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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2013
14. Jahrgang
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1. Zu den Anforderungen an die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung gegenüber einem abhängigen Unternehmen. (BGHR)
2. Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft auch ein sogenanntes „tatsächliches Treueverhältnis“ sein. Ein solches „tatsächliches Treueverhältnis“ kann dadurch begründet sein, dass der Betreffende die organschaftlichen Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen und diese ausgeführt hat. (Bearbeiter)
3. Nach der Rechtsprechung ist als Geschäftsführer auch derjenige anzuerkennen, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (sog. „faktischer Geschäftsführer“, vgl. etwa BGHSt 46, 62, 64 f.). Es reicht aber für sich genommen nicht aus, um eine solche faktische Organstel-
lung zu begründen, dass tatsächlich ein erheblicher Einfluss gegenüber dem bestellten Geschäftsführer besteht. Hierzu sind vielmehr i.d.R. die für eine organschaftliche Stellung typischen Befugnisse erforderlich, etwa eine Bankvollmacht oder die Übernahme von Pflichten im Außenverhältnis, die typischerweise mit der Stellung eines Organs verbunden sind (wie etwa gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Finanzbehörden). (Bearbeiter)
4. Allerdings hat die Rechtsprechung es im Einzelfall ausreichen lassen, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Beruht die Macht des Dritten aber allein darauf, dass er sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann, bedarf das Verhältnis zur Gesellschafterebene vertiefter Betrachtung. (Bearbeiter)
5. Maßgeblich für die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist in einem solchen Fall, dass der Betreffende in die Gesellschafterebene hinein über ein solches Machtpotential verfügt, das ihn in die Lage versetzt, die Unternehmensentscheidungen zu determinieren. Eine solche weitgehende Beherrschung wird regelmäßig gegeben sein, wenn der Gesellschafter für ihn handelt. Dies setzt grundsätzlich entweder eine persönliche Abhängigkeit oder aber ein aus anderen Gründen einverständliches Zusammenwirken voraus, die es rechtfertigen, die GmbH als gleichsam abhängige und unselbständige Strohmannfirma im Verhältnis zum faktischen Geschäftsführer zu sehen. (Bearbeiter)
1. § 817 Satz 2 BGB ist auch innerhalb der Untreuenachteils anzuwenden. § 817 Satz 2 BGB verkörpert den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetzes- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH NJW 1997, 2381, 2383).
2. Ein Vermögensbetreuungspflichtiger darf nicht die Begleichung von Forderungen veranlassen, die keinen rechtlich anerkannten wirtschaftlichen Wert haben, weil sie auf gemäß § 134 BGB nichtige Verträge gestützt waren und auch bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht bestanden. Hinsichtlich der Begründung des Vermögensnachteils kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob das entgegen § 134 BGB verletzte Gesetz dem Schutz des Vermögens diente. Der für § 134 BGB ausschlaggebende Verstoß ist lediglich Auslöser der Untreuestrafbarkeit, indem er zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages und damit zur Rechtsgrundlosigkeit darauf erbrachter Leistungen führt.
3. Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Ergibt sich aus dem Verbotsgesetz keine Rechtsfolge, ist eine normbezogene Abwägung vorzunehmen, ob es mit dem Sinn und Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen. Richtet sich das Verbot gegen beide Vertragsparteien, ist in der Regel anzunehmen, dass das Rechtsgeschäft nichtig sein soll (st. Rspr.). Einzelfall der Anwendung auf § 206 Abs. 1 StGB und § 44 Abs. 1 BDSG.
Bei der Treubruchsuntreue muss zwischen der Vermögensbetreuungspflicht und dem Handeln des Täters ein innerer Zusammenhang bestehen. Die Pflichtwidrigkeit der Handlung reicht zur Tatbestandserfüllung nur dann aus, wenn sie sich gerade auf den Teil der Pflichtenstellung des Täters bezieht, welcher die Vermögensbetreuungspflicht zum Gegenstand hat.
