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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2013
14. Jahrgang
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1. Der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die vollstreckenden Justizbehörden die Vollstreckung eines zur Strafverfolgung ausgestellten Europäischen Haftbefehls nicht mit der Begründung ablehnen können, dass die gesuchte Person vor der Ausstellung dieses Haftbefehls im Ausstellungsmitgliedstaat nicht angehört wurde.
2. Die Mitgliedstaaten können die Vollstreckung eines Haftbefehls, der nach den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl erlassen wurde, nur in den Fällen ablehnen, in denen sie gemäß Art. 3 des Rahmenbeschlusses abzulehnen ist oder gemäß Art. 4 oder 4a des Rahmenbeschlusses abgelehnt werden kann. Darüber hinaus darf die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nur an die in Art. 5 des Rahmenbeschlusses angeführten Bedingungen knüpfen.
3. Die Art. 47 und 48 der Charta machen es nicht erforderlich, dass die Person, die mit einem Europäischen Haftbefehl gesucht werden soll, vor der Ausstellung dieses Haftbefehls von den ausstellenden Justizbehörden angehört wird.
4. Als primäre Grundlage für die etwaige grundrechtskonforme Auslegung eines Rahmenbeschlusses ist die Charta der Grundrechte der EU heranzuziehen, soweit das betroffene Recht darin verankert ist.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Maßnahme im Vollzug der Untersuchungshaft besteht nach dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder der Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt insbesondere dann fort, wenn es sich bei der Maßnahme um einen gewichtigen Grundrechtseingriff handelt. Dies ist anzunehmen, wenn der Untersuchungsgefangene als Nichtraucher ohne seine Zustimmung über mehrere Tage mit zwei stark rauchenden Mitgefangenen in einem Haftraum untergebraucht wird.
2. Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützt Gefangene vor den zumindest nicht ausschließbaren gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens und damit vor erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen oder Justizbediensteten. Die mehrtägige gemeinsame Unterbringung eines Nichtrauchers mit starken Rauchern stellt einen Eingriff in dieses Grundrecht dar.
3. Eine ausreichende Rechtsgrundlage für einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG liegt nicht in einer Vorschrift über den Vollzug der Straf- oder Untersuchungshaft (hier: § 13 UVollzG Abs. 1 Satz 3 M-V), die eine gemeinsame Unterbringung von Gefangenen auch gegen deren Willen erlaubt, um einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder der Hilfsbedürftigkeit eines Gefangenen zu begegnen.
4. Bei der Anwendung einer Eingriffsnorm ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Dies erfordert es, dass das Gericht seine Entscheidung auf der Grundlage eines zureichend aufgeklärten Sachverhalts trifft. Dabei hat es die von der Justizvollzugsanstalt vorgetragenen Tatsachen eigenverantwortlich zu überprüfen.
5. Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist das Gericht in besonderem Maße gehalten, Angaben der Justizvollzugsanstalt zu nachzuprüfen, die sich auf eine mangelnde Ausstattung der Anstalt beziehen.
1. Nach § 58 StVollzG, der dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Rechnung trägt, hat ein Gefangener Anspruch auf die erforderliche medizinische Behandlung. Die Justizvollzugsanstalt darf diese nicht unter Verweis auf eine unzureichende Ausstattung mit sachlichen, personellen oder finanziellen Mitteln verweigern (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2008 – 2 BvR 338/08 -, HRRS 2008 Nr. 657).
2. Die Einschätzung des Anstaltsarztes zur Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung unterliegt unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der gerichtlichen Kontrolle daraufhin, ob die Grenzen pflichtgemäßen ärztlichen Ermessens eingehalten worden sind.
3. Ein Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung einer medizinischen Behandlung im Strafvollzug kann – insbesondere unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr – auch dann fortbestehen, wenn die Behandlung beendet oder umgestellt worden ist.
4. Die Annahme einer die erforderliche Häufigkeit medizinischer Untersuchungen im Strafvollzug betreffenden Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Vermeidung eines besonders schweren Nachteils im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchst. b) BVerfGG geboten, wenn sich aus den eingereichten Unterlagen ergibt, dass der Beschwerdeführer gemessen am gegenwärtigen medizinischen Erkenntnisstand in angemessenen zeitlichen Abständen untersucht wird.
1. Auch wenn ein Beschwerdeführer wegen der Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn nicht mehr gegenwärtig beschwert ist, besteht im Hinblick auf das mit einer Freiheitsentziehung als schwerwiegendem Grundrechtseingriff verbundene Rehabilitierungsinteresse regelmäßig gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für die – nachträgliche – Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Untersuchungshaft.
2. Bei dem einer Straftat lediglich Verdächtigen ist zur Wahrung der Unschuldsvermutung eine Freiheitsentziehung im Strafverfahren nur dann zulässig, wenn die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung das Freiheitsrecht des Beschuldigten überwiegen. Bei der Abwägung ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.
3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Mit zunehmender Dauer steigen die Anforderungen an die Zügigkeit der Verfahrensbearbeitung, an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund sowie an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen.
4. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen, der auch für das Zwischenverfahren nach §§ 199 ff. StPO Geltung beansprucht, gebietet es, die notwendigen Ermittlungen mit der erforderlichen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten ohne vermeidbare und dem Staat zuzurechnende Verfahrensverzögerungen herbeizuführen.
5. Eine Verfahrensverzögerung ist etwa dann der Justiz anzulasten, wenn das Gericht erst mehr als zwei Wochen nach Eingang der Anklageschrift die erste Verfügung trifft, wenn es ein Akteneinsichtsgesuch erst nach über zwei Wochen bescheidet und die Akteneinsicht dann tatsächlich erst einen Monat nach Antragstellung ermöglicht oder wenn es trotz seit längerem bestehender Entscheidungsreife nicht die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt und keinen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt.
6. Die überdurchschnittliche Komplexität eines Verfahrens kann zwar im Einzelfall geeignet sein, Verzögerungen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigen. Eine Rechtfertigung scheidet jedoch aus, wenn das Gericht sich in seiner Haftentscheidung nicht auf eine besondere Schwierigkeit beruft und auch sonst nicht darlegt, aus welchen Gründen es an einer rechtzeitigen Beschlussfassung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gehindert gewesen ist.
1. Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG folgt, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben müssen.
2. Bei der Entscheidung über die Aussetzungsreife einer Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen, ob und welche rechtswidrigen Taten künftig von dem Untergebrachten zu erwarten sind, wie ausgeprägt die Rückfallgefahr hinsichtlich Häufigkeit und Frequenz ist und wie schwer die bedrohten Rechtsgüter wiegen.
3. Je länger der Freiheitsentzug bereits andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für seine Verhältnismäßigkeit sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungstiefe einer negativen Prognoseentscheidung. Das Gericht hat hierbei unter Berücksichtigung der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat und einer dafür gegebenenfalls verhängten Strafe im Einzelnen darzulegen, weshalb trotz des zunehmenden Gewichts des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten das Interesse an einer Fortdauer der Unterbringung nach wie vor überwiegt.
4. Eine Entscheidung, mit der die Fortdauer einer bereits seit 16 Jahren vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wird, genügt den aus dem Freiheitsgrundrecht folgenden Begründungsanforderungen nicht, wenn das Gericht – zumal ohne Angabe einer Wahrscheinlichkeit – von einer Gefahr weiterer Straftaten „im Sinne des Einweisungsdelikts“ (konkret: einer Brandstiftung) ausgeht, obwohl der Betroffene durch sein Verhalten während einer mehrjährigen Zeit in Freiheit keinen Anlass zu einer solchen Annahme gegeben hat.
5. Auch die bloße Möglichkeit künftiger Straftaten nach § 17 des Tierschutzgesetzes, die angesichts der Strafdrohung allenfalls der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind, genügt ohne weitere Konkretisierung nicht zur Begründung einer Fortdauerentscheidung.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Maßnahme im Vollzug der Untersuchungshaft besteht nach dem Übergang des Betroffenen in die Strafhaft oder der Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt insbesondere dann fort, wenn es sich bei der Maßnahme um einen gewichtigen Grundrechtseingriff handelt. Dies ist anzunehmen, wenn der Untersuchungsgefangene über begrenzte Teile des Tages hinaus auf seinen Haftraum beschränkt und an der Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen gehindert wird.
2. Da ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist, darf er nur unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden. Dem muss die Auslegung der Vorschriften des Untersuchungshaftrechts Rechnung tragen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beansprucht dabei in besonderem Maße Geltung.
3. Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Haftbedingungen kommt internationalen Standards mit Menschenrechtsbezug Indizwirkung zu. Hierzu zählen etwa die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze, die auch für Untersuchungsgefangene gelten. Danach sollen Gefangene täglich soviel Zeit außerhalb ihrer Hafträume verbringen können, wie es für ein angemessenes Maß an menschlicher und sozialer Interaktion notwendig ist.
4. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es auch, bei der Anwendung generalklauselartiger beschränkender Bestimmungen sowie bei der Ausübung von Ermessen die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und Ausnahmen von der Beschränkung zu erwägen, soweit dies ohne konkrete Gefährdung der gesetzlichen Haftzwecke oder der Anstaltsordnung möglich ist.
5. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist es nicht vereinbar, wenn die für alle Gefangenen geltenden Haftbedingungen sich nur unwesentlich von denen der Einzelhaft oder des Arrests unterscheiden, die besonders geregelt und nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind.
6. Greift ein Untersuchungsgefangener die Zeiten der Beschränkung auf seinen Haftraum an, so wird das Gericht seiner aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Verpflichtung, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nur gerecht, wenn es die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt auf der Grundlage der genannten Maßstäbe eigenverantwortlich überprüft.
7. Bei einer deutlichen Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Gefangenen – wie etwa arbeitender und nicht arbeitender Gefangener oder Untersuchungshäftlinge und Strafgefangener – muss das Gericht eigenständig prüfen, ob sie zu rechtfertigen ist. Dabei hat es die besondere Situation der Untersuchungsgefangenen in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen, ob das konkrete Haftregime der Justizvollzugsanstalt sowie der konkret vorgesehene Einsatz personeller und sonstiger Mittel mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.
1. Das aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK herzuleitende Verbot einer menschenunwürdigen Behandlung stellt auch Anforderungen an Größe und Ausgestaltung eines Haftraumes.
2. Die Unterbringung eines Gefangenen in einem Haftraum, in dem ihm eine Grundfläche von nur wenig über 6 m2 zur Verfügung steht, liegt an der unteren Grenze des Hinnehmbaren. Für die Frage der Zumutbarkeit ist jedoch auch zu berücksichtigen, inwieweit es dem Gefangenen ermöglicht wird, Zeit außerhalb des Haftraumes zu verbringen.
3. Eine Verfassungsbeschwerde, mit der ein Gefangener die Ausstattung seines Haftraumes als menschenunwürdig rügt, ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig, soweit der Betroffene die konkreten Umstände – wie etwa die Größe der freien Bodenfläche und die Höhe des Fensters über dem Boden – nicht bereits im fachgerichtlichen Verfahren, sondern erstmalig in der Verfassungsbeschwerde vorbringt.
4. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf eine Resozialisierung auszurichten. Entsprechend diesem Auftrag sind Justizvollzugsanstalten so auszustatten, dass für die Strafgefangenen in angemessenem Umfang Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen.
5. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Bereitstellung von Behandlungskapazitäten ist nicht berührt, wenn die Aufnahme eines Gefangenen in eine einzeltherapeutische Behandlung davon abhängig gemacht wird, dass der Gefangene einer Verlegung in einen Haftraum in der Behandlungsstation zustimmt. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines möglichst effizienten Einsatzes der Behandlungskapazitäten ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Versäumt ein Beschwerdeführer die Monatsfrist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG, weil er die angegriffenen Entscheidungen innerhalb der Frist nur unvollständig vorlegt, so ist ihm auch ohne einen entsprechenden Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er auf einen Hinweis des Berichterstatters die fehlenden Unterlagen innerhalb der Zweiwochenfrist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vorlegt und glaubhaft macht, dass die unvollständige Übersendung auf einem Kopierfehler im Anwaltsbüro des Verfahrensbevollmächtigten beruhte.
2. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben. Dies gilt auch in Verfahren, die – wie etwa das strafprozessuale Vollstreckungsverfahren – dem Freibeweis unterliegen.
3. Wenngleich es dem Gericht nicht generell untersagt ist, mittelbare und damit sachfernere Beweise zu erheben, so darf es sich hierauf regelmäßig dann nicht beschränken, wenn auch das sachnähere, qualitativ bessere Beweismittel zur Verfügung steht.
4. Widerruft das Gericht die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung, so darf es angesichts der besonderen Schwere dieses Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht nicht von der beantragten persönlichen Vernehmung der einzigen Belastungszeugin absehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwar objektive Gründe für die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage über die zum Bewährungswiderruf führenden Weisungsverstöße sprechen, wenn die Angaben jedoch zugleich der Aussage des Betroffenen sowie eines weiteren Zeugen widersprechen und auch in sich nicht widerspruchsfrei sind.
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die gegen einen Vollzugsplan gerichtete Verfassungsbeschwerde besteht auch dann, wenn der Vollzugsplan zwischenzeitlich fortgeschrieben worden ist, weil sich die Prognosebasis für eine spätere Reststrafaussetzung zur Bewährung mit der Dauer einer Erprobung des Gefangenen in Vollzugslockerungen verbessert. Dies gilt auch dann, wenn eine Entlassung erst in mehreren Jahren möglich ist.
2. Art. 19 Abs. 4 GG verbietet eine Anwendung von Verfahrensvorschriften in einer Art und Weise, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Die Gerichte dürfen eine dem Rechtsschutzsuchenden eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit nicht leerlaufen lassen. In Strafvollzugssachen haben sie dabei auch zu berücksichtigen, dass die Rechtsschutzsuchenden hier nach Bildungsstand, materiellen Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten typischerweise weniger gut für die Wahrnehmung komplexer Rechtsschutzmöglichkeiten gerüstet sind.
3. Die Auffassungen eines Rechtsbeschwerdegerichts, dass einerseits ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zulässigerweise gestellt werden kann und sich andererseits ein Rechtsschutzbegehren gegen einen Vollzugsplan auch dann erledigt, wenn die angegriffene Feststellung nach Fortschreibung des Vollzugsplans unverändert geblieben ist, führt in Kombination zu einer unzulässigen Erschwernis des Rechtswegs.
4. Art. 19 Abs. 4 GG ist in diesem Fall zum Einen deshalb verletzt, weil auf diese Weise der Schutzmechanismus unterlaufen wird, wonach von Verfassungs wegen ein Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen ist, wenn ansonsten eine Rechtsschutzmöglichkeit für gewichtige Grundrechtseingriffe entfiele. Auch gibt die Annahme einer Erledigung bei unveränderter Fortschreibung des Vollzugsplanes der Justizvollzugsanstalt die Möglichkeit, einen Vollzugsplan langfristig der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen. Zudem ist es für den Gefangenen unangemessen schwer erkennbar, auf welche Weise er Rechtsschutz erlangen kann.