HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1306
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 468/22, Beschluss v. 12.04.2023, HRRS 2023 Nr. 1306
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 28. Juni 2022 mit den Feststellungen aufgehoben; ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben.
Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Ferner hat es ihn im Rahmen einer Adhäsionsentscheidung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 Euro an den Adhäsionskläger verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen befuhr der Beschuldigte, der an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leidet, mit seinem SUV Mercedes 280 ML eine Straße mit Sand-Schotter-Belag, auf der die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt ist. Er näherte sich drei Fußgängern, die sich mit ihren Hunden auf dem Gehweg befanden, mit weit überhöhter Geschwindigkeit. Etwa 20 Meter vor den Zeugen lenkte der Beschuldigte sein Fahrzeug nach links und zog - wenige Meter vor den Zeugen ? noch weiter nach links, sodass sich die linken Räder auf dem Fußweg befanden. Der Beschuldigte hatte alle drei Zeugen aus einer Entfernung von ca. 100 Metern wahrgenommen; ihm kam es darauf an, die Zeugen mit seinem Fahrzeug zu erfassen, um sie jedenfalls zu verletzen. Die Zeugen konnten sich gerade noch vor einem Zusammenstoß in Sicherheit bringen. Anschließend lenkte der Beschuldigte sein Fahrzeug wieder zurück in die Fahrbahnmitte und fuhr davon. Der Adhäsionskläger zog sich durch den Sprung in ein Gebüsch eine Prellung von Schulter und Rippen sowie Schürfwunden zu und war wie die anderen beiden Zeugen durch das Ereignis psychisch belastet.
Das Landgericht hat die Anlasstat als gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Körperverletzung sowie als unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gewertet. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Beschuldigte zur Tatzeit in einem akuten psychotischen Zustand der paranoid-halluzinatorischen Psychose befand, in dem aufgrund einer psychotisch bedingten Realitätsverkennung die Einsichtsfähigkeit stark beeinträchtigt und aufgrund einer erheblichen Antriebssteigerung die Steuerungsfähigkeit sicher aufgehoben waren.
Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Gefährlichkeitsprognose nicht tragfähig begründet ist.
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose lassen nicht erkennen, dass alle prognoserelevanten Umstände, die sich aus den getroffenen Feststellungen ergeben, in die Erwägungen einbezogen worden sind.
a) Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB erfordert eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Täterpersönlichkeit, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 - 4 StR 267/22 Rn. 15). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. September 2019 ? 4 StR 24/19, NStZ-RR 2020, 9, 10; Beschluss vom 10. November 2015 ? 3 StR 407/15, NStZ 2016, 144, 145 mwN). Der Umstand, dass ein Täter trotz eines psychischen Defekts über Jahre hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat, kann dabei ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger solcher Straftaten sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2022 - 3 StR 25/22 Rn. 9 mwN). Allein mit der allgemein erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefährlichkeitsprognose nicht begründet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 - 5 StR 109/19 Rn. 14 mwN).
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Das Landgericht hätte insbesondere nicht unerörtert lassen dürfen, dass der Beschuldigte bislang keine Straftaten begangen hat, obwohl nach Auffassung des Sachverständigen, dem sich das Landgericht angeschlossen hat, der Krankheitsverlauf des Beschuldigten Hinweise auf ein lange bestehendes Krankheitsgeschehen biete.
Zudem lassen die Erwägungen des Landgerichts besorgen, dass es den vom Sachverständigen übernommenen statistischen Wahrscheinlichkeiten im Rahmen der Krankheits- und Kriminalprognose ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Denn das Landgericht hat sich dem Sachverständigen angeschlossen, der sich für ein Wiederauftreten der wahnhaften Symptome und als Grundlage der Kriminalprognose auf statistische Verläufe von schizophrenen Psychosen gestützt hat. Soweit sich das Landgericht auch der individualprognostischen Gesamtbewertung des Sachverständigen angeschlossen hat, der hierzu auf bei dem Beschuldigten bestehende persönlichkeitsimmanente Faktoren wie seine Primärpersönlichkeit, den individuellen Krankheitsverlauf mit Hinweisen auf ein lange bestehendes Krankheitsgeschehen sowie dessen retrospektive und aktuelle Einstellung zu den Ereignissen verwiesen hat, versetzen die Erwägungen der Strafkammer den Senat nicht in die Lage, die Gefährlichkeitsprognose nachzuvollziehen, da die vom Sachverständigen hierfür herangezogenen Anknüpfungstatsachen nicht mitgeteilt werden.
Gleiches gilt für die Bewertung des Sachverständigen, dass der Beschuldigte unverändert an dem Krankheitsbild leide. Den Urteilsgründen lässt sich dazu lediglich entnehmen, dass sich der Beschuldigte im Urteilszeitpunkt im Zustand der Remission befand und in der einstweiligen Unterbringung keine akuten wahnhaften Symptome auftraten. Eine Darlegung der Anknüpfungstatsachen für die Annahme einer unverändert fortbestehenden Erkrankung wäre jedoch erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob und in welcher Weise ein Kriminalitätsrisiko zum Urteilszeitpunkt gegebenenfalls (weiter-)besteht.
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zu dem Tatgeschehen in objektiver Hinsicht getroffenen tatsächlichen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung; sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird sich genauer als bisher mit dem natürlichen Vorsatz des Beschuldigten und seiner Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen, zu befassen haben (vgl. zum Maßstab BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 StR 642/17 Rn. 3; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14 mwN). Wenn - wie hier - die Willensrichtung dafür entscheidend ist, ob sich die Handlung des Täters als ein die Unterbringung gemäß § 63 StGB begründendes Verbrechen (hier nach § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB) darstellt, dann muss insbesondere der innere Tatbestand erörtert werden, soweit dies nach dem psychischen Zustand des Täters möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 338/13 Rn. 8; Beschluss vom 14. März 1989 - 1 StR 810/88, BGHR StGB § 63 Tat 2 mwN). Dabei wird zu beachten sein, dass es der Annahme eines natürlichen Tatvorsatzes nicht entgegensteht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2014 ? 5 StR 189/14; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08). Vorstellungsausfälle, die auf der psychischen Erkrankung beruhen, beeinträchtigen zwar die Verantwortlichkeit des Täters, führen aber nicht dazu, dass die sonst vorhandenen inneren Tatbestandsmerkmale verneint werden müssten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 StR 642/17 Rn. 3 [krankheitsbedingte Risikoverkennung, wenn bei jedem geistig gesunden Menschen in der Situation des Täters ein Risikobewusstsein vorgelegen hätte]; Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273, 274; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14; Beschluss vom 29. Mai 1991 - 3 StR 148/91, NStZ 1991, 528; Urteil vom 11. November 1952 - 1 StR 510/52, BGHSt 3, 287, 288 f. [zum Täuschungsvorsatz beim Betrug bei krankheitsbedingter Verkennung der Unrichtigkeit gegebener Zusicherungen]; weitere Nachweise bei Cirener in LK-StGB, 13. Aufl., § 63 Rn. 30 mit Fn. 74).
Auch der Adhäsionsausspruch zur Zahlung von Schmerzensgeld hat keinen Bestand; insoweit ist von einer Entscheidung abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).
1. Die Aufhebung des strafrechtlichen Teils des angefochtenen Urteils hat zwar nicht automatisch die Aufhebung der zu Gunsten des Nebenklägers ergangenen Adhäsionsentscheidung zur Folge (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2023 - 4 StR 442/22 Rn. 12 mwN). Jedoch erweist sich der Adhäsionsausspruch als rechtsfehlerhaft, weil ein Adhäsionsantrag im Sicherungsverfahren nicht statthaft ist.
a) Gemäß § 403 StPO kann der Verletzte gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht worden ist. Ob ein solcher Adhäsionsantrag des Verletzten auch im Rahmen eines Sicherungsverfahrens statthaft ist, wurde - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden. Soweit im Verfahren 6 StR 320/22 (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 2022) das Landgericht im Sicherungsverfahren auch eine Adhäsionsentscheidung getroffen hatte, war die Revision des Beschuldigten wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkt worden, so dass sich die Frage der Zulässigkeit des Adhäsionsantrags nicht gestellt hat.
In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, ein Adhäsionsantrag sei auch im Rahmen des Sicherungsverfahrens zulässig. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich um einen Fall der nicht auszuschließenden Schuldunfähigkeit des Beschuldigten handele (vgl. Ferber in BeckOK-StPO, 48. Ed., § 403 Rn. 14; Weiner in Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 403 StPO Rn. 6; siehe auch Grau in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 403 Rn. 22). Demgegenüber wird mehrheitlich angenommen, ein Adhäsionsantrag sei im Sicherungsverfahren unzulässig (vgl. Wenske in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 403 Rn. 25; Gaede in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Vor § 413 Rn. 9; Maur in KK-StPO, 9. Aufl., § 414 Rn. 4a; Degener in SK-StPO, 5. Aufl., § 414 Rn. 31; Putzke/Scheinfeld in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 414 Rn. 29; Metzger in KMR, StPO, 96. El., § 414 Rn. 40; Pollähne in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 414 Rn. 5). Begründet wird diese Auffassung damit, dass es der primäre Zweck des Sicherungsverfahrens sei, drohende Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden, und es im Sicherungsverfahren an der Sanktionierung einer Straftat fehle.
b) Der Senat tritt der überwiegenden Meinung in der Literatur bei, wonach ein Adhäsionsantrag im Sicherungsverfahren nicht statthaft ist.
aa) Nach dem Wortlaut des § 403 StPO ist der Anwendungsbereich des Adhäsionsverfahrens auf das „Strafverfahren“ beschränkt. Auch wird in der Strafprozessordnung begrifflich zwischen dem Straf- und dem Sicherungsverfahren unterschieden (vgl. etwa §§ 414, 416 StPO). Ein sicherer Schluss auf die Unzulässigkeit eines Adhäsionsantrags im Sicherungsverfahren lässt sich allein hieraus jedoch noch nicht ziehen. Denn § 414 Abs. 1 StPO erklärt die Vorschriften über das Strafverfahren sinngemäß für anwendbar, was auch als Bezugnahme auf die Vorschriften über das Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) verstanden werden kann.
Dass in § 403 Satz 1 StPO ausdrücklich von einer Straftat die Rede ist, lässt für sich ebenfalls noch keinen eindeutigen Schluss zu. Denn hiermit muss nicht zwingend eine schuldhaft begangene Straftat gemeint sein, an der es im Sicherungsverfahren fehlen würde. Zudem ergibt sich aus § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass dem Antrag des Verletzten auch dann stattzugeben sein kann, wenn gegen den Beschuldigten ausschließlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 - 3 StR 341/14 Rn. 7 [im Strafverfahren]).
bb) Die Unzulässigkeit eines Adhäsionsantrags im Sicherungsverfahren folgt jedoch aus dem Wortlaut des § 413 StPO und dem Zweck des Sicherungsverfahrens; sie findet ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik.
(1) § 413 StPO bestimmt die im Sicherungsverfahren möglichen Rechtsfolgen dahin, dass die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie (als Nebenfolge) die Einziehung möglich sind. Diese Vorschrift ist als abschließende Regelung zu verstehen. Die Rechtsprechung hatte bereits den Wortlaut der Fassung vor der Neuregelung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099; vgl. BT-Drucks. 19/27654, S. 108) dahin verstanden, dass nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürften und die damals noch nicht ausdrücklich geregelte Einziehung als Maßnahme im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB nicht zulässig sei (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2016 - 4 StR 39/16 Rn. 3; Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03 Rn. 11). Ein Anlass für eine einschränkende Auslegung, wonach mit den in § 413 StPO genannten Rechtsfolgen nur hoheitliche Folgen einer Straftat erfasst werden sollen, besteht ebenso wenig wie für ein Abweichen von dem bisherigen wörtlichen Verständnis der Vorschrift.
(2) Die Unzulässigkeit eines Adhäsionsantrages im Sicherungsverfahren findet ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat - die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgreifend - die Zulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren ausdrücklich geregelt (§ 395 Abs. 1 StPO in der Fassung des Opferrechtsreformgesetzes vom 24. Juni 2004, BGBl. I S. 1354; vgl. BR-Drucks. 829/03, S. 29). An einer entsprechenden Regelung für das Adhäsionsverfahren fehlt es demgegenüber. Eine solche wurde auch zuletzt anlässlich der mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 erfolgten Erweiterung des § 413 StPO um die Rechtsfolge der Einziehung (BGBl. I S. 2099; vgl. BT-Drucks. 19/27654, S. 108) nicht vom Gesetzgeber eingefügt.
(3) Schließlich spricht auch die prozessuale Ausgestaltung des Sicherungsverfahrens gegen die Zulässigkeit eines Adhäsionsantrags. Soweit gemäß § 415 Abs. 1 und 3 StPO die Hauptverhandlung auch in Abwesenheit des (verhandlungsunfähigen) Beschuldigten durchgeführt werden kann, ohne dass das Gericht hierbei an die engen Voraussetzungen der §§ 231 bis 234, § 247 StPO gebunden wäre, kann die hiermit einhergehende Beeinträchtigung von Rechtspositionen des Beschuldigten nur mit dem Schutzzweck der §§ 413 ff. StPO gerechtfertigt werden (vgl. auch Gaede in Löwe-Rosenberg, StPO, § 415 Rn. 1 f.; KK-StPO/Maur, 9. Aufl., § 415 Rn. 1). Würde unter diesen prozessualen Bedingungen zugleich auch ein Adhäsionsverfahren durchgeführt, käme es gegenüber dem Beschuldigten als Adhäsionsbeklagtem zu denselben Rechtsverkürzungen.
Diese weichen von den anerkannten strafprozessualen Grundsätzen, nach denen sich das Adhäsionsverfahren im Wesentlichen richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - 4 StR 121/21, NStZ-RR 2022, 29 mwN), erheblich zu dessen Nachteil ab und gehen über das in einem Zivilverfahren gegen einen Prozessunfähigen (§§ 51, 52, 56 ZPO) Mögliche hinaus. Mit den Zwecken des Adhäsionsverfahrens lässt sich dies nicht mehr begründen. Weder der Gedanke der Prozessökonomie noch derjenige des Opferschutzes vermögen ein auf einen zivilrechtlichen Anspruch gerichtetes Verfahren gegen einen nicht gesetzlich vertretenen prozessunfähigen Beschuldigten/Beklagten zu rechtfertigen.
2. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Adhäsionsverfahrens beruht auf § 472a Abs. 2 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1306
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede