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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2023
24. Jahrgang
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1. Auch bei geplantem und geordnetem Vorgehen kann die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein, Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvermögen gegeneinander abzuwägen und danach den Willensentschluss zu bilden. So lassen sich aus planvollem oder situationsgerechtem Vorgehen, das lediglich die Verwirklichung des Tatvorsatzes darstellt, für sich genommen regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in Bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters ziehen.
2. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird.
1. Die Frage nach einem fehlgeschlagenen Versuch bedarf vielmehr für jeden Tatbeteiligten gesonderter Prüfung.
2. Einem strafbefreienden Rücktritt steht nicht von vornherein entgegen, dass die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB von jedem zurücktretenden Beteiligten ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die Verhinderung der Vollendung verlangt. Hiervon werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich auch Fälle erfasst, in denen die Tatbeteiligten den Rücktritt einvernehmlich durchführen.
Eine Pädophilie, wie sie das Landgericht rechtsfehlerfrei bei dem Angeklagten festgestellt hat, kann im Einzelfall zwar das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Störung erfüllen und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen. Voraussetzung dafür ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber, dass die sexuelle Devianz den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert hat, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, sondern bei der Begehung der Sexualtaten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus handelt. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten. Ein für das Eingangsmerkmal genügender Ausprägungsgrad kann anzunehmen sein, wenn die Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktiken auszeichnen.
Die Beurteilung der Frage, ob im Fall des nicht fehlgeschlagenen Versuchs die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun. Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die
Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage. Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko, angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (st. Rspr.).
1. Stimmt eine Person Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zu, dass dabei ein Kondom genutzt werde, stehen ohne Präservativ vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen i.S.d. § 177 Abs. 1 StGB entgegen.
2. Ein anderes Strafgesetz i.S.d. § 265 Abs. 1 StPO ist auch eine ihrem Wesen nach andersartige Begehungsform desselben Strafgesetzes. Danach besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob sexuelle Handlungen an einer zur Willensbildung und -äußerung fähigen Person gegen deren erkennbaren Willen (§ 177 Abs. 1 StGB) oder an einer Person vorgenommen werden, die einen entgegenstehenden Willen nicht bilden oder äußern kann (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
1. Der Betrugstatbestand gemäß § 263 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass die Täuschungshandlung des Täters zu einem Irrtum des Getäuschten und dieser zu einer Vermögensverfügung mit der Folge der Verursachung eines Vermögensschadens geführt hat. Liegt die Betrugshandlung in der Bestellung von Waren im Internet-Versandhandel, muss das Urteil auch Feststellungen dazu enthalten, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, welche die Verfügung getroffen hat. Dazu ist es regelmäßig erforderlich, die jeweils irrende Person zu ermitteln und zu vernehmen.
2. Es genügt nicht, die Person in der Annahme nicht zu vernehmen, dass es selbstverständlich sei, die Mitarbeiter von Internet-Versandanbietern führten eine Bestellung grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers aus. Nur in bestimmten Konstellationen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden kann das Tatgericht in Fällen gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte seine Überzeugung von täuschungsbedingten Fehlvorstellungen auf der Grundlage eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf aussagekräftige Indizien stützen, wobei er dies aber auch im Urteil darzulegen hat.
3. Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt es, dass sie eine faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht erlangt haben, indem sie ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist, ob und in welchem Umfang der Täter den Gegenstand weitergibt.
1. Die Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass der versuchte Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB
konkurrenzrechtlich nicht hinter einem vollendeten Einbruchdiebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB zurücktritt, der handlungseinheitlich an einem anderen Tatobjekt verübt wird. Vielmehr ist zwischen beiden Tatbeständen Idealkonkurrenz i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen, um den Schutz der Privatwohnung durch den Qualifikationstatbestand zum Ausdruck zu bringen.
2. Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen. Auf diese Weise erfüllt der Schuldspruch seine Klarstellungsfunktion, indem er sämtliche verwirklichten Strafvorschriften ausdrücklich benennt. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aber die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Tatbestände zurücktreten.
3. Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch eine wertende Auslegung der in Betracht kommenden Strafvorschriften zu ermitteln. Von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Straftatbestände, die zu ihrem Schutz normiert sind. Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechtsguts eine notwendige oder zumindest regelmäßige Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist. In diesem Sinne liegt Gesetzeseinheit in Form der hier in Betracht kommenden Spezialität vor, wenn ein Tatbestand alle Tatbestandsmerkmale eines anderen Tatbestands sowie mindestens ein weiteres Merkmal enthält, so dass die Erfüllung des einen – spezielleren – Tatbestands notwendig die Verwirklichung des anderen Tatbestands voraussetzt.
4. Wird der Grundtatbestand vollendet, während der Qualifikationstatbestand nur ins Versuchsstadium gelangt, ist aus Gründen der Klarstellung regelmäßig nicht Gesetzes-, sondern Idealkonkurrenz anzunehmen. Andernfalls bliebe die Vollendung des Grunddelikts allein deshalb unberücksichtigt, weil der Täter mit dem Qualifikationstatbestand noch schwereres Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat.
Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters. Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und darüber hinaus keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden.
Für Erpressungsfälle geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat zu werten sind, wenn lediglich die ursprüngliche Drohung den Umständen angepasst und aktualisiert, im Kern aber dieselbe Leistung gefordert wird. Die rechtliche Bewertungseinheit endet erst, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder wenn nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist.
Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen „vor“ einem Kind gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF ist nach § 184h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt, die von dem Kind wahrgenommen werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Täter das Kind in der Weise in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn gerade die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von handlungsleitender Bedeutung ist, es ihm hierauf also ankommt.
1. Nicht nur das Verändern eines bestehenden „online-Kontos“, sondern auch das Anlegen des online-Kundenkontos unter Identitätstäuschung erfüllt den Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB.
2. Dies hat zur Folge, dass sämtliche nachfolgende betrügerische Buchungen unter diesem Konto zur Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) aufgrund Teilidentität in den Ausführungshandlungen verbunden werden. Denn nicht anders als beim Herstellen und Gebrauchen einer unechten Urkunde ist bei der Strafvorschrift des § 269 Abs. 1 StGB zwischen dem Speichern (oder Verändern) der beweiserheblichen Daten und deren anschließendem Gebrauchen von einer tatbestandlichen Handlungseinheit, namentlich einer Bewertungseinheit, auszugehen; das Gebrauchen und die betrugsrelevanten Täuschungen sind ihrerseits eins.