Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2021
22. Jahrgang
PDF-Download
1. Bei juristischen Personen, die selbst Vermögensträger sind, ist für die Entscheidung über eine Einziehung zwischen deren Vermögenssphäre und derjenigen der Tatbeteiligten zu unterscheiden. Handelt etwa der Täter lediglich als Beauftragter, Vertreter oder Organ der juristischen Person und tritt die Vermögensmehrung ausschließlich bei ihr ein, ist demnach nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass der Täter – auch in Fällen einer (legalen) Zugriffsmöglichkeit – eigene Verfügungsgewalt über das Erlangte hat. In solchen Fällen ist eine Dritteinziehung bei der Gesellschaft nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB anzuordnen. Die Vermögensabschöpfung ist aber jedenfalls dann gegen einen Tatbeteiligten anzuordnen, wenn er die Gesellschaft als „formalen Mantel“ nutzt, also tatsächlich zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft nicht trennt (vgl. BGHSt 64, 234, 238).
2. Bei Personengesellschaften fließen die Taterträge jedenfalls dann den Gesellschaftern persönlich zu, wenn diese zwar ein Gesellschaftsvermögen bilden, aber die gesetzlich vorgesehene gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens (§ 718 BGB) und damit dessen Verselbständigung faktisch dadurch unterlaufen, dass sie vereinbarungsgemäß nach Belieben für eigene Zwecke auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen. Insoweit gilt nichts anderes als bei Kapitalgesellschaften.
3. Im Falle einer Abschöpfung der aufgrund von Bestechung zugeflossenen Erträge hat eine zusätzliche Einziehung des Werts der ersparten Aufwendungen für die wegen des Zuflusses entstandenen, aber hinterzogenen Steuern eingezogen zu unterbleiben, da anderenfalls ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung unterläge. Solches wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf (vgl. BVerfGE 81, 228, 239 f.). Dies gilt auch dann, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können.
1. Handelt der Täter lediglich als Beauftragter, Vertreter oder Organ einer juristischen Person für eine solche Gesellschaft und tritt die Vermögensmehrung ausschließlich bei ihr ein, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Täter – auch in Fällen einer (legalen) Zugriffsmöglichkeit – eigene Verfügungsgewalt über das Erlangte hat Zur Begründung einer Einziehungsanordnung gegen einen als Organ handelnden Täter bedarf es vielmehr der über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, dass dieser selbst etwas erlangte, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz führte.
2. Dies kann etwa darin liegen, dass der Täter die Gesellschaft nur als einen formalen Mantel seiner Tat nutzte, eine Trennung zwischen dem eigenen Vermögen und demjenigen der Gesellschaft aber nicht vornahm, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird. Wird der Vermögensvorteil hingegen von der Gesellschaft vereinnahmt, so kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im Privatvermögen des Täters mit jeder Zahlung oder jeder zurückgewiesenen Forderung steigt oder sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt.
1. Die Anrechnung einer erlittenen Untersuchungshaft oder sonstigen Freiheitsentziehung gemäß § 51 Abs.1 Satz 1 StGB obliegt grundsätzlich nicht dem erkennenden Gericht, sondern folgt aus dem Gesetz, welches sich unmittelbar an die zuständige Strafvollstreckungsbehörde richtet; dieser kommt die Aufgabe zu, bei der Strafzeitberechnung den bis zur Rechtskraft des Urteils anrechenbaren Freiheitsentzug von der Strafe abzuziehen. Wirkt der gerichtliche Ausspruch deshalb lediglich deklaratorisch, ist er überflüssig und kann entfallen, weil er die gesetzlich gebotene Anrechnung nicht zu beeinflussen vermag.
2. Anderes gilt indessen in Fällen, in denen der Richter nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Maßstab der Anrechnung im Ausland erlittener Freiheitsentziehung in jedem Falle nach seinem Ermessen zu bestimmen hat; in dieser Konstellation ist die Anrechnungsanordnung nach § 51 Abs. 3 StGB im Urteil ausdrücklich auszusprechen. Hiermit werden zugleich etwaige Zweifel an der Anrechnung mit bindender Wirkung ausgeräumt.
3. Die Anrechnung von Abschiebehaft gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB erfordert das Vorliegen weiterer einschränkender Voraussetzungen. Insoweit gilt:
a) Die Vorschriften setzen voraus, dass Anlass für die im Ausland erfahrene Freiheitsentziehung diejenige Tat gewesen ist, die den Gegenstand des deutschen Strafverfahrens bildet oder gebildet hat. So liegt es regelmäßig bei der Auslieferungshaft. Bei im Ausland erlittener Abschiebehaft kommt es auf den Einzelfall an. Sie ist dann anrechenbar, wenn sich eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung des Verurteilten, der sich in Abschiebehaft befunden hat, gegenüber solchen ergibt, die Auslieferungshaft durchlebt haben.
b) Eine im Ausland erlittene Abschiebehaft ist anzurechnen, wenn sie durch die Tat infolge der internationalen Fahndung durch die deutschen Behörden veranlasst gewesen ist. In diesen Fällen der „Auslieferung durch Abschiebung“ liegt die von § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB vorausgesetzte funktionale Verfahrenseinheit zwischen der Auslandshaft und dem deutschen Strafverfahren vor. Die Anrechnung ist dann Ausfluss des Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
c) Ist die Abschiebehaft dagegen auf kein in- oder ausländisches Strafverfahren, sondern auf andere Umstände zurückzuführen, besteht für eine Anrechnung prinzipiell kein sachlicher Grund. Dann gilt, dass der Angeklagte durch die Anrechnung der ausländischen Haft nicht besser stehen soll, als er gestanden hätte, wenn das gesamte Tatgeschehen im Inland abgeurteilt worden wäre. Insoweit ist eine Differenzierung zwischen Auslieferungs- und Abschiebehaft sachlich gerechtfertigt.
1. Maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, ist eine Gesamtwürdigung, in die sowohl die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch psychodiagnostische Kriterien einzustellen sind. Dabei sind allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht.
2. Aus planvollem oder situationsgerechtem Vorgehen allein, das lediglich die Verwirklichung des Tatvorsatzes darstellt, lassen sich regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in Bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters ziehen. Offensichtliche Ausfallerscheinungen wie etwa auch Bewusstseinseinschränkungen oder kognitive Wahrnehmungsstörungen können zwar grundsätzlich gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sprechen, sind aber keine zwingenden oder auch nur regelmäßigen Begleiterscheinungen einer die Grenze zur erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit überschreitenden Alkoholisierung, weshalb auch aus ihrem Fehlen allein noch nicht auf vollständig erhaltene Schuldfähigkeit geschlossen werden kann. Zudem ist bei alkoholgewöhnten Tätern zu berücksichtigen, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinanderfallen können und sich gerade bei Alkoholikern oft eine durch „Übung“ erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten zeigt.
3. Bei Konflikttaten liegt die Annahme eines Zusammenhangs mit einem Hang zum Missbrauch berauschender Mittel grundsätzlich wenig nahe.
1. Für die Strafzumessung und deren rechtliche Überprüfung ist grundsätzlich die Kenntnis vom Werdegang und den Lebensverhältnissen des Angeklagten wesentlich. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, ob die Strafzumessung auf der gebotenen wertenden Gesamtschau des Tatgeschehens sowie des Täters und der für seine Persönlichkeit, sein Vorleben und sein Nachtatverhalten aussagekräftigen Umstände beruht).
2. Macht der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch, ist das Tatgericht gehalten, auf andere Weise Näheres über die Person des Angeklagten in Erfahrung zu bringen. Hierzu kommt etwa eine Vernehmung von Angehörigen, Verwandten oder Bekannten oder auch eine Anfrage bei den Sozialbehörden in Betracht.
Die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß
der geminderten Schuld. In einem solchen Fall muss das Urteil erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieser Problematik bewusst war und ihr Rechnung getragen hat.
1. Der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegt nach § 73c Satz 1 StGB ein Geldbetrag, der dem Wert des vom betreffenden Täter oder Teilnehmer selbst tatsächlich Erlangten entspricht. Ohne Bedeutung ist demgegenüber, ob er noch mehr erlangen wollte oder sollte.
2. Beim Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist die Kennzeichnung einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten für den gegen ihn festgesetzten Einziehungsbetrag in der Urteilsformel geboten, um das mehrfache Einziehen der Taterträge zu verhindern. Einer namentlichen Benennung des anderen Gesamtschuldners in der Entscheidungsformel bedarf es indes nicht.
Nach § 111n Abs. 1 StPO ist eine bewegliche Sache, die nach § 94 StPO beschlagnahmt oder auf andere Weise sichergestellt worden ist und die für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt wird, an den letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben. Die Herausgabe an diesen erfolgt nur dann, wenn die Voraussetzungen offenkundig sind (§ 111n Abs. 4 StPO). Das ist der Fall, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach Aktenlage unzweifelhaft erfüllt sind oder aber vom Berechtigten nachgewiesen werden. Bestehen Zweifel, an wen die Sache herauszugeben ist, so verbleibt es bei Sachen, die ausschließlich nach § 94 StPO als nun nicht mehr benötigtes Beweismittel beschlagnahmt worden sind, bei der gesetzlichen Grundregel aus § 111n Abs. 1 StPO; die Sache ist an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben.
Nicht anders als die Regelung des § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB hat auch die Bestimmung des § 66b StGB Ausnahmecharakter. Das Gericht soll die Möglichkeit haben, sich trotz Vorliegens der formellen und materiellen Voraussetzungen gegen die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Dieses Ermessen muss tatsächlich ausgeübt werden. Die maßgeblichen Gründe hierfür sind darzulegen.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt darf nicht ausschließlich zur Besserung der Sucht des Täters, also ohne gleichzeitige Auswirkungen auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von dem rauschmittelabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit, angeordnet werden. Erforderlich ist vielmehr, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten deutlich herabgesetzt wird.
1. Der Versuch des Täters, sich durch Beseitigung von Tatspuren der Strafverfolgung zu entziehen darf – ausgenommen bei besonderen Umständen – nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr.).
2. Das Tatgericht darf Umstände, die gerade Ausdruck der wegen einer Erkrankung des Angeklagten verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gewesen sind, nicht strafschärfend, sondern nur nach dem Maß der geminderten Schuld berücksichtigen (st. Rspr.).