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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2023
24. Jahrgang
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§ 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB sieht vor, dass das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, einem Abzugsverbot unterfällt. Die Vorschrift beschreibt den Kern des „Bruttoprinzips“. Mit dem Tatbestandsmerkmal „für“ wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 817 Satz 2 BGB sicherstellen, dass (nur) das, was für ein verbotenes Geschäft aufgewendet wurde, unwiederbringlich verloren sein müsse (vgl. BGHSt 66, 147 Rn. 64). Daraus folgt, dass die Handlung oder das Geschäft, das unmittelbar zur Vermögensmehrung führt, selbst verboten sein muss. Fehlt dieser Zusammenhang, sind die Aufwendungen zu berücksichtigen. Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen werden damit in Abzug gebracht, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen.
Das unbedingte Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ist – von Ausnahmen abgesehen (§ 224 Abs. 1 Nr. 3, § 226 Abs. 2 StGB) – kein Tatbestandsmerkmal der §§ 223 ff. StGB und stellt auch nicht den normativen Regelfall eines vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts dar. In der straferhöhenden Würdigung des dolus directus ersten Grades ist in diesen Fällen kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot aus § 46 Abs. 3 StGB zu erblicken. Die Entscheidung darüber, ob in der Absicht ein die Strafhöhe beeinflussender, bestimmender Strafschärfungsgrund zu sehen ist, muss das Tatgericht allerdings unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls treffen.
Die Allgemeinheit kann auch dann gefährdet sein, wenn zukünftige erhebliche Taten nur gegen einen begrenzten Personenkreis oder sogar nur gegen eine Einzelperson – als Teil der Allgemeinheit – zu erwarten sind.
1. Innerhalb eines Strafrahmens, der wegen Versuchs gemildert worden ist, kann der Umstand allein, dass ein Versuch vorliegt, zwar keine Bedeutung für die Findung der angemessenen Strafe entfalten. Mit der Feststellung und Wertung, dass ein Versuch gegeben und eine Strafrahmenverschiebung zugunsten des Täters vorzunehmen ist, ist die Bedeutung des Versuchs für die Strafhöhenbemessung indessen nicht erschöpft. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, wie die versuchsbegründenden Umstände im konkreten Fall zu würdigen sind und wie sie sich auf die vorwerfbare Schuld auswirken. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB liegt darin
2. Der Verzicht auf Gegenstände, die ansonsten nach § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden könnten, kann einen
Strafmilderungsgrund darstellen. Eine Anordnung nach § 74 Abs. 1 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe; wird dem Täter ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafen und insoweit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen.
1. Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte hierfür in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
2. Teilweise zerstört ist ein Gebäude, wenn durch die Brandlegung das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann oder wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Tatobjekts zerstört wird, etwa indem eine Wohnung als „Untereinheit“ eines Mehrfamilienhauses für beträchtliche Zeit für Wohnzwecke ungeeignet wird.
1. Ein abweichendes Sexualverhalten, wie eine Pädophilie, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB zugeordnet werden. Eine Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Störung und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen. Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Störung zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag.
2. Eine Intelligenzminderung kann auch ohne nachweisbaren Organbefund dem Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB unterfallen und zu einer erheblich verminderten oder sogar aufgehobenen Schuldfähigkeit führen. Die bloße Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet eine solche Beeinträchtigung aber nicht. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, bei der darzulegen ist, wie sich die festgestellte Intelligenzminderung auf Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten des Täters auswirkt und warum das sich daraus ergebende Störungsbild bei wertender Betrachtung in seiner Gesamtheit ein Ausmaß erreicht hat, das die Annahme einer schweren anderen seelischen Störung rechtfertigt.
1. In Fällen, in denen mehrere Strafrahmen zur Verfügung stehen, ist das Tatgericht zwar nicht gehalten, den für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen heranzuziehen. Es hat aber im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und darzulegen, welchen Strafrahmen es nach den konkreten Umständen des Einzelfalls für angemessen hält.
2. Die mindere Gefährlichkeit einer „weichen“ Droge wie Cannabis kann bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt werden. Dem bloßen Fehlen eines solchen Strafmilderungsgrundes bei einem Betäubungsmittel mittlerer Gefährlichkeit wie Amphetamin darf hingegen keine straferhöhende Wirkung beigemessen werden.
3. Die Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre
größere oder geringere Selbständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen sind. Das Tatgericht braucht zwar insoweit wie bei den Einzelstrafen nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen; eine erschöpfende Darstellung ist nicht erforderlich. Allerdings ist der Gesamtstrafenausspruch umso eingehender zu begründen, je mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert. Fehlt es in einem solchen Fall an einer näheren Begründung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich das Tatgericht bei der Bemessung der Gesamtstrafe nicht an den hierfür maßgeblichen Kriterien, sondern rechtsfehlerhaft an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat.
4. Anordnung und Vollzug der Maßregel setzen die konkrete Aussicht voraus, die süchtige Person zu heilen und über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den Rauschmittelkonsum zu bewahren. Erforderlich ist eine Prognose, dass bei erfolgreichem Verlauf die Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt wird, und dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des Täters konkrete Anhaltspunkte finden, die einen solchen Verlauf erwarten lassen. Die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung kann diese Prognose nicht stützen. Notwendig ist eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs. Dabei ist der Tatrichter gehalten, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung in den Blick zu nehmen und die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen gegen die prognoseungünstigen Faktoren in die Beurteilung einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen.