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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2013
14. Jahrgang
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Von Prof. Dr. jur. Hendrik Schneider, Leipzig und Rechtsanwalt Thorsten Ebermann, München *
Ein Krankenhaus schließt mit einem niedergelassenen Vertragsarzt einen "Kooperationsvertrag" über die Erbringung bestimmter Behandlungsleistungen im Rahmen der stationären Versorgung ab. Der Vertrag sichert dem niedergelassenen Arzt eine lukrative Nebeneinnahme. Der Patient hat – im Falle einer erforderlichen Krankenhausbehandlung – u.a. den Vorteil, durch "seinen" Arzt auch im Krankenhaus behandelt zu werden. Das Krankenhaus kann durch den Kooperationsvertrag, dessen Inhalt von den Vertragsparteien frei ausgehandelt wurde, einen möglichen Ärztemangel kompensieren, und es löst ein gewichtiges "Marketingproblem": Da die Möglichkeiten der Patientenwerbung für das Krankenhaus begrenzt sind, hofft es auf Zuweisungen durch den neu gewonnenen Kooperationspartner.
Der Fall wirft vielfältige rechtliche Fragestellungen auf.[1]
Einerseits sind die Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Sektoren jüngst erweitert worden.[2] So kann der niedergelassene Arzt neben der Übernahme der so genannten prä- und poststationären Versorgung (die seit der jüngsten Gesetzesänderung sowohl im Krankenhaus als auch in seiner Praxis erfolgen kann, § 115a SGB V) für das Krankenhaus ambulante Operationen durchführen (§
115b SGB V) sowie die Behandlungshauptleistung, zum Beispiel eine Operation, erbringen (Änderung des § 2 Abs. 2 KHEntG). Die Vertragsparteien können unter Berücksichtigung der Problematik der "Scheinselbständigkeit"[3] wählen, ob die Zusammenarbeit in Form eines Anstellungsverhältnisses oder auf Honorarbasis (d.h. als so genannter "Honorarkooperationsarzt"[4]) erfolgen soll. Um die Möglichkeit der Anstellung von Vertragsärzten in Krankenhäusern auf Teilzeitbasis zu liberalisieren, wurde zudem die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte reformiert (Änderung des § 20 Abs. 2 Ärzte-TV).
Andererseits stehen die genannten Kooperationen zwischen den Sektoren im öffentlichen Diskurs unter einem Generalverdacht<.[5] Man spricht von einer "getarnten Zuweiserpauschale" und bewertet derartige Kooperationsbeziehungen als sozialrechtlich und berufsrechtlich verbotene und sanktionsbewehrte Zuweisung gegen Entgelt (§§ 32 MBO-Ä, 73 Abs. 7 SGB V), wenn das Gehalt oder das Honorar des niedergelassenen Arztes nach den bislang allerdings noch ungeklärten Maßstäben als unangemessen hoch erscheint. Hintergrund der Überlegung ist eine "Eisbergtheorie" der Vergütung. Eine hohe Vergütung indiziere, dass nur ein Teilbetrag (der über der Wasserlinie liegende Teil des Eisbergs) für die ärztliche Leistung gezahlt werde, während der überwiegende Teil der Vergütung (der unter der Wasserlinie liegende Teil des Eisbergs) das Honorar für die Zuweisung des Patienten darstelle.[6]
Handelt es sich bei dem niedergelassenen Vertragsarzt um einen angestellten Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ist, in Abhängigkeit von der privat- oder öffentlich-rechtlichen Trägerschaft des MVZ, schon jetzt der Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte (§§ 299 f., §§ 331 ff. StGB) eröffnet,[7] weil es sich bei dem niedergelassenen Arzt in diesen Fällen um den Angestellten eines geschäftlichen Betriebes oder (soweit das MVZ im Eigentum der Öffentlichen Hand steht) um einen Amtsträger handelt. Soweit, wie in den meisten Fällen, als Kooperationspartner des Krankenhauses ein freiberuflich tätiger Vertragsarzt in eigener Praxis tätig wird, versagt demgegenüber die in den Medien vielfach gescholtene,[8] im strafrechtswissenschaftlichen Schrifttum jedoch überwiegend begrüßte[9] Entscheidung des Großen Senats vom 29. März 2012[10] den Zugang zu diesen Delikten. Nach dem gegenwärtig vorherrschenden Meinungsbild in Politik, Rechtsprechung und Wissenschaft soll die bestehende Regelungslücke jedoch alsbald geschlossen werden. Bei den derzeit diskutierten Entwürfen wird explizit auch das Thema "Zuweisung gegen Entgelt" aufgegriffen und als strafwürdig und strafbedürftig eingestuft: Gemäß dem Vorschlag der Regierungskoalition (der hier nicht näher zu thematisierenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist[11]) dürfen
" Leistungserbringer und ihre Angestellten oder Beauftragten[...]keine Entgelte oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteile für sich oder Dritte als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie andere Leistungserbringer oder Dritte bei der Verordnung von Leistungen, der Zuweisung an Leistungserbringer,[...]begünstigen oder bevorzugen. Ebenfalls unzulässig ist es, Leistungserbringern, ihren Angestellten oder Beauftragten solche Vorteile für diese oder Dritte anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren [...]."
Dies soll mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn es sich nicht nur um einen geringfügigen wirtschaftlichen Vorteil handelt.
Nach einem anderen Vorschlag[12] soll, um auch Betreiber von reinen Privatpraxen zu erfassen, ein § 299a StGB eingeführt werden, dessen Absatz 1 wie folgt lautet:
"Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb bevorzuge oder
2. sich in sonstiger unlauterer Weise beeinflussen lasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Nach ständiger Rechtsprechung wird der Begriff des Vorteils, der im geltenden Recht in §§ 299 f. und §§ 331 ff. StGB vorkommt und sich auch in den oben genannten Reformvorschlägen wiederfindet, als Leistung definiert, "auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert".[13]
Obwohl sich bei synallagmatischen Verträgen der Anspruch auf die Vergütung aus dem Vertrag ergibt, subsumiert die Rechtsprechung[14] auch den Leistungsaustausch auf der Grundlage von Vertragsbeziehungen, wie beispielsweise den oben genannten Kooperationsvertrag, unter den so ausgelegten Vorteilsbegriff. Ein Vorteil liege hier deshalb vor, weil bereits auf das Angebot zum Abschluss eine Vertrages (§ 145 BGB) kein Anspruch bestehe.
Durch diese problematische Vorverlagerung der Verantwortlichkeit in die Sphäre der Abgabe und des Empfangs von Willenserklärungen verliert das Merkmal des Vorteils jede eigenständige Bedeutung in der Dogmatik der Korruptionsdelikte. Denn in einer Zivilrechtsordnung, die auf den Prämissen der Vertragsfreiheit aufgebaut ist, besteht ein Anspruch auf ein Angebot nur in den seltenen Ausnahmefällen eines Kontrahierungszwanges, sodass im Ergebnis jede Offerte zur Übernahme einer vergüteten Nebentätigkeit als Vorteil zu werten ist.[15] Die strafrechtliche Relevanz eines gegenseitigen Vertrages, wie er dem Ausgangsfall einer Kooperation zwischen Krankenhaus und Vertragsarzt zugrunde liegt, steht und fällt folglich mit dem unbeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung, in dem der Vorteilsbegriff aufgeht. Die Position der Rechtsprechung führt somit zu einer "Verschleifung" von Tatbestandsvoraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht[16] im Straftatbestand der Untreue zurecht als verfassungswidrig eingestuft hat.[17] Nach dem hier vertretenen Standpunkt[18] fällt daher der nachweisbare Leistungsaustausch auf der Grundlage gegenseitiger Verträge bereits nicht unter den Vorteilsbegriff, sodass es auf die Angemessenheit der Vergütung nicht an- kommt.
