zeit vom 1. Juni 1943 bis zum 31. März 1945 aufgrund der im Lager herrschenden, auf Befehle des Lagerkommandanten zurückgehenden lebensfeindlichen Bedingungen unter schweren körperlichen Leiden und seelischen Qualen. Deren Tod nahmen die Lagerleitung und die Verantwortlichen im SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt billigend in Kauf, wobei sie um die körperlichen Leiden und seelischen Qualen wussten. Spätestens als im Herbst 1944 eine Fleckfieber-Epidemie ausbrach, hatten sie darüber hinaus die Absicht, jüdische Häftlinge durch Verweigerung medizinischer Hilfe zu töten. Unter den so Getöteten waren die Mütter der Nebenklägerin Si. und der inzwischen verstorbenen früheren Nebenklägerin St. Die Nebenklägerin Fr. überlebte trotz der genannten Bedingungen; sie wurde nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee gerettet (abgeurteilt als Beihilfe zu 9.500 vollendeten und einem versuchten Mord).
Mit drei Transporten im Jahr 1944 wurden mehrere Tausend als nur bedingt arbeitsfähig angesehene Häftlinge aufgrund von Anordnungen Verantwortlicher des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts und entsprechender Befehle des Lagerkommandanten mit der Eisenbahn auf „Vernichtungstransporten“ in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht, wo sie unter erheblichen körperlichen Leiden und seelischen Qualen in Gaskammern mit Zyklon B getötet werden sollten. Unter den so in Auschwitz-Birkenau Getöteten befanden sich die Mutter und zwei Geschwister des Nebenklägers O. sowie jeweils die Brüder der Nebenklägerinnen Fr. und G. Die inzwischen verstorbene Nebenklägerin E. wurde nach ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau als arbeitsfähig eingestuft, in das Lager aufgenommen und überlebte (abgeurteilt hat das Landgericht insoweit Beihilfe zu fünf vollendeten und einem versuchten Mord).
Auch im Konzentrationslager Stutthof wurden auf Anordnung des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts und auf Befehl des Lagerkommandanten zwischen Oktober und Dezember 1944 mindestens 1.000 zuvor von einem Lagerarzt bestimmte, arbeitsunfähige Häftlinge mittels Zyklon B getötet, nachdem sie zuvor in einer Entwesungskammer oder in einem umgebauten Eisenbahnwaggon eingesperrt worden waren. Auch diese Taten hat das Landgericht der Angeklagten zugerechnet (Beihilfe zum vollendeten Mord in 1.000 Fällen).
Schließlich wurden wegen des Vormarschs der sowjetischen Streitkräfte ab Ende Januar 1945 mindestens 11.000 Häftlinge aufgrund eines mit dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt abgestimmten Befehls des Lagerkommandanten dazu gezwungen, sich unter ständiger Bewachung und unter lebensfeindlichen Bedingungen zu Fuß auf einen „Todesmarsch“ in ein anderes Lager zu begeben. Dabei nahm die Lagerleitung den Tod der Häftlinge, der insbesondere durch unzureichende Nahrung, Kälte und Entkräftung verursacht wurde, billigend in Kauf; die erheblichen Leiden und Qualen der Häftlinge auf diesem Todesmarsch waren ihr bewusst und von ihrem Willen umfasst. Auf diesen Marsch mussten sich auch die Nebenkläger K. und D. sowie die inzwischen verstorbene frühere Nebenklägerin St. begeben, die indes überlebten. Der Angeklagten wurden wiederum nur diese drei Fälle zugerechnet (Beihilfe zum versuchten Mord in drei Fällen).
Die Angeklagte war im Konzentrationslager Stutthof im Geschäftszimmer der Abteilung I eingesetzt und arbeitete als einzige Stenotypistin des Geschäftszimmers mit zunehmend intensiven Arbeitszeiten ohne längere Krankschreibungen oder Beurlaubung vertrauensvoll dem Lagerkommandanten und dessen Adjutanten zu. Insbesondere wurde der in großem Umfang anfallende Schriftverkehr im Geschäftszimmer abgewickelt, der zur Organisation und Durchführung der vielfachen Tötungen - die auf zahlreichen administrativen Vorgängen und umfangreicher Kommunikation der Beteiligten beruhten - innerhalb der behördengleichen Verwaltungsstruktur des KZ-Systems zwingend erforderlich war. Eingehende Post wurde dort gesammelt und dem Adjutanten übergeben, der sie öffnete und dem Lagerkommandanten vorlegte. Von diesem ging die Post in das Geschäftszimmer zurück und war nunmehr mit Anweisungen zur weiteren Bearbeitung, insbesondere zur Zuleitung und Kenntnisnahme durch andere Abteilungen versehen. Der ausgehende Schriftverkehr fiel ebenfalls in die Zuständigkeit des Geschäftszimmers und damit auch der Angeklagten als einziger Stenotypistin. Sie nahm den Großteil der die dienstliche Korrespondenz betreffenden Diktate des Lagerkommandanten in Stenografie auf und erstellte davon maschinenschriftliche Reinschriften, die - gegebenenfalls nach Anbringung etwaiger Korrekturen - durch den Lagerkommandanten unterzeichnet und alsdann auf dem jeweils vorgesehenen Weg (postalisch, per Fernschreiben oder Funk) versandt wurden. Auch die regelmäßig ergehenden Kommandanturbefehle, auf deren Grundlage die täglichen Abläufe im Konzentrationslager Stutthof strukturiert und organisiert wurden und die der Lagerkommandant erstellte, wurden durch das Geschäftszimmer verschriftlicht, vom Kommandanten in maschinengeschriebener Form unterzeichnet und dann vom Geschäftszimmer aus im Lager bekannt gegeben.
