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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2015
16. Jahrgang
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1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines hinreichenden Inlandsbezugs; die Auslieferung des im Ausland festgenommenen Beschuldigten und seine daran anschließende Festnahme im Inland vermögen einen solchen nicht zu begründen.
2. § 6 Nr. 5 StGB ist Ausdruck des Weltrechtsprinzips. Die Norm ist als solche nicht völkerrechtswidrig.
3. Bei völkerrechtlichen Kernverbrechen ist die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs zu verneinen. Für völkerrechtliche Kernverbrechen ist charakteristisch, dass das völkerrechtliche Vertrags- oder Gewohnheitsrecht eine weltrechtliche Verfolgung explizit und unbedingt vorschreibt.
1. Erfolgt ein Gespräch in Unterbrechung der Hauptverhandlung auf die ausdrückliche Frage des Gerichts nach etwaigem Verständigungsinteresse hin und werden in dessen Verlauf Themen aufgeworfen, die einer Verständigung zugänglich sind (hier: Haft, Strafaussetzung zur Bewährung, Schadensersatzzahlungen), ist regelmäßig der Bereich einer „unverbindlichen Fühlungsaufnahme“ überschritten. Das Unterbleiben der Mitteilung eines solchen Gesprächs verletzt die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO.
2. Ein Ausschluss des Beruhens des Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf einer Verletzung der Mitteilungs- und Dokumentationspflichten, die einem Unterlaufen des vom Transparenzgebot in Verbindung mit dem Gebot des fairen Verfahrens geprägten Schutzkonzepts der Verständigungsvorschriften entgegenwirken sollen (vgl. BVerfG HRRS 2013 Nr. 222), kommt lediglich in Ausnahmefällen in Betracht.
3. Ein Ausnahmefall, in dem das Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Mitteilungspflichten ausgeschlossen sein kann, kann anzunehmen sein, wenn sowohl die Initiative für das Verständigungsgespräch als auch eine Bekanntgabe und Erörterung des Verständigungsvorschlags selbst in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen. Unter diesen Umständen kann die Nichtmitteilung von Ablauf und Inhalt des Vorgesprächs sich als „mildere“ Rechtsverletzung darstellen, insbesondere, sofern der Inhalt des Vorgesprächs angesichts der anschließenden öffentlichen Erörterung des Verständigungsvorschlags nicht von wesentlicher Bedeutung ist.
4. Wird entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Erörterung nicht mitgeteilt, so bedeutet das Schweigen des Protokolls keinen zusätzlichen Rechtsfehler da es insoweit den Gang der Hauptverhandlung zutreffend wiedergibt (siehe bereits BGH HRRS 2015 Nr. 229).
5. Weder dem gesetzlichen Schutzkonzept zur Verständigung noch übergeordneten Grundsätzen lässt sich ein an Gericht oder Staatsanwaltschaft gerichtetes Verbot entnehmen, in einem gegen mehrere Angeklagte gerichteten Strafverfahren nur an einer „Gesamtverständigung“ mitzuwirken. Ein subjektives Recht eines Angeklagten auf Verständigung existiert nicht.
1. Ein verständigungsbezogenes (Vor-)Gespräch ist von sonstigen zur Verfahrensförderung geeigneten Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten abzugrenzen. Gegenstände von unverbindlichen (nicht i.S.d. § 243 Abs. 4 StPO mitteilungspflichtigen) Erörterungen können etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses sein. Auch die Mitteilung einer Ober- und Untergrenze der nach dem Verfahrensstand vorläufig zu erwartenden Strafe durch das Gericht gehört zur offenen Verfahrensführung.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsgespräch als verständigungsbezogenes Vorgespräch zu bewerten ist, kann eine den Verfahrensbeteiligten bekannte kategorisch ablehnende Haltung der Kammer gegenüber jeglicher Form der Verständigung zu berücksichtigen sein. In einem solchen Fall ist die Annahme eines für die Verständigung charakteristischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Zusage eines Strafrahmens einerseits und Abgabe eines Geständnisses andererseits selbst dann nicht ohne Weiteres naheliegend, wenn in dem Gespräch sowohl Fragen des Strafmaßes als auch etwaiges Prozessverhalten der Angeklagten thematisiert werden.
3. Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO eine sogenannte Negativmitteilung, wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche stattgefunden haben. Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt trotz des Fehlens einer solchen Mitteilung aber nicht vor, wenn auszuschließen ist, dass das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann der Fall sein, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständi-
gung im Raum stand (siehe bereits BVerfG HRRS 2014 Nr. 823).
Eine Beruhensprüfung ist bei Verstößen gegen § 243 Abs. 4 StPO unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (HRRS 2015 Nr. 176) nur in dem eng begrenzten Ausnahmefall eröffnet, dass im Revisionsverfahren Klarheit geschaffen ist, welchen Inhalt die nicht mitgeteilten Gespräche hatten und diese zweifelsfrei nicht auf die Herbeiführung einer gesetzeswidrigen Absprache gerichtet waren.
Die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO findet auf den durch die Revision selbst vorgetragenen Verfahrensablauf eines erneuten Ausdrucks einer nach dem Erstausdruck inhaltlich unveränderten Datei des rechtzeitig zu den Akten gelangten Urteils von vornherein keine Anwendung.
Das Gericht muss den Angeklagten bereits bei Unterbreitung eines Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren. Eine Belehrung nach angenommener Verständigung reicht nicht aus.
1. Für die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Verteidigers zur Rücknahme der Revision ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers.
2. Die Befugnis des Tatrichters, eine Revision als unzulässig zu verwerfen, ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ein Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (vgl. § 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen oder die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme festzustellen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeinhaltung zusammentrifft.
Eine gem. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO zulässige Verlesung von Urkunden (hier: „Tathergangsberichte“ aus einem vormals gegen einen Zeugen geführten Verfahren) setzt nicht voraus, dass es sich um Urkunden aus dem gerade anhängigen Verfahren handelt.
Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Tatsachen, wenn der Nachweis ihres Vorliegens im Ergebnis nichts erbringen kann, weil er die Beweiswürdigung nicht zu beeinflussen vermag. Zur Prüfung der Erheblichkeit ist die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in die konkrete Beweislage, also das bisherige Beweisergebnis einzufügen; es ist zu fragen, ob hierdurch die Beweislage in einer für den Urteilsspruch relevanten Weise beeinflusst würde. Dabei ist die Beweistatsache so, als sei sie bewiesen, in das bisherige gewonnene Beweisergebnis einzustellen und als Teil des Gesamtergebnisses in seiner indiziellen Bedeutung zu.
Richtet sich der Wiederaufnahmeantrag nicht an das nach Auffassung des Bundesgerichthofs zuständige Gericht, sondern allein und ausschließlich an den vom Verurteilten verfehlt für zuständig erachteten Bundesgerichtshof ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen.