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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 939

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 464/21, Beschluss v. 24.05.2022, HRRS 2022 Nr. 939


BGH 5 StR 464/21 - Beschluss vom 24. Mai 2022 (LG Hamburg)

Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (unechte Wahlfeststellung; Anforderungen am die Überzeugungsbildung bezüglich der verschiedenen Geschehensabläufe); Darstellung der Ergebnisse von molekulargenetischen Untersuchungen in den Urteilsgründen (DNA-Mischspur).

§ 1 StGB; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (sogenannte unechte Wahlfeststellung) setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen voraus, dass innerhalb des durch § 264 StPO gezogenen Rahmens nicht eindeutig aufzuklären ist, ob der Angeklagte denselben Straftatbestand durch das eine oder andere Verhalten erfüllt hat, aber sicher ist, dass er die Tat verwirklicht hat und andere, straflose Handlungen ausgeschlossen sind. Eine wahldeutige Verurteilung ist damit nur zulässig, wenn das Tatgericht zwar die Überzeugung von einem bestimmten Geschehensablauf trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht zu gewinnen vermag, jedoch die Gewissheit erlangt hat, dass von zwei oder mehreren tatbestandsmäßigen Sachverhaltsvarianten (die jede für sich den Erfolg herbeigeführt haben können) eine mit Sicherheit vorliegt.

2. Die bei der unechten Wahlfeststellung in Betracht kommenden Geschehensabläufe müssen sich derart zueinander verhalten, dass das Tatgericht bei gedanklicher Ausschaltung der einen Möglichkeit vom Vorliegen der anderen überzeugt ist. Diesbezüglich müssen die Urteilsfeststellungen die mehreren Tatmodalitäten im Einzelnen darlegen, andere Möglichkeiten sicher ausschließen und sämtliche für erwiesen erachtete Tatsachen, in denen die objektiven und subjektiven Merkmale der zur Überzeugung des Gerichts allein in Betracht kommenden strafbaren Verhaltensweisen gesehen werden, ausweisen.

3. Bei der Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung in den Urteilsgründen gilt, dass bei DNA-Mischspuren grundsätzlich mitgeteilt werden muss, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. In Fällen, in denen sich die Untersuchung auf eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung bezieht, genügt es jedoch regelmäßig, wenn das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird. Gleiches gilt für Mischspuren mit eindeutiger Hauptkomponente, wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zur Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen. Eine Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form genügt jedoch in keinem Fall.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. April 2021 wird

das Verfahren im Fall II.1 der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen beschränkt;

das vorbezeichnete Urteil im Schuld- und Strafausspruch im Fall II.3 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und widerrechtlicher Verbreitung von Bildnissen (Tat II.1 der Urteilsgründe), wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (Tat II.2 der Urteilsgründe) und wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Übergriff (Tat II.3 der Urteilsgründe) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Im Fall II.1 der Urteilsgründe wird die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die Verfolgung der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen beschränkt. Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Die verhängte Einzelstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht eine geringere Strafe verhängt hätte, wenn es beim tateinheitlich verwirklichten Delikt der widerrechtlichen Verbreitung von Bildnissen das Fehlen des Strafantrags nach § 33 Abs. 2 KunstUrhG (positiv) festgestellt hätte, denn auch Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, können strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - 4 StR 389/21 mwN).

Eine Auswirkung der Beschränkung auf den Adhäsionsausspruch des Nebenklägers in den Fällen II.1 und II.2 ist ebenfalls auszuschließen, da ausweislich der Urteilsgründe das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung des § 33 Abs. 1 KunstUrhG bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ersichtlich nicht berücksichtigt hat.

2. Im Übrigen weist die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.1 und II.2 keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

a) Gegen die konkurrenzrechtliche Bewertung der mehrfachen Verstöße wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen durch die zeitlich spätere Verwendung eines der im Fall II.1 gefertigten Fotos aufgrund neuen Tatentschlusses im Fall II.2 gibt es nichts zu erinnern (Fischer, StGB, 69. Aufl., § 201a Rn. 44; MüKoStGB/Graf, 4. Aufl., § 201a Rn. 116; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 201a Rn. 54).

b) Mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) ist es zwar nicht gänzlich bedenkenfrei, bei der Zumessung der Einzelstrafen in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe dem Angeklagten strafschärfend „sein Handeln mit dolus directus 1. Grades (Absicht)“ zur Last zu legen. Denn die Verwendungsabsicht des „sonstigen Werkzeugs oder Mittels“ ist Teil des subjektiven Tatbestands des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB (MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 177 Rn. 166, 171), ebenso wie die Absicht der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs mit Nötigungsmitteln bei § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB. Da aber im Übrigen bedingter Vorsatz zur Tatbestandsverwirklichung ausreicht (MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 177 Rn. 102), sich die strafschärfende Erwägung des Landgerichts insoweit als zulässig erweist, kann der Senat auch angesichts der vom Landgericht herangezogenen besonders gewichtigen sonstigen strafschärfenden Gesichtspunkte eine Beschwer des Angeklagten sicher ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).

II.

Demgegenüber hält der auf wahldeutiger Tatsachengrundlage beruhende Schuldspruch wegen Mordes im Fall II.3 sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat seiner Entscheidung insoweit folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde gelegt:

a) Der Angeklagte und der später verstorbene A., die sich einige Tage zuvor in einer Pizzeria kennengelernt hatten, besuchten am 21. September 2019 gemeinsam die Geburtstagsfeier einer Freundin des Angeklagten. In den Morgenstunden des Folgetages, gegen 1.30 Uhr, fuhren sie im „nicht stark“ alkoholisierten Zustand zusammen mit einem Taxi zur Wohnung des Angeklagten. Möglicherweise konsumierten sie dort weiteren Alkohol. In ein oder mehrere Getränke des arg- und wehrlosen A. hatte der Angeklagte heimlich Ecstasy, Amphetamin und Kokain in potentiell tödlicher Menge - nicht ausschließbar auch zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich narkotisierende Mittel - gemischt. Dabei war ihm bewusst, dass A. an den Betäubungsmitteln versterben könnte, und er nahm dies billigend in Kauf. Der Angeklagte beabsichtigte, an dem - wie er wusste, heterosexuell orientierten - A., gegebenenfalls auch gegen dessen erkennbaren Willen, sexuelle Handlungen vorzunehmen, während dieser sich aufgrund der heimlich verabreichten Betäubungsmittel in einem Zustand erheblich eingeschränkter oder ausgeschlossener Willensbildung oder zumindest erheblicher Einschränkung der Abwehrfähigkeit befand. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und A., weil letzterer sich gegen den Versuch der Vornahme sexueller Handlungen durch den Angeklagten zur Wehr setzte. Hierbei erlitt A. blutende Verletzungen, wobei er laute, aufgrund der Betäubungsmittelintoxikation unartikuliert klingende Schreie ausstieß, die eine Wohnungsnachbarin wahrnahm. Der Angeklagte, welcher verhindern wollte, dass alarmierte Nachbarn die Polizei rufen und so seine vorherigen Straftaten entdeckt werden würden, versuchte, die Schreie zu unterbinden, und wirkte zu diesem Zweck mit mindestens bedingtem Tötungsvorsatz gewaltsam auf den Mund des A. ein, der ihm hierbei in die Finger biss. Im Laufe der Nacht verstarb A. entweder an einer Überdosis der verabreichten Betäubungsmittel oder durch die vom Angeklagten während der Auseinandersetzung zugefügten Verletzungen oder durch Ersticken, weil der Angeklagte ihn - durch Einwirken auf den Mund - am Atmen hinderte; möglich ist aber auch, dass er aufgrund einer Kombination der Folgen der in Betracht kommenden Tathandlungen verstarb. Die genaue Todesursache konnte aufgrund des weit fortgeschrittenen Verwesungsprozesses nach Auffinden der Leiche des A. am 19. Januar 2020 im Gästezimmer der Wohnung des Angeklagten nicht mehr aufgeklärt werden. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Verlauf der Tatnacht, vor oder nach dem Tod des A., hatte der Angeklagte eine Erektion und hinterließ Sperma in beiden Schuhen des Opfers. Sofern dessen Tod kausal durch die körperliche Auseinandersetzung herbeigeführt wurde, war dem Angeklagten bewusst, dass A. bereits durch die verabreichten Drogen beeinträchtigt war und damit aufgrund der Gewalteinwirkung versterben könnte, was der Angeklagte entweder wollte oder zumindest billigend in Kauf nahm.

b) Nach Auffassung des Landgerichts habe der Angeklagte bei sämtlichen Handlungen, die für sich allein oder in ihrer Kombination den Tod des A. herbeigeführt haben könnten, ein Mordmerkmal verwirklicht: Beim Verabreichen der Drogen habe er mit Heimtücke und Ermöglichungsabsicht und bei den Gewalthandlungen mit Verdeckungsabsicht gehandelt. Im Falle des Überlebens des Opfers sei der Angeklagte - aufgrund seiner Vorerfahrungen bei vergleichbaren Vorgehensweisen gegenüber früheren Opfern sexueller Übergriffe - davon ausgegangen, dass es im Nachhinein nicht zu einer Anzeige durch A. kommen würde, sondern schon ein Ruhigstellen zur Verdeckung der vorherigen Taten genügen könnte. Vom mindestens versuchten schweren sexuellen Übergriff sei der Angeklagte nicht strafbefreiend zurückgetreten, weil dieser entweder infolge der körperlichen Auseinandersetzung fehlgeschlagen sei oder es an der Freiwilligkeit der Aufgabe des Tatentschlusses fehle, da die lauten Schreie des Opfers das Risiko einer Entdeckung für den Angeklagten unvertretbar erhöht hatten.

2. Das Landgericht hat nicht sämtliche der wahldeutigen Verurteilung zugrunde gelegten Tatabläufe tragfähig beweiswürdigend unterlegt. Vielmehr erweist sich die Würdigung, wonach der Angeklagte sein Opfer auch bei der körperlichen Auseinandersetzung getötet haben könnte, als rechtsfehlerhaft, was der Verurteilung wegen Mordes auf wahldeutiger Tatsachenbasis die Grundlage entzieht.

a) Eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (sogenannte unechte Wahlfeststellung) setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen voraus, dass innerhalb des durch § 264 StPO gezogenen Rahmens nicht eindeutig aufzuklären ist, ob der Angeklagte denselben Straftatbestand durch das eine oder andere Verhalten erfüllt hat, aber sicher ist, dass er die Tat verwirklicht hat und andere, straflose Handlungen ausgeschlossen sind (BGH, Urteile vom 8. Mai 1952 - 3 StR 1199/51, BGHSt 2, 351; vom 4. Dezember 1958 - 4 StR 411/58, BGHSt 12, 386, 389; Beschlüsse vom 24. September 1982 - 2 StR 476/82, NJW 1983, 405 ; vom 16. Februar 2021 - 2 StR 391/20; MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl., § 267 Rn. 122; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 1 Rn. 39 mwN; allgemein zur Tatsachenalternativität Schönke/Schröder/Hecker, 30. Aufl., § 1 Rn. 60; LR/Sander, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 137 ff.). Eine wahldeutige Verurteilung ist damit nur zulässig, wenn das Tatgericht zwar die Überzeugung von einem bestimmten Geschehensablauf trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht zu gewinnen vermag, jedoch die Gewissheit erlangt hat, dass von zwei oder mehreren tatbestandsmäßigen Sachverhaltsvarianten (die jede für sich den Erfolg herbeigeführt haben können) eine mit Sicherheit vorliegt. Es müssen sich die in Betracht kommenden Geschehensabläufe derart zueinander verhalten, dass das Tatgericht bei gedanklicher Ausschaltung der einen Möglichkeit vom Vorliegen der anderen überzeugt ist (BGH, Urteil vom 29. April 1987 - 2 StR 62/87; MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl., § 267 Rn. 122). Diesbezüglich müssen die Urteilsfeststellungen die mehreren Tatmodalitäten im Einzelnen darlegen, andere Möglichkeiten sicher ausschließen (BGH, Urteil vom 4. März 1986 - 1 StR 676/85, NStZ 1986, 373) und sämtliche für erwiesen erachtete Tatsachen, in denen die objektiven und subjektiven Merkmale der zur Überzeugung des Gerichts allein in Betracht kommenden strafbaren Verhaltensweisen gesehen werden, ausweisen (MüKoStPO/Wenske aaO). Dabei bestehen umso strengere Anforderungen, je mehr Geschehensabläufe in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 4. März 1986 - 1 StR 676/85, NStZ 1986, 373 mwN). Daran gemessen erweist sich die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes nicht als tragfähig.

b) Allerdings beruhen die vom Landgericht zugrunde gelegten Varianten einer vorsätzlichen Todesverursachung durch heimliches Beibringen eines Betäubungsmittelgemischs (erste Variante) oder als Folge der Unterbindung der Atmung zur Unterdrückung von Schreien des Opfers (dritte Variante) auf tragfähigen Feststellungen, die rechtsfehlerfrei beweiswürdigend unterlegt sind. Für diese Tatvarianten hat das Landgericht zutreffend Mordmerkmale aufgrund einer insoweit zulässigen Wahlfeststellung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 - 2 StR 391/20 mwN) bejaht.

Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bedurfte es dafür nicht der Feststellung, dass die potentiell tödliche Dosis von Ecstasy, Kokain und Amphetamin den Tod tatsächlich herbeigeführt hat. Denn die insoweit bestehende Ungewissheit zum Kausalverlauf bedingt gerade die auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage beruhende (gleichartige) Wahlfeststellung (vgl. MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl., § 267 Rn. 120, 122 mwN).

c) Demgegenüber weist die (zweite) Variante einer vorsätzlichen Tötung des Opfers mit Verdeckungsabsicht im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung durchgreifende Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung leidet unter erheblichen Mängeln bei der Darstellung der Ergebnisse der gutachterlichen Auswertung der am Tatort gesicherten DNA-Spuren und ist auch darüber hinaus lückenhaft.

aa) Das Landgericht hat sich anhand von zahlreichen Blutspuren, die in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurden und „teilweise dem Geschädigten zuzuordnen“ gewesen seien, davon überzeugt, dass sich das Opfer zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt gegen sexuelle Handlungen des Angeklagten zur Wehr setzte und infolge der damit einhergehenden körperlichen Auseinandersetzung verletzt wurde, wobei mindestens eine Gewalthandlung des Angeklagten offenkundig lebensgefährdend gewesen sein müsse, weshalb der Angeklagte bedingt vorsätzlich gehandelt habe. Da sich die meisten Blutspuren auf dem Schlafzimmer zuzuordnenden Gegenständen wie Bettwäsche, Bettdecke und Matratze befunden hätten, habe die Auseinandersetzung entweder primär im Schlafzimmer stattgefunden oder sei jedenfalls dort eskaliert, was zudem den Bezug zu der (versuchten) Sexualstraftat belege.

bb) Hinsichtlich eines großen Teils der festgestellten Blutspuren fehlt es aber schon generell an einer nachvollziehbaren Zuordnung zum Opfer. Dies betrifft namentlich zahlreiche, teils großflächige Blutantragungen auf einem Bettbezug, in Randbereichen und vereinzelt mittig auf einer Bettdecke, am T-Shirt des Opfers, auf dem am Tattag vom Angeklagten getragenen T-Shirt und auf einem Spannbettlaken, auf dem sich außerdem Samenflüssigkeit befunden habe, deren Verursacher nicht bestimmbar gewesen sei. Hinsichtlich all dieser Blutspuren stützt sich das Landgericht pauschal auf - nicht konkret mitgeteilte - DNA-Vergleichsuntersuchungen des Sachverständigen sowie die Inaugenscheinnahme der „dazugehörigen Lichtbilder“.

cc) Soweit sich genauere Angaben zu Art und Herkunft von DNA-Spuren im Urteil finden, genügen sie in keinem Fall den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung. Insoweit gilt:

(1) Stützt das Tatgericht seine Überzeugung auf indizielle Beweisergebnisse, müssen die dafür maßgeblichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte in den Urteilsgründen so mitgeteilt werden, dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist. Für die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung gilt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei DNA-Mischspuren grundsätzlich mitgeteilt werden muss, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. In Fällen, in denen sich die Untersuchung auf eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung bezieht, genügt es jedoch regelmäßig, wenn das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird. Gleiches gilt für Mischspuren mit eindeutiger Hauptkomponente, wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zur Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. August 2021 - 2 StR 325/20; vom 29. Juli 2020 - 6 StR 211/20 jeweils mwN). Eine Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form genügt jedoch in keinem Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2021 - 4 StR 262/21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

(2) Dem werden die Ausführungen des Landgerichts zum Blut „zumindest auch des Geschädigten“, das mittig in der unteren Hälfte der rechtsseitigen Matratze festgestellt wurde und bei dem eine von vermutlich drei Personen verursachte DNA-Mischspur nachgewiesen worden sei, die sämtliche DNA-Merkmale des Opfers und DNA-Merkmale anderer Personen, zu denen der Angeklagte gehört, aufgewiesen habe, nicht gerecht. Gleiches gilt für eine DNA-Mischspur mit dominierenden Merkmalen des Opfers an dessen Handy und eine DNA-Mischspur an einer von drei Stellen am T-Shirt des Angeklagten. Zu diesen Spuren bleiben die Darlegungen lückenhaft.

dd) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesen Rechtsfehlern nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), weil das Landgericht seine Überzeugung von der Tatvariante einer kausal durch die körperliche Auseinandersetzung herbeigeführten Tötung maßgeblich auf die festgestellten Blutantragungen des Tatopfers an den genannten Gegenständen gestützt hat.

ee) Zudem fehlen nachvollziehbare Angaben im Urteil, aus denen sich ergibt, dass ein Blutverlust des Opfers auf eine zum Tode führende Verletzung schließen lassen könnte. Dies wäre aber angesichts nicht feststellbarer äußerer, die Haut perforierender Defekte am Leichnam und der aus rechtsmedizinischer Sicht ungeklärten Todesursache erforderlich gewesen. Insoweit verweist der Senat ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts (dort unter 3. b) bb), S. 14 f.).

d) Auch die Feststellungen zum bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten im Rahmen einer in wesentlichen Details nicht geklärten körperlichen Auseinandersetzung erweisen sich im Lichte der bereits dargestellten Mängel als nicht tragfähig, weil schon eine lebensgefährliche Misshandlung des Opfers durch den Angeklagten bei dieser (zweiten) Tatvariante nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist. Zudem ist, bezogen auf den Zeitpunkt vor dem gewaltsamen Einwirken des Angeklagten auf den Mund des Opfers, um dessen Schreie zu unterbinden, die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht hinreichend belegt.

e) Die vierte Sachverhaltsvariante, nach der der Angeklagte sein Opfer durch eine Kombination der Folgen der ersten drei Varianten getötet hat, ist wegen der Mängel in der Beweiswürdigung für die zweite Variante nicht ausreichend belegt.

f) Angesichts der dargelegten Lücken konnte das Landgericht nicht die für die Wahlfeststellung erforderliche Gewissheit erlangen, dass von den angenommenen Sachverhaltsvarianten eine mit Sicherheit vorliegt und andere Geschehensabläufe, die nur einen milderen Schuldspruch tragen, ausscheiden.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Mordes zieht die Aufhebung der für sich betrachtet rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchter schwerer sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB und der verhängten Einzelstrafe nach sich. Auch die im Fall II.3 getroffene Adhäsionsentscheidung kann damit keinen Bestand haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2021 - 1 StR 478/20 mwN; vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 373/18). Das Entfallen der Einsatzstrafe führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

4. Die Feststellungen im Fall II.3 waren insgesamt aufzuheben, um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 939

Bearbeiter: Christian Becker