Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2022
23. Jahrgang
PDF-Download
1. Verhängt das Tatgericht neben der Freiheits- keine Geldstrafe nach § 41 StGB, obgleich die Verteidigung dies beantragt hat, ist es verfahrensrechtlich nicht analog § 267 Abs. 3 Satz 2 und 4 StPO verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen darzulegen. Die Revision des Angeklagten kann in diesen Fällen grundsätzlich keinen ihm nachteiligen sachlich-rechtlichen Erörterungsmangel dergestalt aufdecken, dass die zusätzliche Geldstrafe mit einer geringeren Bemessung der Freiheitsstrafe hätte einhergehen können. (BGHR)
2. Ob beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 StGB im konkreten Fall eine zusätzliche Geldstrafe auszusprechen ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Die Verhängung bedarf einer Begründung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); die Nichtverhängung muss regelmäßig im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt oder begründet werden. Liegt die Anwendung des § 41 StGB in einer konkreten Fallkonstellation aber nahe, ist das Tatgericht gehalten, jedenfalls erkennen zu lassen, dass es diese Vorschrift in Betracht gezogen hatte. (Bearbeiter)
3. Beendet ist eine Tat, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen, also das Tatunrecht in vollem Umfang tatsächlich verwirklicht hat. Anknüpfungspunkt ist damit nicht allein die weitere Verwirklichung tatbestandlich umschriebener Merkmale der Straftat. Vielmehr zählen zur Tatbeendigung auch solche Umstände, die – etwa weil der Gesetzgeber zur Gewährung eines effektiven Rechtsgüterschutzes einen Deliktstypus mit vorverlagertem Vollendungszeitpunkt gewählt hat – zwar nicht mehr von der objektiven Tatbestandsumschreibung erfasst werden, aber dennoch das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das geschützte Rechtsgut intensivieren oder perpetuieren. (Bearbeiter)
4. Straftaten nach § 299 StGB a.F. sind grundsätzlich erst beendet, wenn der Vorteil vollständig entgegengenommen und die im Wettbewerb unlauter bevorzugende Handlung abgeschlossen, also die Unrechtsvereinbarung vollständig umgesetzt worden ist. Bei der Durchführung eines Vertrags kann die bevorzugende Handlung erst mit der Zahlungsabwicklung abgeschlossen und vor der vollständigen Begleichung der Rechnungen die Unrechtsvereinbarung noch nicht vollständig umgesetzt sein. Der freie Wettbewerb ist primär durch die bevorzugende (wettbewerbswidrige) Handlung bedroht und der Begriff des „Bezugs“ im Sinne des § 299 StGB a.F. umfasst das gesamte auf die Erlangung oder den Absatz von Waren oder Leistungen gerichtete Geschäft. Darunter fallen alle wirtschaftlichen Vorgänge von der Bestellung bis zur Bezahlung, mithin gerade die als Entgelt bewirkten Geldleistungen, sofern sie Bestandteil der Unrechtsvereinbarung sind. (Bearbeiter)
5. Besteht der Vorteil in der Einräumung einer langfristigen Exklusivitätsstellung bei der Beauftragung bestimmter Dienstleistungen, liegt eine Beendigung regelmäßig
erst vor, wenn alle darauf beruhenden Geschäfte durchgeführt wurden. Hat der Bestochene vorher seine Stellung als Angestellter oder Beauftragter des Unternehmens verloren und keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Umsetzung der wettbewerbswidrigen Bevorzugung mehr, ist die Tat jedenfalls bereits ab diesem Zeitpunkt beendet, wenn ihm der vereinbarte Vorteil schon vollständig zugeflossen ist. (Bearbeiter)
6. § 299 Abs. 1 StGB a.F. erfasst das Fordern, Sichversprechenlassen und Annehmen eines Vorteils. Wird die Unrechtsvereinbarung vollständig umgesetzt, das heißt der zuvor geforderte oder sich versprochen gelassene Vorteil tatsächlich mit der Folge angenommen, dass der Täter alle tatbestandsmäßigen Begehungshandlungen verwirklicht, stellen das Fordern beziehungsweise Sichversprechenlassen und die Annahme grundsätzlich rechtlich selbständige und zueinander in Tatmehrheit stehende materiellrechtliche Taten dar; dies gilt auch dann, wenn die Unrechtsvereinbarung auf Dauer angelegt ist. Würde hingegen alles, was auf ein und dieselbe Unrechtsvereinbarung zurückgeht, stets nur eine Tat bilden, könnte dies – ähnlich wie bei der zwischenzeitlich aufgegebenen fortgesetzten Handlung – zu Taten führen, bei denen zu Beginn nicht zu überblicken ist, welchen sachlichen und zeitlichen Umfang sie schließlich haben werden. Dies wiederum würde den Begriff der Tat sprengen; im Tatbestand der Bestechlichkeit ist eine solche Zusammenfassung mit ungewisser Tragweite nicht angelegt. (Bearbeiter)
7. Die einzelnen Begehungsweisen werden bei lediglich einer Unrechtsvereinbarung nur dann zu einer tatbestandlichen (nicht natürlichen) Handlungseinheit und damit zu einer Tat verbunden, wenn der zu gewährende Vorteil bereits in der Unrechtsvereinbarung exakt bestimmt war, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein, und nicht von Umständen abhängig gemacht wird, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu überblicken sind. In Fällen, in denen die Laufzeit der Vorteilsgewährung offen ist, die Vorteilsgewährung also „openend"-Charakter trägt, erfüllt hingegen jede einzelne Zahlung erneut den Tatbestand, weil die einzelnen Handlungen der Annahme dann zu großes, selbständiges Gewicht besitzen, als dass dies zusammen mit der Unrechtsabrede nur eine Tat bilden kann; daneben bleibt die Abrede als selbständige Tat bestehen, denn auch sie hat eigenständiges Gewicht. Die Annahme einer fortgesetzten Handlung kommt auch für die Bestechungsdelikte nicht mehr in Betracht. (Bearbeiter)
8. Erhält der Bestochene hingegen die Zahlungen aus mehreren eigenständigen Unrechtsvereinbarungen durch jeweils eine einheitliche Geldzahlung, so führt dies zur Annahme von Tateinheit zwischen den dadurch abgegoltenen, einzelnen Taten der Bestechlichkeit. (Bearbeiter)
9. Die Höhe eines zugefügten Nachteils darf bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Zum einen schützt § 299 StGB a.F. auch die Interessen des Geschäftsherrn bei intern pflichtwidrigem Verhalten. Zum anderen wird das Ausmaß der Pflichtwidrigkeit ganz wesentlich durch die Höhe des eingetretenen Schadens bestimmt. (Bearbeiter)
10. Das Merkmal des „großen Ausmaßes“ in § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf die Höhe des Vorteils und nicht auf den Umfang der Bevorzugung. Schutzzweckspezifisch ist danach ein großes Ausmaß erreicht, wenn der Vorteil besonders geeignet ist, den Vorteilnehmer zu korrumpieren. Dies erfordert eine Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände. Denn anders als die nach objektiven Maßstäben zu bestimmenden Merkmale des großen Ausmaßes in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB und § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist der Anreiz für Korrumpierbarkeit abhängig von den jeweiligen Verhältnissen des Vorteilnehmers, mithin von individuellen Kriterien. Ob es im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit der Anwendung der kodifizierten Strafzumessungsregel der Festlegung einer betragsmäßig bestimmten Untergrenze als Begrenzung für den Einfluss individueller Kriterien bedarf und in welcher Höhe diese festzusetzen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. (Bearbeiter)
11. Von einem Angeklagten können Bekundungen der Reue nicht erwartet werden, wenn er bestreitet, die Tat begangen zu haben, da er sonst seine Verteidigungsposition gefährden würde. Ist der Angeklagte hingegen geständig, ist gegen den Vorwurf mangelnder Reue aus Rechtsgründen demgegenüber nichts einzuwenden, denn insoweit gestattet sein Verhalten den Schluss auf mangelnde Unrechtseinsicht. Dies beeinträchtigt keine berechtigten Verteidigungsinteressen. Der uneinsichtige Angeklagte missachtet nachhaltig den Geltungsanspruch der Norm. Fehlende Unrechtseinsicht kann ein Indiz für seine kriminelle Verhaltensbereitschaft und mit dafür bedeutsam sein, welche Strafe Schuldausgleich und Wiederherstellung des gestörten Rechtsfriedens erfordern.