1. Die Annahme einer Bande scheitert bei Korruptionsdelikten nicht stets daran, dass eine bandenmäßige Verbindung nicht zwischen Personen besteht, die sich auf Veräußerer- und Erwerberseite mit gegenläufigen Marktinteressen gegenüberstehen. Eine Bande kann auch beim Zusammenschluss von bestechlichen Amtsträgern und Vorteilsgebern vorliegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der sich Amtsträger der Bande anschließt (hier: Schmuggel von Mobiltelefonen in eine Justizvollzugsanstalt) und damit keiner Organisation selbständig gegenüberstand, sondern in diese eingebunden war.
2. An einer bandenmäßigen Begehungsweise fehlt es, wenn sich z.B. die Beteiligten eines Betäubungsmittelge-
schäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüberstehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln.
1. Die Leichtfertigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung eine vorsatznahe Schuldform, die eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit voraussetzt. Bei dem leichtfertigen Subventionsbetrug nach § 264 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB stellt es die Tathandlung dar, dass der Täter die Subventionsbehörde leichtfertig in Unkenntnis über subventionserhebliche Tatsachen lässt. Maßgeblich ist deshalb, dass er – nach seinen individuellen Fähigkeiten (vgl. BGHSt 50, 347, 352) – die an sich gebotene Handlung ohne weiteres hätte erkennen können. Leichtfertigkeit in diesem Zusammenhang muss in einer groben Verkennung der Umstände liegen, die eine Unterrichtung der Subventionsbehörde geboten hätten.
2. Es muss besondere Berücksichtigung finden, wenn ein anzeigepflichtiger Umstand für den zwar im Wirtschaftsleben erfahrenen, juristisch aber nicht vorgebildeten Angeklagten nicht ohne weiteres zu durchschauen war. Ebenso muss die Art und Weise der Beratung des Angeklagten Berücksichtigung finden.
Die (mögliche) Unkenntnis von der Listung eines Abnehmers im Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen den Iran (IranEmbargoVO) lässt den Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich § 34 AWG unberührt, weil der Irrtum über den Inhalt und oder die Reichweite einer Ausfüllungsnorm, auf die ein Blankettstraftatbestand wie § 34 Abs. 4 AWG ausdrücklich verweist, sich als Verbots-, nicht aber als Tatbestandsirrtum darstellt (BGH NStZ 2007, 644; NStZ-RR 1996, 24, 25).
1. Das sich aus § 3 Satz 1 JGG ergebende Erfordernis, die entwicklungsbedingte Handlungsreife in Bezug auf die konkrete Rechtsgutsverletzung positiv feststellen zu müssen, stellt an den Tatrichter zwar besondere Erkenntnis- und Begründungsanforderungen doch folgt aus ihm nicht, dass eine entsprechende Annahme nur noch dann getroffen werden kann, wenn keine reifebedingten Einschränkungen vorliegen. Auch eine aufgrund von Reifedefiziten eingeschränkte Fähigkeit, nach der vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, begründet die Annahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit gemäß § 3 Satz 1 JGG, wenn der Jugendliche „reif genug“ ist.
2. Für eine Anstiftung genügt dolus eventualis. Es ist nicht erforderlich, dass der Anstiftende die Anstiftung ernst meint oder die Kausalität ernstlich gewollt hat (BGHSt 44, 99, 102).
3. Äußerungen, die objektiv den Tatbestand der Anstiftung (§ 26 StGB) oder der (psychischen) Beihilfe (§ 27 StGB) erfüllen, sind pflichtwidrig und daher grundsätzlich geeignet, unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz eine Garantenstellung zu begründen. Von einem sozialüblichen Verhalten kann in diesem Fall allein aufgrund des objektiven Pflichtverstoßes nicht mehr gesprochen werden (vgl. BGHSt 34, 82, 84).