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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2023
24. Jahrgang
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1. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 KraftStDV führt nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, weil die Regelung der steuerlichen Erklärungspflicht allein in § 15 Abs. 1 KraftStDV den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügt. (BGHSt)
2. Dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebot genügen Blankettstrafgesetze nur dann, wenn sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich umschrieben sind. Zudem müssen neben der Blankettstrafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen erfüllen (vgl. BVerfGE 153, 310 Rn. 82; BVerfGE 143, 38 Rn. 46). (Bearbeiter)
3. Legt die Blankettstrafnorm nicht vollständig selbst oder durch Verweis auf ein anderes Gesetz fest, welches Verhalten durch sie bewehrt werden soll, sondern erfolgt dies erst durch eine nationale Rechtsverordnung, auf die verwiesen wird, müssen daher nach Art. 103 Abs. 2 GG und ─ soweit Freiheitsstrafe angedroht wird ─ in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes und nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Rechtsverordnung vorhersehbar sein. Um den
Grundsatz der Gewaltenteilung zu wahren, darf dem Verordnungsgeber lediglich die Konkretisierung des Straftatbestandes eingeräumt werden, nicht aber die Entscheidung darüber, welches Verhalten als Straftat geahndet werden soll (vgl. BVerfGE 153, 310 Rn. 83; BVerfGE 143, 38 Rn. 47). (Bearbeiter)
4. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.). Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGHSt 63, 282 Rn. 19; BGHSt 58, 218 Rn. 52).
5. Das Kraftfahrzeugsteuergesetz sieht keine Erklärungspflicht vor. Die Erklärungspflicht als Voraussetzung der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist für den Bürger nicht schon aufgrund des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vorhersehbar; sie wird vielmehr erst aus § 15 KraftStDV deutlich. (Bearbeiter)
6. Ob § 15 Abs. 1 KraftStDV in der Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG eine hinreichende Grundlage findet, ist zumindest zweifelhaft. Denn es ist schon unklar, ob der Gesetzgeber dem ermächtigten Bundesministerium tatsächlich die Befugnis übertragen wollte, eine Erklärungspflicht wie erfolgt zu statuieren. Ob für den Fall, dass sich § 15 Abs. 1 KraftStDV innerhalb der Grenzen der Ermächtigung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG halten sollte, diese Vorschrift insoweit hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG wäre oder eine unzulässige Delegation der Entscheidung über die Strafbarkeit vorläge (vgl. BVerfGE 153, 310 Rn. 91, 94; BVerfGE 143, 38 Rn. 51) kann hier offenbleiben.
1. Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebs-verfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. (BGHSt)
2. Steht fest, dass gegen § 93 Abs. 1 AktG verstoßen worden ist, bleibt kein Raum für die Prüfung, ob dieser Verstoß gravierend oder evident ist. (Bearbeiter)
3. Bei einem Freispruch wegen fehlenden Vorsatzes muss das Tatgericht die für erwiesen gehaltenen Tatsachen so darstellen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler möglich ist. Die hierzu erforderliche geschlossene Darstellung der äußeren Tatsachen hat insbesondere solche zu umfassen, die einen Rückschluss auf innere Umstände zulassen können. (Bearbeiter)
Es beginnt die nicht geringe Menge der „neuen psychoaktiven Stoffe“
- 2-Fluormetamfetamin (2-FMA) bei 10 Gramm 2-FMA-Base,
- 4-Fluormetamfetamin (4-FMA) bei 10 Gramm 4-FMA-Base und
- 3-Methylmethcathinon (3-MMC) bei 25 Gramm 3-MMC-Base.
Durch ersparte Aufwendungen etwas erlangt hat ein Täter des § 266a StGB nur, soweit er selbst als Arbeitgeber zahlungspflichtig (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) war. Für einen Beauftragten einer natürlichen Person gilt insofern, nichts anders als für ein Organ einer juristischen Person, dass dieser regelmäßig nicht selbst Arbeitgeber ist. Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB und des Sozialversicherungsrechts ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 194/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Verlängerung und Ausweitung der restriktiven Maßnahmen gegen Birma/Myanmar und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 817/2016 (ABl. L 66 vom 10. März 2008, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff „Ursprung in Birma/Myanmar“ des Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass keine der nachfolgend aufgeführten Bearbeitungen von in Myanmar gewachsenen Teakholzstämmen in einem Drittstaat (hier: Taiwan) einen Ursprungswechsel bewirkte, so dass es sich bei entsprechend bearbeiteten Teakhölzern weiterhin um „Güter mit Ursprung in Birma/ Myanmar“ handelte:
- Entasten und Entrinden von Teakholzstämmen; - Zusägen von Teakholzstämmen zu Teak-Squares (entastete und entrindete sowie zu Holzquadern zugesägte Stämme); - Zersägen von Teakholzstämmen zu Bohlen oder Brettern (Schnittholz)?
2. Ist der Begriff „aus Birma/Myanmar ausgeführt“ des Art. 2 Abs. 2 a) ii) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass nur Güter erfasst wurden, die direkt aus Myanmar in die Europäische Union eingeführt wurden, so dass Güter, die zunächst in einen Drittstaat (hier: Taiwan) verbracht und von dort in die Europäische Union weiter transportiert wurden, der Regelung nicht unterfielen, und zwar unabhängig davon, ob sie im Drittstaat ursprungsbegründend bearbeitet oder verarbeitet wurden?
3. Ist Art. 2 Abs. 2 a) i) der EG-Verordnung 194/2008 dahin auszulegen, dass ein von einem Drittstaat (hier: Taiwan) ausgestelltes Ursprungszeugnis, wonach zersägte beziehungsweise zugesägte und aus Myanmar stammende Teakholzstämme durch diese Bearbeitung im Drittstaat den Ursprung dieses Staates erlangt hätten, für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Einfuhrverbot des Art. 2 Abs. 2 der EG-Verordnung 194/2008 nicht bindend ist?
1. Ob ein Heranwachsender bei der Tat im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG in seiner geistigen und sittlichen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, ist im wesentlichen Tatfrage, wobei dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Einem Jugendlichen gleichzustellen ist der noch ungefestigte, in der Entwicklung stehende, noch prägbare Heranwachsende, bei dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind; hat der Täter dagegen bereits die einen jungen Erwachsenen kennzeichnende Ausformung erfahren, dann ist er nicht mehr einem Jugendlichen gleichzustellen und auf ihn das allgemeine Strafrecht anzuwenden.
2. Dabei steht die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme; § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG stellt keine Vermutung für die grundsätzliche Anwendung des einen oder anderen Rechts auf. Wenn das Tatgericht nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten Zweifel nicht beheben kann, muss es die Sanktionen dem Jugendstrafrecht entnehmen.
Körperverletzungen im Sinne der § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 StGB sind keine Straftaten, bei denen die Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG generell nicht in Betracht kommt. Ihre rechtliche Einordnung als Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) ist für die Beurteilung der Schuld des Angeklagten nicht entscheidend.
1. Der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln umfasst nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge wie die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten oder das Beitreiben des Kaufpreises.
2. Die Frage, ob bei einer Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen sei, beurteilt sich nach der Zahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten. Danach liegt Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) vor, wenn mehreren Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind; hingegen ist lediglich eine Beihilfe (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet.