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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2019
20. Jahrgang
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1. Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht.
2. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn sich hieraus Rücksichts- oder Sorgfaltspflichten ergeben. Kaufverträge begründen, wenn sie nicht aufgrund einer besonderen Vertragsgestaltung zugleich Elemente der Geschäftsbesorgung enthal-
ten, keine Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.
3. Die Rechtsprechung, nach der sich ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, der Untreue strafbar macht, ist, da dort die Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto aus dem Anwaltsvertrag und der damit einhergehenden Pflicht, die Vermögensinteressen des Mandanten wahrzunehmen, hergeleitet wird, mit dem hier festgestellten Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Anzahlungsverpflichtung nicht vergleichbar.
1. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) erfolgt entweder durch die betriebswirtschaftliche Methode oder durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen.
2. Die betriebswirtschaftliche Methode setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus. Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen, ob innerhalb von drei Wochen mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen; das geschieht durch eine Finanzplanrechnung, aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben. Wird die betriebswirtschaftliche Methode gewählt, muss die Darstellung der Liquiditätslage zu ausgewählten Stichtagen so aussagekräftig sein, dass dem Revisionsgericht die Kontrolle möglich ist, ob das Landgericht von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen und einen nachvollziehbaren Rechenweg gewählt hat.
3. Im Rahmen von § 15a InsO muss der Täter es zumindest für möglich halten und in Kauf nehmen, dass die wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Stellung eines Eröffnungsantrags verpflichtet.
4. Die Feststellung des Vorsatzes ist keine dem Sachverständigenbeweis zugängliche Frage, sondern obliegt allein dem Tatrichter.
1. Bei der – auch verfassungsrechtlich (vgl. BVerfG HRRS 2012 Nr. 27) – gebotenen genauen Berechnung und Bezifferung des Betrugsschadens sind im Falle einer an sich zulässigen Zugrundelegung banküblicher generalisierender Verfahren – hier zur Bewertung von Darlehensforderungen – stets etwaige besondere Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Danach kann von einer entsprechenden generalisierenden Schadensberechnung durch Bewertung des Rückzahlungsanspruches mit einem bestimmten Prozentsatz bzw. durch Bestimmung des Minderwerts mit einem prozentualen Anteil vom Nominalwert des Darlehensbetrages zu Gunsten oder zu Lasten des jeweiligen Angeklagten abgewichen werden.
2. Bei einem Kreditnehmer, der neben Sozialleistungen („Hartz IV“) über kein Einkommen verfügt und wesentliche Teile der Darlehenssumme kurz nach der Auszahlung für Einsätze beim Glücksspiel und aufwändige Urlaubsreisen verbraucht, kann unter Umständen derart auf mangelnde Zahlungsfähigkeit und -willigkeit geschlossen werden, dass der Rückzahlungsanspruch für den Darlehensgeber vollständig wertlos ist.
1. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV) setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßge-
bend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das anhand des Vertragsverhältnis der Beteiligten zu ermitteln ist, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer „gelebten Beziehung“ erschließen lässt. Manche Tätigkeiten können sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbständigkeit ausgeübt werden. Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung ist nicht von einem abstrakten Tätigkeitsbild, sondern von der konkreten Gestaltung der jeweiligen Tätigkeit abhängig.
3. Eine Beschränkung des objektiven Tatbestandes des § 266a StGB unter dem Gesichtspunkt der Vertretbarkeit der für den Betroffenen günstigen Rechtsansicht zu seiner Arbeitgebereigenschaft ist nicht anzuerkennen. Denn Betroffene haben es in der Hand, einen (kostenlosen) Antrag nach § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen und auf diesem Wege, gegebenenfalls durch weitere Anrufung der Sozialgerichte, klären zu lassen, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV vorliegt. Dadurch lässt sich das Strafbarkeitsrisiko unabhängig davon vermeiden, dass entsprechende Entscheidungen keine Bindungswirkung entfalten.
Die Frage des Vorliegens einer oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ist für jeden Tatbeteiligten gesondert nach den seinen eigenen Tatbeitrag betreffenden individuellen Gegebenheiten zu beurteilen, unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind (vgl. BGH wistra 2004, 264). Hat daher ein mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, einen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die jeweiligen Taten der Tatmittler als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob bei den Tatmittlern hinsichtlich der von ihnen vorgenommenen Handlungen Tatmehrheit vorläge, ist demgegenüber ohne Belang (vgl. BGH wistra 2003, 426). Dem steht bei der Steuerhinterziehung nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Einreichung mehrerer Steuererklärungen die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) grundsätzlich als selbständige Tat i.S.v. § 53 StGB zu werten ist (vgl. dazu BGH DStR 2018, 2380 mwN).
Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH NStZ 2018, 341 mwN). Hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH wistra 2001, 308 mwN).
1. Da bei Betäubungsmittelstraftaten das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich durch die Wirkstoffmenge mitbestimmt werden, sind hierzu grundsätzlich möglichst genaue Feststellungen zu treffen; eine Schätzung ist rechtsfehlerhaft, soweit sichergestellte Betäubungsmittel zur exakten Wirkstoffbestimmung zur Verfügung stehen.
2. Ist eine exakte Wirkstoffbestimmung nicht möglich, muss das Tatgericht unter Beachtung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände wie Herkunft, Preis, Aussehen, Beurteilung durch die Tatbeteiligten oder Qualität eines bestimmten Lieferanten unter Beachtung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ die für den Angeklagten günstigste Wirkstoffkonzentration schätzen. Der Tatrichter ist indes durch den Zweifelssatz nicht verpflichtet, von dem durch eine tragfähige Schätzung ermittelten Wirkstoffgehalt nochmals einen Sicherheitsabschlag vorzunehmen.
Bandenmäßig handelt, wer sich mit mindestens zwei weiteren Personen mit dem Willen verbunden hat, künftig und für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Mitglied einer Bande kann auch sein, wer seine künftige dauerhafte Gehilfentätigkeit zugesagt hat.