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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2019
20. Jahrgang
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1. Die Auswertung der bei einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Datenträger verletzt den Beschuldigten möglicherweise in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn die Ermittlungsbehörden den Verdacht des Besitzes und des Verbreitens kinderpornographischer Schriften lediglich darauf stützen, dass von einer dem Beschuldigten zuzuordnenden E-Mail-Adresse Bildmaterial mit pornographischem Inhalt verschickt wurde, das jedoch nicht ausschließbar einen Erwachsenen zeigt und hinsichtlich dessen Versendung jedenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten wäre.
2. Bei der Folgenabwägung im Rahmen des § 32 Abs. 1 BVerfGG hat das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an einer sofortigen Auswertung der sichergestellten Datenträger hinter dem Interesse des Beschuldigten, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, jedenfalls dann
zurückzustehen, wenn eine Verfolgungsverjährung nicht konkret droht.
1. Zwar begegnet es unter dem Gesichtspunkt der Aktenvollständigkeit Bedenken, wenn die Ermittlungsbehörden Hintergrundermittlungen zunächst nicht aktenkundig machen und damit dem Ermittlungsrichter einen unvollständigen Sachverhalt unterbreiten.
2. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren wegen der Verwertung der Erkenntnisse aus der richterlich angeordneten Ermittlungsmaßnahme ist jedoch nicht substantiiert dargelegt, wenn der Beschuldigte sich nicht hinreichend mit den spezifischen, verfassungsrechtlich anerkannten Anforderungen an strafprozessuale Beweisverwertungsverbote auseinandersetzt.
1. Wenn zum Nachweis eines für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblichen Umstandes kein anderes Beweismittel ersichtlich ist als die eigene Versicherung des Antragstellers, so ist es mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn ein Gericht eine solche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht anerkennt. Denn in einer solchen Konstellation kommt der Ausschluss einer Erklärung des Antragstellers als Mittel der Glaubhaftmachung einer Versagung des Rechtsschutzes insgesamt gleich. (VerfGH)
2. Auch bei einem sich selbst verteidigenden Angeklagten ist die gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO vorgeschriebene Benachrichtigung des Verteidigers am Kanzleisitz angesichts der in Kanzleien üblicherweise getroffenen Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen keine sinnlose Doppelung. (Bearbeiter)
3. Erfolgt bei einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt die Zustellung eines Strafbefehls an der Privatanschrift und wird die Benachrichtigung am Kanzleisitz unterlassen, so begründet dieser Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO die Wiedereinsetzung gemäß § 44 StPO, sofern der Fristverstoß auf der unterlassenen Benachrichtigung beruht. (Bearbeiter)