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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2015
16. Jahrgang
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Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss (§§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 bzw. S. 2 StGB), ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält, sondern auch dann, wenn er sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht, weil ihm ein Tod des Opfers gleichgültig ist.
1. Zur Beurteilung eines möglichen Fehlschlags des Versuchs ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofs auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. BGH NStZ-RR 2014, 171, 172). Nur wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (vgl. BGH NStZ 2013, 156, 157 f.).
2. Auch bei der Beurteilung, ob der Tatversuch beendet ist, ist allein das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich (vgl. BGHSt 31, 170, 175). Ein Versuch ist mithin nur dann beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält.
Treffen vorsätzliche und fahrlässige Begehungsweise bezüglich eines Tatobjekts zusammen (hier: vorsätzliche Beihilfe zum Handeltreiben sowie fahrlässige Einfuhr bzgl. einer Betäubungsmittellieferung), ist die fahrlässige Begehung des Delikts nicht im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, sondern tritt als subsidiär zurück. Denn dieselbe Tathandlung kann bei Verletzung desselben Rechtsguts nicht gleichzeitig als vorsätzliche und fahrlässige angesehen werden.
1. Zum Angriff auf die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs durch eine vorgetäuschte Polizeikontrolle. (BGH)
2. Auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrzeugführers wird bereits dann durch einen Angriff eingewirkt, wenn vom Täter eines geplanten Raubes eine Polizeikontrolle vorgetäuscht wird und sich der Geschädigte dadurch zum Anhalten gezwungen sieht. (Bearbeiter)
3. Für die Frage, ob ein Angriff auf die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs verübt wird, gilt nach der Rechtsprechung des Senats das Folgende (vgl. BGHSt 49, 8, 12 f.): Einen solchen Angriff verübt, wer in feindseliger Absicht auf dieses Rechtsgut einwirkt. Ausreichend, aber auch erforderlich ist eine gegen die Entschlussfreiheit gerichtete Handlung, sofern das Opfer jedenfalls deren objektiven Nötigungscharakter wahrnimmt; die feindliche Willensrichtung des Täters braucht das Opfer dagegen nicht erkannt zu haben. Ebenfalls nicht vorausgesetzt ist, dass der verübte Angriff sich bereits unmittelbar gegen das Eigentum bzw. das Vermögen des Opfers richtet. (Bearbeiter)
4. Zwar reicht es für das Merkmal des „Angriffs“ nach der (neueren) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung in der Literatur nicht aus, wenn auf den Führer eines Kraftfahrzeugs mit List eingewirkt wird, um ihn in eine Situation zu bringen, in der ein Raub durchgeführt werden soll. Hiervon abzugrenzen sind aber Handlungen, welche auf den Führer eines Kraftfahrzeugs eine objektiv nötigungsgleiche Wirkung haben. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob diese Wirkung vorgetäuscht ist oder ob der objektiv Genötigte von einer Rechtswidrigkeit der Einwirkung ausgeht. (Bearbeiter)
1. Im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB wirbt um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt hingegen, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern (vgl. zuletzt BGH HRRS 2012 Nr. 888).
2. Die Beurteilung, ob einer Äußerung ein werbender Charakter i.S.d. § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB zukommt, ist Sache des Tatrichters. Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt. Schon nach einfachrechtlichen, im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) insbesondere aber auch nach verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dabei zu beachten, dass einer Aussage keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat. Im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage darf nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, ohne dass andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind.
1. Unter die Propagandamittel im Sinne von § 86 StGB fallen nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), deren Inhalte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen (§ 86 Abs. 2 StGB) und die aufgrund dessen eine aktiv kämpferische, aggressive Tendenz in diese Richtung erkennen lassen. Die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen alleine hebt eine Schrift noch nicht zum Propagandamittel und macht nähere Ausführungen zu dem propagandistischen Zusammenhang nicht entbehrlich.
2. § 130 StGB setzt sowohl im Äußerungstatbestand nach Abs. 1 als auch im Rahmen des Verbreitungstatbestandes (Abs. 2) voraus, dass sich der Inhalt der Schrift gegen einen Teil der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet. Nicht ausreichend ist es, wenn bei der Verwendung von Sammelbegriffen (hier: „Ausländerhure“) der Personenkreis so groß und unüberschaubar ist und mehrere, sich teilweise deutlich unterscheidende Einstellungen oder politische Richtungen umfasst, dass eine Abgrenzung von der Gesamtbevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale nicht möglich ist.
3. Sowohl bei § 130 Abs. 1 StGB als auch bei § 111 StGB handelt es sich um persönliche Äußerungsdelikte, die durch das Verbreiten oder Zugänglichmachen einer fremden Erklärung nur verwirklicht werden, wenn der Verbreitende sich den Inhalt erkennbar zu Eigen macht.
1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB genügt es, dass der Raub oder - aufgrund der Verweisung des § 255 StGB - die räuberische Erpressung durch Mitglieder einer Bande begangen werden, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstahl verbunden hat. Einer Erweiterung der Bandenabrede auf die zukünftig wiederholte Begehung von Raub- bzw. räuberischen Erpressungstaten bedarf es nicht.
2. Dringen mehrere Täter nachts in das Schlafzimmer des Opfers ein und fordern dort die Herausgabe von Wertgegenständen, so kann in einem solchen Auftreten eine i.S.d. §§ 249, 255 StGB qualifizierte (konkludente) Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben liegen.
Nach dem Begriff der Waffe im technischen Sinn ist eine Waffe ein körperlicher Gegenstand, der nach seiner Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet ist (vgl. BGHSt 52, 257 Rn. 13). Die Begriffsbestimmungen des Waffengesetzes können hierbei eine Orientierungshilfe bieten (vgl. BGHSt 48, 197, 203
Da § 269 Abs. 1 StGB computerspezifische Fälschungsvorgänge am Tatbestand der Urkundenfälschung misst (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 265, 266 mwN), kommt es auch für das Verhältnis der Begehungsformen zueinander auf die zu § 267 StGB entwickelten Grundsätze an. Verändert der Täter beweiserhebliche Daten und macht er von dieser Veränderung danach plangemäß Gebrauch, so ist insoweit nur von einer Tat auszugehen (vgl. BGH NJW 2014, 871 Tz. 5).