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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2024
25. Jahrgang
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1. Für die revisionsrechtliche Nachprüfung derartiger „Altfälle“, in denen das Tatgericht zum Urteilszeitpunkt § 64 StGB a.F. anzuwenden hatte, ist – mangels Eingreifens einer Übergangsregelung – gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO die Neuregelung maßgeblich.
2. Zur Darlegung der Erfolgsprognose einer Therapie i.S. des § 64 StGB n.F. ist eine Gesamtabwägung erforderlich, die namentlich Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbereitschaft des Angeklagten in den Blick nimmt und bei der es damit in erster Linie um in der Person und Persönlichkeit des Täters liegende Umstände geht, insbesondere solche, die seine Sucht und deren Behandlungsfähigkeit unmittelbar kennzeichnen – vor allem Art und Stadium der Sucht, bereits eingetretene physische und psychische Veränderungen und Schädigungen, frühere Therapieversuche sowie eine aktuelle Therapiebereitschaft.
1. „Überwiegend“ geht eine Anlasstat nur dann auf den Hang des Angeklagten i.S.d. § 64 StGB (in der seit 1. Oktober 2023 geltenden Fassung) zurück, wenn dieser mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war. Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat ist für die Annahme der Kausalität nur dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt. Eine Mitursächlichkeit unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht aus.
2. Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 StGB grundsätzlich durch das spätere Erkenntnis einheitlich anzuordnen, sodass über sie durch das Gericht zu entscheiden ist, das auch über die nachträgliche Gesamtstrafe befindet. Nur wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen, ist die frühere Einziehungsentscheidung im neuen Urteil aufrechtzuerhalten. Wird die Einziehungsanordnung in der früheren rechtskräftigen Entscheidung hingegen gegenstandlos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB, hat die Anordnung zu entfallen.
Nach § 64 Satz 1 StGB setzt die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt voraus, dass die vom Täter begangene rechtswidrige Tat überwiegend auf seinen Hang zurückgeht. „Überwiegend“ ursächlich ist der Hang für die Anlasstat, wenn dieser mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war; eine Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstat unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht mehr aus.
Zwar bildet weder die Feststellung des Vorliegens einer Psychopathie, noch diejenige des Vorliegens einer Persönlichkeitsstörung im Sinne der internationalen Klassifikationen für sich genommen ein Eingangsmerkmal im Sinne von § 20, § 21 StGB. Jedoch ist das Vorliegen eines solchen Befundes vom Tatgericht regelmäßig darauf zu überprüfen, ob der Schweregrad einer erkannten Störung dazu ausreicht, von einer schweren anderen seelischen Störung auszugehen.
Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, sind Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, so dass über sie durch das Gericht zu entscheiden ist, das auch über die nachträgliche Gesamtstrafe befindet. Dieses ist dabei an die Rechtskraft der ursprünglichen Entscheidung gebunden. Sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen, ist die frühere Einziehungsentscheidung in das neue Urteil einzubeziehen. Dies geschieht – trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB – durch das Zusammenzählen der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung. Damit wird die Einziehungsanordnung in dem früheren Urteil gegenstandlos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung; die entsprechende Anordnung entfällt.
Liegen die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln vor, so sind sie grundsätzlich nebeneinander anzuordnen (§ 72 Abs. 2 StGB), es sei denn, der erstrebte Zweck ist schon durch eine von ihnen zu erreichen (§ 72 Abs. 1 StGB); das ist aber nur der Fall, wenn sie gleichermaßen geeignet ist wie die andere, was sorgfältiger und umfassender Erörterung bedarf.