2. Das Landgericht hat die beschriebenen Tätigkeiten als Beihilfe der Angeklagten zu den genannten Haupttaten (Mord in 10.505 Fällen und versuchter Mord in 5 Fällen) des Lagerkommandanten und der weiteren in der Lagerleitung tätigen SS-Männer sowie der befehlsgebenden nationalsozialistischen Machthaber und der führenden SS-Funktionäre, namentlich Heinrich Himmler und Adolf Hitler gewertet. Die Bearbeitung des Schriftverkehrs sei aufgrund dessen zwingender Erforderlichkeit eine für die Ermöglichung der Tatausführung wesentliche Aufgabe gewesen. Dies gelte zum einen für die Kommunikation nach außen, wie etwa bei der Bestellung von Material für Tötungen mit dem Giftgas Zyklon B oder der Abfassung des im Zusammenhang mit Gefangenentransporten insbesondere den „Vernichtungstransporten“ umfangreich, kleinteilig und in hoher Frequenz geführten Schriftverkehrs mit anderen Konzentrationslagern und der Amtsgruppe D, zum anderen aber auch für lagerinterne Schreiben wie die regelmäßigen Kommandanturbefehle, die den Lageralltag regelten und auch die Tötung von Gefangenen betreffende Anweisungen enthielten.
Bei der Erstellung dieses die Haupttaten betreffenden Schriftverkehrs habe die Angeklagte den Lagerkommandanten und dessen Adjutanten unterstützt, indem sie die ihr diktierten Texte formgerecht und sauber niedergelegt habe, so dass sie anschließend an die jeweiligen Adressaten weitergegeben werden konnten. Auch wenn mangels Ab-Verfügungen oder Handzeichen nicht festgestellt werden konnte, welche der tatrelevanten Schriftstücke von der Angeklagten geschrieben wurden, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass jedenfalls der Großteil der dienstlichen Korrespondenz von ihr bearbeitet wurde, sie mithin die Haupttäter dadurch physisch unterstützt habe.
Dadurch, dass sie der Lagerleitung während ihrer gesamten Dienstzeit als zuverlässige und gehorsame Untergebene zur Verfügung gestanden und die Aufrechterhaltung des Betriebs des Konzentrationslagers und das Gefangenhalten der Inhaftierten abgesichert habe, habe sie die Haupttäter bei der Begehung der zur Verurteilung gelangten Haupttaten bestärkt und psychisch unterstützt. Sie habe an der zentralen Schnittstelle des Lagers gearbeitet, an der alle relevanten, auch die Tötungen von Gefangenen betreffenden Entscheidungen getroffen wurden, und ein enges dienstliches Verhältnis zum Kommandanten unterhalten. So sei sie für die Lagerleitung von essenzieller Bedeutung gewesen für das Gefangenhalten von Menschen, die zwangsweise Ausnutzung von deren Arbeitskraft und für die Ermordung der aus Sicht der „Rassenideologie“ des NS-Regimes „wertlosen Volksschädlinge“.
Der Angeklagten seien die lebensfeindlichen Umstände im Konzentrationslager durchgehend schon vom Beginn ihrer Tätigkeit an bekannt gewesen. Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte sie aus den von ihr genutzten Büroräumen auf das sogenannte Neue Lager blicken, wenn auch ein deutliches Erkennen von Personen oder deren Handlungen allenfalls im Bereich der vorderen Blockreihen möglich war. Uneingeschränkt einsehbar und aufgrund der Distanz gut zu erkennen war der Sammelplatz vor dem Eingangstor zum Neuen Lager und die sich dort abspielenden Ereignisse. Auch der Weg zwischen Altem und Neuem Lager, den Gefangene regelmäßig zurücklegen mussten, wenn sie aus dem Neuen Lager oder vom Sammelplatz in Richtung Gaskammer und Krematorium geführt wurden, konnte sie aus den Fenstern der Büroräume teilweise überblicken. Abgesehen davon bewegte sich die Angeklagte aber auch in den sonstigen, für Zivilangestellte zugänglichen Teilen des Konzentrationslagers und hatte dort entsprechende Wahrnehmungen. Sie verließ das Kommandanturgebäude regelmäßig und durfte sich in allen Bereichen, die nicht unmittelbar zum Schutzhaftlager gehörten, frei bewegen. Den Eingangsbereich des Alten Lagers, in dem die Kommandantur lag, mit dem dort stehenden SS-Wachhäuschen passierte sie bei Betreten und Verlassen ihrer Arbeitsstätte.
Dass es der Angeklagten gelungen sein könnte, sich beinahe zwei Jahre nahezu dauerhaft im Konzentrationslager Stutthof aufzuhalten und dabei nicht auch das Tor zum Alten Lager, die dahinter liegenden Baracken und schließlich den Schornstein des wiederum hinter dem Alten Lager befindlichen Krematoriums wahrzunehmen, hat die Strafkammer für ausgeschlossen gehalten. Sie habe den katastrophalen körperlichen Zustand der Gefangenen, ihre unzureichende Versorgung mit Nahrung und angemessener Kleidung und die man gelhaften hygienischen Zustände gesehen und zudem den täglich präsenten Geruch verbrannten Menschenfleisches wahrgenommen, der aus dem Schornstein des Krematoriums kam.
Die Angeklagte habe es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass die Lagerleitung den durch die Schaffung und Aufrechterhaltung der lebensfeindlichen Umstände verursachten Tod der Häftlinge mindestens billigend in Kauf nahm. Die Angeklagte habe auch von den Umständen Kenntnis gehabt, die bei den Gefangenen zu erheblichen körperlichen und/oder seelischen Qualen führten und davon, dass diese auch der Lagerleitung bekannt waren, diese sie aber in gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung zumindest hinnahm. Spätestens ab Oktober 1944 habe die Angeklagte von den Tötungen im Lager mit Zyklon B gewusst, die mit Wissen und direktem Wollen der Lagerleitung - wiederum unter Zufügung erheblicher Qualen - durchgeführt wurden. Die Angeklagte habe zudem gewusst, dass die Lagerleitung die im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau handelnden Haupttäter willentlich bei deren Morden mittels Zyklon B unterstützte, indem sie mit Vernichtungstransporten Gefangene aus Stutthof nach Auschwitz-Birkenau transportieren ließ. Schließlich sei ihr auch bewusst gewesen, dass die Lagerleitung durch die Todesmärsche den qualvollen Tod der betreffenden Gefangenen zumindest billigend in Kauf genommen habe.
Die Angeklagte habe gewusst, dass sie mit ihrer Tätigkeit den Lagerkommandanten und die weiteren in der Lagerleitung tätigen SS-Männer bei ihren Haupttaten teilweise unmittelbar physisch unterstützt habe. Soweit sie Schriftverkehr bearbeitet habe, der einen direkten Zusammenhang zu den stattfindenden Tötungen hatte, habe sie billigend in Kauf genommen, dass sie den Haupttätern konkret physisch bei der für die Begehung der Taten notwendigen Vorbereitung, Organisation und Abwicklung half. Soweit Tötungen ohne direkten Zusammenhang mit von ihr bearbeiteten Schreiben begangen wurden, sei ihr dennoch bewusst gewesen, dass zur Durchführung und Umsetzung der mit der Tötung von Gefangenen einhergehenden Befehle der Lagerleitung ein System aus jederzeit zur Verfügung stehenden, die Befehle nicht hinterfragenden Untergebenen eine wichtige Voraussetzung war. Sie habe gewusst, dass sie mit ihrer fortgesetzten Diensttätigkeit und der stetigen Bereitschaft, für den Betrieb des Konzentrationslagers unerlässliche, unterstützende Schreibund Büroarbeiten zu übernehmen, zur Aufrechterhaltung des Lagers einschließlich der mit seinem Betrieb verfolgten Ziele beitrug. Sie habe es damit für möglich gehalten und mindestens billigend in Kauf genommen, dass sie die Lagerleitung durch ihre konkreten Tätigkeiten bei Tötungsaktionen auch psychisch unterstützte.
Die Revision der Angeklagten ist unbegründet.
1. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, erstreckte sich seine Kognitionspflicht gemäß § 264 Abs. 1 StPO auf alle der Angeklagten zugerechneten Haupttaten.
Soweit die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 154a Abs. 1 StPO auf vollendete Mordtaten im Stammlager Stutthof beschränkt hatte, ist diese Beschränkung hinsichtlich der Versuchstaten sowie hinsichtlich der Morde mit Zyklon B in Auschwitz-Birkenau infolge der Zulassung der Nebenkläger Fr., E., K., D. und St. sowie O. nach § 395 Abs. 5 Satz 2 StPO weggefallen, was die Strafkammer in ihrem Eröffnungsbeschluss - wie geboten - klargestellt hat (vgl. MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 395 Rn. 13). Daran ändert nichts, dass die Nebenklägerinnen E. und St. im Laufe der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verstorben sind. Zwar verliert die Anschlusserklärung durch den Tod des Nebenklägers ihre Wirkung (vgl. § 402 StPO). Folgen hat die dadurch eintretende Beendigung der Nebenklage aber nur für die Zukunft, bereits ergangene Entscheidungen bleiben bestehen (vgl. MüKoStPO/Valerius, § 402 Rn. 7; LR/Wenske, StPO, 27. Aufl., § 402 Rn. 8). Es blieb damit bei dem durch die Zulassung der Nebenklage bewirkten Wegfall der Verfahrensbeschränkung; die davon betroffenen Taten waren und blieben Gegenstand des Verfahrens.
Hinsichtlich der Nebenklägerin G. gilt Folgendes: Diese hatte sich dem Verfahren angeschlossen, weil sie selbst Opfer eines versuchten Mordes geworden sei. Insoweit hat das Landgericht das Hauptverfahren indes nicht eröffnet, weil sie in ein anderes Lager verschleppt und dort befreit worden sei. Ausgeurteilt hat das Landgericht aber die Ermordung des jüngeren Bruders der Nebenklägerin G., der in Auschwitz-Birkenau mittels Zyklon B getötet wurde; hinsichtlich dieser Tat hatte die ursprüngliche Verfahrensbeschränkung der Staatsanwaltschaft ebenfalls gegolten und war durch die Anschlusserklärung der Nebenklägerin nicht weggefallen. Allerdings hat das Landgericht durch seinen förmlichen Hinweis vom 37. Hauptverhandlungstag, dass auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zu einem grausamen Mord am Bruder der Nebenklägerin in Betracht komme, den durch die Beschränkung der Staatsanwaltschaft ausgeschiedenen Tatvorwurf von Amts wegen nach § 154a Abs. 3 Satz 1 StPO wieder in das Verfahren einbezogen. Ein rechtlicher Hinweis genügt dafür, wenn nach dem Gang des Verfahrens und dem erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gerichts für alle Verfahrensbeteiligten kein Zweifel besteht, dass die frühere Beschränkung der Strafverfolgung wieder aufgehoben ist (BGH, Urteil vom 11. Juni 1975 - 3 StR 35/75, NJW 1975, 1748 f.; Beschluss vom 18. Mai 1994 - 2 StR 169/94, NStZ 1994, 495; KKStPO/Diemer, 9. Aufl., § 154a Rn. 18; MüKoStPO/Teßmer, 2. Aufl., § 154a Rn. 43). So verhält es sich hier.
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch.
a) Die Strafkammer hat sich auf der Grundlage einer eingehenden und umfassenden Beweiswürdigung zunächst die Überzeugung gebildet, dass die der Verurteilung der Angeklagten zugrunde liegenden Haupttaten - 10.505 vollendete und fünf versuchte grausame Morde, davon 9.500 vollendete Morde und ein versuchter Mord durch das Schaffen und Aufrechterhalten lebensfeindlicher Zustände im Lager Stutthof, fünf vollendete Morde und ein versuchter Mord durch sogenannte Vernichtungstransporte nach Auschwitz-Birkenau, wo die Gefangenen in fünf Fällen durch Zyklon B getötet wurden und eine weitere Gefangene nach der Vorstellung der Lagerleitung in Stutthof getötet werden sollte, 1.000 Morde durch Vergiftung mit Zyklon B im Lager in Stutthof und drei versuchte Morde durch sogenannte Todesmärsche - durch die Haupttäter begangen worden sind. Die Haupttäter waren hier jedenfalls der den Betrieb des Konzentrationslagers bestimmende Lagerkommandant und sein Adjutant sowie die ihnen unterstehenden SS-Männer, die unmittelbar die Tötungshandlungen durchführten.
Die Haupttäter verwirklichten das Mordmerkmal der Grausamkeit nach § 211 Abs. 2 Var. 6 StGB. Grausam tötet, wer seinem Opfer bei mit Tötungsvorsatz geführten Handlungen in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke und Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 6. Dezember 2023 - 5 StR 281/23 Rn. 15 mwN). Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass diese Voraussetzungen bei allen hier festgestellten Tötungsarten in objektiver Hinsicht vorlagen und die Haupttäter auch mit der erforderlichen Gesinnung handelten.
Rechtsfehler bei der Feststellung und Bewertung der Haupttaten sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht vorgetragen. Insbesondere steht der rechtsfehlerfreien Beurteilung der Handlungen der Haupttäter als täterschaftliche Tatbeiträge nicht entgegen, dass etwa der Lagerkommandant in dem gegen ihn geführten Strafverfahren vor dem Landgericht Bochum im Jahr 1957 lediglich wegen „Beihilfe zu einem Morde, begangen an mehreren hundert Menschen“ verurteilt worden ist (vgl. zur Kritik an dieser „Beihilferechtsprechung“ und ihren Folgen für die weitere Strafverfolgung Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 143 ff. mwN), denn dieses Urteil entfaltet schon keine Bindungswirkung (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. März 2010 - 4 StR 640/09, NStZ 2010, 529; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., Einl. Rn. 170 mwN).
b) Entgegen der in der Revisionsrechtfertigung vertretenen Auffassung lässt auch die an allgemeinen Grundsätzen zu bemessende Würdigung der Strafkammer, die Angeklagte habe zu den genannten Haupttaten Beihilfe geleistet, Rechtsfehler nicht erkennen. Im Einzelnen:
aa) Hilfe im Sinne von § 27 StGB leistet - bei Erfolgsdelikten wie den hier in Rede stehenden - derjenige, der eine Handlung begeht, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Es ist nicht erforderlich, dass sie für den Eintritt dieses Erfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10, 31; Beschlüsse vom April 2020 - 4 StR 287/19, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 37 Rn. 15; vom 28. Juli 2020 - 2 StR 64/20 Rn. 7 jeweils mwN). In zeitlicher Hinsicht kann Beihilfe schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden, und zwar selbst zu einem Zeitpunkt, in dem der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist; auch noch nach Vollendung der Tat bis zu deren Beendigung ist sie möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257 f. mwN). Als physische Beihilfe kommt jede Art von Tätigkeit in Frage, die nicht ihrerseits Täterschaft ist, ohne dass es auf deren Gewicht im Verhältnis zur Haupttat ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389; LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 27 Rn. 49 mwN). In der Form der sogenannten psychischen Beihilfe kann die Tat auch dadurch objektiv gefördert werden, dass der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung - sei es auch bereits in seinem Tatentschluss - bestärkt wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10, 31 mwN).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die strafrechtliche Bewertung von Handlungen in Rede steht, die im Rahmen von oder im Zusammenhang mit staatlich organisierten Massenverbrechen vorgenommen werden. Bei ihrer Anwendung dürfen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch die Besonderheiten nicht außer Betracht bleiben, die sich bei einer Tatserie wie dem systematischen Völkermord an den europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland in tatsächlicher Hinsicht daraus ergeben, dass an jeder einzelnen bei dessen Verwirklichung begangenen Mordtat einerseits eine Vielzahl von Personen in politisch, verwaltungstechnisch oder militärisch-hierarchisch verantwortlicher Position ohne eigenhändige Ausführung einer Tötungshandlung beteiligt war, andererseits aber auch eine Mehrzahl von Personen in Befolgung hoheitlicher Anordnungen und im Rahmen einer hierarchischen Befehlskette unmittelbar an der Durchführung der einzelnen Tötungen mitwirkte.
Dies ist bei der rechtlichen Bewertung von Handlungen eines lediglich als Tatgehilfe in Betracht kommenden Beteiligten in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob dessen Handlungen die Tathandlung zumindest eines der an dem Mord täterschaftlich Mitwirkenden im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB gefördert haben (vgl. zu alldem eingehend BGH, Beschluss vom 20. September 2019 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 258 f.).
Der Senat schließt sich dieser neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an; er ist an sie in ihren tragenden Entscheidungsteilen zudem gebunden (vgl. § 132 Abs. 2 GVG). Auf ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa das mehrfach auch in der Hauptverhandlung erwähnte Urteil des 2. Strafsenats (Urteil vom 20. Februar 1969 - 2 StR 280/67, auszugsweise abgedruckt in NJW 1969, 2056), in dem dieser Senat ausgeführt hat, es sei „nicht angängig“, dass „jeder, der in das Vernichtungsprogramm des Konzentrationslagers Auschwitz eingegliedert war und dort irgendwie anläßlich dieses Programms tätig wurde, sich objektiv an den Morden beteiligt hat und für alles Geschehene verantwortlich“ zu machen sei, kommt es danach nicht mehr entscheidend an. Es kann deshalb auch offenbleiben, ob der zitierte Beschluss des 3. Strafsenats zu dieser älteren Entscheidung, die für die in der Folgezeit fehlgeleitete Verfolgungspraxis zumindest mitursächlich war (vgl. Rommel, NStZ 2017, 161, 162; Kurz, ZIS 2013, 122, 124 f.; kritisch dazu Roxin, JR 2017, 88, 89 f.), in Widerspruch stand oder ob der Senat von dieser Rechtsprechung heute abweichen würde. Im Übrigen liegt ein Fall, in dem die Angeklagte bloß „irgendwie“, also ohne konkreten Bezug zu den Haupttaten, für „alles Geschehene“ im Konzentrationslager Stutthof verantwortlich gemacht wird, ersichtlich nicht vor (vgl. dazu im Folgenden ab bb).
Nach der neueren Rechtsprechung ist auf die generell geltenden, allgemeinen Grundsätze zur Beihilfestrafbarkeit abzustellen (vgl. zu diesem Ansatz auch Rommel, NStZ 2017, 161, 162); danach kommt es in rechtlicher Hinsicht nicht darauf an, ob die festgestellte Hilfeleistung in einem „Vernichtungslager“, einem Konzentrationslager oder einem anders bezeichneten und ausgestalteten Lager erbracht wurde (vgl. zur Irrelevanz der Unterscheidung nach Lagerarten auch Baun, Beihilfe zu NS-Gewaltverbrechen, 2019, S. 381 ff.). Ebenso wenig ist rechtlich für sich genommen von Bedeutung, ob die zu beurteilenden Handlungen - wie in früheren Entscheidungen - von Wachpersonal begangen wurden, oder - wie hier - von einer Zivilangestellten der SS. Vielmehr sind nach allgemeinen Grundsätzen die Haupttaten und die diese gegebenenfalls fördernden Handlungen des Gehilfen in jedem Einzelfall in den Blick zu nehmen, wobei freilich eine nach Tagesereignissen fragmentierte Betrachtungsweise (vgl. dazu Kurz, ZIS 2013, 122, 123) nicht geboten ist.
bb) Es begegnet keinen Bedenken, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, die Angeklagte habe durch ihre Tätigkeit als einzige Stenotypistin im Geschäftszimmer der Abteilung I, das unmittelbar dem Lagerkommandanten und dessen Adjutanten zuarbeitete, und die insoweit erbrachte Bearbeitung des Schriftverkehrs körperliche Beihilfe zu allen Haupttaten geleistet. Diese Tätigkeiten waren für die Ermöglichung der Tatausführung relevant, weil die Bearbeitung von Schriftverkehr, welcher zur Organisation und Durchführung der zahlreichen Tötungen - die nicht auf spontanem, zufälligem oder vereinzeltem Handeln, sondern auf zahlreichen administrativen Vorgängen und umfangreicher Kommunikation der Beteiligten beruhten - in der organisierten, behördengleichen Verwaltungsstruktur des KZ-Systems zwingend erforderlich war. Dass die Angeklagte einen Großteil der dienstlichen Korrespondenz nach außen und der Kommandanturbefehle nach innen in der beschriebenen Art und Weise als Diktat in Stenografie umsetzte und anschließend mit der Schreibmaschine verschriftete, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt und in der Beweiswürdigung belegt. Dies konnte es insbesondere auch daraus schließen, dass die Angeklagte die einzige Stenotypistin, zudem ohne längere Abwesenheit und mit intensiven Arbeitszeiten, im Geschäftszimmer der Lagerleitung war. Nach diesen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unterstützte die Angeklagte den Lagerkommandanten und den Adjutanten bei der Erledigung und Abfassung sämtlichen, das Lager betreffenden Schriftverkehrs, der auch die Korrespondenz mit Bezug zu allen dargestellten Haupttaten umfasste.
Dass das Landgericht mangels Ab-Verfügungen oder Handzeichen nicht hat feststellen können, welche der tatrelevanten Schriftstücke von der Angeklagten geschrieben wurden, führt zu keiner anderen Bewertung, insbesondere entfällt damit nicht die Bedeutung der die Haupttäter objektiv und körperlich unterstützenden Tätigkeit der Angeklagten im Geschäftszimmer der Abteilung I. Denn auch wenn aus diesem Grund die Bearbeitung des Schriftverkehrs durch die Angeklagte, die - entgegen der Auffassung der Verteidigung - auch die Vorlage und weitere Bearbeitung der eingehenden Post umfasste, einzelnen Haupttaten nicht zweifelsfrei zugeordnet werden kann, ist die Überzeugungsbildung der Strafkammer, die Angeklagte habe den Haupttätern in einer Vielzahl von Fällen bei der für die Begehung der grausamen Morde notwendigen Vorbereitung, Organisation und Abwicklung geholfen, rechtsfehlerfrei.
Soweit die Verteidigung in diesem Zusammenhang ausführt, die festgestellten Tätigkeiten der Angeklagten hätten keinen direkten Bezug zu den Mordtaten gehabt, ist dies angesichts der etwa die Organisation der sogenannten Vernichtungstransporte nach Auschwitz-Birkenau oder die Beschaffung von Materialien für die Tötungen mit Zyklon B betreffenden Korrespondenz sowie der lagerinternen Befehle, die zumindest auch die Aufrechterhaltung der lebensfeindlichen Umstände im Konzentrationslager Stutthof betrafen, nicht nachvollziehbar. Auch wenn eine Zuordnung zu einzelnen Schriftstücken nicht möglich sein mag, musste sich die Strafkammer angesichts des Umstands, dass die Angeklagte den Großteil der dienstlichen Korrespondenz des Lagerkommandanten bearbeitete, nicht mit der bloß theoretischen Möglichkeit befassen, dass sie kein einziges der einen solchen Bezug zu den Mordtaten aufweisenden Schriftstücke bearbeitet haben könnte. Insoweit entsprach die Beweislage derjenigen in Fällen der - zulässigen - Verurteilung aufgrund wahldeutiger Tatsachengrundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - 5 StR 464/21, NStZ-RR 2022, 308, 309 mwN).
cc) Die Strafkammer hat zudem zu Recht ausgeführt, dass die Angeklagte die Haupttäter auch in psychischer Hinsicht bei der Durchführung sämtlicher ihr zugerechneter Taten unterstützte, indem sie der Lagerleitung, mit der sie während ihrer gesamten Dienstzeit vertrauensvoll zusammenarbeitete, in der beschriebenen Art und Weise als zuverlässige und gehorsame Untergebene zur Verfügung stand und durch ihre Tätigkeit fortwährend die Aufrechterhaltung des Betriebs des Konzentrationslagers und das Gefangenhalten der Inhaftierten absicherte. Ihre Mitarbeit an der zentralen Schnittstelle des Lagers, an der sämtliche relevanten Entscheidungen und damit auch jene betreffend die Tötung von Gefangenen getroffen wurden, war für die Lagerleitung in der Erfüllung ihrer Tätigkeit von essenzieller Bedeutung bei der Umsetzung der Ziele, die im Konzentrationslager Stutthof verfolgt wurden, namentlich das Gefangenhalten von Menschen, die zwangsweise Ausnutzung ihrer Arbeitskraft und die Ermordung der aus Sicht der „Rassenideologie“ des NS-Regimes „wertlosen Volksschädlinge“.
Soweit die Revision diese Würdigung angreift und die Auffassung vertritt, die Feststellungen würden eine psychische Beihilfe nicht tragen, verkennt sie die oben dargelegten tatsächlichen Besonderheiten. Das Landgericht hat im Blick gehabt, dass zu den hier verfahrensgegenständlichen Mordtaten Mittäter auf mehreren Ebenen in unterschiedlichsten Funktionen sowie mit verschiedensten Tathandlungen zusammenwirkten. Es hat folgerichtig geprüft, ob die Handlungen der Angeklagten die Tathandlung zumindest eines der an dem Mord täterschaftlich Mitwirkenden im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB gefördert haben und dies - jedenfalls den Lagerkommandanten und seinen Adjutanten betreffend - bejaht; dies genügt. Deshalb ist es ohne Bedeutung, ob - was die Revision in Abrede stellt - die für die Tötungen in Auschwitz-Birkenau Verantwortlichen durch die gehorsame und untergebene Diensterfüllung der Angeklagten in ihrem Tatentschluss bestärkt wurden. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht darauf an, ob hier - anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2016 (3 StR 49/16, BGHSt 61, 252 zur „Ungarn-Aktion“) - ein direkter Bezug der Tätigkeit der Angeklagten zu der Anordnung bestimmter Tötungsaktionen durch die nationalsozialistischen Machthaber und die führenden SS-Funktionäre hergestellt werden kann. Denn schon ihre festgestellte Unterstützung und Förderung des tatbezogenen Handelns des Lagerkommandanten, dem sie während ihrer rund zweijährigen Beschäftigung im Konzentrationslager auch insoweit vertrauensvoll, beständig und zeitlich intensiv zuarbeitete, ist geeignet, die Verurteilung wegen Beihilfe zu tragen. Das Landgericht musste sich deshalb mit etwaigen Abweichungen der Sachverhaltskonstellation zwischen dem vorliegenden und dem der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall in den Urteilsgründen nicht näher befassen.
dd) Das Landgericht hat schließlich auf der Grundlage einer umfassenden und eingehenden Beweiswürdigung mit rechtsfehlerfreier Begründung das Vorliegen des erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatzes bei der Angeklagten bejaht. Sie nahm die vorsätzliche und rechtswidrige Begehung der grausamen Morde durch die von ihr unterstützten Haupttäter billigend in Kauf und förderte deren Handeln - insbesondere dasjenige des Lagerkommandanten und des Adjutanten - wissentlich und willentlich. Hierzu hat die Strafkammer - wie aus den oben referierten Ausführungen ersichtlich - detaillierte Feststellungen zu dem die unterschiedlichen Tötungsarten betreffenden Kenntnisstand der Angeklagten getroffen und diese Feststellungen jeweils beweiswürdigend unterlegt.
Soweit die Revisionsbegründung diese Beweiswürdigung angreift, zeigt sie Rechtsfehler nicht auf, sondern nimmt im Ergebnis lediglich - zudem teilweise auf der Grundlage von urteilsfremdem, als allgemeinbekannt bezeichnetem Vorbringen - eine eigene Würdigung der Beweisergebnisse vor; damit kann sie im Revisionsverfahren nicht durchdringen.
ee) Schließlich steht der Bewertung der Tathandlungen der Angeklagten als strafbare Beihilfe auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu sogenannten (berufstypisch) neutralen Handlungen mit „Alltagscharakter“ (vgl. etwa BGH, Urteile vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 mwN; vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178 mwN; Beschluss vom 26. Januar 2017 - 1 StR 636/16, NStZ 2017, 461 f. jeweils mwN) entgegen. Danach gilt:
(1) Wird strafbares Verhalten nach den dargelegten Grundsätzen gefördert, kann dies grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale, berufstypische Handlungen geschehen. In diesen Fällen bedarf es aber einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996, 2999) zur Begrenzung von strafbarem Beihilfeunrecht bei Verhaltensweisen, die der Hilfeleistende jedem anderen in der Lage des Täters gegenüber ebenfalls vorgenommen hätte, weil er mit seiner Handlung - im Vorhinein (auch) - tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178).
Hierzu hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt:
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178). Das Merkmal der „Ausschließlichkeit“ betrifft den sogenannten deliktischen Sinnbezug (vgl. Schmorl, Die Grenzen der Beihilfestrafbarkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 2022, S. 146 ff., 159 ff.) und damit in objektiver Hinsicht die Frage, ob durch den Beitrag des Gehilfen das konkrete strafbare Verhalten des Haupttäters gefördert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178).
Hat die geförderte Handlung nicht ausschließlich deliktische, sondern auch legale Bestandteile, wird dadurch eine strafbare Beihilfe ausgeschlossen, wenn sich der Beitrag des Gehilfen auf die legalen Bestandteile beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22). Es fehlt dann der deliktische Sinnbezug, weil der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt, der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178).
Aus subjektiven Gründen kommt eine Einschränkung der Strafbarkeit der Beihilfe in Betracht, wenn der Hilfeleistende nicht weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und er es zwar für möglich hält, dass sein Handeln zur Begehung einer Straftat genutzt wird, er aber aufgrund des Alltagscharakters seines Tuns darauf vertrauen darf, dass dies nicht geschieht. Anderes gilt allerdings wiederum, wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des unterstützten Haupttäters derart hoch war, dass der Gehilfe sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178 mwN; Beschluss vom 26. Januar 2017 - 1 StR 636/16, NStZ 2017, 461 f. mwN).
(2) Nach diesen Maßgaben kommt - wie schon das Landgericht zutreffend angenommen hat - eine straflose Mitwirkung der Angeklagten nicht in Betracht. Die von ihr unterstützten Haupttäter handelten mit dem Betrieb der Konzentrationslager jedenfalls in der Tatzeit ausschließlich verbrecherisch, indem sie die Lagerinsassen unter menschenunwürdigen und lebensfeindlichen Bedingungen gefangen hielten, bis zu dem hierdurch bewirkten vorzeitigen Tod zwangsweise ihre Arbeitskraft ausnutzten und so aus Sicht der „Rassenideologie“ des NS-Regimes „wertlose Volksschädlinge“ ermordeten. Wie von der Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt, war das Lager in das KZ-System eingegliedert, das als zentraler Grundstein bei der Umsetzung der Ermordung der europäischen Juden und anderen aus rassistischen oder sonst menschenverachtenden Gründen als „unwert“ betrachteten Lebens fungierte.
Dabei kommt es aufgrund der festgestellten, schon zu Beginn der Tätigkeit der Angeklagten bestehenden und ihr positiv bekannten katastrophalen Lebensbedingungen für die Gefangenen in dem Konzentrationslager Stutthof nicht darauf an, dass diese jedenfalls zu Beginn der Tatzeit noch nicht sofort getötet werden sollten, sondern zunächst ihre Arbeitskraft noch bis zur völligen Erschöpfung ausgebeutet wurde. Denn infolge der Schaffung und bewussten Aufrechterhaltung der menschenunwürdigen und lebensfeindlichen Haftbedingungen ging es - anders als von der Revision vertreten - auch schon vor der Umwandlung in ein Vernichtungslager gerade nicht darum, die Gefangenen lediglich ihrer Freiheit zu berauben; aufgrund der Haftbedingungen führten vielmehr, wie von den Haupttätern jedenfalls billigend in Kauf genommen und der nationalsozialistischen „Rassenideologie“ entsprechend, auch der Lageraufenthalt und insbesondere die Heranziehung zur Zwangsarbeit - wenn auch gegebenenfalls mit zeitlicher Verzögerung - zur grausamen Tötung der Lagerinsassen (sogenannte Vernichtung durch Arbeit, vgl. Baun aaO, S. 297). Dass die Haupttäter insoweit nach den Urteilsgründen lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelten, steht der Annahme des deliktischen Sinnbezugs der Beihilfehandlungen der Angeklagten nicht entgegen. Denn bei diesem handelt es sich um ein objektives Merkmal, für das es auf eine subjektive Zwecksetzung der Haupttäter nicht ankommt (vgl. Schmorl aaO, S. 162), insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Haupttäter mit Tötungsabsicht handelten. Gleiches gilt, soweit die Haupttäter die Häftlinge unter lebensfeindlichen Bedingungen zwangen, sich auf „Todesmärsche“ zu begeben. Die Tötungen durch die Vergiftung mit Zyklon B und durch das Verschicken auf sogenannte Vernichtungstransporte nach Auschwitz-Birkenau waren von den Haupttätern schließlich nach den Feststellungen des Landgerichts beabsichtigt.
Die Angeklagte wusste nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass die von ihr unterstützten Haupttäter in der aufgezeigten Weise verbrecherisch handelten und ihr war bewusst, dass sie sie durch ihre Tätigkeit unterstützte. Es trifft damit entgegen der Annahme der Revision nicht zu, die Strafkammer habe bei der Angeklagten lediglich bedingten Vorsatz festgestellt. Einzig auf der voluntativen Ebene hat das Landgericht (mindestens) eine billigende Inkaufnahme der Morde durch die Angeklagte angenommen. Auf kognitiver Ebene ist es hingegen durchweg von positiver Kenntnis der Angeklagten ausgegangen. Es erschließt sich angesichts dessen entgegen dem Revisionsvorbringen auch nicht, wie die Angeklagte angenommen haben könnte, mit ihrer Tätigkeit lediglich einen von dem strafbaren Tun der Haupttäter ablösbaren Beitrag zu leisten.
(3) Im Ergebnis liegen damit die Voraussetzungen vor, unter denen nach der genannten Rechtsprechung das Handeln des Hilfeleistenden - hier der Angeklagten - den „Alltagscharakter“ verloren hatte und es als „Solidarisierung“ mit den Haupttätern zu deuten und deshalb nicht mehr als sozialadäquat anzusehen war. Der deliktische Sinnbezug zu den von den Haupttätern begangenen grausamen Morden war durchweg gegeben; die Angeklagte beschränkte sich - auch wenn sich der Schriftverkehr vereinzelt etwa auf die Bestellung unverfänglicher Güter bezogen haben mag - eben nicht auf Handlungen, die unabhängig von den Straftaten der KZ-Betreiber sinnvoll und nötig waren (vgl. dazu etwa Roxin, JR 2017, 88, 89).
Der Senat muss deshalb nicht mehr der Frage nachgehen, ob in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um eine Tätigkeit in einem Konzentrationslager im Zusammenhang mit dem - hier - millionenfachen Mord geht, überhaupt Verhaltensweisen denkbar sind, mit denen ein Gehilfe im Sinne der aufgezeigten Grundsätze zur Beihilfestrafbarkeit neutraler Handlungen tat- und täterunabhängige eigene, rechtlich als solche nicht missbilligte Zwecke verfolgt (dagegen etwa Werle/Burghardt, Festschrift für Werner Beulke, 2015, S. 339, 349, 351 f., die davon ausgehen, neutrale Handlungen kämen für das Lagerpersonal von Konzentrationslagern nicht in Betracht; gegen einen generellen Ausschluss der Grundsätze der neutralen Handlungen auf Beihilfe zu nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und für eine Prüfung nach allgemeinen Grundsätzen aber etwa Baun aaO, S. 383; Roxin aaO).
3. Das Landgericht hat die Schuld der Angeklagten zu Recht bejaht. Insbesondere hat es mit rechtsfehlerfreier Würdigung ausgeschlossen, dass die strafrechtliche Verantwortung der Angeklagten nach § 47 MilStGB in der Fassung vom 10. Oktober 1940 entfallen sein könnte, weil sie von Beginn ihrer Tätigkeit an erkannte, dass die ihr erteilten Befehle dazu dienten, die auch von ihr als verbrecherisch erkannten Mordtaten zu begehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 194 f.). Einen Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB hat die Strafkammer ebenso verneint wie einen entschuldigenden Befehlsnotstand; Rechtsfehler lassen diese Würdigungen nicht erkennen.
4. Auch der Rechtsfolgenausspruch hat Bestand; Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten hat die revisionsgerichtliche Überprüfung nicht erbracht.
5. Bezüglich der Kostenentscheidung hat der Senat für das Revisionsverfahren das ihm gemäß §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG zustehende Ermessen entsprechend den Wertungen der Jugendkammer im erstinstanzlichen Verfahren ausgeübt.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1442
Bearbeiter: Christian Becker