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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2021
22. Jahrgang
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Von Ass. iur. Alexander C. Pille, Bochum
Mit Beschluss vom 04.05.2020 hat die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg das Verfahren gegen drei Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit der Loveparade 2010 in Duisburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt,[1] nachdem das Verfahren bezüglich der übrigen sieben Angeklagten bereits mit Beschluss vom 06.02.2019 eingestellt worden war.[2] Sie hat in einer Begründung des Beschlusses dargelegt, warum sie die Voraussetzungen von § 153 Abs. 2 StPO für gegeben hält. Diese Begründung verdient in vielerlei Hinsicht eine kritische Auseinandersetzung, zu der dieser Beitrag einige Anregungen bieten soll.
Der rechtlichen Begründung werden zunächst einige im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnene objektiv-tatbestandliche Erkenntnisse vorangestellt. Aus diesen zieht die Kammer den Schluss, die unmittelbare Ursache der tödlichen Menschenverdichtung sei zwar in der dritten Polizeikette zu sehen,[3] der eigentliche Grund aber in der unkoordinierten Steuerung der Besucherströme sowie in dem für das Konzept ungeeigneten Veranstaltungsraum. Sie geht daher davon aus, dass es auch ohne Polizeiketten zu einer Menschenverdichtung gekommen wäre. Sie geht ferner davon aus, dass die Gefahren für Leib und Leben wegen der Planungs- und Ausführungsfehler erwartbar waren, zugleich aber kurzfristig am Veranstaltungstag hätten verhindert werden können, etwa durch die koordinierte Steuerung der Personenströme, die temporäre Schließung der Vorsperren und/ oder Vereinzelungsanlagen, die Änderung der Umzugsstrecken auf dem Festivalgelände oder den Abbruch des Besucherzuflusses zum Gelände bzw. zur Stadt. Unumkehrbar seien die Ereignisse erst mit der Wiederöffnung der Zaunanlage an der Vereinzelungsanlage West gegen 16:31 Uhr und der bald folgenden zeitweisen Öffnung der Vereinzelungsanlage Ost geworden.[4]
Maßgeblich auf der Grundlage dieser Erwägungen hält die Kammer § 153 Abs. 2 StPO für anwendbar: Die Schuld der Angeklagten sei als gering anzusehen und es bestehe kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.
Eine geringe Schuld im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn bei Fortgang des Verfahrens eine Strafe aus dem unteren Bereich des Strafrahmens des verfahrensgegenständlichen Delikts[5] – hier § 222 bzw. § 230 StGB – zu erwarten wäre. Dann nämlich wird eine geringe und nicht etwa eine mittlere Schuld der Angeklagten anzunehmen sein.[6] Die Anwendung von § 153 StPO setzt mithin eine "hypothetische Schuldbeurteilung"[7] nach den Maßstäben des § 46 Abs. 2 StGB voraus, die summarisch erfolgt.[8] Die Schuld ist gering, wenn sie im Vergleich zu
Vergehen gleicher Art nicht unerheblich unter dem Durchschnitt liegt, also eine Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens angemessen wäre.[9] Diesen Maßstab erkennt die Kammer zutreffend[10] und würdigt insofern einzelne Strafzumessungsgesichtspunkte.
Strafschärfend führt sie zu Recht[11] die Schadensfolgen an. Strafmildernd stellt sie maßgeblich[12] auf drei Punkte ab:
Zunächst geht sie auf das Bemühen der Angeklagten um eine sorgfältige Planung ein.[13] Die Regelungen für derartige Großveranstaltungen seien damals nämlich lückenhaft, die Verhütung von Stauungen nicht fester Bestanteil von Sicherheitskonzepten gewesen. Die Planung habe insofern wohl im Rahmen des seinerzeit Üblichen gelegen. Außerdem hätten sich die Planer über die Kapazität der Zuwege Gedanken gemacht; in der zuständigen Arbeitsgruppe seien die wesentlichen Aspekte angesprochen worden. Zu beachten sei, dass aufgrund der Einzigartigkeit der Loveparade 2010 eigene Strukturen des Zusammenwirkens hätten entwickelt werden müssen. Zudem dürften die Angeklagten ernsthaft auf einen guten Ausgang vertraut haben; grobe Sorglosigkeit oder evidente Oberflächlichkeit hätten sich nicht ansatzweise ergeben.
Offenbar will die Kammer hier auf das Maß der Pflichtwidrigkeit (§ 46 Abs. 2 Alt. 3 StGB) zu sprechen kommen, das gerade bei der Strafzumessung im Fahrlässigkeitsbereich eine wichtige Rolle spielt.[14] Dabei trifft es zu, dass das Gericht sich in einem Urteil nicht festlegen müsste, ob die Fahrlässigkeit eine bewusste war.[15] Wesentlich ist aber, ob leichte oder grobe Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit vorliegt.[16] Das Gericht muss das Maß der Pflichtwidrigkeit benennen und seine Intensität nachvollziehbar bewerten, wobei es maßgeblich auf die Vermeidbarkeit der Pflichtwidrigkeit für den Täter persönlich ankommt.[17]
Hier aber unternimmt die Kammer das Wagnis, das Maß der Pflichtwidrigkeit maßgeblich strafmildernd zu berücksichtigen, obwohl sie (was auch freimütig eingeräumt wird[18]) keinerlei Beweis über die subjektive Fahrlässigkeitsschuld erhoben hat. Natürlich erfolgt die Strafzumessung im Rahmen des § 153 StPO hypothetisch. Doch indem die Kammer mildernd berücksichtigen will, dass auf einen guten Ausgang vertraut worden sei, offenbart sie, in welche Bredouille sie sich selbst bringt: denn in Ermangelung von Erkenntnissen über den Grad der Fahrlässigkeit kann sie den Angeklagten keine etwaig nur leichte Fahrlässigkeit zugutehalten. Sie scheint daher stattdessen das Fehlen von Vorsatz mildernd zu berücksichtigen. Damit freilich begibt sie sich in die Nähe einer verbotenen Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB), denn das Fehlen von Vorsatz kann nicht mildernd berücksichtigt werden, wenn Fahrlässigkeit angeklagt ist.[19]
Die Frage, die sich im hiesigen Fall wohl besonders dringend gestellt hat – zumal die Kammer selbst die Loveparade 2010 mehrmals als einzigartiges Ereignis bezeichnet[20] –, nämlich ob ein planerisches Vorgehen nach "Schema F" nicht strafrechtlich zu beanstanden gewesen wäre, wird hier gewissermaßen doppelt beantwortet: Es scheint den strafrechtlichen Vorwurf zu begründen, zugleich aber einen gewichtigen Milderungsgrund darzustellen. Ob das Bemühen, das den Angeklagten attestiert wird, ausgereicht hat, ob die Bedenken, die angesprochen wurden, auch ausgeräumt wurden, ob eine Veranstaltung ohne Präzedenz durch die bloße Beachtung des "Üblichen" geplant werden durfte, wird nicht erhellt.
Zweitens wird in besonderer Weise und unter Berufung auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Gerlach strafmildernd eine "Multikausalität" berücksichtigt.[21] Danach sei schuldhaftes Drittverhalten für die Ereignisse mit kausal geworden, ohne dass dieses freilich die Kausalität der von den Angeklagten in Gang gesetzten Abläufe unterbrochen hätte. So hätte wohl keiner der Beteiligten – weder Vertreter der Stadt noch des Veranstalters oder andere Beteiligte – am Ende der Planungsphase die Ungeeignetheit des Geländes erkannt.[22] Zudem sei es zu einem kollektiven Versagen in der Durchführungsphase gekommen, sodass die Handlungen der Angeklagten nicht allein ursächlich gewesen seien. Vielmehr hätte das Geschehen noch am Veranstaltungstag verhindert werden können, und zwar – siehe oben – durch den Verzicht auf die dritte Polizeikette und die Öffnung der Vereinzelungsanlagen sowie eine bessere Kommunikation. Die zuletzt genannten Faktoren hätten indes schon durch eine bessere Planung verhindert werden können.
Eine "Multikausalität" derart ins Feld zu führen, ist aus zwei Gründen problematisch:
Zum einen ist dogmatisch keineswegs geklärt, ob sie einen Milderungsgrund i. S. v. § 46 Abs. 2 StGB darstellt.[23]
Auf den ersten Blick scheint die bisherige Rspr. – auch wenn sie diesen Begriff nicht ausdrücklich verwendet hat – in zwei von der Kammer zitierten Entscheidungen offen für dieses Konstrukt zu sein. In der Entscheidung des OLG Stuttgart[24] allerdings ging es um eine Einstellung nach § 153a StPO, wobei dort nicht dazu Stellung genommen wurde, ob die Schuld (aus welchen Gründen auch immer) mittelschweren Grades war. Ob die Schuld also gerade wegen einer "Multikausalität" gering sein kann, blieb dort offen und man hätte sich von der Kammer nähere Ausführungen hierzu gewünscht. Sollte dagegen feststehen, dass der Taterfolg in seiner konkreten oder in unerheblich anderer Gestalt auch dann eingetreten wäre, wenn man die täterfremden Kausalfaktoren hinweg denkt, spricht wenig dafür, eine "Multikausalität" als (gewichtigen) Milderungsgrund anzuerkennen. Dann nämlich ist die vom Täter ausgelöste Kausalkette für das "ob" des Taterfolgs allein- und für das "wie" ganz maßgeblich entscheidend.
Zweitens geht die Kammer zwar davon aus, dass eine "Multikausalität" – so wie sie sich diese aufgrund ihrer Rechtsansicht und der bezuggenommenen Entscheidungen vorstellt – tatbestandlich vorlag, belegt diese Prämisse aber nicht. Das wird deutlich, wenn man die Unterschiede zwischen dem Loveparade-Fall und einem Fall, dem eine BGH-Entscheidung aus 1999 zugrunde lag,[25] die die Kammer ebenfalls zitiert, betrachtet. Dort war ein Verfahren gegen eine Anästhesistin gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden, die einem Säugling versehentlich Wasserstoffperoxid statt Kochsalzlösung verabreicht und dadurch schwerste Hirnschäden verursacht hatte. Das Tatgericht hatte hier nicht mehr feststellen können, wie die Flasche mit dem Wasserstoffperoxid auf den OP-Tisch gelangt war, sodass es der Senat für naheliegend hielt, "daß der folgenschwere Irrtum der Angeklagten durch pflichtwidrig schuldhaftes Verhalten von Hilfskräften mitverursacht" worden war.[26] Denkt man hier die Pflichtwidrigkeit der Angeklagten hinweg, entfällt der Erfolg. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das unaufgeklärte Drittverhalten dem Tatvorwurf zeitlich vorausgeht. Zugunsten der Angeklagten war nicht auszuschließen, dass ein Dritter durch einen Vorbereitungsfehler etwas geschaffen hatte, was man einen "Risikoraum" nennen könnte, in dem der Eintritt des Taterfolgs beim zu erwartenden Geschehensablauf (überwiegend) wahrscheinlich ist.
Der Kern der tatsächlichen Problematik des hiesigen Falls wird in dem Gutachten des Prof. Gerlach dargelegt.[27] Es geht um das Verhältnis mehrerer Ursachen, die zu den todes- und verletzungsursächlichen Wellenbewegungen in der Menschenverdichtung auf der Rampe Ost geführt haben. Unmittelbar ursächlich dafür war nach Gerlach (a) die oben erwähnte dritte Polizeikette auf der Rampe Ost sowie zwei weitere Polizeiketten im Tunnel. Alle Ketten waren durch Menschenverdichtung und Rückstau im Übergangsbereich zwischen Rampe Ost und Eventfläche veranlasst, die dritte zusätzlich durch den einsetzenden Abfluss von Menschen über die Rampe Ost. Ferner war (b) die rückstau- und druckbedingte Öffnung beider Vereinzelungsanlagen ursächlich, wodurch weiterer Personenzufluss in Richtung Rampe Ost entstand.[28]
Die Anordnung der dritten Polizeikette und die Öffnung der Vereinzelungsanlagen sind Ereignisse am Veranstaltungstag selbst, auf die die Angeklagten, denen Planungsfehler vorgeworfen wurden, keinen direkten Einfluss hatten. Sie werden vom Gutachter unter dem Begriff "unkoordinierte Steuerung von Personenströmen" zusammengefasst. Dabei meint der Gutachter, durch eine koordinierte Steuerung hätten die tragischen Ereignisse i. E. noch am Veranstaltungstag vor 16:31 Uhr (s. o.) verhindert werden können (wobei unklar ist, wie naheliegend diese Möglichkeit war), hilfsweise durch einen Abbruch des Zuflusses zum Gelände bzw. zur Stadt Duisburg. Aber "da aufgrund der Nichteignung des Geländes Gefahren für Leib und Leben am Veranstaltungstag selbst mit koordinierten Steuerungsmaßnahmen nicht auszuschließen waren, hätte aus Sicht des Autors gleichwohl nur eine Absage im Vorfeld der Veranstaltung Todesfälle und/oder Verletzungen verhindern können."[29]
Die Frage bleibt also, wie es zum Rückstau an den Vereinzelungsanlagen und auf der Rampe Ost kam. Der Gutachter ermittelt sechs Umstände, die er für sichere Gründe dieser Stauungen hält und die damit am Beginn der Kausalkette für das Gesamtgeschehen stehen. Diese Gründe freilich sind sämtlich Planungsfehler, etwa die Unterdimensionierung der Vereinzelungsanlagen und des Übergangsbereichs zur Eventfläche, fehlerhafte Kapazitätsbetrachtungen (wobei am Veranstaltungstag sogar viel weniger Menschen kamen als erwartet), die Ausschließlichkeit des Zugangs über einen Bereich und die Tatsache, dass auf der Rampe Ost gleichzeitig Zu- und Abflussverkehr stattfinden sollte.[30]
Dass das schiere Vorliegen mehrerer Ursachen für einen Erfolgseintritt nun nicht automatisch zu einer Milderung nach § 46 Abs. 2 StGB führen kann, zeigt der vorliegende
Fall exemplarisch. Die Ursachen stehen nämlich in einem komplexen – auch hierarchischen – Verhältnis zueinander. Es gibt wesentliche und untergeordnete, sichere und mögliche Ursachen, die eng zusammengewirkt haben. Das Planungsversagen ist dabei nicht irgendeine von mehreren Ursachen. Es hat überragende, wenn auch nicht alleinige Bedeutung für den Erfolgseintritt. Von hier aus, gewissermaßen unter Kapitulation vor der Komplexität des Sachverhalts, zu einer "Multikausalität" als gewichtigem[31] Milderungsgrund zu gelangen, überzeugt nicht und ist auch auf der Grundlage der Beschlussbegründung schwerlich nachvollziehbar. Die Kammer verkennt nämlich, dass die Angeklagten kaum vergleichbar mit besagter Narkoseärztin sind, sondern viel eher mit dem Unbekannten, sofern dieser pflichtwidrig ein Giftfläschchen auf dem OP-Tisch abgestellt haben sollte – nur dass die Schuld der hiesigen Angeklagten noch deutlich schwerer wiegen dürfte, weil in dem von ihnen geschaffenen "Risikoraum" ein Taterfolg, der dem tatsächlich eingetretenen gleicht, nicht nur möglich, sondern ganz überwiegend wahrscheinlich war. Dies nicht zuletzt, weil den Akteuren am Veranstaltungstag die Aufgabe übertragen wurde, die Nichteignung des Gesamtkonzepts für die Veranstaltung zu erkennen und darauf zu reagieren.[32] Das indes dürfte eine kaum zu bewältigende Aufgabe gewesen sein, weil diese Akteure gerade in Übereinstimmung mit der Planung in einen Zustand der Überforderung gedrängt worden waren, während die Narkoseärztin womöglich schlicht die Aufschrift des Fläschchens hätte lesen müssen, um trotz der vorangegangenen Pflichtwidrigkeit des Dritten den Erfolg noch abzuwenden. Das Argument "Multikausalität" hätte denn wohl durchaus eine Milderung gerechtfertigt, wenn die Akteure des Veranstaltungstags, also vor allem Polizisten, vor Gericht gestanden hätten. Bei planungsbezogenen Vorwürfen dürfte das gerade nicht gelten.
Drittens wird die erhebliche Verfahrensdauer mildernd berücksichtigt,[33] ohne dass dieser Umstand rechtlich näher eingeordnet würde. Dabei sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Die Rechtsprechung zumindest, wonach allein die Dauer des Zeitraums zwischen Tat und Urteil zu einer Milderung wegen eines nachlassenden Sanktionsbedürfnisses führe,[34] ist bereits kritisiert worden, weil Rechtsfrieden eben nicht in jedem Fall durch bloßen Zeitablauf eintritt.[35] Dass diese Kritik berechtigt ist, zeigt sich exemplarisch am Loveparade-Fall. Richtig ist natürlich, dass die besonderen Belastungen für die Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer berücksichtig wurden.[36] Bedauerlich ist, dass diese zu einem guten Teil durch ein unnötig langes Zwischenverfahren verursacht wurde.[37]
Auch sieht die Kammer kein öffentliches Interesse an der weiteren Strafverfolgung. Der Gehalt dieses Rechtsbegriffs dürfte mit den anerkannten Strafzwecken übereinstimmen. Ein öffentliches Interesse kann mithin aus spezial- und generalpräventiven Gründen zu bejahen sein.[38] Diese müssten die Fortsetzung des Strafverfahrens zur Erreichung einer Verurteilung unverzichtbar machen.[39] Erforderlichenfalls ist eine Gesamtbetrachtung durchzuführen,[40] wobei die Frage leitend ist, ob die Einstellung das Vertrauen in die Verbindlichkeit der Rechtsordnung schädigen kann.[41]
Zutreffend führt die Kammer zunächst an, gegen die Prozessfortsetzung aus spezialpräventiven Gründen spreche die Unbescholtenheit der Angeklagten. Wenn sie aber unter dieser Rubrik gleichsam anführt, es gebe keinen Beweis für eine bewusste Missachtung der (nunmehrigen) Planungsstandards durch diese,[42] wiederholt sie den zweifelhaften Gedanken einer Privilegierung des Fahrlässigkeitstäters wegen fehlenden Vorsatzes.[43]
Generalpräventive Gesichtspunkte, die eine Verfahrensfortsetzung unverzichtbar machen können, sind eine zu befürchtende Beeinträchtigung der Rechtstreue der Allgemeinheit – etwa wegen der gravierenden Tatfolgen oder der Art der Tatausführung – oder die Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Verletzten, die jedoch im Interesse an der Verbindlichkeit der Rechtsordnung begründet sein müssen. Mediales Interesse für sich genügt nicht.[44] Diese Maßstäbe erkennt die Kammer zutreffend[45] und führt aus, zunächst hätten die Tatfolgen[46] durchaus ein öffentliches Interesse begründet.
