Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2021
22. Jahrgang
PDF-Download
1. Zu den formellen und materiellen Voraussetzungen einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 JGG. (BGHSt)
2. Der Umstand, dass es sich bei dieser Strafe um eine einheitliche Jugendstrafe im Sinne von § 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 JGG handelt, mit der neben der Katalogtat sowohl tateinheitlich als auch tatmehrheitlich begangene Nichtkatalogtaten geahndet worden sind, steht der Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht entgegen. (Bearbeiter)
3. Eine einschränkende Auslegung, dass in Fällen, in denen die verhängte (einheitliche) Jugendstrafe auch zur Ahndung von Nichtkatalogtaten festgesetzt worden ist, in den Urteilsgründen ausgewiesen werden muss, dass eine die Mindestdauer von sieben Jahren übersteigende Jugendstrafe auch schon allein mit Rücksicht auf die begangene Katalogtat verhängt worden wäre, ist nicht geboten. (Bearbeiter)
4. Die für eine Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JGG erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JGG bezeichneten Art begehen werde. (Bearbeiter)
5. Der Begriff „hohe Wahrscheinlichkeit“ entspricht der Gefährlichkeitsstufe für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach einer Maßregelerledigung gemäß § 66b Satz 1 Nr. 2 StGB. Diese liegt über der Gefährlichkeit im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB, § 106 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 JGG und der Erwartung erheblicher Straftaten gemäß § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB und kann nur angenommen werden, wenn ein „hohes Maß an Gewissheit“ (Prognosesicherheit) über die Gefahr besteht, dass der Täter neue Katalogtaten begehen werde. Dass lediglich überwiegende Umstände auf eine entsprechende künftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten, reicht dafür nicht aus. (Bearbeiter)
6. Dabei sind an Inhalt und Qualität der Prognose höchste Anforderungen zu stellen. Die positiv zu treffende Prognoseentscheidung muss auf einer Gesamtwürdigung der Person des Betroffenen, seiner Taten und seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung getroffen werden und die vorhandenen Prognosemöglichkeiten ausschöpfen. Die Beurteilung hat sich dabei – nicht anders als bei anderen qualifizierten Gefährlichkeitsprognosen auch – darauf zu erstrecken, ob und welche Katalogtaten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welche Schäden den bedrohten Rechtsgütern drohen. Zudem muss die spezifische Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten in der Persönlichkeit des Täters angelegt sein. (Bearbeiter)
1. Auch die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür wesentlichen Umstände die Überzeugung gewonnen hat, der jeweils betroffene Angeklagte habe die Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese im Einzelnen festgestellt werden müssen. Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes reicht nicht aus.
2. Zwar dürfen an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Begründen aber bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen
Herkunft, so steht dies der Anordnung der erweiterten Einziehung dieser Gegenstände entgegen. Bestehen auch legale Einkommensquellen, kann die Anordnung der Einziehung nicht auf das bloße Auffinden von Geldmitteln gestützt werden.
Nach dem Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren besteht keine Verpflichtung zur Berücksichtigung einer früher verhängten Sanktion, sofern diese dem innerstaatlichen Rechtssystem unbekannt ist. Da eine ausländische Strafe so zu berücksichtigen ist, wie sie von dem EU-Mitgliedstaat verhängt wurde, kommt eine – wie auch immer ausgestaltete – Transformation in das deutsche Recht nicht in Betracht.
1. Bei der für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Risikoprognose darf eine Tat, von der der Angeklagte wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde, auch dann berücksichtigt werden, wenn diese nicht (mehr) im Bundeszentralregister eingetragen ist. Ein Verwertungsverbot lässt sich hieraus selbst dann nicht ableiten, wenn die Eintragung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BZRG entfernt wurde.
2. Anders als bei einer Verurteilung, für die § 51 Abs. 1 BZRG ein auch die ihr zugrundeliegende Tat umfassendes Verwertungsverbot anordnet, wenn die sie betreffende Eintragung nach den §§ 45 ff. BZRG tilgungsreif geworden ist oder getilgt wurde, sieht das Gesetz für einen eintragungspflichtigen Freispruch oder eine entsprechende Einstellung ein solches Verbot im Fall der Entfernung der sie betreffenden Eintragung aus dem Register nicht vor. Eine erweiternde Auslegung des § 51 Abs. 1 BZRG mit der Folge einer Erstreckung des Verwertungsverbotes auch auf diese Fälle kommt mit Blick auf den Wortlaut („Eintragung über eine Verurteilung“), den Zweck der Vorschrift (Beseitigung des Strafmakels, Förderung der Resozialisierung des Verurteilten) und ihren Ausnahmecharakter nicht in Betracht. Eines Rückgriffs auf die Sonderregelung in § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG bedarf es daher nicht.
3. Für eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert ist es erforderlich, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Es reicht daher für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht aus, dass sich Menschen oder Sachen in enger räumlicher Nähe zu dem Täterfahrzeug befunden haben. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete ? etwa aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktionen – noch zu retten vermochte.
4. Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat. Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen.
1. Eine nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangene Verurteilung darf nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn die dieser Verurteilung zugrundeliegende Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt.
2. Für die Frage der nachträglichen Gesamtstrafenbildung kommt es darauf an, welche Straftaten das Gericht, das zuerst eine Strafe verhängt hat, mit hätte aburteilen können, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Der danach entscheidende Richter muss sich bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Frage kommt.
Der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge setzt vorsätzliches Handeln im Hinblick auf die Verwirk-
lichung des Grundtatbestandes der Körperverletzung voraus. Die isolierte strafschärfende Wertung von dolus directus (Wissentlichkeit) verstößt ungeachtet der Frage, ob direkt vorsätzliches Handeln als (normativer) Regelfall oder als typischer Fall der Tatbestandsverwirklichung anzusehen ist, gegen § 46 Abs. 3 StGB.
1. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert – nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF –, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt, insbesondere also die Tatbeute. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt (st. Rspr.). Nicht erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sind als Mittel für die Tatdurchführung erhaltene Gegenstände.
2. Unter Gegenständen im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB sind nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Rechte – mithin auch Bankguthaben – zu verstehen.
Die Sicherungseinziehung nach § 74b Abs. 1 knüpft die Zulässigkeit der Maßnahme an die Eigenschaft des von ihr betroffenen Gegenstands als Tatprodukt, -mittel oder -objekt im Sinne von § 74 Abs. 1 und 2 StGB. § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB lässt dabei auch die Einziehung eines in fremdem Eigentum stehenden Tatmittels zu, unter anderem dann, wenn die Gefahr besteht, dass es der Begehung rechtswidriger Taten dienen wird.
Der Verzicht des Angeklagten auf die Rückgabe der unmittelbar aus Betäubungsmittelgeschäften stammenden Gelder hindert eine Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht.
1. Festgestellte Tatfolgen einer Serie von Sexualdelikten können nur dann bei der Einzelstrafbemessung mit ihrem vollen Gewicht berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbare Folge allein einzelner Taten sind; sind sie Folge aller abgeurteilten Straftaten, können sie strafzumessungsrechtlich nur einmal bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden.
2. Wird bei der Bemessung der Gesamtstrafe die Einsatzstrafe stark erhöht, bedarf dies regelmäßig besonderer Begründung, wenn sich diese Erhöhung nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt.