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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 562

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 197/14, Urteil v. 02.04.2015, HRRS 2015 Nr. 562


BGH 3 StR 197/14 - Urteil vom 2. April 2015 (KG Berlin)

Werben um Mitglieder und/oder Unterstützter für eine ausländische terroristische Vereinigung ("al Qaida"; Mitgestaltung jihadistischer Internetseiten; tatrichterliche Auslegung von Äußerungen; Berücksichtigung des wertsetzenden Charakters der Grundrechte); Strafzumessung; Einziehung (Strafcharakter; vorbehaltene Einziehung; weniger einschneidende Maßnahme).

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 46 StGB; § 74 StGB; § 74b Abs. 2 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB wirbt um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt hingegen, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern (vgl. zuletzt BGH HRRS 2012 Nr. 888).

2. Die Beurteilung, ob einer Äußerung ein werbender Charakter i.S.d. § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB zukommt, ist Sache des Tatrichters. Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt. Schon nach einfachrechtlichen, im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) insbesondere aber auch nach verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dabei zu beachten, dass einer Aussage keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat. Im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage darf nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, ohne dass andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 8. November 2013 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Kammergericht Berlin hat den Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie zu seinen Lasten zwei PCs, einen Laptop, zwei externe Festplatten und einen Memorystick eingezogen. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen begeisterte sich der als Palästinenser im Libanon aufgewachsene Angeklagte mehr und mehr für die terroristische Organisation Al Qaida, die sich nach seiner Auffassung als einzige wirklich für die Sache der Palästinenser einsetzt. Ab dem Jahre 2008 schloss er sich dem Internetforum "Ansar al Mujahideen" an, einem Netzwerk aus mehreren jihadistischen Websites, das die Unterstützung des gewaltsamen "Jihad" im Sinne der Ideologie von Al Qaida zum Ziel hat und dessen sich auch die Al Qaida-Medienorganisationen regelmäßig für ihre Veröffentlichungen bedienen. Unter Nutzung seiner Kenntnisse über computergestützte Filmbearbeitung beteiligte er sich dort zunächst an der Gestaltung der Internetauftritte. Im Jahre 2009 entschloss er sich, Al Qaida durch eigene Medienarbeit zu unterstützen. Hierzu fertigte er mehrere Videobeiträge an und stellte diese im Forum "Ansar al Mujahideen" bzw. in dessen Unterforen mittels Links zum Herunterladen bereit "in der Hoffnung, eine möglichst große Zahl von Nutzern zur Teilnahme am Jihad als Mitglied von Al Qaida oder zu deren Unterstützung, insbesondere durch Spenden, zu bewegen."

1. Am 12. April 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit dem Titel "Wir sind Angehörige des Monotheismus, Knechte des Einen" in das offen zugängliche "Forum für islamische Videos und Audios" ein (Fall B. IV. 1. der Urteilsgründe). Sie reiht unter Einblendung des Logos des Ansar-Netzwerkes in rascher Folge Kampfszenen aus Filmen über die Kreuzzüge sowie Aufnahmen vom Kampf jihadistischer Gruppen gegen russische Soldaten in Afghanistan, von den Anschlägen des 11. September 2001 und vom Training jihadistischer Gruppierungen in der Gegenwart aneinander. Unterlegt ist die Darstellung mit Aufnahmen Usama Bin Ladens, mit Texten und mit Gesang. Unter anderem singt ein Männerchor: "Für Dich opfern wir unsere Seelen und werden nicht davon ablassen, oh Du Heimat, für Dich und Deinetwegen sind wir bereit, unser Leben zu geben". Im Abspann folgt der Appell "Vergesst nicht, Eure Brüder, die Mujahideen, und alle Muslime mit Eurem Gebet zu unterstützen".

2. Am 19. April 2009 stellte er - wiederum unter Verwendung des Logos des Netzwerkes "Ansar al Mujahideen" - die von ihm bearbeitete Aufzeichnung eines Interviews von J. mit Usama Bin Laden ein (Fall B. IV. 2. der Urteilsgründe). In dem Interview erklärt Bin Laden die Teilnahme am Jihad angesichts der antiislamischen Aggression des Westens zur Pflicht eines jeden Muslim. Jeder solle hervortreten und Juden und Amerikaner töten. Angefügt sind u.a. Bildsequenzen von den Anschlägen des 11. September 2001. Im Abspann folgt der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".

3. Am 8. Juli 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit dem Titel "Nur nicht meinen Liebling, Ihr ungläubigen Flegel" in ein offenes Forum ein (Fall B. IV. 3. der Urteilsgründe). Sie befasst sich mit den Veröffentlichungen der sog. Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung im September 2005. Wiedergegeben werden Aufrufe zur Rache für die "Verunglimpfung des Propheten", daneben werden Bildersequenzen mit Sprengstoffanschlägen und kämpfenden Mujahideen gezeigt. In Gesängen wird zum Jihad aufgerufen. Es folgen Bilder von sieben "Märtyrern" aus dem Umfeld von Al Qaida auf dem Totenbett, eine Aufnahme des Attentäters des Anschlags von Al Qaida auf die dänische Botschaft in Islamabad am 2. Juni 2008 sowie die Abschiedserklärung des Selbstmordattentäters auf die US-amerikanische Botschaft in Khost/Afghanistan am 2. Juli 2008, die dieser ausdrücklich als Rache für die "Verhöhnung des Gesandten" verübt hatte. Auch hier folgt im Abspann der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".

4. Schließlich stellte er die bearbeite Fassung eines am 26. August 2009 erschienenen Videofilms über einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Nazran/Inguschetien in das Forum ein (Fall B. IV. 4. der Urteilsgründe). In den Originalfilm eingefügt hatte der Angeklagte u.a. den Ruf "Hier spricht die Stimme des Kaukasus, Du unser Scheich Bin Laden", die Einblendung des Schriftzuges "Scheich der Mujahideen, Usama Bin Laden. Möge ihn Allah beschützen und am Leben erhalten" sowie eine Rede Bin Ladens mit einem Aufruf zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad.

II.

Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

III.

Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.

1. Die Annahme des Kammergerichts, der Angeklagte habe mit der Einstellung der Videobeiträge in die Internet-Foren jeweils um Mitglieder und Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida geworben (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB), hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, StB 3/07, BGHSt 51, 345, 353; vom 19. Juli 2012 - 3 StR 218/12, StV 2013, 303) wirbt im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern. Dies bedeutet eine Umgrenzung des Tatbestandes in zweifacher Hinsicht:

Erforderlich ist zunächst eine Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für den hiernach notwendigen Organisationsbezug nicht aus. Auch die Aufforderung, sich dem "Jihad" anzuschließen, genügt für sich genommen nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer bestimmter terroristischer Vereinigungen steht, sondern für eine Vielzahl von islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische Vereinigungen unternommen werden. Etwas anderes kann für den Aufruf zum "Jihad" nur gelten, wenn er durch eine Person vorgenommen wird, die eine Vereinigung derartig herausgehoben repräsentiert, dass sich allein daraus ausreichendkonkret ergibt, die Aufforderung gelte zu allererst oder zumindest auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung (BGH aaO).

Notwendig ist daneben die Abgrenzung zum bloßen Werben um Sympathie. Nicht ausreichend ist das befürwortende Eintreten für eine konkrete terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Legitimation der Begehung von Straftaten dient (BGH aaO). Dass derartige Äußerungen regelmäßig auch mit der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten Überlegungen hin zu einem Anschluss an die Vereinigung oder zu deren Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, kann hieran nichts ändern. Um die gebotene Abgrenzung zur straflosen bloßen Sympathiewerbung zu gewährleisten, muss vielmehr festgehalten werden am Erfordernis eines sich dem Adressaten - wenn auch nur aus den Gesamtumständen - erschließenden eigenen Inhalts der Erklärung dahin, sie diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten einer konkreten Organisation (BGH aaO).

Für die Beurteilung, ob der Äußerung ein in diesem Sinne werbender Charakter zukommt, gelten die allgemein an die Ermittlung des Inhalts einer Erklärung anzulegenden Maßstäbe (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2012 -3 StR 314/12, StraFo 2013, 123, 125). Die Auslegung von schriftlichen und mündlichen Äußerungen auf ihren tatsächlichen Gehalt ist Sache des Tatrichters (BGH, Urteil vom 15. März 1994 -1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101; Beschluss vom 16. Mai 2012 - 3 StR 33/12, NStZ 2012, 564). Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 -3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Maßgeblich ist das Verständnis des Durchschnittsadressaten (BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 -3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19). Schon nach einfachrechtlichen, im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) insbesondere aber auch nach verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dabei zu beachten, dass einer Aussage keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und dass im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden darf, ohne dass andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind (BVerfG, Beschlüsse vom 19.April 1990 - 1 BvR 40/86 u.a., BVerfGE82, 43; vom 10. Oktober 1995 -1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266, 295 f.; vom 29.Juli 1998 - 1 BvR 287/93, NJW 1999, 204, 205; BGH, Beschluss vom 7.Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Lässt eine Sinngebung danach Verstöße gegen Denk- oder Sprachgesetze oder gegen das Gebot umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennen, so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 -3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Bewertung des Kammergerichts, den festgestellten Inhalten der Veröffentlichungen sei jeweils eine Aufforderung an die Adressaten zu entnehmen, auf der Seite von Al Qaida an Gewaltakten teilzunehmen oder die Vereinigung zu unterstützen, nicht zu beanstanden.

aa) Die unter B. IV. 1. der Urteilsgründe beschriebene Collage vermischt in schneller Abfolge Szenen aus Filmen über die Kreuzzüge, Darstellungen von Kampfhandlungen heutiger "Jihadisten" sowie Bilder von den Anschlägen des 11. September 2001 und blendet dabei wiederholt auch Aufnahmen von Usama bin Laden ein. Akustisch begleitet wird das Video von Tonaufnahmen, die das "Märtyrertum" verherrlichen. Der vom Kammergericht aus einer Gesamtschau dieser Umstände gezogene Schluss, der Angeklagte habe dem Adressaten vermitteln wollen, die Teilnahme am gewaltsamen "Jihad" unter Führung von Al Qaida und Usama bin Laden sei die legitime Fortsetzung eines seit den Kreuzzügen andauernden Abwehrkampfs der Muslime gegen Aggressionen der westlichen Welt und damit Pflicht eines jeden Gläubigen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Dieser Gesamteindruck wird insbesondere mit Blick auf den Adressatenkreis nicht dadurch entscheidend relativiert, dass der Angeklagte im Abspann zu der 6:20 Minuten langen Kollage (lediglich) noch dazu aufforderte, "die Mujahideen und alle Muslime" durch Gebete zu unterstützen.

bb) In dem unter B. IV. 2. der Urteilsgründe dargestellten Video fordert Usama Bin Laden zur Teilnahme am "Jihad" und damit -nach dem Gesamtzusammenhang -zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida auf. Diesen Aufruf machte sich der Angeklagte erkennbar dadurch zu eigen, dass er seinerseits an die Adressaten mit der Bitte herantrat, die "Brüder" mit Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.

cc) Entsprechendes gilt im Falle B. IV. 3. der Urteilsgründe. Die Collage stellt Aufrufe zur Rache wegen der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in einen engen Zusammenhang mit terroristischen Aktionen gerade von Al Qaida; auch hier appellierte der Angeklagte an die Adressaten, die "Brüder" mit Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.

dd) Auch im Falle B. IV. 4. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte schließlich den wiedergegebenen Aufruf Usama Bin Ladens zur Teilnahme am "Jihad" und damit zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida erkennbar zu Eigen gemacht. Seine Einfügungen bezeichnen Usama Bin Laden als "unseren Scheich" sowie als "Scheich der Muhajideen" und betonen so dessen von ihm anerkannte führende Rolle im gewaltsamen "Jihad" ebenso wie dessen Autorität in Glaubensfragen.

2. Auch der Strafausspruch hat Bestand.

a) Dies gilt auch, soweit das Kammergericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass dieser nach der Hausdurchsuchung am 28. September 2009 seine jihadistischen Aktivitäten fortsetzte. Auch wenn für die Zeit nach der Begehung der letzten abgeurteilten Tat im August 2009 keine Straftaten des Angeklagten mehr festgestellt wurden, hat der Strafsenat ausreichend dargelegt, dass der Angeklagte sich auch danach nicht, wie die Revision meint, auf seine Information über jihadistische Aktivitäten beschränkte, sondern seinerseits Aktivitäten im Hinblick auf die Fertigung neuer Videofilme über jihadistische Themen entwickelte. Dies durfte der Tatrichter als Nachtatverhalten werten, aus dem sich Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten zu seinen Taten ziehen lassen.

b) Ebenso wenig unterliegt die straferschwerende Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte nicht davor zurückschreckte, seinen Sohn in seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten einzubeziehen und dessen kindliche Entwicklung durch rigide Glaubensvorstellungen "in Art einer Gehirnwäsche" zu beeinflussen, einem Rechtsfehler. Zwar garantiert Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder und umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 GG auch das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 301 mwN; Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09, NJW 2009, 3151, 3152 mwN), wobei die Grundrechte auch bei der Strafzumessung als Wertmaßstäbe Beachtung verlangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 1968 - 1 BvR 579/67, BVerfGE 23, 127, 133 f.). Doch ergibt der Zusammenhang der Urteilsdarlegungen des Kammergerichts, dass es zu Lasten des Angeklagten nicht die religiöse Erziehung seines Sohnes, sondern dessen Einbeziehung in seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten berücksichtigt hat, die vom Erziehungsrecht nicht umfasst sind. Diese Bewertung wird von den Feststellungen auch getragen, wonach der Angeklagte als Arbeitsmaterial für seine jihadistischen Beiträge im Internet auch Bilder seines achtjährigen Sohnes erstellt hat, die diesen mit wollener Gesichtsmaske und einer Gewehrattrappe in der Hand zeigen, die ungefähr seine Größe erreicht (UA S. 45).

IV.

Schließlich hält auch die Einziehung zweier näher bezeichneter PC, eines Laptop, zweier externer Festplatten und eines Memorystick der rechtlichen Überprüfung stand. Das Kammergericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Computer nebst Zubehör vorliegend als Tatmittel anzusehen sind und deshalb nach § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB als Einziehungsgegenstand in Betracht kommen (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319). Entgegen dem Revisionsvorbringen ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, dass der Strafsenat die Einziehung nicht mit der Auflage, die Festplatten zu löschen, nach § 74b Abs. 2 StGB lediglich vorbehalten hat.

Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Die Einziehung dient allerdings keinem einzelnen Zweck. Sie verfolgt nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung vielmehr eine mehrspurige Konzeption verschiedener repressiver und präventiver Zwecke und hat damit je nach den Umständen des Falles Straf- und/oder Sicherungscharakter. Soweit im Einzelfall sowohl die Voraussetzungen einer personen- als auch objektbezogenen Einziehung gegeben sind, bestimmt sich der Rechtscharakter der Sanktion nach dem Zweck, dem unter Berücksichtigung der konkreten Umstände das entscheidende Gewicht beizumessen ist (S/SEser, 29. Aufl., vor § 73 ff., Rn. 13 ff.). Im Fall der Einziehung nach § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB steht regelmäßig deren Strafcharakter im Vordergrund, da diese hier im Wesentlichen an täterbezogene Merkmale - die Schuld und das Eigentum des Täters - anknüpft, während der eingezogene Gegenstand an sich keine Gefährlichkeit aufweist (S/SEser, 29. Aufl., vor § 73 ff., Rn. 14). Das Strafübel ist im Verlust des Eigentums an dem eingezogenen Gegenstand zu sehen. Dieses lässt sich indes nur durch die Einziehung des Gegenstandes erreichen, während denkbare weniger einschneidende Maßnahmen zwar den Sicherungszweck, nicht aber den Strafzweck der Einziehung erfüllen können (S/SEser, 29. Aufl., § 74b, Rn. 6; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 74b Rn. 3).

So liegt der Fall hier. Das Kammergericht hat die Einziehung auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die Einziehung der Computer samt Zubehör, die dem Angeklagten nicht allein zur Vorbereitung und Begehung der abgeurteilten Taten dienten, sondern ihn umfassend in das Ansar-Netzwerk als einen der wesentlichen Moderatoren einbanden (vgl. UA S. 42 ff.), als Strafsanktion dienen sollte. Dieser Zweck konnte mit weniger einschneidenden Maßnahmen wie der Löschung der Festplatten nicht erreicht werden, zumal sich der Angeklagte von der Durchsuchung in vorliegender Sache nicht davon abhalten ließ, mit neuen Geräten seine Aktivitäten zur Herstellung von Videocollagen und dergleichen wieder aufzunehmen. Im Hinblick auf die hervorragende Bedeutung der eingezogenen Computer nebst Zubehör für die Begehung der abgeurteilten Taten und des nicht allzu hohen Wertes der - vom Angeklagten bald wieder ersetzten - Geräte stellt es auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Kammergericht die Einziehung nicht ausdrücklich mildernd bei der Strafzumessung berücksichtigt hat.

Der Einziehung steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei Verurteilungen wegen des Herunterladens oder Vorführens kinderpornographischen Materials regelmäßig ein Vorbehalt der Einziehung der verwendeten Computer bei Auflage weniger einschneidender Maßnahmen zu erörtern ist (BGH, Beschlüsse vom 28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 70 f.; vom 1. Januar 2012 - 4 StR 612/11; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319; vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1), nicht entgegen. Die Entscheidung des 2. Senats, auf die diese Rechtsprechung jeweils verweist (BGH, Beschluss vom 25 28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 ff.), sah in dem beschlagnahmten Computer einen individualgefährlichen Gegenstand nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB, so dass der Sicherungscharakter der Einziehung im Vordergrund stand, dem gegebenenfalls auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 562

Externe Fundstellen: NStZ 2015, 636

Bearbeiter: Christian Becker