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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2021
22. Jahrgang
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Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB) steht auch bei Anwendung
von Jugendstrafrecht nicht im Ermessen des Tatgerichts. (BGHSt)
1. Da der Vorstand einer Sparkasse ein selbständiges Wirtschaftsunternehmen leitet, ist ihm im Ausgangspunkt – insoweit nicht anders als der Geschäftsleitung eines privatwirtschaftlichen Unternehmens – ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit nicht möglich ist (vgl. BGHSt 47, 187, 192). Eine strafrechtlich relevante Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht kommt u.a. erst dann in Betracht, wenn der Geschäftsleiter seine Entscheidungen nicht mehr am Unternehmenswohl ausrichtet. In der Regel wird erst unvertretbares Vorstandshandeln, bei dem sich ein Leitungsfehler aufdrängt, einen strafrechtlich bedeutsamen Pflichtenverstoß begründen.
2. Ein solch weiter Handlungsspielraum steht der Geschäftsleitung grundsätzlich auch bei Unternehmensspenden zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, mildtätigen (sozialen) Zwecken oder Sport zu, ohne dass der wirtschaftliche Nutzen (Werbung; Verbesserung der sozialen Akzeptanz [„good corporate citizen“]) im Einzelnen genau bestimmt werden könnte (vgl. BGHSt 47, 187, 192 ff.). Indes muss der Vorstand solche freiwilligen Vermögensopfer mit der Sorgfalt eines Treuhänders erbringen, der über Geld verfügt, das ihm nicht gehört, sondern der juristischen Person.
3. Ob die Geschäftsleitung durch eine Spende ihre Vermögensbetreuungspflicht gravierend verletzt, ist innerhalb einer Gesamtschau unter Abwägung folgender Gesichtspunkte zu bestimmen: fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie sachwidrige Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen. Vornehmlich die Zielsetzung des unternehmerischen Einsatzes ist entscheidend.
4. Auch Sparkassen, die auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge tätig sind, dürfen als im Wettbewerb stehende Wirtschaftsunternehmen grundsätzlich zur Förderung sozialer, mildtätiger oder gemeinnütziger Zwecke spenden, um für sich zu werben oder ihr Ansehen zu verbessern. Indes haben Sparkassenvorstände als „öffentliche Behörden“ bei Führung des „Kommunalunternehmens“ neben betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zusätzlich zur Treuhand und zu ihrem öffentlichen Auftrag den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten, der als allgemeines Prinzip der Haushaltsführung für den gesamten öffentlichen Bereich gilt.
5. Das Sparsamkeitsgebot verhindert als äußerer Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (vgl. BGHSt 61, 48 und BGHSt 64, 246).
6. Bei Geschenken innerhalb des Organs „Vorstand“ bzw. gar an Mitglieder des Aufsichtsgremiums gilt im Falle einer Sparkasse jedoch ein wesentlich strengerer Maßstab: Nur in einem bescheidenen Rahmen sind eher geringwertige Aufmerksamkeiten aus Höflichkeit und Anstand anlässlich gesetzlicher Feiertage wie etwa Weihnachten oder besonderer Ereignisse wie etwa Jubiläen oder persönlicher Feiertage („runden Geburtstags“, Hochzeit) zulässig.
7. Ob eine (gelockerte) Unrechtsvereinbarung i.S.d. §§ 331, 333 StGB nachzuweisen ist, ist Tatfrage, die der wertenden Beurteilung des Tatgerichts durch eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien unterliegt. Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen – behaupteten oder sonst in Betracht kommenden – Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben (dienstliche Berührungspunkte), die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen (Heimlichkeit) sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile (vgl. BGHSt 53, 6 Rn. 30 ff.).
1. Für die Bestimmung des objektiven Werts einer Immobilie ist die Feststellung ihres Verkehrswertes der zutreffende Ansatz. Dieser bemisst sich nach dem Preis, der im maßgebenden Zeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Dazu kann ein Kaufpreis zugrunde gelegt werden, der für die Beschaffung eines gleichartig gelegenen und eingerichteten Grundstücks erforderlich wäre oder den ein Kaufbewerber, der ebenfalls einen solchen Betrieb führen will, dafür aufwenden würde.
2. Der Verkehrswert einer Immobilie kann regelmäßig nur annäherungsweise und nicht exakt im Sinne einer
mathematischen Genauigkeit ermittelt werden, so dass unterschiedliche Ergebnisse bei der Schätzung des Verkehrswertes in gewissen Toleranzen unvermeidbar sind.
3. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebots zieht lediglich die verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit des Beschlusses, nicht jedoch die für ein Entfallen der Unterbrechungswirkung nötige Unwirksamkeit nach sich. Dies gilt erst recht für insofern fehlende Ausführungen in einem Durchsuchungsbeschluss.
1. Die Leistung auf eine nicht fällige Forderung führt nicht ohne Weiteres zu einem Vermögensnachteil i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB. Ein solcher kann sich zwar daraus ergeben, dass die vorzeitige Erfüllung einer Forderung mit messbaren wirtschaftlichen Nachteilen für den Schuldner verbunden ist. Insbesondere kann es einen Vermögensnachteil begründen, dass im Zeitpunkt der Zahlung ungewiss ist, ob die Gegenleistung erbracht werden wird und der Vermögensinhaber die ihn absichernde Einrede des nicht erfüllten Vertrages aufgibt. Jedoch sind in einem solchen Fall tragfähige Feststellungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der tatgegenständlichen Zahlung bzw. zum Risiko der Vorauszahlung erforderlich.
2. Ein Vermögensnachteil kann durch die Erbringung einer rechtsgrundlosen Zahlung bewirkt werden, weil diese nicht zum Erlöschen einer wirksamen Forderung führt (vgl. BGH HRRS 2013 Nr. 185; siehe aber auch BGH HRRS 2019 Nr. 236). Dies kann naheliegen, wenn der Vertragspartner des möglichen Untreuetäters unter Missbrauch seiner Vertretungsmacht einen Vertrag infolge einer Bestechung schließt.
1. Die Einleitung und Bekanntgabe eines Steuerstrafverfahrens suspendiert die Strafbewehrung steuerlicher Erklärungspflichten für die betroffenen Zeiträume. Insofern kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchter Steuerhinterziehung in Betracht.
2. Die Verneinung besonderer Umstände, die eine Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB erlauben würden, darf nicht auf das Bestreiten der Tat im Rahmen zulässigen Verteidigungsverhaltens gestützt werden.
1. Ist bei einer Steuerhinterziehung eine konkrete Berechnung der vom Täter erzielten Umsätze und Gewinne nicht möglich und kommen ausgehend von der vorhandenen Tatsachenbasis andere Schätzungsmethoden nicht in Betracht, darf der Tatrichter die Besteuerungsgrundlagen auch unter Heranziehung der Richtsätze für Rohgewinnaufschläge aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen pauschal schätzen. Dabei muss er aber beachten, dass es sich bei der Anwendung der Richtsätze um ein eher grobes Schätzungsverfahren handelt, zumal dem äußeren Betriebsvergleich schon im Allgemeinen ein starkes Unsicherheitsmoment anhaftet, da kaum ein Betrieb dem anderen gleicht, und zudem bei der Ermittlung der Richtsätze für steuerliche Zwecke jeweils etwa zehn Prozent der Betriebe mit den im Vergleich zum Durchschnitt höchsten und niedrigsten Gewinnsätzen herausgefiltert werden.
2. Auch bei dieser Schätzungsmethode müssen deshalb die festgestellten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden. Gerade weil die in der Richtsatzsammlung enthaltenen Rohgewinnaufschlagsätze auf bundesweite Prüfungsergebnisse zurückgehen, muss der Tatrichter bei Anwendung der Richtsatzsammlung für die Schätzung im Strafprozess erkennen lassen, dass er die örtlichen Verhältnisse und – soweit vorhanden – die Besonderheiten des jeweiligen Gewerbebetriebes berücksichtigt hat.
3. Dies hat zur Folge, dass sich der Tatrichter bei der Beweiswürdigung zum Rohgewinnaufschlagsatz zwar einerseits nicht zugunsten eines Angeklagten an den unteren Werten der in der Richtsatzsammlung genannten Spannen orientieren muss, wenn sich Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage ergeben. Soweit Zweifel verbleiben, darf der Tatrichter aber andererseits auch nicht ohne Weiteres einen als wahrscheinlich angesehenen Wert aus der Richtsatzsammlung zugrunde legen, sondern muss einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang feststellen.
Ein messbarer wirtschaftlicher Vorteil des Täters, der als ersparte Aufwendungen nach §§ 73 Abs. 1, 73c StGB
einzuziehen wäre, ergibt sich in Fällen einer Umsatzsteuerhinterziehungskette nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Tatbeteiligten tatsächlich niederschlägt. In Fällen, in denen die geschuldete Umsatzsteuer nicht aus einer Lieferung oder sonstigen Leistung resultiert, sondern ein unberechtigter Steuerausweis im Sinne des § 14c UStG ohne zugrundeliegende Leistung vorliegt, ist dies nicht der Fall, weshalb eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen hier nicht in Betracht kommt.
1. Eine Bandenabrede im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG setzt nicht voraus, dass sich alle Beteiligten persönlich absprechen und untereinander kennen; vielmehr kann sie auch durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen. Insbesondere kann die Bandenabrede dadurch zu Stande kommen, dass sich zwei Personen einig sind, künftig im Einzelnen noch ungewisse Straftaten mit zumindest einem dritten Beteiligten zu begehen, und der von der Absprache informierte Dritte sich der Vereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten anschließt.
2. Auch bei freisprechenden Urteilen kann der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen unter den Umständen des konkreten Falles verpflichtet sein, Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit eines Angeklagten zu treffen. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn dahingehende Feststellungen für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind. In einem solchen Fall bliebe der Freispruch ohne Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar und das Urteil deshalb lückenhaft.
3. Einlassungen eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Vielmehr sind sie – nicht anders als andere Beweismittel – insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
4. Wird dem Angeklagten ein Gegenstand von nicht unbeträchtlichem Wert entzogen, so ist dies als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen.
Ein Urteil, das lediglich Erziehungsmaßregeln und/oder Zuchtmittel anordnet, ist gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 JGG weder wegen des Umfangs der festgesetzten Maßnahme noch deshalb anfechtbar, weil andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Deshalb kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist. Wegen dieser sachlichen Beschränkung hat der Revisionsführer sein Anfechtungsziel eindeutig klarzustellen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird.
1. Tatobjekt des § 52 Abs. 1 Nr. 2b) WaffG ist eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition. Die Schusswaffe bzw. die gleichgestellten wesentlichen Teile der Schusswaffe i.S.d. Anlage 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 des WaffG müssen funktionsfähig sein. Eine vorübergehende Funktionsunfähigkeit ist unerheblich, wenn eine Reparatur mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen möglich ist.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Maßnahme nach § 74 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar; wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies
deshalb als ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege der Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen.
3. Vermögenseinbußen durch Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte stellen keinen Strafmilderungsgrund dar, weil insoweit kein rechtlich schützenswertes Vertrauen besteht.
4. Die Tatbestandsvariante des unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe (§ 22a Abs. 1 Nr. 6a) KrWaffKontrG) ist ein Auffangtatbestand, der hinter den spezielleren Erscheinungsformen des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Beförderung einer Kriegswaffe i.S.v. § 22a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 KrWaffKontrG zurücktritt.
Die Tatbestandsvariante des Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe ist ein Auffangtatbestand, der hinter den spezielleren Erscheinungsformen des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Beförderung einer Kriegswaffe i.S.v. § 22a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 KrWaffKontrG zurücktritt.