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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2017
18. Jahrgang
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1. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, wobei ihm für unternehmerische Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist (sog. „Business Judgment Rule“). Ist diese äußerste Grenze unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die (gleichsam „automatisch“) so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet.
2. § 266 StGB hat als Vermögensschädigungsdelikt nicht die Aufgabe, Recht und Moral in geschäftlichen Beziehungen zu garantieren, sondern das Individualvermögen vor Beeinträchtigungen zu schützen. Bei der Feststellung des Vermögensnachteils ist deshalb jeder Vorteil potenziell kompensatorisch zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist, sofern dieser nur in Geldwert messbar ist. Eine riskante Investition kann daher auch durch einen positiven Effekt auf dem Kapitalmarkt kompensiert werden, selbst wenn das getätigte Geschäft aufsichtsrechtlich unzulässig war. Etwas anderes gilt erst dann, wenn die Vornahme des Geschäfts gegen die Legalitätspflicht der Unternehmensleitung verstößt.
3. Das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bedarf einer einschränkenden Auslegung bei Erklärungen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung des geschützten Personenkreises, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind. Die entsprechende Erheblichkeit von Falschangaben kann nicht allein quantitativ bestimmt werden. Vielmehr sind auch qualitative Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen.
1. Wer im Rahmen einer Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen i.S.d. § 266 StGB als Vormund, Betreuer o.ä. – hier konkret: bei einer Entscheidung gem. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB – nach pflichtgemäßem Ermessen über die Genehmigung von Rechtsgeschäften zu entscheiden hat, darf sich regelmäßig nicht ausschließlich an der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit des Geschäfts für den Vertretenen orientieren. Er hat vielmehr auch dafür Sorge zu tragen, dass Genehmigungen nicht in Fällen erteilt werden, in denen die Vertretungsvoraussetzungen überhaupt nicht vorliegen.
2. Wer den zur Genehmigung von Rechtsgeschäften befugten Personen lediglich zuarbeitet und deren Entscheidungen vorbereitet, ohne dabei über eigene Entscheidungsbefugnisse zu verfügen, ist regelmäßig nicht vermögensbetreuungspflichtig gegenüber den bei den zu genehmigenden Geschäften vertretenen Personen. Er kommt somit allenfalls als Teilnehmer einer von den Entscheidungsträgern zu Lasten der Vertretenen begangenen Untreue in Betracht.
3. Die Nachteilszufügung ist bei der Untreue als Vermögensdelikt allein durch einen Vergleich des Vermögens,
das der Betreute ohne die Pflichtverletzung des Täters hätte, mit dem Vermögen festzustellen, über das er infolge der Pflichtverletzung verfügt. Dabei ist jeder Vorteil zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist. Zum Vermögen gehört nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise alles, was in Geldwert messbar ist.
4. Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben. Der Irrtum über das Bestehen einer rechtlichen Pflicht gegenüber dem Treugeber – hier: zur Auskehr von durch die Verzinsung einer erlangten Kaufpreiszahlung erlangten Erträgen – betrifft insofern einen rechtlichen (Tat-)Umstand, nicht lediglich den Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals. Es handelt sich somit um einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.
Die Tatbestandsmerkmale des Absetzens und der Absatzhilfe nach § 374 AO erfordern zur Vollendung der Tat den Eintritt eines Absatzerfolgs. Die geänderte Rechtsprechung zu § 259 StGB (vgl. BGHSt 59, 40) ist uneingeschränkt auf die Steuerhehlerei zu übertragen.
1. Die Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Strafkammer entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unzulässigkeit eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 UStG, wenn schon zurzeit der Rechnungsstellung Uneinbringlichkeit gegeben ist.
2. Bei der Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit steht den Mitgliedstaaten ein Regelungsspielraum zu. Die Annahme einer Uneinbringlichkeit aufgrund von Umständen, die vor Einreichen der Umsatzsteuervoranmeldungen gegeben waren, verstößt im Hinblick auf diese den Mitgliedstaaten eingeräumte Regelungsbefugnis nicht gegen den durch Art. 90 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vorgegebenen Rechtsrahmen. Dieses Auslegungsergebnis unterliegt keinen vernünftigen Zweifeln.
1. Nach der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandten Methode zur Bestimmung des Grenzwerts eines Betäubungsmittels (vgl. BGHSt 60, 134, 136) ist dieser stets in Abhängigkeit von der konkreten Wirkungsweise und Wirkungsintensität des Betäubungsmittels festzulegen.
2. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (vgl. BGHSt 32, 162, 164). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Ist auch die zur Erzielung eines Rauschzustands durch einen nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten adäquate Dosis nicht feststellbar, ist die maßgebliche Einzelmenge am Tagesbedarf zu bemessen (vgl. BGHSt 56, 52). Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu berechnen (vgl. BGHSt 53, 89). Die Dosis ist hierbei von der Darreichungsform abhängig. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGHSt 57, 60, 64).
3. Danach liegt der Grenzwert der nicht geringen Menge des Morphinhydrochlorids in Schlafmohnkapseln (Papaver somniferum) bei 70 g.
4. Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.). Die den Besitz von Betäubungsmitteln begründende tatsächliche Verfügungsmacht über das Rauschgift hat es dem Täter zu ermöglichen, mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren, insbesondere sie zu verbrauchen, abzugeben, zu verstecken oder zu vernichten. Aus dieser Sicht begründet es keinen sachlichen Unterschied, ob der Täter selbst „unmittelbar besitzt“ oder ob er anderweit einen so sicheren Zugang zu dem an irgendeiner Stelle verwahrten Rauschgift hat, dass er ohne Schwierigkeit tatsächlich darüber verfügen kann (vgl. BGHSt 27, 380, 382).
In Fällen fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern angelegt sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Strafzumessung der aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat zu-
grunde zu legen, soweit dem jeweiligen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Gesamtsystems bekannt ist. In Fällen, in dem hinsichtlich derselben Waren mehrfach Umsatzsteuern hinterzogen wurden, ist deshalb im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass das Steueraufkommen des deutschen Fiskus nicht in der Summe der Hinterziehungen der am Hinterziehungssystem beteiligten Firmen, sondern nur im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages gefährdet oder geschädigt wurde (vgl. BGHSt 53, 311, 318).
1. Bei Handlungen, die auf die Vermittlung eines nicht genehmigten Auslandsgeschäfts über Kriegswaffen zielen (§§ § 4a Abs. 1, § 22a Abs. 1 Nr. 7 KrWaffKontrK), ist das Versuchsstadium i.d.R. nicht erreicht, wenn noch kein bindendes Vertragsangebot über die Lieferung vorliegt, das alle wesentlichen für einen Vertragsschluss notwendigen Angaben enthält. Für eine Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2 StGB) genügt demgegenüber der in stillschweigender Übereinkunft gefasste unbedingte Entschluss, als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) den in den wesentlichen Grundzügen bereits konkretisierten Kaufvertrag zu vermitteln.
2. Dem Entschluss zu einer mittäterschaftlichen Tatbegehung steht dabei nicht ohne Weiteres entgegen, dass ein Beteiligter mehr im Lager der Verkäufer, der andere eher im Lager der Käufer stand. Zwar ist für den Betäubungsmittelhandel anerkannt, dass sich das Zusammenwirken des Veräußerers und des Erwerbers nicht als Mittäterschaft, sondern als selbständige Täterschaft darstellt, soweit beide sich als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegensätzliche Interessen verfolgen. Eine Mittäterschaft kommt aber jedenfalls dann in Betracht, wenn das Tätigwerden auf den unterschiedlichen Seiten von einem gleichlaufenden Provisionsinteresse getragen ist.
Wer gegen eine Beteiligung am Verkaufserlös ausdrücklich sein Einverständnis mit dem Cannabis-Anbau in eigenen Hallen erklärt, kann sich des täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar machen. Die Fallgestaltung ist nicht vergleichbar mit Fällen, in denen ein Vermieter einer Wohnung nach deren Überlassung von Lagerung, Aufbereitung oder Vertrieb von Betäubungsmitteln in den Räumlichkeiten erfährt und dies lediglich duldet, ohne an den Erlösen zu partizipieren (vgl. BGH NStZ 2014, 164).
1. Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts i.S.d. § 8 VStGB ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist. Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind.
2. Eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person befindet sich aufgrund der Besonderheiten von nichtinternationalen bewaffneten Konflikten im allgemeinen und des syrischen Bürgerkrieges im Besonderen unter Umständen schon dann in der Gewalt der gegnerischen Partei, wenn sie nicht der an den Kampfhandlungen beteiligten Gruppierung des Angeschuldigten angehört und deren Absichten entgegenstehende Ziele verfolgt. Ein anderes Abgrenzungskriterium kommt angesichts der Komplexität des syrischen Bürgerkrieges nicht in Betracht. Das gilt insbesondere für das Kriterium der Staatsangehörigkeit, das sich bei nichtinternationalen bewaffneten Konflikten regelmäßig als untauglich erweist.
1. Für die Frage, ob der heranwachsende Täter zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, kommt es maßgebend darauf an, ob er sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befand und in ihm noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam waren.
2. Dies ist aufgrund einer Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit unter Berücksichtigung der sozialen Lebensbedingungen zu beurteilen. Dem Tatrichter steht insoweit ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Seine Bewertungen müssen allerdings mit Tatsachen unterlegt
und nachvollziehbar sein; sie dürfen keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Betracht lassen.
1. Ein Kurier ist als Gehilfe eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einzuordnen, wenn sich die Tathandlung auf den Transport von Betäubungsmitteln zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern beschränkt und der Beteiligte nicht in der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich mitzugestalten. Als mittäterschaftliches Handeltreiben kann eine Kuriertätigkeit demgegenüber einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über den reinen Transport hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet (vgl. BGHSt 51, 219). Solche Tätigkeiten können beispielsweise bei der Einbindung des Kuriers in den An- oder Verkauf der Betäubungsmittel, bei einer weiterreichenden Einflussmöglichkeit des Kuriers auf Art und Menge der transportierten Betäubungsmittel (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 246) oder wenn der Kurier die transportierten Drogen am Zielort aufzubewahren, zu portionieren, chemisch umzuwandeln oder zu verpacken hat, anzunehmen sein.
2. Nach diesen Maßgaben handelt ein Kurier als unmittelbarer Täter, wenn sein Interesse an dem Betäubungsmittelhandel nicht nur die Erlangung des Kurierlohns, sondern auch die Ermöglichung von Besuchsfahrten zu seinen Kindern sowie die Überlassung für seinen Konsum erforderlichen Mengen an Marihuana betrifft. Seine Tathandlung ist damit nicht allein auf den Transport von Betäubungsmitteln zwischen selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern beschränkt; vielmehr hat er aufgrund seiner eigenen Interessen die Geschäfte insgesamt maßgeblich mitgestaltet (vgl. BGHSt 51, 219).
Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG bedeutet jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es aber, wenn das Betäubungsmittel zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; diese Fallgestaltung wird von der weiteren Tatbestandsvariante des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, dem Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch erfasst (zur Abgrenzung vgl. BGH NStZ-RR 2015, 218).
Ist die gesamte Menge einer Lieferung von Betäubungsmitteln wegen ihrer polizeilichen Sicherstellung nicht in den Verkehr gelangt, stellt dies angesichts des damit verbundenen Wegfalls jeglicher Gefahr für die Allgemeinheit einen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist.
1. Gehen Cannabis-Setzlinge erst nach ihrer Einpflanzung in eine Plantage ein, liegt vollendetes Handeltreiben vor. Gehen die Setzlinge hingegen schon vor dem Einbringen in die Pflanzerde ein, wäre eine Entscheidung des 5. Strafsenats in den Blick zu nehmen, wonach es sich bei der Übernahme und dem Transport von Setzlingen fernab der Plantage nur um eine straflose Vorbereitungshandlung handeln soll.
2. Dabei wäre auch zu bedenken, dass sich die Setzlinge hier - anders als in dem der Entscheidung des 5. Strafsenats zugrundeliegenden Fall - nicht fernab der bereits komplett ausgestatteten Plantage befanden, sondern jedenfalls in diese bereits eingebracht waren. Ob der Senat dieser Rechtsprechung des 5. Strafsenats in allen Punkten folgen würde, bedarf derzeit keiner Entscheidung.
Die Wirkstoffkonzentrationen und -kombinationen bei den als Ecstasy vertriebenen Mitteln schwanken in der Praxis sehr. Allein aus der Anzahl der erworbenen Tabletten lassen sich daher in der Regel keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt ziehen.