HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2019
20. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Ablehnung eines ausschließlich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

"Person vor Papier" vs. "Heilung durch Hauptverhandlung" – z ugleich Besprechung von BGH, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 2 StR 485/18 = HRRS 2019 Nr. 449

Von Dr. iur. Oliver Harry Gerson, Passau[*]

I. Einführung

Der Beschluss vom 13. Februar 2019 behandelt die Unterschiede zwischen "Übersetzer" (Sachverständiger nach den §§ 72 ff. StPO) und "Dolmetscher" (Beteiligter sui generis i.S.d. § 185 GVG). An der Konstellation ist besonders, dass die "Befangenheit" (genauer: "Besorgnis der Befangenheit") eines von den Ermittlungsbehörden beauftragten und ausschließlich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Übersetzers im Raum steht. Die überwiegende Auffassung geht – gegen den Wortlaut und die Systematik des § 74 StPO – für diese Fälle davon aus, dass eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nur dann möglich sei, wenn dieser in der Hauptverhandlung vom Gericht gehört wird. Die übersetzten Wortprotokolle könnten nach § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt und müssten lediglich auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Das ist angreifbar, denn diese zirkuläre Normanwendung führt zu einer empfindlichen Rechtsverkürzung seitens des Ablehnenden. Der für die Überprüfung der Richtigkeit der Übersetzungen definierte Maßstab soll sich zudem in der Pflicht des Tatgerichts zur "gewissenhaften Aufklärung" erschöpfen. Das "Fortwirken" von Übersetzungsleistungen eines befangenen Sachverständigen verhindert das nicht.

1. Zum Sachverhalt

Im Ausgangsfall des LG Darmstadt[1] ging es um zwei wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen verurteilte Angeklagte (Gesamtfreiheitstrafen von sieben Jahren und sieben Jahren und sechs Monaten). Mit zulässiger Verfahrensrüge griffen beide an, dass ein wegen Besorgnis der Befangenheit gestelltes Ablehnungsgesuch gegen einen im Vorverfahren tätig gewordenen Sachverständigen zurückgewiesen wurde. Hintergrund des Ablehnungsantrages waren Übersetzungsarbeiten umfangreicher Gespräche aus Telekommunikationsüberwachung, übertragen und verschriftlicht von einem vom Hessischen LKA beauftragten Übersetzer. Die Übersetzungen waren erforderlich, da die Gespräche teils in spanischer, teils in "Berbersprache" geführt wurden. Einige der bei den Akten befindlichen und übersetzten Wortprotokolle wurden in der Hauptverhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen. Um die Einführung weiterer Gesprächsprotokolle zu unterbinden, ersuchten die Angeklagten die "Ablehnung des Dolmetschers, der die TKÜ übersetzt hat" wegen Besorgnis der Befangenheit. Die Ablehnung wurde darauf gestützt, dass der Übersetzer die ihm vorgelegten Telefongespräche nicht nur wörtlich übertragen, sondern um eigene Interpretationen und Erläuterungen in seiner Verschriftlichung ergänzt habe. In Klammern eingefügt fanden sich in den übersetzten Wortprotokollen u.a. die Hinweise "Er (LKW-Fahrer)", "dorthin (verm. Ba.)", "etwas (Probe)" usw.

Das Landgericht lehnte die Befangenheitsanträge "gegen den Dolmetscher" mit dem Argument ab, dass der die entsprechende Anwendung der Regelungen über die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen anordnende § 191 GVG nur auf solche Dolmetscher bzw. Sachverständige anzuwenden sei, die vom Gericht zugezogen werden. Die Revisionsführer bewerteten die Verlesung nach § 249 Abs. 1 StPO von im Ermittlungsverfahren erstellten Übersetzungen des "sachverständigen Dolmetschers" hingegen wie die Konstellation, in der der Sachverständige selbst in der Hauptverhandlung vernommen wird. Demzufolge hätten die übersetzten Wortprotokolle des – nach Sicht der

Revisionsführer "befangenen Dolmetschers" – schon nicht durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt, zumindest aber nicht verwertet werden dürfen.

2. Leitlinien des Beschlusses

Der BGH erkennt keine Rechtsfehler in der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs "gegen den Dolmetscher" durch das Landgericht und verwirft die Revision in diesem Punkt.[2]

Zunächst handele es sich bei dem vom LKA beauftragten Sprachkundigen nicht um einen "Dolmetscher" i.S.d. §§ 185 ff., 191 GVG, sondern um einen "Übersetzer", der Sachverständiger sei, und für dessen Ablehnung § 74 StPO direkt gelte.

Außerdem greife ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem ausschließlich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Übersetzer ins Leere. Es sei nur möglich, einen im Ermittlungsverfahren von den Ermittlungsbehörden herangezogenen Sachverständigen abzulehnen, wenn dieser vom Gericht auch in der Hauptverhandlung vernommen werden soll. Die anstelle der persönlichen Vernehmung nach § 249 Abs. 1 StPO im Wege des Urkundsbeweises prozessordnungsgemäß eingeführten Wortprotokolle mussten von der zuständigen Strafkammer – soweit Einwände erhoben wurden – lediglich auf ihre inhaltliche Richtigkeit hinterfragt werden. Das Tatgericht hatte sich gewissenhaft Aufklärung zu verschaffen, ob die Übersetzung sorgfältig erfolgt sei. Wie sich das Tatgericht diese Überzeugung von der sorgfältigen Übersetzung verschaffe, bleibe ihm nach Maßgabe seiner Aufklärungspflicht selbst überlassen.

Bei den vermeintlich unzulässigen Interpretationen handele es sich zudem ausschließlich um dem Verständnis und der Klarstellung dienende Hinweise. Da diese ausnahmslos in Klammern gesetzt und teilweise mit einem "vermutlich" gekennzeichnet wurden, sei nicht von einer Überschreitung der einem Übersetzer zugewiesenen Kompetenzen auszugehen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könne.

II. Bewertung

Zustimmungswürdig sind die Einordnung des tätig gewordenen Sprachkundigen als "Sachverständiger" (dazu II.1.), sowie die Bewertung in der Sache, dass die Ergänzungen in den Übersetzungen nicht über die Kompetenzen eines Übersetzers hinausgehen und daher die Befangenheit nicht besorgen können (dazu II.2.). Angreifbar ist der generelle Ausschluss eines Befangenheitsgesuchs gegenüber einem nur im Vorverfahren tätig gewordenen und in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Übersetzer. Dadurch können Umstände, die eine Befangenheit in der Person des Sachverständigen besorgen, von den Ablehnungsberechtigten nur unzureichend beanstandet werden (dazu II.3.).

1. Zur Abgrenzung von § 74 StPO und § 119 GVG

Der BGH hat den im Vorverfahren beauftragten "Übersetzer", der die Inhalte der TKÜ-Überwachung in deutsche Sprache übersetzt und verschriftlicht hat, zutreffend als Sachverständigen nach §§ 72 ff. StPO und nicht als "Dolmetscher" i.S.d. § 185 GVG eingeordnet.

a) Unterschiede zwischen "Dolmetscher" und "Übersetzer"

Zugang zum und Ausweg aus dem Rechtsstreit vollziehen sich über Sprache.[3] Im deutschen Verfahren ist die Gerichtssprache Deutsch, § 184 S. 1 GVG.[4] Beherrscht ein Beteiligter die deutsche Sprache nicht oder in nicht ausreichendem Maße, ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen. Für die gerichtliche Verhandlung regelt dies § 185 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 e. contr. GVG, (auch) für das Ermittlungsverfahren ergibt sich das aus § 187 Abs. 1 S. 1 GVG,[5] jeweils i.V.m. Art. 3 Abs. 3, 103 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK. Aufgabe des Dolmetschers ist die Vermittlung sprachlicher Bedeutungsinhalte im Rechtsverkehr,[6] d.h. die Ermöglichung von "Sich-Verstehen" durch Schaffung einer gemeinsamen Kommunikationsbasis. Er gewährleistet effektives rechtliches Gehör und dient der Wahrheitsfindung.[7] Die Subjektstellung des Beschuldigten wäre beschädigt, würde man Übersetzungsleistungen versagen, um "Verständigung und Verteidigung" gegeneinander auszuspielen.[8]

Wenngleich das wesentliche Aufgabengebiet des Dolmetschers in der Übersetzung (in der Regel von der Sprache des Gerichts in die Muttersprache oder eine sonst geläufige Sprache des Beteiligten und vice versa) liegt,[9] ist er vom "Übersetzer" bzw. Sprachkundigen zu unterscheiden.[10] Dieser ist für die schriftliche[11] (vgl. auch §§ 82,

168b StPO[12]) Übermittlung und Transkription fremdsprachiger und außerhalb des Verfahrens getätigter Äußerungen zuständig.[13] Der Dolmetscher fungiert als Mittler gelebter (Echtzeit-)Kommunikation und trägt zum Gelingen sich aktualisierender Gesprächsinteraktionen bei, der Übersetzer wirkt als Mittler bereits abgeschlossener Kommunikation für einen nachgelagerten, sprachunkundigen Dritten, regelmäßig in Schriftform. Der Übersetzer ist Sachverständiger nach §§ 72 ff. StPO,[14] der Dolmetscher Beteiligter sui generis.[15] Beide sind "Gehilfen des Gerichts".[16]

b) Zum Fall

Der vom hessischen LKA herangezogene Sprachkundige hat zwar "gelebte Dialoge" aus Telekommunikationsüberwachung übersetzt. Seine Vermittlung diente jedoch nicht der Echtzeit-Verständigung während des Kommunikationsaktes und zwischen den unmittelbar Beteiligten, sondern der nachträglichen Verständlichmachung bereits abgeschlossener Kommunikation für einen sprachunkundigen Dritten (hier: die Ermittlungsbehörden) in Schriftform. Der tätig gewordene Sprachkundige ist daher "Übersetzer" und somit Sachverständiger nach den §§ 72 ff. StPO und nicht "Dolmetscher" i.S.d. § 185 GVG,[17] so dass für die Frage seiner Ablehnung nicht auf § 191 GVG, sondern auf § 74 GVG rekurriert werden muss. Für den Prüfungsumfang ergibt sich daraus kein Unterschied.[18]

2. Ablehnung eines Sachverständigen wegen "Besorgnis der Befangenheit"

Worterläuterungen des Übersetzers, die lediglich der Klarstellung dienen und auch als solche gekennzeichnet sind, stellen keine Kompetenzüberschreitung dar, die die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet.

a) Grundsätzliches zur Ablehnung des Sachverständigen

Die Ablehnung des Sachverständigen richtet sich gem. § 74 Abs. 1 S. 1 StPO nach den für den Richter geltenden §§ 22 ff. StPO.[19] Anders als ein Zeuge, der nicht abgelehnt werden kann, ist ein Sachverständiger grundsätzlich austauschbar.[20] Grund der Ablehnung nach §§ 74 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO ist die (Besorgnis der) Befangenheit.[21] Wie beim Richter[22] (Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Richters fußen[23] auf Art. 97 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK[24]) ist die Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn aus Sicht des – verständigen – Ablehnenden Misstrauen gegen den

Sachverständigen gerechtfertigt erscheint.[25] Dies ist der Fall, wenn die nach außen erkennbare "innere Haltung" des Abzulehnenden besorgen lässt, dass ihm die erforderliche Neutralität und Distanz zur Sache fehlen.[26] Verlangt werden "vernünftige Gründe", die auch jedem Dritten einleuchten.[27] Die Regelung in § 74 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO verlagert somit die Perspektive: nicht entscheidend ist, welche Umstände die Urteilskraft / die Expertise des Abzulehnenden tatsächlich stören. Maßgeblich ist stattdessen, was ein vernünftiger Dritter (in seiner jeweiligen "Rolle"[28]) unter "befangen-machend" verstehen kann. Das "innerpsychische Phänomen"[29] der Voreingenommenheit lässt sich nur durch Rückschluss nähern.[30] Eine subjektive Einsicht des Sachverständigen in seine mögliche Befangenheit ist – wie beim Richter – nicht zwingend.[31] Methodisch handelt es sich um eine widerlegliche Vermutung, die für die Unparteilichkeit streitet:[32] Solange keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit bestehen und auch sonstige Einflussnahmen Dritter[33] ausgeschlossen sind, soll der Abzulehnenden als unparteilich – und damit unbefangen – gelten.

Der Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen, der in der Hauptverhandlung zu stellen (bzw. zu wiederholen[34]) ist,[35] ist formlos möglich.[36] Ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch schließt die weitere Vernehmung des Sachverständigen als "völlig ungeeignetes Beweismittel" nach § 245 Abs. 2 StPO aus,[37] zumindest aber ist die Verwertung des bereits erstatteten Gutachtens untersagt.[38] Ein erfolgreich abgelehnter Sachverständiger / Dolmetscher darf auch nicht als Zeuge über den Inhalt der von ihm übersetzten Einlassung des Angeklagten vernommen werden.[39]

Ob Besorgnis der Befangenheit vorgelegen hat, ist – anders als bei der Ablehnung des Richters – eine Rechtsfrage.[40]

b) Zum Fall

Die eingefügten Anmerkungen in der Verschriftlichung der Übersetzung reichen nicht aus, um eine Befangenheit zu besorgen. Erläuterungen durch den Übersetzer sind zulässig, sofern sie dem Auftraggeber die Interpretationshoheit belassen. Solange eigene – den Übersetzungswortlaut verlassende – Ergänzungen gekennzeichnet werden, verbleibt das "letzte Wort" beim Rezipienten. Werden Personalpronomen oder Lokaladverbien verwendet, um Bezeichnungen im originären Referenztext einer besseren Verständlichkeit zuzuführen und den Textfluss zu fördern, ist bereits grundsätzlich keine einseitig belastende Interpretation gegeben. Auch liegt kein Fall einer "modifizierten Übersetzung" vor, bei dem zwischen zwei möglichen Formulierungen bewusst eine tendenziöse verwendet wird.[41] Ein vernünftiger Dritter darf nicht davon ausgehen, dass die geschilderte, rein lexikalische Feinsteuerung eine zu Lasten der Angeklagten gehende Kompetenzanmaßung[42] des Übersetzers darstellt, insbesondere, wenn sie jeweils mit einem "vermutlich" abgeschwächt wird.

3. Zur Aufklärungspflicht des Gerichts und zur "Fortwirkung" befangener Gutachtertätigkeit

Der Senat schließt sich bei der Frage, ob ein Sachverständiger, der im Vorverfahren auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden tätig geworden ist, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, ausdrücklich der herrschenden Meinung an:[43] diese lässt eine Ablehnung nur für den Fall zu, in dem der Sachverständige vom Gericht in der anschließenden Hauptverhandlung vernommen wird.[44] Geht es um Übersetzungsleistungen, kann das Gutachten, wenn das Gericht von dessen Richtigkeit überzeugt ist, nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen werden. Die Feststellung der Richtigkeit habe nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu erfolgen. Wie sich das Gericht diese Einsicht verschaffe, bleibe ihm selbst überlassen.

Es wirken folglich zwei Problemkreise zusammen: Zum einen, dass Übersetzungen eines Sachverständigen – als Ausnahme von § 250 StPO – durch Verlesung nach § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zum anderen, dass die in der Person des Sachverständigen gründende Besorgnis der Befangenheit gerade und nur deshalb nicht gerügt werden kann, weil der Sachverständige aufgrund der Anwendung des § 249 Abs. 1 StPO nicht persönlich vom Gericht vernommen wird. Die Rechtsverkürzung für den Ablehnungsberechtigten (dieser verliert die Möglichkeit, erfolgreich ein Befangenheitsgesuch zu stellen) ergibt sich somit aus einer zirkulären Normanwendung.

Es bleibt überdies unbeantwortet, wie der Fall eines – unterstellt tatsächlich – befangenen Sachverständigen überhaupt erkannt werden soll. Erstellt dieser ein durch seine "Befangenheit" kontaminiertes Gutachten, kann dieses durch Verlesung nach § 249 Abs. 1 StPO in der Überzeugungsbildung des Gerichts fortwirken, ohne dass ein effektives Instrument zur Beanstandung besteht.

a) Problemkreis (1): Verlesung der Übersetzung anstelle der Vernehmung des Übersetzers

Beweismittel, die für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung sind, müssen zulässig Teil der Beweisaufnahme werden, damit das Gericht seine Überzeugung vom Ergebnis der Beweisaufnahme aus dem Inbegriff der Verhandlung schöpfen kann, §§ 244 Abs. 2 i.V.m. § 261 StPO. Der in der StPO verankerte "Unmittelbarkeitsgrundsatz" verlangt dazu die Heranziehung des sachnächsten Beweismittels, weshalb der Personalbeweis dem Urkundsbeweis vorrangig ist.[45] Zwar ist der Urkundsbeweis nach § 249 Abs. 1 StPO grundsätzlich zulässig, soweit er nicht ausdrücklich vom Gesetz ausgeschlossen wird.[46] Sachverständigengutachten sind jedoch grundsätzlich mündlich zu erstatten,[47] da der Sachverständige persönliches Beweismittel ist und (auch) über seine Wahrnehmungen berichtet. Sofern kein Fall der §§ 251, 256 StPO vorliegt, drängt sich bei ersetzender Verlesung seines Gutachtens ein Verstoß gegen § 250 StPO auf.[48]

In der Gerichtspraxis werden Übersetzungen dennoch regelmäßig als Urkunde nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen, die vorrangige Pflicht zur persönlichen Vernehmung des Übersetzers also umgangen. Der Sprachkundige müsse insbesondere dann nicht vernommen werden, wenn das Gericht von der Richtigkeit der Übersetzung überzeugt sei.[49] Überlegungen bezüglich der Richtigkeit der Übersetzung seien allerdings erst auf Ebene der Beweiswürdigung angesiedelt, denn die Feststellung der Richtigkeit der Übersetzung sei nicht Voraussetzung ihrer Verlesbarkeit.[50] Das ist zirkelschlüssig, zumindest aber widersprüchlich.

Überzeugender, um das Regel-Ausnahme-Verhältnis von persönlicher Anhörung des Gutachters / Verlesung des Gutachtens auszuhebeln, erscheint ein Abstellen darauf, dass Übersetzungen keine "typischen Gutachten" sind: Da die Übersetzung von Gesprächen keine individuelle Wahrnehmung des Sachverständigen wiedergebe (vgl. § 250 S. 1 StPO: "Wahrnehmung einer Person"[51]), sondern eine nicht an eine bestimmte Person gebundene und jederzeit wiederholbare und nachprüfbare Leistung sei, stehe § 250 StPO nicht entgegen.[52] Das gelte auch, wenn originär gesprochene Sprache erst durch Verschriftlichung des Übersetzers zur Urkunde werde, denn weder existiere ein Satz, dass dem Beweis zugängliche Tatsachen nur in der Gestalt verwendet werden dürfen, in der sie sich ursprünglich in der Außenwelt manifestieren, noch dass jede Transformation von Beweismitteln unzulässig sei.[53]

aa) Zwingende Beweiswürdigung durch das Gericht

Im stützend vom Senat herangezogenen Beschluss vom 27.11.2018[54] geht der BGH sogar noch weiter und statuiert, dass das Gericht, welches Übersetzungen von Dokumenten nach § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung einführt und sich daher eine Überzeugung zur Richtigkeit dieser Übersetzungen bilden muss, zu einer Dokumentation dieser Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen nicht verpflichtet sei. Eine Überprüfung der Entstehungsumstände des Gutachtens – z.B. anhand der Anhörung von Zeugen – dränge sich nur auf, wenn in der Hauptverhandlung Einwände gegen die Richtigkeit der Übersetzungen erhoben wurden.

Dem ist nicht zuzustimmen. Die Urteilsgründe müssen stets erkennen lassen, dass das Gericht eine selbstständige Beweiswürdigung vorgenommen hat.[55] Nur auf diese Weise ist die Entscheidungsfindung für die Adressaten (Angeklagter und Revisionsgericht) nachvollziehbar und revisibel.[56] Bei der Heranziehung von Sachverständigengutachten ergibt sich eine gesteigerte Darlegungspflicht über das Zustandekommen der richterlichen Überzeugungsbildung.[57] Einer "Entmachtung" des Gerichts durch den Sachverständigen ist entgegenzuwirken,[58] eine automatische und unkontrollierte Übernahme des Gutachtenbefundes verbietet sich.[59] Hinzu kommt, dass die Frage, ob Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen zu besorgen ist, in der Revision nach allgemeiner Meinung eine Rechtsfrage ist (s.o. II.2.a.), und das Revisionsgericht daher an die Tatsachen gebunden ist, die das Tatgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat.[60]

bb) Erforderliche Differenzierung zwischen technischen und "Psychogutachten"

Die Motive für die regelmäßige Verlesung von Übersetzungen sind profan. Die Umgehung der persönlichen Vernehmung des Übersetzers gründet in der Beschleunigung der Abläufe.[61] Zuzugestehen ist, dass es bei bestimmten Gutachten pragmatisch erscheint, die Verlesbarkeit grundsätzlich anzunehmen und nur ausnahmsweise – d.h. dann, wenn sich Bedenken an der Richtigkeit aufdrängen – zur Überprüfung den Sachverständigen selbst zu befragen. Die ist insbesondere bei technischen Gutachten (sog. "Verrichtungen"[62], z.B. BAK-Gutachten, Auswertung eines Fahrtenschreibers, vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StPO) sinnvoll, denn die Aussage des Sachverständigen würde sich in der Wiederholung des Messergebnisses erschöpfen. Bei "Psychogutachten" ist eine entsprechende Handhabe indes bedenklich. Denn rein technische Verfahren stützen sich auf wiederholbare Messabläufe, die die überprüfte Substanz "unberührt" lassen. Eine Wiederholung ist jederzeit möglich. Soll hingegen eine sachkundige Einschätzung der psychischen Disposition einer Person exploriert werden, ist der auf interpersonaler Kommunikation basierende "Gesamteindruck" des Sachverständigen in hohem Maße individuell geprägt. Seine Einschätzung ist höchstpersönlich und umstandsinduziert. Eine erneute Begutachtung ist zwar prinzipiell möglich; anders als bei technischen Messungen hat sich das "Prüfobjekt" jedoch durch die Messung verändert und zwar so, dass eine exakte Wiederholung ausgeschlossen ist.[63]

Eine Übersetzung rangiert inmitten beider Ausprägungen: ist der originäre Wortlaut – als Dokument oder Tonspur – weiterhin vorhanden, kann ein neues Gutach-

ten unter identischen Ausgangsvoraussetzungen errichtet werden. Andererseits verbieten die Vagheit und Mehrdeutigkeit von Sprache,[64] eine Übersetzung als "wiederholbaren Messvorgang" zu klassifizieren. Es ist somit zu differenzieren, wie komplex die originäre sprachliche Äußerung ist.[65] Einfache schriftliche Texte, die auch ein automatisiertes Übersetzungsprogramm transformieren könnte, sind von jedem Sprachkundigen übertragbar. Handelt es sich hingegen um wissenschaftlich-fachsprachliche Abhandlungen oder in seltener Mundart gesprochene Inhalte, wirkt ein grundsätzliches "Vertrauen" in die Übersetzungsrichtigkeit und deren präzise Reproduzierbarkeit anmaßend.

Für Übersetzungen "exotischer" Sprachen ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis sogar umzukehren: Grundsätzlich ist der Sachverständige persönlich zu vernehmen, um zugleich klären zu können, inwieweit er die erforderlichen Kenntnisse zur Übersetzung aufweist. Nur ausnahmsweise – z.B. bei bereits mehrmalig erfolgter Heranziehung in routinemäßigen Verfahren (vgl. den Rechtsgedanken von Nr. 70 Abs. 1 RiStBV) – ist ein "vorauseilendes Vertrauen in die Richtigkeit" vertretbar. Auch ist zu differenzieren, ob originär ein Textdokument zu Grunde liegt, oder ob der Übersetzer gesprochene Sprache hört; im zweiten Fall liegt eine "Wahrnehmung" i.S.d. § 250 S. 1 StPO vor, so dass es beim Grundsatz der persönlichen Vernehmung bleibt. Die Transformation in Verschriftlichungen kann – entgegen der Ansicht der Rechtsprechung[66] – hieran nichts ändern. Die Verlesung bei Übersetzungen von gesprochener Sprache anstelle der persönlichen Vernehmung des Übersetzers sollte die Ausnahme sein, nicht die Regel.[67]

cc) Zum Fall

"Berbersprache" wird in Teilen Marokkos, Algeriens, Libyens, Nigers, Malis, Burkina Fasos, Tunesiens, Ägyptens und Mauretaniens von etwa 40 Millionen Menschen differenzierter ethnischer und kultureller Zugehörigkeit gesprochen. Durch unterschiedliche Lebensweisen (Post-Kolonialisierung nach unterschiedlicher Besetzung, Sesshaftwerdung / Nomadentum) und die arabischen und französischen Einflüsse der Anrainer haben sich unterschiedliche Dialekte entwickelt (u.a. Tuareg, Tarifit, Taschelhit, Tamazight, Kabylisch). Ein "Standardberberisch" existiert nicht, insbesondere die Aussprache variiert. Es kann somit nicht "automatisch" davon ausgegangen werden, dass ein Übersetzer von "Berbersprache" auch "die" einschlägige Berbersprache beherrscht. Nach den Urteilsgründen hat sich das Gericht von der beruflichen und fachlichen Qualifikation des Übersetzers sowie dessen Zuverlässigkeit zwar überzeugt und Teile der Übersetzung wurden von einem der Angeklagten bestätigt; gerade bei einer "exotischen" Sprache ist die bloß nachträgliche Richtigkeitskontrolle aus den genannten Gründen jedoch problematisch.

b) Problemkreis (2): Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nur bei Heranziehung des Sachverständigen durch das Gericht?

Regelmäßig wird die im Ermittlungsverfahren erstellte Übersetzung demnach gem. § 249 Abs. 1 StPO durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt, eine Befragung des Übersetzers unterbleibt. Damit wird für Fälle, in denen eine Befangenheit des Übersetzers zu besorgen ist – nach dem herrschenden restriktiven Verständnis des § 74 StPO – zugleich die Möglichkeit, ein Befangenheitsgesuch zu stellen, abgeschnitten. Für diese Konstellation solle es den Verfahrensbeteiligten dennoch "unbenommen" bleiben, schon während des Ermittlungsverfahrens eine Gegenvorstellung bei der Staatsanwaltschaft zu erheben oder zumindest im Rahmen der Hauptverhandlung die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Übersetzung zu beanstanden.[68]

Das ist aber nicht gleich effektiv wie beim Personalbeweis. Denn durch die Verlesung als Urkunde wird die Möglichkeit zur Ablehnung der Person des Sachverständigen auf die Möglichkeit zur Beanstandung seiner gutachterlichen Expertise verringert. Die Ablehnung des Sachverständigen als Person ist rechtschutzintensiver: nach erfolgreicher Ablehnung darf er weder vernommen, noch sein erstelltes Gutachten eingeführt bzw. sein bereits eingeführtes Gutachten verwertet werden (s.o. II.2.a.). Wird die Beanstandung hingegen auf die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens beschränkt, wird aus dem umfassenden Erhebungs- bzw. Verwertungsverbot[69] ein bloßer Abwägungsposten in der Waagschale der Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 261 StPO.[70] Der Grund für diese deutliche Rechtsverkürzung ist ein zufälliger: die Vernehmung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung bzw. der Verzicht auf sie.[71]

Dies ist aus mehreren Gründen angreifbar:

aa) § 74 StPO gilt auch im Ermittlungsverfahren

Aus gesetzessystematischer Sicht ist die Konstruktion der h.M. ungereimt:[72] Denn der § 161a Abs. 1 S. 1 und 2 StPO, der die Beauftragung des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft (verfassungsgemäß[73]) regelt,[74] verweist umfassend auf die Vorschriften des Sechsten und Siebten Abschnitts der StPO, damit also auch auf § 74 StPO. Der Passus "soweit nichts anderes bestimmt ist" in § 161a Abs. 1 S. 2 StPO verlangt eine gesetzgeberische Entscheidung, d.h. eine ausdrückliche Ausschlussregelung. Eine lediglich in der Rechtsprechung und in Teilen der Literatur verfestigte Überzeugung, § 74 StPO – entgegen seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung – restriktiv zu verstehen, genügt nicht. In entsprechender Anwendung muss es möglich sein, auch den lediglich im Ermittlungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.[75]

bb) Zweck der Ablehnung ist die Sicherung der Unparteilichkeit auch des Gerichts

Aus teleologischer Sicht entspricht die Möglichkeit, einen als befangen vermuteten Beteiligten frühzeitig und effektiv ausschließen zu können, der Maxime eines fairen Verfahrens nach Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK.[76] Die Vermeidung des bösen Scheins – bzw. die Erhaltung des Vertrauens in die Unbefangenheit der Rechtsprechungsorgane – ist Hauptzweck der Regelungen über Ausschluss und Ablehnung von Gerichtspersonen, §§ 22 ff. StPO.[77] Das Ablehnungsrecht des § 74 StPO – mag es auch bloße Beweiseinrede sein – fungiert dabei als gesetzliches Sicherungsinstrument zur Gewährleistung der Unparteilichkeit des Sachverständigen (d.h. der natürlichen Person), die das "Übergreifen" der Bemakelung des Sachverständigen auf den Richter (auch eine natürliche Person) verhindern soll.[78]

Den Sachverständigen diszipliniert aus seiner Stellung heraus ein "Gebot unparteiischen Verhaltens".[79] Dieses ist zwar nicht mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters gem. Art. 92, 97 GG zu vergleichen (und auch ein Rekurs auf den Eid nach § 79 Abs. 2 StPO ist zirkulär), da der Sachverständige gerade nicht Richter ist.[80] Da er als "iudex facti" jedoch maßgeblich auf die Entscheidungsfindung einwirkt[81] (er wird im "Kognitionsbereich des Richters"[82] tätig), ist nicht nachvollziehbar, weshalb die an ihn angelegten Maßstäbe der Unparteilichkeit weniger abgesichert sein sollten als die des Richters. Abzulehnen ist insbesondere die Auffassung, schon die abstrakte Möglichkeit der Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit in § 74 StPO sei systemwidrig, da der Sachverständige lediglich "Beweismittel" sei und diese sich der Ablehnung entzögen.[83] Er ist zwar auch Beweismittel, in bedeutendem Maße jedoch Entscheidungsgehilfe[84] des Gerichts, der sich vom Zeugen dadurch unterscheidet (und von diesem unterschieden werden muss[85]), dass er nicht nur "Wahrnehmungen", sondern Sachkunde beiträgt.[86] Hinzu kommt, dass er – anders als der Zeuge – kein "geborenes", sondern ein "gekorenes" Beweismittel ist: Während die Zeugeneigenschaft eine zufällige ist, die allein aufgrund der Verbindung zur mutmaßlichen Tat besteht,[87] ist die Sachverständigeneigenschaft durch tatunabhängige Expertise und aufgrund eines vom Gericht (bzw. gem. § 161a StPO: von der Ermittlungsbehörde) erteilten Auftrags nach § 73 StPO entstanden,[88] der nach § 78 StPO zu überwachen ist.

cc) "Befangenheit" ≠ "Richtigkeit"

Auch "atmosphärisch" wird die künstliche Zäsur dem Institut der Ablehnung von Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht gerecht. Es geht in diesen Fällen – anders als bei fehlender fachlicher Qualifikation des Sachverständigen – nicht um die "Richtigkeit" (sprich: die fachliche Vertretbarkeit) des Gutachtens, sondern um die "Redlichkeit" des Ersteller. Bei mangelnder Sachkunde, welche die Richtigkeit des Gutachtens gefährdet, ist ein anderer Sachverständiger zu bestellen, vgl. §§ 73 Abs. 1, 83 Abs. 1 StPO; Befangenheit

besorgt die fehlende fachliche Qualifikation nicht.[89] Befangenheit beurteilt sich indes losgelöst der Frage der fachlichen Eignung; sie bezieht sich auf die zwischenmenschliche Ebene. Selbst ein fachlich brillanter Sachverständiger kann bei der Erstellung seines Gutachtens untragbar voreingenommen sein, wenn er sich in und mit dem Fall verstrickt. Inhaltliche Richtigkeit und intersubjektive Unvoreingenommenheit sind kategorial divergente Prädikate, was sich auch in § 83 Abs. 1 ("Mangel des Gutachtens"[90]) und Abs. 2 StPO ("Mangel des Gutachters") widerspiegelt. Der Befangenheit besorgende Sachverständige kontaminiert seine Äußerungen und seine schriftliche Ausarbeitung durch den erfüllten Misstrauenstatbestand.[91] Das bloße Beanstanden der Übersetzungsrichtigkeit trifft daher nicht den Kern der lediglich mittelbaren Bemakelung der Sachverständigenleistung durch den befangenen Sachverständigen.[92]

dd) Vor-Urteil durch Vor-Prägung

Aus psycho-sozialer Sicht mutet es befremdlich an, die "Neutralisierung" eines befangenen Sachverständigen gerade dann annehmen zu wollen, wenn er nicht in der Hauptverhandlung vernommen wird. Die vor-prägende Wirkung des Ermittlungsverfahrens für den weiteren Verlauf des Strafverfahrens gehört inzwischen zum gefestigten Wissensstand.[93] Die Handhabe der Rechtsprechung wirkt wie eine Kapitulation vor den Priming-, Inertia-, und Perseveranzeffekten des Vorverfahrens nach der Devise "aus den Augen, aus dem Sinn".

Es handelt sich dabei auch nicht um "plakative Vorurteile"[94], die von einer "traditionell vorwiegend beschuldigtenfreundlichen und justizkritischen" Wissenschaft "unbesehenen übernommen und zu Missständen umgedeutet"[95] werden. Zutreffend ist zwar, dass eine absichtliche Beauftragung von "Haussachverständigen"[96] bzw. das bewusste "Sich-Lenken-Lassen" der Gerichte durch tendenziöse Gutachter dem empirischen Beleg nicht standhält. Daraus rückzuschließen, dass stets alles in Ordnung sei, wenn die Bestellung nur regelkonform erfolge, ist jedoch überzogen. Auch die wiederholten Bekundungen, dass der Sachverständige "Beweismittel wie jedes andere sei" und nicht als "Gehilfe des Gerichts" agiere,[97] ändern nichts an der wahrnehmungslenkenden Funktion seiner Expertise.

Diese mag geringer sein, wenn das Gericht – unterhalb der Schwelle zum eigenen Sachverstand i.S.d. § 244 Abs. 4 S. 1 StPO – zumindest in groben Zügen nachvollziehen kann, was sachkundlich exploriert wurde. Durchschlagend und in seiner psychosozialen Bahnungswirkung schlechterdings unübertrefflich ist hingegen die Übersetzungsleistung: Sie verschafft den einzigen Zugang zur originären Äußerung. Das nicht sprachkundige Gericht erfährt den Inhalt erstmalig und ausschließlich durch die Übersetzung. Eine "Schlüssigkeitsprüfung" ist somit nur binnensystematisch, d.h. anhand des bereits übersetzten Textes möglich. Ob und wie bedeutsam die Interpretationsvarianz und Sinndiskrepanz zur originären sprachlichen Äußerung sind, kann ausschließlich über den Abgleich mit der Expertise eines anderen Sachverständigen beurteilt werden. Die Beweiswürdigung nach § 261 StPO schöpft sich bei einer allen Richtern unbekannten Sprache – anders als bei sonstigen Gutachten – somit auf eine ohne den Sachverständigen nicht zugängliche und endgültig verschlossene "Tatsache". Für diese Konstellationen eine besonders sensible und kritische Haltung einzunehmen, ist keine "unbesehene Übernahme" von übersubjektiven Entrüstungsberichten aus der Verteidigerschaft, sondern zwingende Folge der eigenartigen Stellung des Übersetzers als conditio sine qua non der Beweiswürdigung fremdsprachlicher Äußerungen.

ee) Aufklärungspflicht in Fällen der "Befangenheit" nicht tauglich

Wenn Befangenheit zu besorgen steht, ist allein die Befassung mit der Person des Sachverständigen – nicht mit seiner Expertise – zielführend. Das liegt zuletzt daran, dass die von der Rechtsprechung angelegten Anforderungen an die Überprüfung des verlesenen Gutachtens nicht hinreichen, um die durch Befangenheit des Gutachters erwirkte Bemakelung zu beheben. Zwar ist an der vom Senat definierten Prüfpflicht, sich "gewissenhaft Aufklärung zur sorgfältigen Übertragung der Gesprächsaufzeichnung zu verschaffen", im Ergebnis nichts zu erinnern, da sie die für das Gericht nicht verhandelbaren Grundsätze der Untersuchungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und der Überzeugungsbildung nach § 261 StPO wiederholt.[98] Der Untersuchungsgrundsatz über-

antwortet dem Richter, sich der Wahrheit "im Rahmen des von Recht und Gesetz eingeräumten Spielraums"[99] möglichst exakt anzunähern, d.h. sich eine Erkenntnisgrundlage zu schaffen, anhand derer "in rechtsstaatlich verantwortlicher Weise"[100] entschieden wird. Dies bleibt aber ein leerer Programmsatz, wenn es schon keinen Tatsachengehalt gibt, auf den die Erkenntnis gestützt werden kann. Der Sachverständigenleistung als Urkunde ist nicht anzusehen, ob ihr Ersteller, von dem sie geistig herrührt, als Mensch voreingenommen agierte. Wird die Methode der Überzeugungsgewinnung zur Richtigkeit von Gutachten potentiell befangener, aber nicht in der Hauptverhandlung vernommener Gutachter allein in die Verantwortung des Tatgerichts unter der Prämisse der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO gestellt,[101] geht die Bemakelung des "befangenen Gutachtens" als Abwägungsposten in der "freien Beweiswürdigung" des Gerichts nach § 261 StPO verloren.[102]

III. Fazit

Es muss möglich sein, ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit gegen einen im Vorverfahren tätig gewordenen Sachverständigen auch dann stellen zu können, wenn dieser nicht in der Hauptverhandlung gehört wird.[103] Die Zäsur über die Hinzuziehung des Sachverständigen durch das Gericht erscheint willkürlich, die bloße Beanstandung der Sachverständigenleistung verbleibt ein rechtsverkürzendes "Weniger". Die besprochene Fall-Konstellation zeigt auf, wie der Versuch, Verfahrensabläufe um der bloßen Effizienz Willen zu "optimieren", in eine "lose-lose-Situation" für die Beteiligten führt: Dem Beschuldigten wird ein in der StPO garantiertes Recht auf Ablehnung des Sachverständigen aus der Hand geschlagen, das Gericht verstümmelt seine ihm obliegende Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und ein womöglich "befangenes" Gutachten wirkt fort, ohne dass der böse Schein durch ein wirksames Rügeinstrument beseitigt werden kann. Neben den aufgezeigten dogmatischen, atmosphärischen und psycho-sozialen Gründen straft auch der Umstand, dass es fortlaufend weniger Verfahren bis ins Hauptverfahren "schaffen", den Weg über die "Heilung" der Befangenheit des Sachverständigen durch "gewissenhafte Aufklärung der Richtigkeit des Gutachtens" in der Hauptverhandlung Lüge.

Weder Effizienzbestrebungen noch Beschleunigungsfantasien legitimieren Rechtsverkürzungen. Umso vehementer ist den Plänen der Bundesregierung zur weiteren "Modernisierung" des Strafverfahrens – auch im "Befangenheitsrecht" – entgegen zu treten: Es wird u.a. die Einführung einer Fristenregelung in § 29 StPO erwogen, die verhindern soll, dass "statistisch gesehen in aller Regel unbegründete Befangenheitsanträge" die Hauptverhandlung "obstruieren".[104] Das Unterfangen ist ohne Übersetzer zu verstehen; in Ansatz und Tonfall bleibt es unverständlich.


[*] Der Verfasser ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Prof. Dr. Robert Esser, Universität Passau.

[1] LG Darmstadt, Urt. v. 6. Juni 2018 – 900 Js 49484/16 - 12 KLs.

[2] Als "Teilerfolg" wird von der Einziehung sichergestellter Mobiltelefone der Angeklagten nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO abgesehen.

[3] Zur entscheidenden Rolle eines Dolmetschers und seinem Manipulationspotenzial Sommer, Effektive Strafverteidigung, 3. Auflage (2016), S. 415 ff. Zur Funktion der Sprache als Instrument der Wirklichkeitserschaffung Gerson, Wahrnehmungslenkende Funktion der Sprache im Strafprozess – Verfahrensbalance durch kommunikative Autonomie, in: Deckers/Köhnken (Hrsg.), Die Erhebung und Bewertung von Zeugenaussagen im Strafprozess (2018), S. 154 ff.

[4] Für die ordentliche Gerichtsbarkeit direkt anwendbar; Verweisungen finden sich in § 9 Abs. 2 ArbGG, § 17 BVerfGG, § 8 FGG, § 52 Abs. 1 FGO, § 61 Satz 1 SGG, § 55 VwGO, § 46 Abs. 1 OWiG.

[5] SSW-StPO/Rosenau, 3. Aufl. (2018), § 187 GVG Rn. 1.

[6] BGHSt 1, 4 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25. März 2003 – 1 Ws 381/02, Rn. 6; HK-StPO/Schmidt, Strafprozessordnung, 6. Aufl. (2019), § 185 Rn. 1.

[7] BVerfG NJW 2004, 50, 51. Für das Zivilverfahren OLG Nürnberg, Beschl. v. 6. April 1999 – 5 W 786/99, Rn. 8.

[8] Bung StV Editorial 9/2014.

[9] Vgl. auch BGH, Urt. v. 25. Januar 1966 – 1 StR 491/65. Die Bundesregierung plant eine Offensive zur Qualitätssteigerung und – Sicherung für Gerichtsdolmetscher, vgl. BReg, Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens (BT-Drs. 19/10388 v. 16. Mai 2019), Nr. 3.

[10] Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. (2017), Rn. 1517c.; HK-GS/Habetha, 4. Aufl. (2017), § 72 Rn. 5.

[11] LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. (2010), § 184 GVG Rn. 5; SSW-StPO/Rosenau, a.a.O. (Fn. 5), § 185 GVG Rn. 8.

[12] SSW-StPO/Bosch, 3. Aufl. (2018), § 82 Rn. 2.

[13] MüKo-StPO/Trück (2014), § 72 Rn. 24.

[14] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25. März 2003 – 1 Ws 381/02, Rn. 6; LR-StPO/Wickern a.a.O. (Fn. 11), § 184 GVG Rn. 8; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl. (2018), vor § 72 Rn. 96.

[15] So Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1517; Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl. (2019), § 185 GVG Rn. 7; SSW-StPO/Rosenau, a.a.O. (Fn. 5), § 191 GVG Rn. 1.

[16] BGHSt 4, 154 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25. März 2003 – 1 Ws 381/02, Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6. April 1999 – 5 W 786/99, Rn. 8; LR-StPO/Wickern, a.a.O. (Fn. 11), § 191 GVG Rn. 2; gegen diese Bezeichnung insbesondere SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 35.

[17] Vgl. auch Hamm/Pauly, Beweisantragsrecht, 3. Aufl. (2019), Rn. 119. Ungewöhnlich bzw. falsch daher die Verwendung von "Dolmetscher" in den Beschlüssen des LG Darmstadt StV 1990, 258 und 1995, 239 bei der Übersetzung von Gesprächen aus Telefonüberwachungen sowie des LG Berlin StV 1994, 180 und in BGH, Urt. v. 1. August 1967 – 1 StR 287/67; unscharf auch die Formulierung " [ e]in Dolmetscher bzw. Übersetzer wird wie ein Sachverständiger tätig" in Hessisches Landessozialgericht, Urt. v. 18. Februar 1981 – L 8 Kr 761/80, Rn. 28 für den Fall eines Richters, der ein Attest aufgrund eigener Sprachkenntnisse übersetzt. Auch das RG nannte den Übersetzer einer Urkunde zum Teil "Dolmetscher", vgl. RGSt 27, 268 ff. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb für eine im Vorverfahren für die Polizei tätige Übersetzerin "§§ 74 StPO i.V.m. § 191 GVG" greifen, vgl. aber BGH NStZ 2008, 50 = HRRS 2007 Nr. 828.

[18] BGH, Urt. v. 4. Juli 2018 – 2 StR 485/17, Rn. 23 = HRRS 2018 Nr. 884; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6. April 1999 – 5 W 786/99, Rn. 6; folgerichtig daher auch die Strafbarkeit wegen § 154 StGB bei unrichtiger Übersetzung durch den vereidigten Dolmetscher, vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 22. März 2017 – 1 OLG 4 Ss 201/16 (2); LR-StPO/Wickern, a.a.O. (Fn. 11), § 185 GVG Rn. 39; nicht analog anwendbar ist hingegen der § 77 StPO, vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25. März 2003 – 1 Ws 381/02, Rn. 8 ff.; KG Berlin, Beschl. v. 21. November 2007 – 1 AR 1087/071 Ws 199/07; LG Cottbus, Beschl. v. 11. August 2008 – 24 jug Qs 40/08.

[19] Ein echter Ausschlussgrund für den Sachverständigen existiert nur in § 87 Abs. 2 S. 3 StPO. Die für den Richter als Ausschlussgründe wirkenden §§ 22 Nr. 1 bis 4 StPO werden aber wie "zwingende Ablehnungsgründe" behandelt, vgl. BGHSt 18, 214 = NJW 1963, 821; Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1549; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 2; HK-StPO/Brauer, Strafprozessordnung, 6. Aufl. (2019), § 74 Rn. 3; a.A. Krause, in: Schroeder / Zipf (Hrsg.), FS Maurach (1972), S. 549, 557. Die Konstellation des § 23 StPO hat für den Sachverständigen praktisch keine Bedeutung.

[20] LR-StPO/Krause, 27. Aufl. (2017), § 74 Rn. 1; HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74 Rn. 1; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 1; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 1. Erb ZStW 121 (2009), 882, 886 f. sieht § 74 StPO hingegen als inkonsequente Regelung an, da der Sachverständige gerade nicht "richterähnlich" sei. Das Argument der "Austauschbarkeit" lässt er nicht gelten; diff. Pawlak, Ablehnung des Sachverständigen im Strafverfahren wegen Befangenheit? Eine Untersuchung zur Berechtigung des § 74 StPO (1998), S. 60 ff., 70 ff. mit einer Aufarbeitung des Diskussionsstands seit dem 19. Jhr. Seit dieser Zeit ist die "Doppelnatur des Sachverständigen" (Gehilfe und Beweismittel) anerkannt, die Ausgestaltung der Ablehnung "gleich dem Richter" aber umstritten. Die Frage der Ablehnung "gleich einem Richter" wurde in den einzelnen partikularrechtlichen Kodifikationen eigenständig gehandhabt.

[21] Eine Übersicht zu den häufigsten Fallgruppen bieten Eisenberg NStZ 2006 368, 371 ff. und MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 8 ff.

[22] KK-StPO/Hadamitzky, 8. Aufl. (2019), § 74 Rn. 4.

[23] BVerfGE 30, 149, 153 = NJW 1971, 1029 f.; der EGMR prüft die Garantien eng verknüpft, vgl. nur Findlay vs. Vereinigtes Königreich, Urt. v. 25. Februar 1997 – 22107/93, § 73.

[24] Zur Unabhängkeit EGMR Piersack v. Belgien, Urt. v. 1. Oktober 1982 – 8692/79, § 27; Kadubec vs. Slovakei, Urt. v. 2. September 1998 – 27061/95, § 56 und vert. LR-StPO/Esser, 26. Aufl. (2012), Art. 6 EMRK, Rn. 140 ff. m.w.N. Zur Unparteilichkeit u.a. EGMR Fey vs. Österreich, Urt. v. 24. Februar 1993 ­– 14396/88, § 28 (subjective/objective test); Morel vs. Frankreich, Urt. v. 6. Juni 2000 – 34130/96, §§ 40 ff.

[25] BGHSt 8, 144, 145; StV 81, 55; 90, 398; LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 11. Befangenheit hat eine sachliche und eine persönliche Komponente und kann durch den Terminus "Voreingenommenheit" substituiert werden, vgl. Kierzkowski, Die Unparteilichkeit des Richters im Strafverfahren unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK (2016), S. 85; umfassende Begriffsklärungen bei Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 97 ff. vor.

[26] BVerfGE 21, 139, 146 = NJW 1967, 1123 f.; BGHSt 1, 34, 37 (LS 2); 45, 342, 353; HK-StPO/Temming, 6. Aufl. (2019), § 24 Rn. 5; Ignor ZIS 2012, 228, 231; Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 102 (jeweils für den Richter).

[27] BGHSt 21, 334, 341; BGH NJW 1969, 2293; JR 1957, 68; OLG Hamm NJW 1966, 1880; HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74 Rn. 5.

[28] Als Staatsanwalt, Privatkläger oder Beschuldigter, vgl. §§ 24 Abs. 3, 74 Abs. 2 S. 1 StPO. Ebenfalls berechtigt sind der Nebenkläger im Rahmen seiner Verfahrensbeteiligung, § 397 Abs. 1 S. 3 StPO, der Einziehungs- und Nebenbeteiligte, §§ 424, 438 StPO, bei Richtern auch der Antragsteller im Adhäsionsverfahren (BVerfG NJW 2007, 1670 = HRRS 2007 Nr. 127) sowie der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren; vgl. auch HK-StPO/Temming, a.a.O (Fn. 26), § 24 Rn. 28 und LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 16 m.w.N.

[29] Herzog, Öffentlichkeits- und Medienarbeit des Strafverteidigers (Litigation-PR), (2014), S. 77.

[30] Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 108 ff. Unabhängig jeder normativen Konstruktion bleibt es eine subjektive Frage, so auch Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK (2015), S. 119.

[31] LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 11; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 3; KK-StPO/Hadamitzky, a.a.O. (Fn. 22), § 74 Rn. 4; Eisenberg NStZ 2006, 368, 370 m.w.N.

[32] Für Richter vgl. BGHSt 22, 289 = NJW 1969, 703 (Lesen von Presseberichten durch Laienrichter); Krekeler NJW 1981, 1633, 1635.

[33] Vert. HK-StPO/Temming, a.a.O. (Fn. 26), § 24 Rn. 7: gemeint sind u.a. Beeinflussungen durch Kollegen und durch andere Justizangehörige sowie die Medien zumindest dann, wenn der Richter Anlass zu der Befürchtung gibt, er werde dem Druck nachgeben, vgl. RGSt 66, 385; OLG Celle MDR 1971, 774: "Der Richter hat seine Unabhängigkeit gegen Eingriffe der Justizverwaltung zu verteidigen." Entsprechendes dürfte für den Sachverständigen gelten.

[34] BGH NStZ-RR 2004, 118, 119; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 16.

[35] Eine im Ermittlungsverfahren geäußerte Beanstandung ist zu wiederholen.

[36] LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. (Fn. 15), § 74 Rn. 11.

[37] BGH StV 1999, 576; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 14.

[38] BGH NJW 2005, 445, 447; Erb ZStW 121 (2009), 882, 914.

[39] LG Köln StV 1992, 460 f.; Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1561; a.A. für BayObLGSt 1997, 157 zu Fragen nach Gegenständen der "sinnlichen Wahrnehmung"; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 27 Rn. 15: unverwertbar sind nur die sachverständigen Schlussfolgerungen.

[40] BGH StraFO 2016, 336 = 3 StR 142/15; NStZ 2008, 229 = HRRS 2007 Nr. 1100; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 17.

[41] Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1517a mit Beispielen; LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 15; LR-StPO/Wickern, a.a.O. (Fn. 11), § 191 GVG Rn. 4.

[42] Diese kann die Befangenheit grds. begründen, so Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1552b und Eisenberg NStZ 2006, 368, 372.

[43] Vgl. nur BGH, Beschl. v. 9. April 1965 – 4 StR 143/65; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. Juni 1983 – 1 Ws 506/83; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. (Fn. 15), § 74 Rn. 12; KK-StPO/Hadamitzky, a.a.O. (Fn. 22), § 74 Rn. 7; SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), § 74 Rn. 6 m.w.N.; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 3; Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 30.

[44] Eine Ablehnung ist auch nach Erstattung des Gutachtens möglich, vgl. § 83 Abs. 2 StPO.

[45] Zu den verschiedenen Dimensionen dieses Grundsatzes SK-StPO/Velten, 5. Aufl. (2016), vor § 250 Rn. 7 ff.; Lehmann, Der Urkundenbericht im Strafprozess (2018), S. 35 ff.

[46] RGSt 65, 294, 295; BGHSt 20, 160, 162; 27, 135, 136; 49, 68 = HRRS 2004 Nr. 297; SK-StPO/Frister, 5. Aufl. (2016), § 249 Rn. 6.

[47] SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 105.

[48] SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, 3. Aufl. (2018), § 249 Rn. 5, 7.

[49] BGH NJW 1993, 3337; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl. (2019), § 249 Rn. 15; einschränkend SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 14), § 249 Rn. 16: insbesondere bei eigener Sachkunde i.S.d. § 244 Abs. 4 S. 1 StPO; a.A. HK-GS/König/Harrendorf, 4. Aufl. (2017), § 249 Rn. 25.

[50] KK-StPO/Diemer, a.a.O. (Fn. 49), § 249 Rn. 15.

[51] Vert. SK-StPO/Velten, a.a.O. (Fn. 45), § 250 Rn. 10.

[52] RGSt 36, 371, 372; 51, 93, 94; BGH, Urt. v. 29. Januar 1952 – 1 StR 545/51; Urt. v. 1. Juli 1971 – 1 StR 362/70; Urt. v. 2. Juli 1974 – 1 StR 130/74 = BGHSt 27, 135, 137; NStZ 2002, 493 f.; KK-StPO/Diemer, a.a.O. (Fn. 49), § 249 Rn. 15; SK-StPO/Frister, a.a.O. (Fn. 46), § 249 Rn. 44; LR-StPO/Mosbacher, 26. Aufl. (2009), § 249 Rn. 33a: Sofern keine abweichenden Gesichtspunkte ersichtlich seien, könne von der Zuverlässigkeit der Übersetzung ausgegangen werden; im Ergebnis auch SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, a.a.O. (Fn. 48), § 250 Rn. 11: bloß "mittelbare Wahrnehmung", die nicht von § 250 StPO erfasst werde.

[53] BGHSt 27, 135 ff. Daher dürfe statt Augenscheinahme bei Tonbandaufzeichnungen auch die Verlesung von Wortprotokollen erfolgen.

[54] BGH NStZ-RR 2019, 57 = HRRS 2019 Nr. 71.

[55] BGHSt 12, 311, 314; BGH, Urt. v. 20. Mai 1966 – 4 StR 103/66; SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 121 ff.; SSW-StPO/Schluckebier, 3. Aufl. (2018), § 261, Rn. 48; instruktiv Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 190 ff.

[56] BGHSt 12, 311; 45, 164 ff.

[57] LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), vor § 72 Rn. 4.

[58] Begriff nach Krauß ZStW 85 (1973), 320, 324. Zumindest für den Bereich der Glaubhaftigkeitsgutachten fügt sich die Rechtsprechung jedoch weitgehend, vgl. die Auswertungen bei Barton, Benötigen wir psychologische Sachverständige für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung?, in: Barton / Dubelaar / Kölbel / Lindemann (Hrsg.), "Vom hochgemuteten, voreiligen Griff nach der Wahrheit", (2018), S. 199, 212 ff.; zustimmend HK-GS/Habetha, a.a.O. (Fn. 10), § 72 Rn. 7 f.; instruktiv zum Problem der Überforderung des Richters als "gebildetem Laien" bei der Lektüre des Gutachtens Erb ZStW 121 (2009), 882, 883 f.: "partizipieren, nicht kapitulieren"; vgl. auch Eisenberg NStZ 2006, 368, 369 und Fischer NStZ 1994, 1, 2 ff. MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 72 Rn. 2 bewertet diese Gefahr nicht als dermaßen hoch.

[59] LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), vor § 72 Rn. 17; Erb ZStW 121 (2009), 882, 884. Dies entspricht auch der geschichtlichen Entwicklung bis zur Kodifikation des § 74 RStPO, vgl. Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 88 ff. m.w.N. aus den Motiven.

[60] BGH, Beschl. v. 23. März 1994 – 2 StR 67/94 = NStZ 1994, 388; Urt. v. 12. Juni 2001 – 1 StR 574/00 = NStZ-RR 2002, 66; Beschl. v. 14. April 2011 – 1 StR 458/10 = StV 2011, 728, 731 Rn. 24 m.w.N. = HRRS 2011 Nr. 870; Beschl. v. 22. Juli 2014 – 3 StR 302/14 = HRRS 2014 Nr. 938; LR-StPO/Krause, a.a.O.(Fn. 20), § 74 Rn. 44 m.w.N.; HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74 Rn. 22.

[61] Gründe der Einführung weiterer Durchbrechungen des § 250 StPO waren prozessökonomische Erwägungen, vgl. BT-Drs. 15/1508 v. 2. September 2003 (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz "Justizmodernisierungsgesetz – JuMoG), S. 26: Straffung der Hauptverhandlung und Kosteneinsparungen, weil Sachverständige nicht mehr in allen Fällen persönlich anwesend sein müssen; KK-StPO/Diemer, a.a.O. (Fn. 49), § 256 Rn. 1; kritisch SK-StPO/Velten, a.a.O. (Fn. 45), § 256 Rn. 7 ff., die darin teilweise einen Verstoß gegen das Konfrontationsrecht aus Art. 6 Abs. 3 S. 1 lit. d EMRK begründet sieht; ebenso HK-GS/König/Harrendorf, a.a.O. (Fn. 49), § 256 Rn. 13.

[62] MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 72 Rn. 5; a.A. SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 79: bloße Vorbereitungshandlungen.

[63] Instruktiv zu den häufigsten Fehlerquellen in aussagepsychologischen Gutachten Köhnken, in: Deckers/Köhnken (Hrsg.), Die Erhebung und Bewertung von Zeugenaussagen im Strafprozess (2018), S. 25 ff.; besonders erhellend das Fazit: "Ein während des Ermittlungs- oder Zwischenverfahrens erstelltes Gutachten ist immer vorläufig. Das abschließende Gutachten kann erst nach Abschluss der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung erstattet werden. Im Zuge der Beweisaufnahme können neue Erkenntnisse erlangt werden, die mit den zum Zeitpunkt der (vorläufigen) Gutachtenerstellung verfügbaren Befund- und Anknüpfungstatsachen abgeglichen werden müssen. Hieraus kann die Notwendigkeit einer Neubewertung und, in der Folge, einer Modifikation des Gutachtenergebnisses resultieren. Es wäre falsch (und wird von Gerichten immer wieder kritisiert), ungeachtet des Ergebnisses der Beweisaufnahme bei der Gutachtenerstattung das vorläufige Gutachten einfach zu verlesen und dabei neue Erkenntnisse unerwähnt zu lassen."

[64] Zur Interpretationsoffenheit angewandter Sprache vgl. Gerson, a.a.O. (Fn. 3), S. 153, 159 f.

[65] In diese Richtung auch SK-StPO/Frister, a.a.O. (Fn. 46), § 249 Rn. 45: ein Teil der Übersetzungsleistung sei unmittelbar in der Hauptverhandlung zu erbringen, um sich einen Überblick über die Befähigung des Übersetzers zu verschaffen. Keinen Unterschied will LR-StPO/Mosbacher, a.a.O. (Fn. 52), § 249 Rn. 33 ff. annehmen.

[66] St. Rspr. seit BGHSt 27, 135 ff.; folgend KK-StPO/Diemer, a.a.O. (Fn. 49), § 249 Rn. 23 ff.; SK-StPO/Frister, a.a.O. (Fn. 46), § 249 Rn. 38.

[67] So auch HK-GS/König/Harrendorf, a.a.O. (Fn. 49), § 249 Rn. 25.

[68] SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 76, § 74 Rn. 6 m.w.N.; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 3.

[69] Vgl. nur BGH NJW 2005, 445, 447 = HRRS 2005 Nr. 113; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 19; SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 77; für noch nicht verlesene Gutachten besteht ein Erhebungsverbot.

[70] So BGH, Beschl. v. 9. April 1965 – 4 StR 143/65, Rn. 3.

[71] Für eine Ablehnbarkeit auch des nicht in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen auch Eisenberg, a.a.O. (Fn. 10), Rn. 1556; Eisenberg NStZ 2006, 368, 373; LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 21; Gössel DRiZ 1980, 363, 376; HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74, Rn. 12; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 8; Duttge NStZ 2003, 375, 376 spricht sich dafür aus, gem. § 73 Abs. 1 StPO – unter angemessener Beteiligung der übrigen Prozessbeteiligten – die Auswahlbefugnis für den Sachverständigen in allen Verfahrensstadien dem Gericht (im Vorverfahren also dem Ermittlungsrichter, § 162 StPO) anzuvertrauen; in diesem Sinne auch Tondorf StV 2004, 279.

[72] So auch HK-GS/Neuhaus, 4. Aufl. (2017), § 74 Rn. 14: dem Gesetz so nicht zu entnehmen.

[73] Vgl. MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 73 Rn. 6 m.w.N.

[74] Für die Polizei vgl. § 163 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 1 StPO.

[75] Im Ergebnis ebenso für § 256 StPO HK-StPO/Julius/Bär, 6. Aufl. (2019), § 256, Rn. 21; HK-GS/Neuhaus, a.a.O. (Fn. 72), § 74 Rn. 15 ff. verweist auf den Antrag, den Sachverständigen nach § 76 Abs. 1 S. 2 StPO entbinden zu lassen; a.A. MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 74 Rn. 3: keine entsprechende Anwendung des § 74 StPO, da die nach § 161a Abs. 1 StPO beauftragende Staatsanwaltschaft selbst zu den Ablehnungsberechtigten gehört; ebenso SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 76, § 74 Rn. 6.

[76] So insbesondere Eisenberg NStZ 2006, 368, 374. Den § 74 StPO in zeitlicher Hinsicht auf das Hauptverfahren zu limitieren solle zudem den gesetzlichen Auftrag des Verteidigers, die Rechte des Beschuldigten allseitig zu sichern und auf eine strenge Justizförmigkeit des gesamten Verfahrens zu achten, unzulässig einschränken. Es handelt sich hierbei jedoch nur um einen Rechtsreflex des § 137 StPO und des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, die dem Rechtskreis des Beschuldigten zuzurechnen sind.

[77] Krekeler NJW 1981, 1633; Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 108, 167 ff. m.w.N.

[78] SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), § 74 Rn. 4; LK-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 1; im Ergebnis so auch HK-GS/Neuhaus, a.a.O. (Fn. 72), § 74 Rn. 17.

[79] Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 121 f.

[80] Ebenso Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 239 ff.

[81] So auch SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 72, 130; HK-GS/Habetha, a.a.O. (Fn. 10), § 72 Rn. 7.

[82] Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 211; ähnlich auch BGHSt 9, 292, 296: "Wahrnehmungsorgan des Gerichts"; ablehnend zu diesen Körpermetaphern SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 35.

[83] So insbesondere Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 225 ff., 241.

[84] SSW-StPO/Schluckebier, a.a.O. (Fn. 55), § 261 Rn. 48; HK-GS/Neuhaus, a.a.O. (Fn. 72), § 74 Rn. 1. Sehr kritisch hierzu SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 35: es bestehe "nicht der geringste Anlass, dem Sachverständigen eine beweisrechtliche Sonderrolle zuzuweisen."

[85] MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 72 Rn. 1, 2, 7.

[86] HK-GS/Habetha, a.a.O. (Fn. 10), § 72 Rn. 2.

[87] SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 86.

[88] Zustimmend zum Doppelerfordernis von Sachkunde und insbesondere Auftrag SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 13, 32, 88 f.; MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 72 Rn. 21 m.w.N.

[89] BGH NStZ-RR 2002, 110; LR-StPO/Krause, a.a.O. (Fn. 20), § 74 Rn. 14; KK-StPO/Hadamitzky, a.a.O. (Fn. 22), § 74 Rn. 1; SK-StPO/Rogall , a.a.O. (Fn. 14), § 74 Rn. 4; SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 5; HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74, Rn. 2.

[90] Die Mangelhaftigkeit ist nur ein Unterfall; ungenügend ist das Gutachten immer dann, wenn es hinsichtlich der Beweisfrage ergebnislos ist, vgl. SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), § 83 Rn. 10 ff.; HK-GS/Neuhaus, a.a.O. (Fn. 72), § 83 Rn. 2.

[91] A.A. wohl Erb ZStW 121 (2009), 882, 887, der bestreitet, dass es bei § 74 StPO darum gehe, Misstrauen in die Strafverfolgung zu vermeiden; dann nämlich sei nicht erklärbar, weshalb auch der Staatsanwaltschaft ein Ablehnungsrecht zustehe (§ 74 Abs. 2 S. 1 StPO), wenn der Sachverständige durch den Angeklagten selbst nach § 245 Abs. 2 S. 1 StPO vorgeschlagen wurde.

[92] Im Ergebnis ebenso SSW-StPO/Bosch, a.a.O. (Fn. 12), § 74 Rn. 8, der jedoch ohne Konkretisierung auf den Schutzzweck des § 74 StPO abstellt und darauf, dass es dem Beschleunigungsgrundsatz zuwiderlaufe, "sehenden Auges" einen befangenen Sachverständigen zu bestellen; ähnlich HK-StPO/Brauer, a.a.O. (Fn. 19), § 74, Rn. 12.

[93] Vgl. nur Sommer, a.a.O. (Fn. 3), S. 162 ff. m.w.N.; Sommer, Vor-Urteil, in: Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (Hrsg.), Strafverteidigung im Rechtsstaat, 1. Auflage (2009), S. 846 ff.; Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, (2016), S. 150 ff. m.w.N.

[94] So aber MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 73 Rn. 7.

[95] MüKo-StPO/Trück, a.a.O. (Fn. 13), § 73 Rn. 23 zu Forderungen der Verteidigung, auf die Auswahl des Sachverständigen Einfluss nehmen zu dürfen; differenzierend SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 134, der Reformbedarf sieht, ohne eine "prozessuale Systemveränderung" zu fordern.

[96] Dazu HK-GS/Neuhaus, a.a.O. (Fn. 72), § 73 Rn. 7 m.w.N.

[97] So insbesondere SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 119 ff.; gegen den Begriff auch Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 183 f.; vgl. aber die Nachweise in (Fn. 16).

[98] SK-StPO/Rogall, a.a.O. (Fn. 14), vor § 72 Rn. 119 ff.

[99] KK-StPO/Krehl, 8. Aufl. (2019), § 244 Rn. 28.

[100] AnwK-StPO/Sommer (2009), § 244 Rn. 21.

[101] So bereits BGH, Urt. v. 24. August 1993 – 1 StR 380/93, Rn. 9.; HK-StPO/Julius, 6. Aufl. (2019), § 249 Rn. 17 geht davon aus, dass das Gericht bei der Richtigkeitsprüfung an das Verständlichkeitsgebot des Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK gebunden sei.

[102] Um diese Folge abzuschwächen, möchte Erb ZStW 121 (2009), 882, 915, mit anderer dogmatischer Argumentation, die Überzeugungsgewalt des Gerichts stärken: Da § 74 StPO ohnehin einen "Fremdkörper" bilde, solle bei Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht ein Verwertungsverbot statuiert, sondern ein weiterer Sachverständiger gehört werden; in die gleiche Richtung Pawlak, a.a.O. (Fn. 20), S. 255 ff., 274, der den Sachverständigen in Bezug auf die Beweiswürdigung ganz grundsätzlich wie den Zeugen behandeln möchte, so dass die befangenheitsrelevanten Umstände allein der freien Beweiswürdigung unterliegen sollen.

[103] Eine Ausnahme möchten die Befürworter dieser Lösung beim kriminaltechnischen Sachverständigen annehmen, um durch Ablehnung des Gutachters schon im Ermittlungsverfahren keinen Spurenverlust zu bewirken, vgl. Eisenberg NStZ 2006, 368, 374.

[104] BReg, Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens, a.a.O. (Fn. 9), S. 2: Der Grundsatz der Wartepflicht bei Stellung eines Befangenheitsantrags, wonach nur unaufschiebbare Verfahrenshandlungen vom abgelehnten Richter vorgenommen werden dürfen, soll abgeschafft werden. Anstelle der "Wartepflicht" soll für vor oder nach Beginn der Hauptverhandlung gestellte Ablehnungsgesuche eine Fristenregelung eingeführt werden. Über Befangenheitsgesuche solle innerhalb einer Frist von zwei Wochen bzw. bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages entschieden werden. Innerhalb dieser Grenzen soll der abgelehnte Richter an der Hauptverhandlung mitwirken dürfen. Befangenheitsanträge, deren Gründe bis zur Mitteilung über die Besetzung bereits bekannt geworden sind, müssen innerhalb einer Woche ab Zustellung der Besetzungsmitteilung gestellt werden; anderenfalls sollen sie ausgeschlossen sein.