Die anderslautende herrschende Meinung und ständige Rechtsprechung hat zur Folge, dass bei der Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vertragsarztes und seiner Kooperationspartner in erster Linie Indizien für oder gegen das Bestehen einer Unrechtsvereinbarung maßgeblich sind. Im Mittelpunkt des Prüfalgorithmus steht dabei der Topos der "Angemessenheit"[19]: Ein Indiz für die Unrechtsvereinbarung wird dann angenommen, wenn das vertragliche Angebot unangemessen hoch ausfällt ("Eisbergtheorie"). Kein Indiz für die Unrechtsvereinbarung soll allenfalls dann bestehen, wenn die vorgesehene Vergütung so bescheiden ausfällt, dass für den niedergelassenen Arzt kein "Anreiz" besteht, Patienten in das Krankenhaus seines Kooperationspartners einzuweisen. Welche Parameter bei der Angemessenheitsbeurteilung zugrunde zu legen sind, ist derzeit aber noch weitgehend offen.
Umstritten ist zunächst, ob eine Orientierung an der GOÄ in Betracht kommt. Im Schrifttum wird dies teilweise mit der Begründung abgelehnt, derartige lukrative Verdienstmöglichkeiten verlockten zur vermehrten Einweisung in das Krankenhaus ("Anreiztheorie", siehe oben).[20] Konkrete Maßstäbe, an welchen Prämissen die Vergütung ansonsten zu orientieren sei, werden insofern aber nicht genannt.
Die Gegenauffassung befürwortet die Orientierung an der GOÄ,[21] will insoweit aber teilweise nur den 1fachen Satz heranziehen,[22] weil dies "nach dem Konzept der GOÄ die Regelvergütung" darstelle. Insbesondere im medizinrechtlichen Schrifttum wird außerdem auf die Kalkulation des Krankenhauses verwiesen. Der Kooperationsarzt dürfe nicht mehr verdienen, als den kalkulierten ärztlichen Anteil an der DRG-Vergütung des Krankenhauses.[23]
Problematisch ist, dass die genannten Positionen im Grunde nicht durch Argumente hinterlegt sind und im Ergebnis ein Maximum an Rechtsunsicherheit für die Vertragsparteien eröffnen. Da es durchgängig an konkre-
ten Berechnungen fehlt, bleibt für den im Bereich des Medizincontrolling unerfahrenen Juristen ferner völlig unklar, durch welche wirtschaftlichen Unterschiede die genannten Meinungen gekennzeichnet sind. Dies bleibt in der Praxis des Gesundheitswesens nicht ohne Folgen.
Die gegebene Rechtsunsicherheit führt nicht nur dazu, dass das Anliegen des Gesetzgebers, Kooperationen zwischen den Sektoren auszuweiten, unterlaufen wird, sondern ermöglicht den "Benefiziaren" der unklaren Rechtslage auch eine problematische Instrumentalisierung des Strafrechts für eigene wirtschaftliche Zwecke:
- In Vertragsverhandlungen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern wird die mögliche strafrechtliche (sowie sozialrechtliche, berufs- und wettbewerbsrechtliche) Relevanz lukrativer Angebote als Argument für eine Kürzung der geplanten oder bereits auf vertraglicher Grundlage geschuldeten Vergütung herangezogen.
- Gegner einer Absenkung der Sektorengrenzen beschwören die strafrechtliche Relevanz entsprechender Kooperationsverträge, um die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern insgesamt zu diskreditieren.[24] Das Strafrecht wird in diesen Fällen in den Dienst gesundheitspolitischer und -ökono-mischer Steuerungsinteressen bestimmter Verbände gestellt.
- Wettbewerber des mit niedergelassenen Ärzten kooperierenden Krankenhauses drohen mit "whiste-blowing", wenn sie vermuten, dass der wirtschaftliche Erfolg des Konkurrenten auf einer "Zuweisung gegen Entgelt" beruht.
- Bestimmte politische Parteien und Organisationen nutzen die Diskussion um die "Zuweisung gegen Entgelt" als Anschauungsmaterial, um insgesamt gegen die "Ökonomisierung des Gesundheitswesens" zu plädieren.[25] Die vorliegende Debatte um die Angemessenheit der ärztlichen Vergütung im Rahmen eines Kooperationsvertrages ist dabei Teil eines größeren, von antikapitalistischen Ressentiments getragenen Argumentationszusammenhangs, der in Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle der Wirtschaft im Allgemeinen und des Gesundheitswesens im Besonderen, den Abbau der Privatsphäre zugunsten größerer Transparenz (z.B. bei Nebeneinnahmen, Gehältern) sowie der Einschränkung der Vertragsfreiheit zugunsten staatlicher Regulierung (z.B. bei Vorstandsbezügen, Boni usw.) einmündet.[26] Zur Durchsetzung derartiger Interessen eignet sich das Gesundheitswesen besonders gut, weil erstens Sachverhalte, die mit der Thematik "Gesundheit" und damit "Hilfsbedürftigkeit" und "Vertrauen" assoziiert sind, tief sitzende Emotionen berühren und zweitens Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten (Pharmaunternehmen, Ärzten, Krankenhäusern einerseits, Patienten andererseits) bestehen, bei denen "Verschwörungstheorien" über korrupte Ärzte auf besonders fruchtbaren Boden fallen.
Neben diesen unmittelbaren Folgen des unberechenbaren Strafrechts für die Praxis des Gesundheitswesens sind problematische Fernwirkungen zu befürchten. Ein Strafrecht, dessen Grenzen nicht aus dem Wortlaut der Norm ersichtlich ist, das Expertenwissen voraussetzt und gleichwohl unklar bleibt, das für die Normadressaten inhaltlich fraglich ist und sich in ständiger hektischer Umbruchsituation befindet (vgl. z.B. die Diskussion über den Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte auf den niedergelassenen Vertragsarzt[27]), wird auf wenig Akzeptanz stoßen. Die Strafe, die auf der Grundlage derartiger Strafgesetze verhängt wird, verliert daher ihren Charakter als sozialethisches Unwerturteil und degeneriert zu einem allgemeinen "Haftungsrisiko", von dem jeder einmal betroffen sein kann.[28]
Folgt man dem hier vertretenen, Klarheit schaffenden Standpunkt einer Einschränkung des Vorteilsbegriffs bei gegenwärtigen Verträgen nicht, ist es dringend angezeigt, zumindest verlässliche Parameter für die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung zu entwickeln, die sich dem bisherigen Meinungsbild, wie oben dargelegt, jedoch noch nicht entnehmen lassen.
Hinsichtlich des normativen Ausgangspunktes ist zunächst hervorzuheben, dass es sich beim dem Begriff der "Angemessenheit" um einen so genannten "Steigerungsbegriff"[29] handelt. Daraus folgt, dass es nicht die eine konkrete angemessene Vergütung geben kann, sondern lediglich bestimmte Korridore, die durch eine Untergrenze der schon und der Obergrenze einer noch angemessenen Vergütung abgesteckt sind. Für die Frage der Vergütung einer ärztlichen Leistung sind unterschiedliche Referenzsysteme in Rechnung zu stellen, aus denen sich gewisse Anhaltspunkte für die Endpunkte der Angemessenheitsprüfung ableiten lassen. Grundsätzlich ist zwischen der Frage der Angemessenheit der Vergütung des aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses mit
dem Krankenhaus kooperierenden Honorarkooperationsarzt und der Angemessenheit des Gehalts des in Nebentätigkeit beim Krankenhaus angestellten niedergelassenen Vertragsarztes zu unterscheiden.
Die Vergütung des Honorarkooperationsarztes erfolgt in der Regel auf Rechnung und auf der Grundlage eines Vertrages, in dessen Anlagen die wesentlichen Behandlungsmaßnahmen und deren Vergütung aufgeführt sind. Als Beispiel wird vorliegend eine häufig vorkommende kardiologische Behandlungsmaßnahme, die perkutane Koronarangioplastie (Erweiterung eines verengten Herzkranzgefäßes) ohne schwere Komplikationen mit vorangegangener diagnostischer Untersuchung der Herzkranzgefäße (Koronarangiographie) herangezogen.[30] Wird diese im Krankenhaus durchgeführt, betragen die von der Krankenkasse des gesetzlich versicherten Patienten erstatteten Behandlungskosten rd. 2.566,00 €.[31] Die so über InEK ermittelte DRG ist aufgrund unterschiedlicher Länderbasisfallwerte, verschiedener "case mixe" innerhalb der einzelnen Krankenhäuser sowie individueller Eingangsdiagnostik deutlichen Schwankungsbreiten unterworfen.[32] Geht man gleichwohl heuristisch von dieser Summe aus, betragen gemäß der Kalkulation des deutschen DRG-Instituts (InEK GmbH) die Kosten des ärztlichen Dienstes, sprich des Arztanteils, insgesamt 16,5 % dieses Erlöses, das heißt rund 423,00 €. Zieht man hiervon bestimmte Anteile (z.B. für die Anästhesie) ab, stünde rein kalkulatorisch ein Betrag von 343,00 € für den Honorarkooperationsarzt, auf den die Behandlungsmaßnahme übertragen wird, zur Verfügung.
Im System der ambulanten Versorgung gesetzlich versicherter Patienten würde demgegenüber das Honorar des Vertragsfacharztes rund 800,00 € betragen.[33] Dieser Betrag des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ist kalkuliert nach den regional unterschiedlich ausgestalteten €-Gebührenordnungen (€-GO) unter Zugrundelegung des sogenannten Orientierungspunktwertes. Allerdings schwankt dieser Vergütungsbetrag abhängig von folgenden Faktoren: Größe der Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina (QZV), Höhe des Regelleistungsvolumens (RLV) sowie durch den Vertragsarzt im aktuellen Abrechnungsquartal erbrachter Leistungen im Vergleich zum Kalkulationsquartal des Vorjahres.[34]
Bei Abrechnung auf GOÄ Basis könnten demgegenüber ca. 2.000,00 € abzüglich 15% gemäß § 6a GOÄ, also in etwa 1.700,00 €, verdient werden.[35]
Auf der Grundlage dieser Kalkulation wäre demnach die Vergütung auf InEK-Basis schon angemessen (Untergrenze) und die Vergütung auf der Grundlage der GOÄ wäre noch angemessen (Obergrenze).
Hervorzuheben ist, dass keiner der genannten Beträge für sich beansprucht, den Wert der ärztlichen Behandlung abzubilden. Es handelt sich vielmehr lediglich um Vergütungsgrundlagen, die unterschiedlichen Steuerungsinteressen der jeweiligen Referenzsysteme Rechnung tragen. So dient die GOÄ gemäß § 11 Satz 2 BÄO dem Ausgleich der "berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten". Auch die Kalkulation anhand der Maßstäbe der InEK GmbH ist lediglich ein Verteilungsmaßstab der Sach- und Personalkosten, der im konkreten Fall, z.B. weil das Krankenhaus bei bestimmten Teilleistungen Einsparungen erbringt, auch anders ausfallen kann. Nur aus pragmatischen Gründen und im Hinblick auf die Gewinnung der erforderlichen Rechtssicherheit bietet es sich an, die genannten Beträge im Rahmen der Angemessenheitsbeurteilung heranzuziehen. Eine Leistungsvergütung innerhalb dieser Grenzen ist nach dem hier vertretenen Standpunkt stets angemessen. Obwohl die Vergütung am Maßstab der GOÄ regelmäßig über der InEK Kalkulation liegen wird, scheidet diese als Maßstab für die Vergütung des Honorarkooperationsarztes nicht von vornherein aus. Denn erstens ist bei der InEK Kalkulation zu berücksichtigen, dass das Krankenhaus den entsprechenden Facharztstandard lediglich vorhalten muss, während der die Prozedur vornehmende Kooperationspartner des Krankenhauses selbst Facharzt sein muss und zweitens trägt der Honorarkooperationsarzt ein wirtschaftliches Risiko und muss Verdienstausfälle hinnehmen, weil er nicht zugleich auch in der eigenen Praxis tätig sein kann.
Bei der Orientierung an dem dargelegten Vergütungskorridor kommt es auch nicht darauf an, ob eine Vergütung einen "Anreiz"[36] zur vermehrten Einweisung darstellt. Derartige Anreize bestünden theoretisch auch dann, wenn der Kooperationsarzt "nur" am Maßstab des EBM oder auf der Grundlage der InEK Kalkulation vergütet werden würde. Entscheidend ist weiterhin, dass der Begriff des Anreizes für rechtlich missbilligtes Verhalten letztlich mit einem nicht hinnehmbaren Generalverdacht gegen die beteiligten Ärzte operiert und diesen unterstellt, sich bei ärztlichen Entscheidungen von primär
monetären Motiven leiten zu lassen. Wer so argumentiert, müsste bei der anwaltlichen Vergütung auch die Möglichkeit der Vergütungsvereinbarung abschaffen. Denn auch hier bestünde – zumal bei der Abrechnung auf Stundensatzbasis – der "Anreiz", das Mandat in die Länge zu ziehen und z.B. das Angebot des Staatsanwalts, das strafrechtliche Ermittlungsverfahrens gegen Auflage einzustellen, deshalb auszuschlagen, weil die Möglichkeit besteht, im Haupt- und Rechtsmittelverfahren weitere Stunden abrechnen zu können.
Für den Staatsanwalt oder Richter, der Kooperationsverträge nach geltendem oder künftigem Recht beurteilt, besteht nach dem oben Gesagten die Aufgabe, die Vergütung des Honorarkooperationsarztes anhand der genannten Kalkulationssysteme nachzuvollziehen. Überschreitet die Vergütung die hier als Orientierungsmaßstab vorgesehene Obergrenze, ist aber nicht ohne weiteres auf eine Unrechtsvereinbarung zu schließen. Denn für die Zahlung hoher Gehälter kommen auch legitime Gründe in Betracht, die zu ermitteln wären (§ 160 Abs. 2 StPO). Zu denken ist insoweit an besondere Kompetenzen und Fähigkeiten des Kooperationsarztes, die entsprechend honoriert werden können, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage (zum Beispiel in Regionen mit erheblichem Fachärztemangel) oder individuelle Spezifika der Kalkulation, die es dem Krankenhaus durch anderweitige Einsparungen ermöglichen, bei der ärztlichen Vergütung höhere Honorare zu zahlen. Gegenläufig wäre zu prüfen, in welchem Umfang die Klinik von den Zuweisungen des Vertragsarztes abhängig ist (teilweise werden nahezu 100 % der in der betreffenden Abteilung stationär versorgten Patienten zuvor ambulant durch den Honorarkooperationsarzt behandelt) und ob es diesbezüglich Anhaltspunkte für das Vorliegen von Umgehungsstrukturen gibt (z.B. die Rücküberweisung an den Hausarzt, der sodann die Krankenhausbehandlung verordnet).
Soweit zwischen Krankenhaus und Vertragsarzt ein Arbeitsverhältnis eingegangen wird, ist bei der Eingruppierung in die etablierten Entgeltgruppen, vgl. § 16 TV-Ärzte VKA (Entgeltgruppen I-IV) zu berücksichtigen, dass es nicht auf die Etikettierung, sondern auf die tatsächliche Übernahme der Tätigkeit eines Arztes in der entsprechenden Entgeltgruppe ankommt. So ist zum Beispiel das Tätigkeitsspektrum eines Oberarztes in § 16 TV-Ärzte VKA, wie folgt definiert:
"Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist."
Größere Freiheit besteht dann, wenn der Vertragsfacharzt in der Position eines Chefarztes arbeitet. Insofern kann das Gehalt – wie bei Chefarztdienstverträgen allgemein üblich – frei ausgehandelt werden. Darüber hinaus ist die Aufnahme in die Wahlarztkette möglich, d.h. dem Vertragsarzt kann entweder die Befugnis zur Privatliquidation übertragen oder eine Beteiligungsvergütung eingeräumt werden.[37]
Die dargelegten Parameter zur Ermittlung der Angemessenheit der Vergütung sind lediglich Hilfskonstruktionen, um die Vertragsparteien vor einer willkürlichen Kriminalisierung und vor einem pauschalen Vorwurf der "Unrechtsvereinbarung" zu schützen. Will man das Strafrecht aber grundsätzlich davor bewahren, für gesundheitsökonomische Steuerungsinteressen instrumentalisiert zu werden, müssten freilich andere Wege eingeschlagen werden.
Wie aufgezeigt, sind Kooperationen zwischen den Sektoren seitens des Gesetzgebers grundsätzlich erwünscht und bereits das Eingangsbeispiel verdeutlicht, dass sie auch den Interessen der Patienten dienen können. Auch vor diesem Hintergrund ist davor zu warnen, den Leistungsaustausch auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages als Vorteil zu definieren und in den Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte de lege lata und de lege ferenda einzubeziehen. Wer sich – wie die herrschende Meinung im strafrechtlichen Schrifttum und die ständige Rechtsprechung – hierüber hinwegsetzt, bricht mit dem Prinzip der "asymmetrischen Akzessorietät im Strafrecht", denn was im Sozialrecht erlaubt und erwünscht ist, darf eigentlich durch das Strafrecht nicht für verboten erklärt werden.
* Prof. Dr. Hendrik Schneider ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzugsrecht und Jugendstrafrecht sowie Strafverteidiger mit Schwerpunkt im Wirtschafts- und Medizinstrafrecht. Rechtsanwalt Thorsten Ebermann ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen (BNK e.V.).
[1] Vgl. bereits zur Rechtslage vor den Reformen durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz und das PsychEntgG sowie vor der Entscheidung des Großen Senats, GSSt 2/11, Beschluss v. 29. März 2012 (BGH) = HRRS 2012 Nr. 612; Kölbel wistra 2009, 129 ff.; Schneider/Gottschaldt wistra 2009, 133 ff.; Schneider HRRS 2009, 484 ff.
[2] Clausen ZMGR 2012, 248 ff.; Möller/Makoski GesR 2012, 647 ff.; Ratzel/Szabados GesR 2012, 210 ff.
[3] Korthus Das Krankenhaus 2012, 614 ff.; Powietzka/Bölz KrV 2012, 137 ff.; Uffmann ZFA 2012, 1 ff.
[4] Grundlegend zu den Begrifflichkeiten: Ebermann Aktuelle Kardiologie 2012, 213 f.
[5] Symptomatisch: GKV-Spitzenverband (Hrsg.), Unzulässige Zusammenarbeit im Gesundheitswesen durch Zuweisung gegen Entgelt – Ergebnisse einer empirischen Studie im Auftrag des GKV Spitzenverbandes (wissenschaftliche Leitung: Bussmann).
[6] Schneider/Eberhardt KU 2012, 38 f.
[7] Str., näher: Schneider/Gottschaldt wistra 2009, 133 ff
[8] Nachweise bei Geiger NK 2013, 136 ff., 137.
[9] Z.B. Brandt/Hotz PharmR 2012, 312 ff., 319; Sahan ZIS 2013, 386 ff.; Hecker JuS 2012, 852 ff., 855.
[10] GSSt 2/11, Beschluss v. 29. März 2012 (BGH) = HRRS 2012 Nr. 612.
[11] Vgl. hierzu insbesondere die Stellungnahme des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, BPI e.V. unter http://www.bpi.de/home/bpi-stellungnahmen-bpi-synopsen-bpi-gutachten/bpi-stellungnahmen/.
[12] Vgl. den Gesetzesantrag der Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zum Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vom 30.05.2013 (BR-Drucksache 451/13) sowie den diesbezüglich gleichlautenden Änderungsantrag 1 der SPD-Fraktion vom 08.05.2013 (BT-Ausschussdrucksache 17/140420) zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention (BT-Drucksache 17/13080).
[13] BGH 1 StR 372/01, Beschluss v. 23. Mai 2002 = NJW 2002, 2801.
[14] BGH 5 StR 363/02, Beschluss v. 25. Februar 2003 = NStZ-RR 2003, 171: "… Soweit das LG indes mit Blick auf eine angemessene Honorierung dieser Nebentätigkeiten (Honorarzahlungen und Nebenkostenerstattungen für Fachvorträge; Bezahlung der Organisation von Fortbildungsveranstaltungen) einen Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ausschließen wollte, lässt diese Folgerung außer acht, dass ein solcher Vorteil gerade in der Übertragung jener Nebentätigkeiten liegen kann, die der Angeklagte nicht zu beanspruchen hatte und die daher prinzipiell als Gegenleistung für Entscheidungen im Bereich der Herzschrittmacherauswahl in Betracht kommt".
[15] Kritisch insofern Schneider, in Boemke/Schneider, Korruptionsprävention im Gesundheitswesen (2011), S. 44 (mit weiteren Nachweisen).
[16] BVerfG 2 BvR 2559/08 , 2 BvR 105/09 , 2 BvR 491/09 – Rn 113, Beschluss v. 23. Juni 2010 = HRRS 2010 Nr. 656 .
[17] Näher: Schlösser HRRS 2011, 254 ff.
[18] Siehe auch Schneider, in: Festschrift für Seebode (2008), S. 331 ff., 347 f. (auch unter Bezug auf die historische Auslegung); grundlegend: Lüderssen, Entkriminalisierung des Wirtschaftsrechts II (2007), S. 145.
[19] Innovativ zur Problematik der Angemessenheit der Vergütung bei klinischen Studien, Anwendungsbeob-achtungen und anderen Leistungen von Ärzten für die Pharmaindustrie: Geiger A&R 2013, im Druck.
[20] Kölbel NStZ 2011, 195 ff.
[21] Seiler NZS 2011, 410 ff.
[22] Clemens MedR 2011, 770 ff., 781.
[23] Clausen ZMGR 2012, 248 ff., 252; Clausen Wirtschaftsbrief für Urologen 6/2012.
[24] Aufschlussreich ist insoweit die Operationalisierung unzulässiger Vorteile in der Studie des GKV Spitzenverbandes, a.a.O. (Fn. 5 ).
[25] Näher: Schneider NK 2012, 30 ff.
[26] Zu den volkswirtschaftlichen Hintergründen: Streeck, Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus (2013).
[27] Hierzu demnächst umfassend: Müller, Der niedergelassene Vertragsarzt als (un-) tauglicher Täter der Bestechungsdelikte (2013), im Druck.
[28] Näher: Schneider, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.): ILFS Band 6: Wirtschaft - Strafrecht – Ethik (2009), S. 61 ff.
[29] Grundlegend: Krümpelmann, Die Bagatelldelikte. Untersuchungen zum Verbrechen als Steigerungsbegriff (1966).
[30] Abgekürzt Coro + PTCA (DRG: F56B).
[31] Für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen wurde für die deutschen Krankenhäuser gemäß § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem eingeführt. Grundlage hierfür bildet das G-DRG-System (German-Diagnosis Related Groups-System), wodurch jeder stationäre Behandlungsfall mittels einer entsprechenden DRG-Fallpauschale vergütet wird.
[32] Eine Universitätsklinik hat in der Regel aufgrund der meist komplexeren und schwerwiegender zu behandelnden Krankheitsbilder einen höheren DRG auslösenden "case mix" als ein nicht universitäres Krankenhaus.
[33] Diagnostische Koronarangiographie (Coro) nebst Zusatzpauschale der Intervention (PTCA) - bereinigt um die Materialkosten - gemäß GOP 34291, 34292 und 01521 EBM auf Grundlage der €-GO des Landes Baden-Württemberg.
[34] An dieser Stelle möchten wir Herrn Dr. med. Benny Levenson für seine Unterstützung sowie für sein Input danken.
[35] Basis der Berechnung auch hier die Leistung eines diagnostischen Herzkatheters (Coro) sowie der PTCA mittels GOÄ-Positionen: 7, 253, 4x254, 272, 278, 491, 628, 360, 2x361, 5325, 4x5326, 5348, 5356, 5335, 2x60, 34 und 75. Zugrunde gelegt hierbei ist ein bei dieser (komplexen) Leistung um 2,3fach gesteigerter Satz; bei technischen Leistungen ein um das 1,8fache gesteigerter Satz.
[36] So aber Kölbel NStZ 2011, 195 ff.
[37] Näher: Jenschke Der Honorararzt, 21.12.2012; Hauser/Renzewitz/Schliephorst , Vertragsärztliche Tätigkeit im Krankenhaus, 2. Aufl. (2009), S. 154 ff.