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe so weit von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen.
2. Das Tatgericht ist lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet ist.
3. Der gesetzliche Strafrahmen erfasst sowohl die denkbar leichtesten als auch die denkbar schwersten Fälle. Dies bedeutet nicht, dass die Mindeststrafe des der Bestimmung der Strafe zugrunde gelegten Strafrahmens nur festgesetzt werden kann, wenn sich ein leichterer Fall als der abzuurteilende nicht mehr denken ließe; dies gilt umso mehr, wenn das Gesetz wie hier mit § 244 Abs. 3 StGB einen milderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vorsieht. Trotz straferschwerender Gesichtspunkte kann deshalb auch dann die Mindeststrafe verhängt werden, wenn das Tatgericht in einer umfassenden Würdigung den strafmildernden Gesichtspunkten ein solches Gewicht beimisst, dass ihm die niedrigere Strafe dennoch angemessen erscheint.
1. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssen. Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes reicht für dessen Einziehung nicht aus. Allerdings dürfen – wie stets – an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
2. Die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB bietet nach derzeitiger Rechtslage keine Rechtsgrundlage für die erweiterte Einziehung der mit einziehungsfähigem Bargeld erworbenen Surrogate.
Angesichts der Häufung gewichtiger Strafmilderungsgründe kann eine Erörterung des Tatgerichts erforderlich sein, die dartut, aus welchen Gründen nicht auch eine nach der Strafhöhe aussetzungsfähige Freiheitsstrafe noch schuldangemessen gewesen wäre und hätte verhängt werden können. Zwar darf das Bestreben, dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe unterschritten wird. Dem Tatgericht ist aber bei der Feststellung der schuldangemessenen Strafe ein Spielraum eröffnet, innerhalb dessen es nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die von der Strafe ausgehende Wirkung für das künftige Leben des Täters zu berücksichtigen hat.
Ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer ist grundsätzlich auch erforderlich, soweit es § 46a Nr. 1 StGB genügen lässt, dass der Täter die Wiedergutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt. Auch für diese Variante des Täter-Opfer-Ausgleichs kommt es darauf an, inwieweit der Täter das Opfer an diesem beteiligt und es sich auf freiwilliger Grundlage hierzu. Lässt sich der Verletzte auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so hat dies der Täter – trotz der herabgesetzten Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich – prinzipiell hinzunehmen; denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für seine Bemühungen. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung des Verfahrens für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs – zumindest im Grundsatz – nicht angenommen werden. Allein auf die Sicht „eines vernünftigen Dritten“ kommt es nicht an.
Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass der Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können. Zu prüfen ist dabei insbesondere auch, ob in der Person des Angeklagten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen eine übliche Ursache für strafbares Verhalten und somit normalpsychologisch zu erklären ist.
Nötigt die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Vorverurteilung zur Bildung zweier getrennter Strafen, muss das
Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Dabei muss es nicht nur darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, sondern auch erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat.
Hat der Tatrichter die Bildung einer Gesamtstrafe erkennbar geprüft und ausdrücklich – wenn auch rechtsfehlerhaft – abgelehnt, so ist eine Korrektur dieses Urteilsspruchs nur im Rechtsmittelzug möglich.
Der Einziehungsanspruch gegen den Täter, der etwas „für“ die Tat erlangt hat, wird nicht dadurch nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen, dass der Rückgewährungsanspruch des Verletzten hinsichtlich der Tatbeute erloschen ist.