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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2024
25. Jahrgang
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Dem Tatgericht ist es im Falle einer Gesamttatserie nicht verwehrt, die Vielzahl der Taten schon bei der Bemessung der Einzelstrafen strafschärfend zu berücksichtigen (h. M., siehe etwa BGH HRRS 2017 Nr. 972 und HRRS 2013 Nr. 484; teilw. anders BGH HRRS 2016 Nr. 666; dem zust. BGH HRRS 2024 Nr. 727). Durch die Einbettung von Einzeltaten in eine Serie kann das Gewicht jeder Einzeltat deutlich erhöht werden, bei der nicht nur Vortaten, sondern grundsätzlich auch nachfolgende Taten strafschärfend berücksichtigt werden können, sofern ein innerer kriminologischer Zusammenhang besteht.
Die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer Freiheitsstrafe bekommt regelmäßig erst dann das Gewicht eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes, wenn besondere Gründe wie Alter oder Krankheit hinzukommen.
1. § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wieder gutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss (st. Rspr.).
2. Ein kommunikativer Prozess in diesem Sinne setzt voraus, dass das Verhalten des Täters im Verfahren „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“ ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten. Jedenfalls für schwere Gewaltdelikte und Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die sich gegen einzelne Opfer gerichtet haben, wird für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich regelmäßig ein Geständnis zu verlangen sein. Dabei ist nicht in jedem Fall ein umfassendes, vorbehaltloses Geständnis des Täters in der Hauptverhandlung erforderlich; etwa ist die Anwendung der Vorschrift im Einzelfall nicht ausgeschlossen, wenn ein Geständnis einzelne Tatumstände beschönigt. Voraussetzung bleibt aber auch in diesem Fall, dass der Täter freiwillig Verantwortung für sein Handeln übernimmt und gegenüber seinem Opfer eine konstruktive Leistung erbringt, die diesem Genugtuung verschafft (vgl. BGHSt 48, 134, 142 f.).
3. Lässt sich das Tatopfer – etwa weil das Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen Ausgleich unmöglich machen – auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so ist das Verfahren für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht geeignet.
4. Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Opfer, das sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die Arglosigkeit führt zur Wehrlosigkeit, wenn das Opfer aufgrund der Überraschung durch den Täter in seinen Abwehrmöglichkeiten so erheblich eingeschränkt ist, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, dem Angriff auf sein Leben erfolgreich zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das ist der Fall, wenn das Opfer daran gehindert ist, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder in sonstiger Weise auch durch verbale Äußerungen auf den Täter einzuwirken, um den Angriff zu beenden. Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches“ Vorgehen. Vielmehr kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (st. Rspr.).
Für die für § 46a Nr. 1 StGB erforderliche Übernahme von Verantwortung bedarf es zwar nicht stets, aber doch insbesondere bei Gewaltdelikten in aller Regel eines umfassenden Geständnisses. Ein solches wird durch die Beschönigung einzelner Tatumstände nicht in Frage gestellt, sofern die Verantwortung des Angeklagten für das Tatgeschehen und dessen Folgen zugestanden und die Opferrolle des Geschädigten anerkannt bleiben.