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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2013
14. Jahrgang
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1. Fortdauer der Sicherungsverwahrung bei zu erwartenden Raubtaten mit Scheinwaffe. (BGHSt)
2. Zu erwartende Raubtaten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, bei denen nur objektiv ungefährliche Scheinwaffen eingesetzt werden, schwere Gewalttaten im Sinne der strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (HRRS 2011 Nr. 488) dar, wenn aufgrund ihrer vorhersehbaren individuellen Umstände mit schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Schäden oder psychisch vermittelten körperlichen Folgen bei den Opfern zu rechnen ist. (Bearbeiter)
3. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der vom BVerfG geforderten „strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ zwar normative Konturen gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1, und vom 24. Januar 2012 – 5 StR 535/11 mwN). Ungeachtet dessen bleibt die Verhältnismäßigkeitsprüfung aber im Grundsatz ein Akt der tatgerichtlichen Wertung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles; dies gilt – innerhalb der vom Bundesgerichtshof gezogenen Grenzen – auch für die nähere Bestimmung des Begriffs der „schweren Gewalttat“. (Bearbeiter)
4. Das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 2011 (HRRS 2012 Nr. 148) ist im Lichte der Rechtsprechung der übrigen Strafsenate des Bundesgerichtshofs und in seinem Bezug auf den entschiedenen Fall zu sehen, in dem „mit Blick auf die stets gleichartigen Vor- und Anlasstaten“ ausschließlich psychische „Beeinträchtigungen“ der Opfer in der Folge von mit Scheinwaffen begangenen Banküberfällen als Prognosetaten zu erwarten waren und „keinesfalls mit einer Gewalteskalation zu rechnen“ war. Diese besondere Konstellation hat der 2. Strafsenat zum Anlass genommen zu entscheiden, dass Verbrechen nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB „für sich genommen in der Regel“ keine ausreichend schweren Prognosetaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund der Weitergeltungsanordnung darstellten, wenn aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit allein der Einsatz objektiv ungefährlicher Scheinwaffen zu erwarten sei; eine allein psychische „Beeinträchtigung“ reiche „in der Regel“ nicht aus. (Bearbeiter)
5. Damit hat der 2. Strafsenat von vornherein keine Stellungnahme dazu abgegeben, wie Fälle zu bewerten sind, in denen Gewalteskalationen möglich sind, weil sich die Tat z. B. gegen Opfer richtet, von denen – anders als von Bankangestellten – grundsätzlich kein „professioneller“ Umgang mit der Bedrohungssituation erwartet werden kann und die Reaktion des Opfers auf die Bedrohung und der Verlauf der daran anschließenden Interaktion mit dem Täter unabsehbar sind. Er hat ferner keine Festlegung in dem Sinne getroffen, dass mögliche psychisch vermittelte körperliche Schäden künftiger Raubopfer nicht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung begründen können. Indem er darauf abstellt, dass psychische „Beeinträchtigungen“ künftiger Opfer die Unterbringung „in der Regel“ nicht zu rechtfertigen vermögen, schließt er darüber hinaus auch nicht aus, dass die Erwartung schwerwiegender und nachhaltiger psychischer Schäden hierfür sehr wohl ausreichen kann. (Bearbeiter)
1. Das Gesetz führt in § 46b Abs. 2 StGB nicht abschließende Kriterien auf, anhand derer die gerichtliche Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung zu treffen ist. Während § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB mit der Art und dem Umfang der offenbarten Tatsachen, deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, dem Zeitpunkt der Offenbarung, dem Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und der Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, vornehmlich „aufklärungsspezifische Kriterien“ umfasst, enthält § 46b Abs. 2 Nr. 2 StGB „unrechts- und schuldspezifische Kriterien“, zu denen die unter Nr. 1 genannten Gesichtspunkte ins Verhältnis zu setzen sind.
2. Der danach vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt im Hinblick auf den Schuldgrundsatz besondere Bedeutung zu. Eine bloße Feststellung, dass die Aussage eines Angeklagten zur Aufklärung einer schweren Straftat geführt habe und mit dem nicht notwendigen Geständnis verbunden gewesen, selbst an der Tat beteiligt gewesen zu sein, genügt dem nicht. Die Ausführungen des Gerichts dürfen nicht besorgen lassen, dass das Tatgericht bei seiner Entscheidung allein „aufklärungsspezifische Kriterien“ in den Blick genommen hat, ohne diese konkret zu der Schwere des Unrechts der abgeurteilten Tat und zu dem Grad des Verschuldens des Angeklagten in Relation zu setzen.
3. Eine besonders sorgfältige, auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller infrage kommenden Gesichtspunkte erscheint ist insbesondere dann unentbehrlich, wenn die Gesamtumstände der Tat von erheblicher krimineller Energie zeugen und insgesamt drei Mordmerkmale erfüllen.
1. Wird der Anrechnungsmaßstab bei erlittener Haft in einem anderen Mitgliedsstaat (hier: Spanien) mit 2:1 bestimmt, muss das Urteil erkennen lassen, worauf die großzügige Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs für die erlittene Haft beruht.
2. Der banden- und gewerbsmäßige Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 und 2 i.V.m. § 263 Abs. 5 StGB wird durch die unbefugte Verwendung der durch den Einsatz der Skimming-Technik erlangten Daten verwirklicht. Das Herstellen zahlreicher Zahlungskarten mit Garantiefunktion ist nur eine Tat im Sinne der §§ 152a, 152b StGB, wenn es jeweils in einem durchgehenden Arbeitsgang im engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Werden die Dubletten in der Absicht hergestellt, sie später zu gebrauchen, werden das Nachmachen und das Gebrauchen zu einer deliktischen Einheit verbunden. Zu dieser Tat steht der Computerbetrug in Tateinheit.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Dies muss sich den Urteilsgründen sicher entnehmen lassen.
2. Insbesondere müssen die die Bewertung tragenden konkreten Anknüpfungs- und Befundtatsachen zur ausschlaggebenden Erkrankung und ihrem Verlauf bis hin zur Tat mitgeteilt.
3. Behauptet der Angeklagte ein für seine Tat ausschlaggebendes Ereignis in seiner frühen Kindheit, kann die Unwahrheit seiner Behauptung ohne eine dahingehende Beweiserhebung nicht zum Anlass genommen werden, von einer Wahnvorstellung auszugehen.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 337, 338). Entscheidend und für die Maßregelanordnung ausreichend ist, dass der länger dauernde Zustand derart beschaffen ist, dass bereits alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können (vgl. BGHSt 44, 369, 375 f.). Hingegen begründet eine auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, noch keinen dauernden Zustand im Sinne des § 63 StGB.