Dieses bestehe aber nicht mehr: Zunächst bestünden keine berechtigten Interessen der Verletzten, die deren generelles Genugtuungsinteresse zu einem öffentlichen Interesse aufwerten würden.[47] Damit wirft die Kammer die Frage auf, welche Interessen der Verletzten gleichsam öffentliche Interessen darstellen können, mithin hier in
Betracht zu ziehen sein könnten – und dies offenbar ohne es zu merken, denn ihre Antwort erschöpft sich in dem Hinweis darauf, das Geschehen sei durch das Strafverfahren in objektiver Hinsicht hinreichend aufgeklärt und die Fortsetzung der Beweisaufnahme lasse nicht erwarten, dass sich der Sachverhalt anders darstellen werde.[48]
Freilich anerkennt das Recht keinen prinzipiellen Anspruch der Verletzten auf einen Schuldspruch.[49] Vielmehr können Verletzteninteressen nur insofern eine Rolle spielen, als sich in ihnen die allgemeinen Strafzwecke spiegeln.[50] Es wäre zumindest möglich gewesen, diese Frage am zu entscheidenden Fall, der sich wie kaum ein anderer dazu geeignet hätte, zu explizieren. Insbesondere die positive Generalprävention, unter der gemeinhin der Schutz der "Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung"[51] verstanden wird, ist hier in dreifacher Weise virulent geworden: In ihrer Dimension als Appell an die Rechtseinhaltung, in ihrer Funktion als öffentliche Sichtbarmachung der Rechtsdurchsetzung sowie in ihrem Anliegen, den Konflikt der Gesellschaft mit dem Rechtsbruch des Täters zu erledigen.[52]
Das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung dürfte zunächst gerade bei Hinterbliebenen einer besonderen Belastungsprobe ausgesetzt sein, wenn immenses Leid staatlicherseits mit einer auflagenfreien Einstellung beantwortet wird.[53] Doch die Geschädigten vertreten nicht nur dieses, sie vor allem persönlich betreffende Interesse. Eine Besonderheit der hier zur Last gelegten Taten besteht vielmehr gerade darin, dass ihre tragischen Folgen gerade nicht gegen die Geschädigten als Personen gerichtet waren, sondern praktisch jedes Mitglied der Rechtsgemeinschaft hätten treffen können. Insofern liegen die Interessen der Geschädigten und die der Öffentlichkeit hier besonders eng beieinander.
Außerdem lässt die Beschlussbegründung befürchten, dass die Kammer meint, die Hinterbliebenen hätten nur Interesse an einer irgendwie gearteten bzw. auf objektive Sachverhaltsaufklärung beschränkte Strafverfolgung. Diese Prämisse dürfte wohl kaum zutreffen und wäre auch rechtlich unfundiert, denn jedes öffentliche Interesse i. S. v. § 153 StPO ist richtigerweise nicht nur auf Strafverfolgung per se, sondern auf eine Strafverfolgung mit dem Ziel einer Aburteilung gerichtet.[54]
Ein Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit besteht der Kammer zufolge wegen der Tatfolgen und einer denkbaren Wiederkehr der Ereignisse. Diesem sei aber Genüge getan: Die Anforderungen an Großveranstaltungen seien mittlerweile obrigkeitlich überprüft worden, bei den befassten Behörden herrsche nunmehr ein erhöhtes Bewusstsein für Stauungen vor. Zudem sei der objektive Geschehensablauf aufgeklärt.[55]
Fraglich bleibt, was das "Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit" sein soll. Im Rahmen von § 153 StPO hat die Allgemeinheit nur ein beachtliches Interesse an der Unerschütterlichkeit der Rechtsordnung, wobei dieses nach herrschender Ansicht durch unterbleibende Strafverfolgung tangiert werden kann (s. o.). Inwiefern dieses Interesse durch neue Verwaltungsvorschriften gewahrt werden kann, hätte jedenfalls einer näheren Begründung bedurft. Die Beendigung des Verfahrens (hier sogar als Abbruch) aufgrund erfolgreicher objektiver Aufklärung hätte vielleicht einem Untersuchungsausschuss zugestanden; die Einstellung nach § 153 StPO aber muss sich freilich daran messen lassen, ob ein Verfahren, das gerade auf einen Schuldspruch gerichtet ist, verzichtbar geworden ist.
Schließlich wird angeführt, das Verfahren würde im Falle seiner Fortsetzung noch sehr lange dauern, sodass Urteilsreife vor Eintritt der Verfolgungsverjährung – zumal angesichts pandemiebedingter Verzögerungen – nicht zu erwarten sei.[56]
Gedanklich setzt die These, dass die absehbare Verjährung das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen lassen kann, proportional zum Zeitablauf ein Nachlassen der Sorge um die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung voraus, welches dann die für § 153 StPO maßgebliche Schwelle unterschreitet, wenn sich abzeichnet, dass Urteilsreife nicht vor Eintritt der Verjährung zu erwarten ist. Es ist fraglich, ob die Erwägungen der Generalprävention derart exakt den Erwägungen, die den Verjährungsvorschriften zugrunde liegen, übereinstimmen. Einstellungsreife könnte dann in dem hier vorliegenden Ausnahmefall, dass ein Delikt mit relativ kurzer Verjährungsfrist verfolgt wird, gleichzeitig aber ein massiver Beweisführungsaufwand in der Hauptverhandlung erforderlich ist, sehr früh eintreten – gerade bei einem langwierigen Ermittlungs- und Zwischenverfahren könnte das Verfahren u. U. gar am Beginn der Hauptverhandlung einzustellen sein.
Die überlange Verfahrensdauer allein übrigens bewirkt ein Abnehmen des
öffentlichen Interesses v. a. in Fällen der rechtsstaats- bzw. konventionswidrigen Verfahrensverzögerung.[57] Bevor der BGH insofern die Vollstreckungslösung präferierte, konnte es zu einem Gering-Werden der Schuld aufgrund überlanger Verfahrensdauer kommen, die dann wegen ihrer Wechselwirkung mit dem öffentlichen Interesse ebendiese entfallen lassen konnte.[58] Seitdem er allerdings die Vollstreckungslösung präferiert,[59] kommt ein Verfahrensabbruch nur in Betracht, wenn der Verfahrensverstoß so gewichtig ist, dass er nicht mehr durch eine Berücksichtigung bei der Vollstreckung kompensiert werden kann – deshalb müssen die Gerichte auch in jedem Fall Feststellungen zu Tatschuld treffen.[60]
Diese Ausführungen freilich haben mit dem vorliegenden Fall wenig zu tun, denn ein rechtsstaatswidriger Vorstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist den Justizstellen nicht vorzuwerfen. Dennoch hat die Kammer im Vorfeld der ersten Verfahrenseinstellung aus dem Jahr 2019[61] und wegen des gleichlautenden Gedankens auch im Beschluss von 2020 wohl das BGH-Urteil v. 09.12.1987 (3 StR 104/87) vor Augen gehabt. Dieses vermag ihre Erwägungen aber nicht zu stützen, weil es dort um einen "rechtsstaatlich gebotene[n]" Verfahrensabbruch gem. § 153 StPO gerade als Reaktion auf eine rechtsstaatswidrige, der Justiz vorzuwerfende und irreparable Verfahrensverzögerung ging.[62] Ferner war dort gänzlich unklar, ob ein Tatnachweis nach Zurückverweisung gelingen würde, während die Kammer hier mehrfach betont, sie halte das im vorliegenden Fall an sich für wahrscheinlich.[63] Auch nimmt das Urteil aus dem Jahr 1987 an keiner Stelle Bezug auf eine absehbare Verjährung. Dass § 153 StPO nicht dazu genutzt werden darf, ein Strafverfahren zu umgehen, weil es voraussichtlich langwierig sein wird,[64] scheint die Kammer nicht zu bedenken.
Wie tragend indes der Aspekt des Zeitablaufs in der Argumentation der Kammer ist, mag ein abschließender Gedanke verdeutlichen: Mehrmals führt sie jedenfalls an, die Tatfolgen hätten zunächst ein öffentliches Interesse begründet. Da diese Tatfolgen sich im Laufe der Jahre nicht geändert haben, ist es denklogisch schwierig, ein öffentliches Interesse nunmehr wegen zwischenzeitlicher Sachaufklärung über die Tatursachen zu verneinen.
Sofern die Nachricht von der Einstellung des Loveparade-Verfahrens ein gewisses Befremden ausgelöst haben sollte, dürfte dieses durch die besprochene Beschlussbegründung kaum zerstreut worden sein. Es mag sein, dass das Geschehen in objektiver Hinsicht durch das Strafverfahren tatsächlich aufgeklärt ist.[65] Diesem Umstand durch einen Verfahrensabbruch Rechnung zu tragen muss allerdings beinahe zwangsläufig dazu führen, dass die Handhabung der maßgeblichen Einstellungsvorschrift lückenhaft und dogmatisch unbefriedigend bleibt. Wenn man den – nach hier vertretener Auffassung in Teilen verfehlten – rechtlichen Erwägungen der Kammer Hinweise auf eine unzweckmäßige Prozessführung entnehmen möchte, wäre das Anlass für weitere, außerdogmatische Diskussionen über die Handhabbarkeit strafrechtlicher "Großverfahren". Nachdem das besprochene Verfahren nun unwiederbringlich erledigt ist, wäre dies eventuell ein Ansatz für Lehre und Praxis, das Geschehene immerhin insofern fruchtbar zu machen.
[1] LG Duisburg, Beschluss v. 04.05.2020 – 36 KLs 10/17 (die Seitenangaben folgen der Pressemitteilung vom 04.05.2020, https://www.lg-duisburg.nrw.de/behoerde/presse/zt_Lopa/loveparade/so_pe/2020_05_04-PE-65-anonymisierter-Beschluss-im-Wortlaut.pdf , Zugriff: 18.08.2021).
[2] LG Duisburg, Beschluss v. 06.02.2019 – 36 KLs 10/17.
[3] Diese wurde am 24.07.2010 um kurz nach 16:00 Uhr auf der Rampe Ost eingezogen, die als einziger Zugang den Tunnel mit dem überirdischen Festivalgelände verband, nachdem sich dort eine große Menschenmenge, die das Gelände betreten, und eine, die das Gelände verlassen wollte, gegenüberstanden.
[4] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1) S. 30 f. Die beiden Vereinzelungsanlagen waren am westlichen bzw. östlichen Tunnelende eingerichtet und die einzigen Zugänge zum Tunnel. Durch sie hätte ein geregelter Personenzustrom erreicht werden sollen.
[5] Gercke, in: HK-StPO, 6. Aufl. (2019), § 153 Rn. 3.
[6] Siehe Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO, 64. Aufl. (2021), § 153 Rn. 3, und vergleichend ebd. § 153a Rn. 7.
[7] BVerfG, Beschluss v. 29.05.1990 – 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88, Juris, Rn. 44.
[8] HK-Gercke, a.a.O. (Fn. 5), § 153 Rn. 4.
[9] Schmitt, a.a.O. (Fn. 6), § 153 Rn. 4; Gercke, a.a.O. (Fn. 5) § 153 Rn. 4; Mavany, in: LR-StPO, Bd. 5/1, 27. Aufl. (2019), § 153 Rn. 25.
[10] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 31 f.
[11] Schneider, in: LK-StGB, 29. Aufl. (2018), § 46 Rn. 131, m.w.N.
[12] Gesamtschau: LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 37.
[13] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 32 f.
[14] Fischer, 68. Aufl. (2021), § 46 Rn. 31; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. (2017), Rn. 623; Schneider, a.a.O. (Fn. 11), § 46 Rn. 101; Kinzig, in: Schönke/Schröder-StGB, 30. Aufl. (2019), § 46 Rn. 17.
[15] BGH, Urteil v. 20.01.2004 – 1 StR 319/03 = HRRS 2004 Nr. 193; Kinzig, a.a.O. (Fn. 14), § 46 Rn. 17.
[16] Seebode, in: AK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 46 Rn. 67; Kinzig, a.a.O. (Fn. 14), § 46 Rn. 17.
[17] Schneider, a.a.O. (Fn. 11), § 46 Rn. 108; BGH, a.a.O. (Fn. 15), Juris, Rn. 23.
[18] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 41.
[19] Schneider, a.a.O. (Fn. 11), § 46 Rn. 253.
[20] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 33, 40.
[21] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 34 ff.
[22] Wäre dies indes erkannt worden, würde man womöglich den Bereich der Fahrlässigkeit verlassen. Sofern hier erneut der höchst zweifelhafte Gedanke einer Privilegierung des Fahrlässigkeitstäters wegen fehlenden Vorsatzes aufscheint: vgl. oben, II. 1. a).
[23] Tatbestandlich – soweit besteht dogmatisch Klarheit – vermag sie einen Tatvorwurf nicht auszuräumen, sofern sie – wie hier – als anknüpfende Kausalität daherkommt: Solange die für den Erfolg bestimmte Bedingung bis zum Erfolgseintritt durchwirkt, liegt keine Unterbrechung des vom Täter in Gang gesetzten Kausalverlaufs vor (vgl. BGHSt 49, 1 = HRRS 2004 Nr. 57). Hierüber musste die 5. Große Strafkammer des LG Duisburg noch durch das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 18.04.2017 – 2 Ws 528/16, S. 151), das statt seiner auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren eröffnet hatte, belehrt werden. Hierzu: Grosse-Wilde ZIS 2017, 638.
[24] OLG Stuttgart, Beschluss v. 03.02.1997 – 4 Ws 230/96.
[25] BGH, Beschluss v. 10.02.1999 – 2 StR 416/98.
[26] BGH, a.a.O. (Fn. 25), Juris, Rn. 4.
[27] Dieses rund 3.800 Seiten umfassende gerichtliche Sachverständigengutachten ist nicht in der Hauptverhandlung erstattet worden, wurde von der Kammer aber offenbar als Erkenntnisquelle genutzt. Im Folgenden wird auf eine Kurzfassung Bezug genommen (Gerlach, Fachliche Aufarbeitung von Ursachen der tragischen Ereignisse bei der Loveparade Duisburg 2010, https://www.svpt.uni-wuppertal.de/fileadmin/bauing/svpt/Loveparade_2010/Loveparade_Aufarbeitung_Gerlach_vorl_Fassung.pdf , Abruf: 18.08.2021).
[28] Gerlach, a.a.O. (Fn. 27), S. 28 ff.
[29] Gerlach, a.a.O. (Fn. 27), S. 112.
[30] Gerlach, a.a.O. (Fn. 27), S. 34 ff.
[31] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 37, woraus ersichtlich wird, dass die Kammer diesen Punkt besonders berücksichtigt hat.
[32] Gerlach, a.a.O. (Fn. 27), S. 42.
[33] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 36.
[34] BGHSt 52, 124, 141 f. = HRRS 2008 Nr. 154.
[35] Schneider, a.a.O. (Fn. 11), § 46 Rn. 235.
[36] Schneider, a.a.O. (Fn. 11), § 46 Rn. 237.
[37] Zum Nichteröffnungsbeschluss der 5. Großen Strafkammer des LG Duisburg v. 30.03.2016 – 35 KLs 5/14 siehe Fn. 23.
[38] Schmitt, a.a.O. (Fn. 6), § 153 Rn. 7; Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 23, 29.
[39] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 30.
[40] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 30; Gercke, a.a.O. (Fn. 5), § 153 Rn. 5.
[41] Gercke, a.a.O. (Fn. 5), § 153 Rn. 5.
[42] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 38.
[43] Siehe auch oben, II. 1. a).
[44] Gercke, a.a.O. (Fn. 5), § 153 Rn. 5; Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 33 f.
[45] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 37 f.
[46] Vgl. Schmitt, a.a.O. (Fn. 6), § 153 Rn. 7.
[47] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 38 ff. Ob der Begriff des Genugtuungsinteresses (grundlegend: BGHSt 28, 272) dabei zur Beschreibung der Belange, die der Nebenkläger im Strafprozess wahrnimmt, angesichts der Opferschutzreformen der vergangenen Jahrzehnte noch adäquat ist, ist zweifelhaft (vgl. Walther, in: KK-StPO, 8. Aufl.[2019], vor § 395 Rn. 7).
[48] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 39.
[49] Dahinstehen soll hier die Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht auf effektive Strafverfolgung (zuletzt BVerfG, Beschluss v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = HRRS 2020 Nr. 97), da ihre dogmatische Berechtigung umstritten ist (zweifelnd: Roxin/Greco: Strafrecht Allgemeiner Teil I, 5. Aufl.[2020], § 3 Rn. 36k, m.w.N.) und das Grundrechts im vorliegenden Fall nicht verletzt worden sein dürfte. Es begründet nämlich nicht schlechthin einen Anspruch auf Aburteilung, sondern ggf. nur auf die gewissenhafte Führung und hinreichende Dokumentation eines Strafverfahrens, woran es vorliegend nicht gefehlt haben dürfte.
[50] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 33.
[51] BVerfGE 123, 267, 408; siehe auch Kinzig, a.a.O. (Fn. 14), vor § 38 Rn. 3, m.w.N.
[52] Roxin/Greco: a.a.O. (Fn. 49), § 3 Rn. 26 ff.
[53] Zu Opferinteressen im Strafverfahren aus empirischer Sicht: Kilchling NStZ 2002, 57, 61 ff.
[54] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 29 f.; Rieß NJW 1981, 1, 8.
[55] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 40.
[56] LG Duisburg, a.a.O. (Fn. 1), S. 40 ff.
[57] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 35.
[58] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 35 (dort Fn. 625).
[59] BGHSt 52, 124 (= HRRS 2008 Nr. 154).
[60] BGH, Urteil v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, Juris, Rn. 27.
[61] Pressemitteilung des LG Duisburg v. 17.01.2019, S. 17, duisburg.nrw.de/behoerde/presse/zt_Lopa/loveparade/so_pe/20190117-PE-49-Vermerk-im-Wortlaut.pdf, Abruf: 11.02.2021.
[62] BGH, Urteil v. 09.12.1987 – 3 StR 104/87, Juris, Rn. 55.
[63] BGH, a.a.O. (Fn. 62), Juris, Rn. 54.
[64] Mavany, a.a.O. (Fn. 9), § 153 Rn. 35, Peters, in: MüKo-StPO, Bd. 2, 1. Aufl. (2016), § 153 Rn. 25.
[65] Wobei diese Aussage allenfalls auf einer informellen Ebene berechtigt wäre, denn das oben angesprochene Hauptgutachten des Prof. Gerlach ist nie in der Hauptverhandlung erstattet worden (vgl. oben).