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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2020
21. Jahrgang
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1. Eine Strafbarkeit wegen Untreue – in der Variante des Missbrauchs- oder Treubruchstatbestands – kann gegeben sein, wenn der Angestellte einer juristischen Person, insbesondere auch einer Kapitalgesellschaft, dieser ohne wirksame Einwilligung Vermögenswerte entzieht, um sie nach Maßgabe eigener Zwecksetzung, wenn auch möglicherweise im Interesse des Treugebers, zu verwenden. Zum Kernbereich einer Vermögensbetreuungspflicht eines Angestellten mit eigenständiger Dispositionsmacht über fremdes Vermögen gehört es auch, seiner Arbeitgeberin verborgene Geldmittel auf verdeckten, nicht unter ihrem Namen geführten, Konten zu offenbaren. Das Schwergewicht der Pflichtwidrigkeit liegt in diesem Fall regelmäßig nicht auf einzelnen Verwaltungs- und Verschleierungshandlungen des Treunehmers, sondern in dem Unterlassen der Offenbarung durch ordnungsgemäße Verbuchung der Geldmittel.
2. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann bereits durch das Einrichten und Führen einer solchen sog. schwarzen oder verdeckten Kasse eintreten, ohne dass es auf die Grundsätze einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ankommt. Maßgeblich ist, ob die Treugeberin nach der konkreten Ausgestaltung der verdeckten Kasse auf diese nicht mehr zugreifen kann und die ausgegliederten Vermögenswerte damit nicht nur in ihrem wirtschaftlichen Wert gemindert, sondern der Treugeberin dauerhaft entzogen sind. Dies kommt nicht nur in Betracht, wenn die Kasse ohne Kenntnis des Vorstands bzw. der Geschäftsführung und unter Verstoß gegen Unternehmensrichtlinien eingerichtet und geführt wird, sondern auch bei bewusstem Ausschluss der Kontrolle und Aufsicht durch die Gesellschaftsorgane. Die dauerhafte Entziehung der Verfügungsmöglichkeit der Treugeberin über die Vermögenswerte stellt einen endgültigen Vermögensverlust dar, der zur Vollendung des Tatbestands der Untreue und zu einem Vermögensnachteil in Höhe der in der verdeckten Kasse vorenthaltenen Mittel führt; die Verwendung der entzogenen Mittel ist danach nur eine Schadensvertiefung und ihre Rückführung allenfalls Schadenswiedergutmachung.
3. Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht im Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation der bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
1. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus, um eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 StGB zu begründen, und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben. In der Regel wird sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis ergeben, in welchem der Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Bei rechtsgeschäftlicher Grundlage kommt es im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an (vgl. zum Ganzen BGHSt 60, 94 Rn. 26).
2. Dient eine vereinbarte Zahlung nach der Vorstellung des Angeklagten dazu, einen durch Konkurrenten ungestörten Absatzweg zu gewährleisten, handelt er zugunsten einer Bevorzugung im Wettbewerb im Sinne des § 299 StGB.
Ein in der Rechtsprechung teilweise geforderter Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil (hier: in Form eines Gefährdungsschadens) i.S.d. § 266 StGB liegt vor, sofern im Tatzeitpunkt aufgrund der Rahmenumstände sicher zu erwarten ist, dass ein bevorstehender Schadensfall (hier: Transfer von Geldern des Treugebers) auch tatsächlich eintreten wird (vgl. bereits BGH HRRS 2016 Nr. 522). Im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe kommt dem Unmittelbarkeitskriterium hingegen nicht die Bedeutung zu, dass Pflichtwidrigkeit und Nachteil in einem engen zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen müssen.
Den formellen Geschäftsführer, der einen faktischen Geschäftsführer neben sich gewähren lässt, treffen hinsichtlich des die operativen Unternehmensaufgaben wahrnehmenden faktischen Geschäftsführers Überwachungspflichten, die er insbesondere dann verletzt, wenn er Anhaltspunkte für dessen Fehlverhalten hatte und nichts unternimmt. Unter diesen Umständen kommt ein vorsätzliches pflichtwidriges Handeln i.S.d. § 266a StGB (vgl. insofern bereits BGH HRRS 2020 Nr. 237) auch dann in Betracht, wenn sich die Verdachtsmomente nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten beziehen.
1. Aus einer Bande heraus begangene Straftaten (hier: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) können dem einzelnen Bandenmitglied nicht allein aufgrund der von ihm getroffenen Bandenabrede als eigene zugerechnet werden. Vielmehr ist hinsichtlich jeder Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, inwieweit sich das betreffende Mitglied daran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligte oder ob es insoweit keinen strafbaren Tatbeitrag leistete.
2. Bei der Schätzung des Wertes des Erlangten (§ 73d StGB) darf das Tatgericht nicht willkürlich vorgehen und muss jedenfalls über eine sichere Schätzungsgrundlage verfügen, die im Urteil darzulegen ist. Das bedeutet, den Urteilsgründen müssen die Schätzungsgrundlagen nachvollziehbar zu entnehmen sein.
Nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG setzt die fakultative Strafmilderung voraus, dass der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG, die mit seiner Tat in Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte. Wird dem Angeklagten eine Mehrzahl von Taten vorgeworfen, so müssen die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe für jede dieser Taten gesondert geprüft werden. Nicht erforderlich ist, dass die Aufklärungshilfe in dem der jeweiligen Verurteilung zugrunde liegenden Verfahren geleistet wird.
Das Revisionsgericht hat auf eine unbeschränkt eingelegte und auch sonst zulässige Revision die vorinstanzlich angeordneten Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel ohne die Beschränkung in § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG auch dann auf Rechtsfehler zu überprüfen, wenn es den Schuldspruch unangetastet lässt. (BGHSt)
1. Der Senat hält auf Anfrage des 1. Strafsenats (BGH HRRS 2019 Nr. 773) an seiner Rechtsprechung zur zwingenden Anwendung von § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB im Jugendstrafrecht fest.
2. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gibt nach der Ansicht des Senats keinen Anlass zu einer Neubewertung der Einziehung von Taterträgen bzw. deren Wert (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) in dem Sinne, dass die Anordnung im jugendgerichtlichen Verfahren nunmehr im Ermessen der Jugendgerichte stünde. Die Statuierung einer Ermessensanordnung findet keinen Anhalt im Gesetz und widerstreitet dem Willen des Gesetzgebers.
3. Der Gesetzgeber verfolgt mit §§ 73 ff. StGB (wie bislang) das auch im Jugendstrafrecht legitime Ziel, möglichen Beeinträchtigungen des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu begegnen, die sich ergeben können, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögenswerte dauerhaft behalten dürften. Mit der Entziehung des deliktisch Erlangten wird dem Täter ebenso wie der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden. Das gilt gleichermaßen gegenüber jugendlichen oder heranwachsenden Straftätern.
4. Es stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die Verhältnismäßigkeitsprüfung aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern (§ 459g Abs. 5 Satz 1 StPO), die als solche bis zur Grenze einer – nach Auffassung des Senats nicht gegebenen – Verfassungswidrigkeit von der Judikative hinzunehmen ist. Einwände gegen das gesetzliche Grundkonzept oder Rechtsprobleme, die sich aus Detailregelungen ergeben könnten, berechtigen die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht, das gesetzgeberische Konzept durch ein eigenes zu ersetzen.
1. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne
längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen.
2. Bei der Prüfung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 Alternative 2 JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können. Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser.
Sind Tatzeiträume festgestellt, die jeweils auch bewährungsfreie Zeiten umfassen, gilt insoweit der Zweifelsgrundsatz. Deshalb hätte für jede einzelne Tat zugunsten des Angeklagten angenommen werden müssen, dass sie in einer bewährungsfreien Zeit begangen worden ist, sodass für die Annahme eines Bewährungsbruchs kein Raum bleibt.