HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2012
13. Jahrgang
PDF-Download

Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Tödliche militärische Gewalt und strafrechtliche Verantwortung

Anmerkungen zum Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft

Von Christian Richter *

I. Einleitung

Am 16.04.2010 stellte die Generalbundesanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen der Ereignisse des 4. September 2009 gegen Oberst Klein und Hauptfeldwebel Wilhelm gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist im Ergebnis begrüßenswert und nicht zu beanstanden.

Problematisch sind jedoch die in der Begründung des Einstellungsbeschlusses der Generalbundesanwaltschaft aufgestellten Behauptungen und juristischen Prämissen. Wesentliche Ursache hierfür ist die Auslegung des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB). Die vorliegende Arbeit untersucht, inwieweit die im VStGB gewählten Formulierungen mit den Grundsätzen des Strafrechts, Völkerstrafrechts und des Völkerrechts unter besonderer Berücksichtigung des Statuts von Rom vereinbar sind. Daneben soll aufgezeigt werden, dass der Einstellungsbeschluss an der sensiblen und bisher kaum erforschten Schnittstelle zwischen Strafrecht, Völkerstrafrecht und Völkerrecht an Defiziten insbesondere in der Berücksichtigung des Humanitären Völkerrechts leidet.

Folgende Behauptungen und Prämissen der Generalbundsanwaltschaft sollen in dieser Untersuchung genauer betrachtet werden:

1.      Das Verbot des unterschiedslosen Angriffs gelte unmittelbar auch in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt.[1]

2.      Deutsche Soldaten seien im Rahmen des ISAF-Einsatzes reguläre Kombattanten.[2]

3.      Ein Angriff sei nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB bereits dann strafbar, wenn er außer Verhältnis zum militärischen Vorteil stehe.[3]

4.      Das allgemeine Strafrecht sei neben dem Völkerstrafrecht anwendbar.[4]

II. Kein Verbot des unterschiedslosen Angriffs im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1. Kriegsbegriff obsolet

Der Begriff des Krieges ist im modernen Völkerrecht obsolet. Dies begründet sich einmal darin, dass Krieg nach dem Humanitären Völkerecht dann vorliegt, wenn ein Staat zumindest einem anderen Staat den Krieg erklärt. Kriegserklärungen werden seit Endes des Zweiten Weltkrieg nicht mehr ab- oder übergeben. Zum anderen dürfte die Tatsache, dass eine Vielzahl der modernen Staaten Signatarstaaten des Briand-Kellogg Paktes sind, der formal immer noch in Kraft ist, dazu führen, dass diese Staaten zögern den Krieg einem anderen Staat zu erklären. In Art. 1 des Briand Kellogg Paktes verzichten die Signatarstaaten nämlich im gegenseitigen Verhältnis auf den Krieg als Mittel der nationalen Politik.

2. Internationaler bewaffneter Konflikt oder nichtinternationaler bewaffneter Konflikt

Heute wird der Begriff des bewaffneten Konflikts verwendet. Dabei wird zwischen dem internationalen be-

waffneten Konflikt zwischen Staaten und dem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt innerhalb eines Staates unterschieden. Phänotypisch entspricht der internationale bewaffnete Konflikt dem umgangssprachlichen Krieg. Der nichtinternationale bewaffnete Konflikt entspricht in etwa dem Phänotyp des umgangssprachlichen Bürgerkrieges.

Diese beiden kodifizierten Formen des bewaffneten Konflikts basieren auf zwei verschiedenen Grundprämissen. Im internationalen bewaffneten Konflikt stehen sich zwei gleichartige Entitäten gegenüber, nämlich die Streitkräfte der beteiligten Staaten. Im nichtinternationalen Konflikt hingegen kommt der Gegner der bewaffneten Macht des Staates aus Teilen der Zivilbevölkerung.

In einem internationalen bewaffneten Konflikt wird hinsichtlich der betroffenen Personen im Wesentlichen zwischen zwei Kategorien differenziert, dem der Zivilperson und dem des Kombattanten.[5] Grundsätzlich sind nur Kombattanten legitime militärische Ziele, die bekämpft werden dürfen. Zivilpersonen sind keine militärischen Ziele und dürfen grundsätzlich nicht bekämpft werden.[6] Auf dieser Prämisse beruht das Verbot des unterschiedslosen Angriffs in Art. 51 Abs. 4 und 5 des ersten Zusatzprotokolls (ZP I).

Die bewaffneten Konflikte nach dem zweiten Weltkrieg entsprachen nicht mehr dem Phänotyp des klassischen europäischen Zweistaatenkriegs. Daher wurden im Jahr 1977 zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen verabschiedet. Das ZP I erweitert den Begriff des bewaffneten Konflikts auf den Kampf von Völkern gegen Kolonialherrschaft, Besetzung und rassistische Regime unter dem Topos des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das zweite Zusatzprotokoll (ZP II) weitet den Schutz des Humanitären Völkerrechts auf nichtinternationale bewaffnete Konflikte über den bereits bestehenden Minimalschutz des Art. 3 Genfer Abkommen aus.

Nach Art. 51 Abs. 5 b) ZP I sind Angriffsarten als unterschiedslos anzusehen, wenn bei einem Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die exzessiv in Relation zu dem erwartenden konkreten und unmittelbaren Vorteil stehen.

3. Keine direkte Anwendung des Verbots des unterschiedslosen Angriffs

In einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt sind die potentiellen Gegner einschließlich der Abtrünnigen naturgemäß ausschließlich der Zivilbevölkerung zuzurechnen. Damit ist eine direkte Anwendung des Verbots des unterschiedslosen Angriffs begrifflich nicht möglich.

Auf der einen Seite stehen die staatlichen Streitkräfte des sich in der Aufstandsbekämpfung befindlichen Staates und gegebenenfalls staatliche Streitkräfte anderer Staaten, die den in der Aufstandsbekämpfung befindlichen Staat unterstützen.

Auf der anderen Seite befinden sich Teile der Zivilbevölkerung im Aufstand gemäß ZP II und sind "organisierte bewaffnete Gruppen" und "sonstige kämpfende Zivilisten". Kennzeichen der Mitglieder der organisierten bewaffneten Gruppen ist die continous combat function. Während sich die sonstigen kämpfenden Zivilisten durch die direct participation in hostilities, also durch die unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten qualifizieren. Dabei wird die direct participation in hostilities angenommen, wenn kumulativ ein gewisser threshold of harms überschritten ist, eine direct causation gegeben ist und ein beligerent nexus vorliegt.[7] Dies bedeutet, dass eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten sein muss. Zudem muss eine unmittelbare kausale Beziehung zwischen Handlung und Schädigung vorliegen. Letztlich muss die Schädigungshandlung noch in Verbindung mit dem bewaffneten Konflikt stehen. Beide Teilgruppen der Zivilbevölkerung dürfen grundsätzlich bekämpft und getötet werden. Nicht bekämpft dürfen hingegen die unbeteiligten Zivilpersonen.

Der Konflikt in Afghanistan, insbesondere auch im nördlichen Bereich, dem Verantwortungsbereich der Bundeswehr, wird mittlerweile uneingeschränkt als nichtinternationaler bewaffneter Konflikt charakterisiert.[8] Dies konstatiert zutreffenderweise auch die Generalbundesanwaltschaft.[9]

Wenn Zivilpersonen wie die Taliban einer militärisch organisierten Gruppe angehören unberechtigt zur Waffe greifen, darf gegen sie im Rahmen der Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts Gewalt ausgeübt werden. Die mittelbare oder unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmenden Zivilpersonen verlieren den sonst allen zustehenden Anspruch auf Schutz nach Art. 51 ZP I. Diese zulässige Gewalt beinhaltet selbstverständlich auch letale Gewalt.

Diskutiert wurde lediglich, ob Zivilpersonen, die einen ständigen Kampfauftrag haben, im Rahmen des targeted killing gezielt getötet werden dürfen. Spätestens seit der Veröffentlichung der Auslegungshilfe des Internationalen

Komitees des Roten Kreuzes im Frühjahr 2009 dürfte diese Diskussion entscheidend vorangekommen sein.[10]

Die an Feindseligkeiten beteiligten Zivilpersonen erhalten aber nicht den Status von Kombattanten, sondern bleiben Teil der Zivilbevölkerung.[11] Dies gilt genauso für die Zivilisten mit continous combat function. Daher dient es nicht der Präzision, wenn die Generalbundesanwaltschaft in ihrem Einstellungsbeschluss von "Zivilisten" und den "Taliban" oder den "Aufständischen" spricht, als ob diese hinsichtlich des Humanitären Völkerrechts zu unterscheiden wären.

Im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gibt es keinen Kombattantenstatus. Auch wenn in anderen Bereichen eine Tendenz zur Vereinheitlichung beider Rechtsregime festzustellen ist, bleibt dies ein wesentliches und wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum internationalen bewaffneten Konflikt.[12] Die Unterscheidung zwischen internationalem bewaffneten Konflikt und nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ist eines der wichtigsten Grundprinzipien des Humanitären Völkerrechts.[13] Eine andere Form des bewaffneten Konflikts oder einen dritten Primärstatus kennt das Humanitäre Völkerrecht nicht. Folglich stehen der Bundeswehr und den anderen Streitkräften der ISAF in Afghanistan nur Zivilisten als Opponenten gegenüber.[14]

Daraus folgt unweigerlich, dass das Verbot des unterschiedslosen Angriffs insoweit nicht im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt Geltung beanspruchen kann, als dem Soldaten vorgegeben ist, militärische Gewalt nur gegen legitime militärische Ziele anzuwenden. Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen zu schonendem Zivilisten, der kein militärisches Ziel ist und dem Kombattanten, der ein militärisches Ziel ist, ist in Afghanistan begrifflich nicht durchführbar. Der Zivilist oder die Zivilbevölkerung scheidet als begrifflich zu fassendes generelles Schutzgut im nicht internationalen bewaffneten Konflikt aus. Schutzgut ist der "Unbeteiligte". Dies wird wohl auch ein Grund dafür sein, dass sich das Verbot des unterschiedslosen Angriffs im ZP II in Bezug auf Personen im Gefechtsfeld explizit nicht findet.

Dennoch prüft die Generalbundesanwaltschaft das Verhalten des Oberst Klein nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB nach der Maßgabe, dass es sich bei den Taliban nicht um Aufständische handeln würde und nur die unbeteiligten Zivilpersonen den Schutz der Zivilbevölkerung genössen.[15] Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB wird bestraft, wer im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung von Zivilpersonen in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht.

4. Aufgabe des two box approach durch das VStGB

Ursache hierfür dürfte wohl das strukturelle Problem des VStGB sein, das sämtliche Kriegsverbrechenstatbestände des Art. 8 des IStGH-Statuts, also solche Verbrechen, die in einem internationalen bewaffneten Konflikt stattfinden, auch im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt zur Anwendung bringen will. Im IStGH-Statut wurden demgegenüber lediglich in Art. 8 c und e Tatbestände für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unter Strafe gestellt.

Es ist unzweifelhaft wünschenswert, dass Lücken im Völkerstrafrecht geschlossen werden und das Völkerstrafrecht gestärkt wird. Dies darf aber nicht durch pauschale Ausweitungen geschehen, die im Humanitären Völkerrecht keine Entsprechung finden. Nach Art. 17 IStGH-Statut hat die nationale Strafgerichtsbarkeit Vorrang vor der Zuständigkeit des Gerichtshofs. Der Internationale Strafgerichtshof darf seine Strafgerichtsbarkeit nicht ausüben, wenn ein Staat in der Lage und willens ist die Strafverfolgung durchzuführen. Regelmäßig ist ein Staat dann in der Lage, die Strafverfolgung im Umfang des Strafgerichtshofs durchzuführen, wenn sein nationales Strafrecht das Strafrecht des IStGH-Statuts abdeckt. Die Bundesrepublik Deutschland war völkerrechtlich also nur dazu verpflichtet, das IStGH-Statut umzusetzen und nicht über dieses hinauszugehen. In Deutschland hat man sich jedoch mit dem bereits epochalen Schritt der Strafbarkeit der Tatbestände des IStGH-Statuts nicht begnügt.

Nach der damaligen Bundesministerin der Justiz Däubler-Gmelin sollte der Entwurf des VStGB wo es sinnvoll und rechtlich möglich ist, über das IStGH-Statut hinausgehen, um die Vereinheitlichung der Strafbarkeiten im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt auf der breiteren Grundlage des weiterentwickelten und gesicherten Völkergewohnheitsrecht zu erreichen.[16]

Die Ausweitung sämtlicher Kriegsverbrechenstatbestände des IStGH-Staut auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, die Aufgabe des so genannten two box approach, wird mit einem Verweis auf das Tadic-Urteil

des Internationale Strafgerichtshofs für die Ahndung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) begründet. Seitdem wird vertreten, die traditionelle Unterscheidung zwischen einem internationalen und einem nichtinternationalem bewaffneten Konflikt könne für den Bereich des Völkerstrafrechts in ihrer Absolutheit nicht mehr aufrechterhalten werden.[17]

Der ICTY hat im Tadic-Urteil tatsächlich die Definitionen des internationalen bewaffneten Konflikts und des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts zusammengefasst und nur von einem bewaffneten Konflikt gesprochen. Nach Auffassung des ICTY können demnach grundlegende Prinzipien des Rechts des internationalen bewaffneten Konflikts auch auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar sein:

125. State practice shows that general principles of customary international law have evolved with regard to internal armed conflict also in areas relating to methods of warfare. In addition to what has been stated above, with regard to the ban on attacks on civilians in the theatre of hostilities, mention can be made of the prohibition of perfidy. Thus, for instance, in a case brought before Nigerian courts, the Supreme Court of Nigeria held that rebels must not feign civilian status while engaging in military operations. (See Pius Nwaoga v. The State, 52 International Law Reports, 494, at 496-97 (Nig. S. Ct. 1972).)[18]

Unbeantwortet bleibt jedoch auch bisher die Frage, wie die Unterscheidung zwischen unbeteiligten und aufständischen "Zivilisten" getroffen werden soll und welchen Status letztere dann haben sollen. Grundsätzlich darf bezweifelt werden, ob für die prinzipielle Ausweitung des Verbots des unterschiedslosen Angriffs auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gesichertes Völkergewohnheitsrecht besteht. Völkergewohnheitsrecht entsteht nach überwiegender Auffassung, durch eine gleichförmige Staatenpraxis zu der eine entsprechende Rechtsaufassung, opinio juris hinzutritt.[19] Die Begründung völkerstrafrechtlicher Normen durch Völkergewohnheitsrecht ist problematisch. Die Existenz ungeschriebener völkergewohnheitsrechtlicher Strafnormen steht im starken Widerspruch zum nullum crimen Grundsatz.[20] Daneben ist die Existenz ungeschriebener völkergewohnheitsrechtlicher Strafnormen auch problematisch im Hinblick auf den Grundsatz des nulla poena sine lege scripta Grundsatzes.[21]

Zudem ist insbesondere die Begründung von Völkerstrafgewohnheitsrecht durch die Heranziehung der Urteilspraxis der ad-hoc Tribunale, wie der des ICTY und des Strafgerichtshofes für Ruanda (ICTR), grundsätzlich problematisch. Der ICTY und der ICTR wurden auf der Grundlage des Art 41. UN-Charta errichtet. Dies wurde damit begründet, dass Art. 41 UN-Charta dem Sicherheitsrat alles erlaube, was in Art 41. UN-Charta dem Sicherheitsrat nicht erlaubt sei. Nach der Logik dieses Arguments darf der Sicherheitsrat auch jegliche Standards internationaler Menschenrechtskonventionen ignorieren.[22]

Darüber hinaus hat sich der ICTY in seiner Begründung zwar ausführlich mit der Entstehung etwaigen Völkergewohnheitsrecht beschäftigt, sich dabei aber nur auf Statements, Resolutionen und Erklärungen gestützt, und nicht auf die operativer Praxis.[23] Damit fehlt es an dem Erfordernis der Staatenpraxis für die Entstehung etwaigen Völkergewohnheitsrechts.

Schiebt man diese Bedenken beiseite, ist zuzugeben, dass der ICTY explizit konstatiert, dass das Verbot des unterschiedslosen Angriffs auch im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt Geltung beansprucht:

127. Notwithstanding these limitations, it cannot be denied that customary rules have developed to govern internal strife. These rules, as specifically identified in the preceding discussion, cover such areas as protection of civilians from hostilities, in particular from indiscriminate attacks, protection of civilian objects, in particular cultural property, protection of all those who do not (or no longer) take active part in hostilities, as well as prohibition of means of warfare proscribed in international armed conflicts and ban of certain methods of conducting hostilities.[24]

Dies mag der wachsenden Überzeugung entsprechen, dass sich das Recht der beiden Konfliktarten aufeinander zu bewegt. Dies gilt aber nur dann, wenn sachliche Gegebenheiten die Anpassung nicht ausschließen.[25] Insbesondere ist es wenig hilfreich, wenn die Gerichtsbarkeit einen generellen Schutz von "civilians" postuliert, davon sogleich aber "participants in hostilities" wieder ausnimmt. Folgerichtig schränkt der ICTY seinen revolutionären Ansatz auch selbst in zweifacher Hinsicht wieder ein: Der ICTY konstatiert, dass nur eine Anzahl von Prinzipien des Rechts des internationalen bewaffneten Konflikts auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anwendbar sind und diese Ausweitung nicht im Sinne einer

mechanischen Verpflanzung dieser Prinzipien stattgefunden hat. Nur die Essenz der Prinzipien findet Anwendung:

126. The emergence of the aforementioned general rules on internal armed conflicts does not imply that internal strife is regulated by general international law in all its aspects. Two particular limitations may be noted: (i) only a number of rules and principles governing international armed conflicts have gradually been extended to apply to internal conflicts; and (ii) this extension has not taken place in the form of a full and mechanical transplant of those rules to internal conflicts; rather, the general essence of those rules, and not the detailed regulation they may contain, has become applicable to internal conflicts. (On these and other limitations of international humanitarian law governing civil strife, see the important message of the Swiss Federal Council to the Swiss Chambers on the ratification of the two 1977 Additional Protocols (38 Annuaire Suisse de Droit International (1982) 137 at 145-49.))[26]

5. Fazit

Folglich findet sich für eine generelle Anwendung des Verbots des unterschiedslosen Angriffs im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB wie die Generalbundesanwaltschaft es getan hat, keine völkerrechtliche Grundlage. Die große Mehrheit der bewaffneten Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg sind nichtinternationale bewaffnete Konflikte. Daher ist auch eine völkerstrafrechtliche Einhegung des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts nicht nur wünschenswert, sondern dringend erforderlich. Dies darf aber nicht durch eine pauschale Ausweitung der Prinzipien des Rechts des internationalen bewaffneten Konflikts auf den nicht internationalen bewaffneten Konflikt geschehen. Beide Konfliktarten sind grundverschieden. Daher behandeln die geltende Rechtsordnung und die überwiegende Mehrheit der Staaten den internationalen bewaffneten Konflikt und den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt nach wie vor getrennt.[27]

Auf dem Boden interner Konflikte wie sie zum Beispiel in Afghanistan geführt werden, ist die begriffliche Unterscheidung Zivilist / Kombattant nicht nur völkerrechtlich unmöglich, auch die Unterscheidung Aufständischer / unbeteiligter Zivilist bleibt oftmals für die Handelnden praktisch kaum durchführbar:

"The burden of decision on whether to open fire or not lay heavily on all the British, and often demanded a degree of judgment and maturity that it was perhaps not always reasonable to expect of them. Gunman or civilian; civilian or gunman? The enemy wore no uniforms in Helmand, and could effectively switch identity simply by putting down or picking up a weapon."[28]

Deshalb kommt es entscheidend darauf an, welche Vorstellung der zum Kampf berechtigte Soldat ex ante aus seiner Sicht von der Lage haben durfte.

III. Deutsche Soldaten keine Kombattanten im ISAF-Einsatz

Die Generalbundesanwaltschaft führt an, dass die Soldaten der Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Mandats - im Gegensatz zu den Aufständischen - reguläre Kombattanten seien.[29]

Wie die Generalbundesanwaltschaft zu Recht festgestellt hat, ist auch im Norden Afghanistans, dem Einsatzgebiet der Bundeswehr spätestens seit Beginn des Jahres 2009 die Schwelle zum nichtinternationalen bewaffneten Konflikt überschritten worden.[30] In einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gibt es jedoch keinen Kombattanten.[31] Die Regeln des Humanitären Völkerrechts über einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt finden sich in Art. 3 der Genfer Konventionen (1949) und im ZP II.[32] Zudem gelten noch ergänzend völkergewohnheitsrechtliche Bestimmungen und allgemeine Grundsätze des Humanitären Völkerrechts. In einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt des Art. 3 der Genfer Konvention (1949) sind Taliban Terroristen, die nationales afghanisches Recht verletzen.[33] Das Privileg des Kombattantenstatus steht den Taliban nicht zu. Daran ändert sich auch nichts, wenn man eine Bindung Aufständischer an völkergewohnheitsrechtliche Normen des Humanitären Völkerrechts bejaht. Die Bindung wird beispielsweise damit begründet, dass sich die Regeln des Humanitären Völkerrechts zweifellos unmittelbar an einzelne Personen richten.[34] Ein besonderer Status wie der des Kombattanten ist hierfür nicht erforderlich. In Afghanistan wird deutlich, dass sich Taliban jedoch nicht an das Humanitäre Völkerrecht gebunden sehen. Dies wird beispielsweise durch die gezielte Bekämpfung von Sanitätsfahrzeugen der Bundeswehr, die das Schutzzeichen des Roten Kreuzes tragen, dokumentiert.[35]

Genauso wenig nimmt das ZP II eine etwaige Kategorisierung vor, sondern setzt voraus, dass die gesamte Be-

völkerung zivil ist.[36] Die Zivilbevölkerung genießt Schutz sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt.[37] Die Soldaten der Bundeswehr unterstützen lediglich die nationalen afghanischen Streitkräfte, die Afghan National Army (ANA) und die nationale Polizei Afghanistans, die Afghan National Police (ANP) bei der Aufstandsbekämpfung. Die Soldaten der ANA und die Angehörigen der ANP sind selbst ebenfalls keine Kombattanten. Die Soldaten der ANA sind die legitime militärische Macht des Staates, die Aufständische zulässigerweise mit dem Einsatz militärischer Mittel bekämpft. Folglich ist es unrichtig, wenn die Generalbundesanwaltschaft von Bundeswehrsoldaten begrifflich als Kombattanten spricht.

Im Übrigen kann es von der Generalbundesanwaltschaft im Ergebnis auch nicht gewollt sein, den Soldaten der Bundeswehr den Kombattantenstatus zu verleihen. Wenn Soldaten der Bundeswehr Kombattanten sind, wären sie ein legitimes militärisches Ziel und dürften nach dem Humanitären Völkerrecht bekämpft werden. Gegen diese Annahmen spricht schon, dass die Generalbundesanwaltschaft bei jedem gefallenen deutschen Soldaten ermittelt. Zu Recht, denn die Aufständischen sind Kriminelle, die auch nationales afghanisches Recht brechen, wenn sie Anschläge und militärische Operationen gegen die legitime afghanische Staatsmacht sowie gegen die Streitkräfte der sie unterstützenden Assistance Force durchführen. Schließlich sind die Taliban zudem nicht fähig, das Privileg des Kriegsgefangenenstatus nach dem III. Genfer Abkommen zu gewähren.

IV. Verhältnismäßigkeitsgebot versus Exzessverbot

Die Generalbundesanwaltschaft übernimmt die Formulierung "außer Verhältnis" des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB für das im Humanitären Völkerrecht und im IStGH-Statut für die Kriegsverbrechen geltende Exzessverbot. So formuliert die Generalbundesanwaltschaft für den subjektiven Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, dass die "Kollateralschäden" außer Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil stehen. Für den deutschen Juristen ist diese Formulierung sehr nahe am negativen Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung des deutschen Verwaltungs- und Verfassungsrechts. Die Generalbundesanwaltschaft übernimmt unkritisch den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB.

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ist die Durchführung eines Angriffs mit militärischen Mitteln strafbar, wenn dabei sicher erwartet wird, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen in einem Ausmaß verursacht, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht. Dabei orientiert sich die Formulierung in § 11 VStGB offensichtlich an der amtlichen deutschen Übersetzung des IStGH-Statuts. In der amtlichen deutschen Übersetzung des Art. 8 Abs. 2 b (iv) IStGH-Statut wird als Kriegsverbrechen wörtlich unter Strafe gestellt:

"iv) vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen, die in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;"[38]

Diese Übersetzung ist jedoch weder von der authentischen französischen, noch von der authentischen englischen Fassung des IStGH-Statuts gedeckt. In der englischen Fassung des Art. 8 Abs. 2 b (iv) IStGH-Statut heißt es nämlich:

"(iv) Intentionally launching an attack in the knowledge that such attack will cause incidental loss of life or injury to civilians or damage to civilian objects or widespread, long-term and severe damage to the natural environment which would be clearly excessive in relation to the concrete and direct overall military advantage anticipated;"[39]

In der englischen Fassung des Art. 8 Abs. 2 b (iv) IStGH-Statut werden also nur Angriffe als Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt, die clearly excessive zum militärischen Vorteil stehen. Sicherlich besteht bei jeder Formulierung ein gewisser Interpretationsspielraum. Jedoch ist die Formulierung clearly excessive unmissverständlich weiter gefasst, als das "außer Verhältnis" der amtlichen deutschen Übersetzung. Die authentische englische Fassung statuiert also ein Exzessverbot. Die deutsche amtliche Fassung hingegen führt zu einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

In der gleichfalls authentischen französischen Fassung wird ebenfalls von einem exzessiven Schaden im Verhältnis zum militärischen Vorteil gesprochen:

"iv) Le fait de diriger intentionnellement une attaque en sachant qu'elle causera incidemment des pertes en vies humaines dans la population civile, des blessures aux personnes civiles, des dommages aux biens de caractère civil ou des dommages étendus, durables et graves à l'environnement naturel qui seraient manifestement excessifs par rapport à l'ensemble de l'avantage militaire concret et direct attendu ;"[40]

Aus der Übernahme einer offensichtlich fehlerhaften Übersetzung des IStGH-Statuts allein kann nicht der

gesetzgeberische Wille abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber das Exzessverbot des Humanitären Völkerrechts in ein Unverhältnismäßigkeitsverbot umwandeln wollte. Konkrete Anhaltspunkte im Gesetzgebungsverfahren, die einen solchen Paradigmenwechsel vollziehen wollten, sind nicht erkennbar. Daher ist das Tatbestandsmerkmal des "außer Verhältnis" des § 11 VStGB als Exzessverbot teleologisch zu reduzieren.

Die Missinterpretation des Exzessverbots findet sich ebenso in der völkerstrafrechtlichen Literatur, dort wird teilweise vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Verhältnismäßigkeitsmaßstab gesprochen.[41] Aber auch in der Literatur zum Humanitären Völkerrecht finden sich nicht selten Missinterpretationen des Exzessverbots des Humanitären Völkerrechts als Verhältnismäßigkeitgebot oder sogar als Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.[42] Auch Militärjuristen aus der Praxis verkennen diesen elementaren Grundsatz des Humanitären Völkerrechts.[43] Auch hier beruht diese Missinterpretation wohl auf einer unrichtigen oder zumindest nicht präzisen Übersetzung der Vertragstexte in Bezug auf das Exzessverbot.[44] So heißt es in der deutschen amtlichen Übersetzung des Art. 51 Abs. 5 b) ZP I:

"Unter anderem sind folgende Angriffsarten als unterschiedslos anzusehen:

a)…

b) ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwartenden konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil."[45]

Die Generalbundesanwaltschaft spricht in seinem Einstellungsbeschluss unter der Prüfung des § 211 StGB und der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit schließlich dann auch von einem "Exzessverbot".[46] Dabei prüft sie dann das Erfordernis eines offensichtlichen Exzesses.[47] Andererseits spricht die Generalbundesanwaltschaft auf derselben Seite auch von einer spezifischen Verhältnismäßigkeit.[48]

Allerdings hat dies keine Auswirkung, da die Generalbundesanwaltschaft keinen Kollateralschaden feststellt. Es kommt also gar nicht zu einer inhaltlichen Beurteilung der Frage des Exzesses. Zudem konstatiert die Generalbundesanwaltschaft, dass die Gefährdung eigener Truppen nicht zumutbar war.[49] Im Falle der Eigengefährdung kann der Schaden nie exzessiv sein. Die Eigengefährdung bricht alles. Hier kommt der Notwehrgedanke wieder zum Tragen.

V. Keine Anwendbarkeit des StGB neben dem VStGB

Die Generalbundsanwaltschaft ist der Auffassung, dass das StGB neben dem VStGB anwendbar ist.[50] Nach der Generalbundesanwaltschaft kommt so eine Strafbarkeit nach allgemeinem Strafrecht generell in Betracht, wenn einzelne Tatbestandsmerkmale von Tatbeständen des VStGB im Einzelfall nicht gegeben sind.[51] Vor diesem Hintergrund bewertet die Generalbundesanwaltschaft das Handeln Oberst Kleins auch nach § 211 StGB.

Für diese Auffassung spricht, dass gemäß § 1a Abs. 2 Wehrstrafgesetz das deutsche Strafrecht für alle Auslandstaten deutscher Soldaten, die während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begangen werden, anwendbar ist. Damit ist von deutschen Soldaten auch im Ausland das deutsche Strafrecht zu beachten. Daher sollen auch Fälle wie die des Angriffs vom 4. September 2009 nach dem allgemeinen deutschen Strafrecht insbesondere nach § 211 StGB beurteilt werden.[52]

In der Literatur wird nahezu ausnahmslos vertreten, dass neben den speziellen Tatbeständen des VStGB die Tatbestände des allgemeinen Strafrechts anwendbar bleiben.[53]

Bezeichnenderweise wird von denselben Stimmen, die die Anwendbarkeit des allgemeinen Strafrechts neben dem VStGB bejahen, zum Teil sogar noch im selben Satz daraufhingewiesen, dass die Tatbestände des allgemeinen Strafrechts regelmäßig hinter den Regelungen des VStGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten.[54] Die Anwendbarkeit des allgemeinen Strafrechts auf Handlungen, wie die des Oberst Klein ordnet scheinbar auch § 2 VStGB an.[55] Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass eine abschließende Sonderregelung für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten oder im Zusammenhang mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung begangen werden, nicht gewollt war.[56] Bizarrerweise nennt die Gesetzesbegründung gerade das Beispiel eines Flugzeugpiloten, der völkerrechtliche gebotene Vorsichtsmaßnahmen nicht getroffen hat, und deshalb beim Abwurf von Bomben Zivilpersonen tötet. Dieser Flugzeugpilot soll wegen vorsätzlicher Tötung bestraft werden.[57] Nach dem scheinbaren Willen des Gesetzgebers sollen die §§ 211 ff. StGB auch dann anwendbar sein, wenn die Zahl der Opfer die Schwelle des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB nicht erreicht und die Unterscheidung zwischen legitimen militärischen Zielen und kollateralen Gütern verletzt hat.[58]

Nach dieser Auffassung ist es konsequent, wie es die Generalbundesanwaltschaft getan hat, § 211 StGB hinsichtlich des Mordmerkmals der Tötung in gemeingefährlicherweise nach § 211 Abs. 2 Var. 7 StGB zu prüfen.

1. Strafrechtliche Sperrwirkung

Im Ergebnis führt dies jedoch zu sinnwidrigen und nicht gewollten widersprüchlichen Wertungen. Die nach den Regeln des Humanitären Völkerrechts begangene gemeingefährliche Tötung, die die Unterscheidung zwischen legitimen militärischen Zielen und kollateralen Gütern vornimmt, bleibt straffrei. Dieselbe Tat unter Verletzung der Pflicht, aber ohne die sichere Erwartung eines exzessiven Kollateralschadens im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, soll als Mord gemäß § 211 StGB mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden. Erwartet der Täter jedoch den exzessiven Kollateralschaden, droht ihm nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 VStGB nur eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Diese Sinnwidrigkeit verdeutlicht, dass die Annahme der generellen Anwendbarkeit des allgemeinen Strafrechts neben dem VStGB nicht haltbar ist.[59]

Hinter dieser Sinnwidrigkeit steht das Problem des Konstrukts der gerechtfertigten Tat für das Handeln von Hoheitsträgern. In der deutschen Rechtsordnung sind strafrechtsrelevante Handlungen aller Hoheitsträger tatbestandsmäßig und können beim Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes gerechtfertigt sein. Das Humanitäre Völkerrecht, das Völkerstrafrecht und das VStGB hingegen gehen davon aus, dass Tötungshandlungen eo ipso nicht strafbar oder gar tatbestandsmäßig sind. Erst Tötungshandlungen, die zum Beispiel exzessiv oder allein Unbeteiligte treffen, sind verboten und mit Strafe bewert. Insofern steht die Anwendung des StGB neben dem VStGB im Widerspruch zur Ausgangsprämisse des VStGB.

Dieser Widerspruch kann auch nicht mit dem Hinweis darauf aufgelöst werden, dass für die Glaubwürdigkeit des weltweiten Eintretens für die Achtung der Menschenrechte durch die Bundesrepublik die postulierten Normen des VStGB im Hinblick auf das eigene Militär nicht in das Gegenteil verkehrt dürften.[60] Vielmehr wird hier der moralische Impetus sichtbar, der vor dem Hintergrund der historischen Bedeutung des VStGB, strafrechtliche und verfassungsrechtliche Argumente ignoriert. Dies wurde sogar im Gesetzgebungsverfahren von Beteiligten quasi eingestanden. So erklärte der Bundestagsabgeordnete Dr. Norbert Röttgen in der Ersten Lesung, dass bei dem einen oder anderen Tatbestand sicher fraglich sei, ob er dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes genüge.[61] Zudem steht die Bundesrepublik Deutschland mit der Anwendung des allgemeinen Strafrechts neben dem Völkerstrafrecht weitgehend isoliert da. Nota bene wenden nämlich fast alle anderen Staaten, die in Afghanistan Streitkräfte einsetzen, bei entsprechenden Sachverhalten nicht das nationale zivile Strafrecht an, sondern ausschließlich Völkerstrafrecht.[62]

2. Verfassungswidrigkeit

Neben den strafrechtlichen Bedenken, ist es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar, auftragsgemäße militärische Operationen, wie die vom 4. September 2009 nach allgemeinem Strafrecht zu beurteilen.

Lediglich vereinzelt und in apodiktischer Kürze wird vertreten, dass die Verfolgung einer Handlung im Rahmen eines bewaffneten Konflikts nach allgemeinem Strafrecht, die keine Verletzung des Völkerstrafrechts ist, das Bestimmtheitsgebot verletze.[63] Selbst wenn man sich

dieser Auffassung nicht anschließt, dürfte die Anwendung des allgemeinen Strafrechts für Handlungen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts aus anderen Gründen verfassungsrechtlich fragwürdig sein. Der Staat selbst ist nämlich mit seinen Organen handelnde Partei. Der Soldat als Hoheitsträger wendet letale Gewalt im Rahmen seines verfassungsmäßig festgelegten Auftrages nach dem Willen der Regierung an. Entscheidend ist, dass das grundlegende Paradigma des Völkerrechts, der Trennung zwischen ius ad bellum und ius in bello nicht verletzt wird. Dass ein Recht zur Anwendung militärischer Gewalt besteht, kann nach dieser Dichotomie nichts darüber aussagen, ob ein Soldat das Recht im Kriege beachtet oder verletzt hat. Ist die Schwelle zu einem bewaffneten Konflikt überschritten, hat der Soldat ein Recht tödliche Gewalt im Rahmen des ius in bello anzuwenden.

So wird auch in der modernen deutschen Völkerstrafrechtsliteratur zu Recht konstatiert und nicht geleugnet, dass insbesondere das Tötungsverbot im Zusammenhang mit völkerrechtskonformen Handlungen außer Kraft gesetzt ist.[64] Der Soldat darf unzweifelhaft als Kombattant im internationalen bewaffneten Konflikt kämpfen,[65] ergo auch töten. Gleichwohl ist Ciceros Diktum inter arma leges silent nicht (mehr) richtig. Der Kombattant bleibt für die bloße Teilnahme an Kampfhandlungen nur bei Beachtung aller für die jeweilige Kampfhandlung im internationalen bewaffneten Konflikt geltenden Völkerrechts straflos.[66] Verstößt der Kombattant im internationalen bewaffneten Konflikt gegen das für die Kampfhandlung geltende Völkerrecht ist er nach Wehr- oder Militärstrafrecht seiner Konfliktpartei zur Rechenschaft zu ziehen.[67]

Im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt darf der als Unterstützung der Staatsgewalt des sich in der Aufstands-bekämpfung befindlichen Staates aus der Sicht des Völkerrechts grundsätzlich ebenso tödliche Gewalt anwenden. Folglich ist das innerstaatliche friedensrechtliche Tötungsverbot denknotwendig auch hier suspendiert. Dass völkerrechtskonformes Töten in einem bewaffneten Konflikt nicht dem innerstaatlichen Tötungsverbot zuwiderläuft ist selbstevident. Die Straftatbestände des StGB beschreiben Unrechtsverhalten innerhalb friedlicher Verhältnisse der staatlichen Gemeinschaft.[68]

Diese auch im Völkergewohnheitsrecht bestehende Erlaubnis, letale Gewalt anzuwenden, wird durch Art. 25 GG in das deutsche Recht überführt. Als transformiertes oder adaptiertes Völkerrecht steht es im deutschen Gesetzesaufbau unbestritten zumindest auf der Ebene eines Bundesgesetzes. Daher ist nicht einzusehen, warum die völkerrechtliche Erlaubnis im deutschen Recht zu einer Rechtfertigungsnorm gewendet werden soll.

Die Gründe für die gegenteilige Auffassung finden sich offensichtlich in der Verneinung der Tatsache, dass das Militär existenzielle Voraussetzung der Staatlichkeit ist.[69] Und die Streitkräfte, wenn sie im und im Rahmen des Auftrag des Staates, sowie völkerrechtskonform handeln, verfassungsgemäß Existenzsicherung betreiben. Hierfür braucht man nicht auf den Ausnahmezustand Carl Schmitts zu rückzugreifen. Nach Schmitt suspendiert der Staat im Ausnahmefall das Recht kraft seines Selbsterhaltungsrechts.[70] Der Staat habe eine prinzipielle unbegrenzte Befugnis, die Suspendierung der gesamten Rechtsordnung, der Staat bliebe bestehen, während das Recht zurücktrete.[71] Auch Antipoden Carl Schmitts, wie etwa der Staatsrechtslehrer Hermann Heller erkennen an, dass die militärische Gewalt, dadurch dass sie die politische Funktion nach außen und nach innen sichert, eine unersetzliche Existenzbedingung einer jeden Staatsgewalt ist.[72] Streitkräfte sind damit ein tragendes Element der Staatlichkeit -zumindest so lange das friedliche Zusammenleben der Völker nur eine Wunschvorstellung bleibt. Wenn der Soldat militärische Gewalt gemäß seines verfassungsmäßigen Auftrages, und in Übereinstimmung mit den Regeln des ius ad bellum sowie im Rahmen des Humanitären Völkerrechts anwendet, kann der Staat nicht gleichzeitig den Soldaten mit dem allgemeinen Strafrecht aus dem Friedenszustand konfrontieren. Der Soldat hat einerseits die konkrete Pflicht die Existenz des Staates in einem bewaffneten Konflikt zu schützen. Führt nun der Soldat seinen Auftrag pflichtgemäß und völkerrechtskonform aus, kann derselbe Staat den Soldaten nicht gleichzeitig mit dem friedensrechtlichen Tötungsverbot konfrontieren.

3. Treuwidrigkeit

Darüber hinaus ist es nicht nur widersprüchlich, den deutschen Soldaten mit dem friedensrechtlichen Tötungsverbot zu konfrontieren, sondern auch treuwidrig. Zwischen dem Staat und dem Soldaten besteht ein besonderes und gegenseitiges Treueverhältnis, das den Soldaten zum treuen Dienen und den Staat zur Fürsorge verpflichtet.[73]

Einerseits wird dem Soldaten ein verfassungsmäßiger, zusätzlich vom ius ad bellum gedeckten Auftrag zu erteilt, der ihn als rechtmäßigen Akteur in einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt setzt, Aufständische oder Insurgenten militärisch d.h. auch mit letaler Gewalt zu bekämpfen. Dabei werden sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und Leben aus Art. 2 Abs. 2 S 1 GG insbesondere aufgrund der Tapferkeitspflicht nach § 7 SG eingeschränkt. Der Staat schränkt die grundrechtlich geschützten Güter Leben und Gesundheit des Soldaten in einem bewaffneten Konflikt bereits dadurch ein, in dem er dem Soldaten auferlegt, sich entsprechenden Gefah-

ren, insbesondere der tödlichen Gefahr auszusetzen. Andererseits konfrontiert der Staat den Soldaten jedes Mal, wenn der Soldat auftragsgemäß Gewalt einsetzt mit dem Tötungsverbot des Friedenszustandes.

Dieser pflichtwidrige Widerspruch ist bereits vor einer konkreten Handlung existent und hat nicht hinnehmbare Außenwirkung. Der Soldat wird in eine völkerrechtliche Lage exponiert, in der er permanent mit seiner physischen Existenzvernichtung zu rechnen hat, weil der Gegner letale Gewalt gegen ihn einsetzt, im Falle des internationalen bewaffneten Konflikts sogar rechtmäßig. Gleichzeitig wird dem Soldaten aber grundsätzlich strafrechtlich verboten, seinen Auftrag mit letaler Gewalt, was den Einsatz militärischer Gewalt kennzeichnet und von jeder anderen staatliche Gewalt unterscheidet, auszuführen und dabei letztlich immer auch sein eigenes Leben zu schützen, es sei denn, er kann eine völkerrechtliche oder gesetzliche Rechtfertigung geltend machen. Diese absurde Konstruktion der Beibehaltung des tatbestandlichen Vorwurfs bei bestehender Rechtfertigung ist für den Soldaten nur schwerlich nachvollziehbar.

4. Soziale Adäquanz

Daneben schließt auch der Gedanke der sozialen Adäquanz des Tötens im Rahmen eines bewaffneten Konflikts die Tatbestandsmäßigkeit der Normen des allgemeinen Strafrechts, insbesondere des Tötungsverbots aus. Dagegen wird angeführt, dass soziale Adäquanz üblicherweise nur gebilligtes Verhalten in der sozialen Gemeinschaft erfasst und sich daher nicht auf militärisches Handeln erstreckt.[74]

Der Soldat handelt im Rahmen der Verfassung und aufgrund der Verfassung, im Rahmen des ius in bello und darüber hinaus sogar noch im Einklang mit dem ius ad bellum. [75] Der Soldat ist bereits aufgrund der Verfassung Teil der sozialen Gemeinschaft. Handelt der Soldat gemäß seines verfassungsmäßigen und bestimmungsgemäßen Auftrages im Rahmen des Völkerrechts und Wehrrecht, kann diesem Verhalten nicht die Sozialadäquanz abgesprochen werden.

Die Gefahr, dass unbeteiligte Zivilpersonen im Rahmen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts gefährdet oder verletzt werden, wird von der Rechtsordnung nicht nur hingenommen, sondern ist völkerrechtliches Prinzip. Jedenfalls wird dieses Verhalten durch das strafrechtliche Tötungsverbot nicht missbilligt.

5. Der Grundsatz "Ultra posse nemo obligatur" gilt auch für das Strafrecht

Zudem ist im Ergebnis die Anwendung des allgemeinen Strafrechts neben dem VStGB auch praktisch nicht konsequent durchführbar. Dann müsste man auch regelmäßig Sachbeschädigung im Rahmen von Gefechtshandlungen prüfen, wenn etwa der patrouillierende Soldat in einer tatsächlichen oder vermeintlichen Gefechtssituation Eigentum afghanischer Bürger beschädigt. Dies kann durch Beschuss oder beispielsweise durch Beschädigung von Feldern geschehen, wenn der Soldat Deckung sucht, um sein Leben zu schützen und dabei seinen Auftrag auszuführen.

Auch die Anwendung des deutschen Umweltrechts würde im Rahmen eines bewaffneten Konflikts zu absurden Anforderungen führen. So kann beispielsweise ein notwendiger Ölwechsel an einem Gefechtsfahrzeug im Feld nicht nach den Anforderungen des deutschen Umweltstrafrechts durchgeführt werden. Ultra posse nemo obligatur - auch das Strafrecht kann nichts Unmögliches verlangen.

Wenn man gleichwohl die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts in bewaffneten Konflikten neben dem VStGB bejaht, sähe sich der Soldat einer permanenten und allgegenwärtigen strafrechtlichen Rechtfertigungspflicht ausgesetzt. Dabei müsste der Soldat für jede kleinste Verletzung strafrechtlicher Tatbestände des Friedenszustandes die militärische Notwendigkeit und völkerrechtliche Legalität darlegen. Dies ist mit dem verfassungsmäßigen Auftrag des Soldaten nicht nur rechtlich unvereinbar. Faktisch behindert diese Interpretation auch den einzelnen Soldaten vom Gefreiten bis zum General an der Erfüllung seines von demselben Staat erteilten Auftrages. Da er sich bei der Auftragsausführung permanent dem Vorwurf des kriminellen Handelns insbesondere dem Tötungs- oder gar Mordvorwurf ausgesetzt sieht, der für seine Tätigkeit nicht geschaffen wurde. Dies kann vom Staat nicht gewollt sein.

6. Konfusion zwischen Strafrecht und Humanitärem Völkerrecht

Zudem kommt es zu einer Konfusion zwischen Humanitären Völkerrecht und Strafrecht. Wenn die notwendige und zu begrüßende Tendenz, das Recht des internationalen bewaffneten Konflikts grundsätzlich auch auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt auszudehnen, bejaht wird, muss auch eine Anpassung der strafrechtliche Bewertungen vorgenommen werden. Dort muss sich das nationale Strafrecht dann auch entsprechend hinsichtlich militärischer Operationen, wie sie auch im internationalen bewaffneten Konflikt stattfinden zurückziehen. Sonst entsteht nicht nur eine Überlappung beider Rechtsregime, sondern auch eine Konfusion, weil beide von verschiedenen Paradigmen ausgehen. Wo und wenn Streitkräfte operieren, muss das für Streitkräfte geschaffene Völkerrecht und Völkerstrafrecht angewendet werden.

7. Keine Strafbarkeitslücken aufgrund des Wehrstrafrechts und des Wehrdisziplinarrechts

Nach der Gesetzesbegründung wurde auf eine generelle Festlegung der Spezialität des VStGB verzichtet, um

Strafbarkeitslücken zu vermeiden.[76] Strafbarkeitslücken werden jedoch aufgrund der Anwendbarkeit des Wehrstrafrechts nicht entstehen. Vielmehr noch ist das Wehrstrafrecht umfassender als das allgemeine Strafrecht.

Beispielhaft ist hier die Gehorsamsverweigerung nach § 20 WStG[77] anzuführen:

Dem Hauptgefreiten Müller wird auf einer Patrouille in Afghanistan von seinem Vorgesetzten ein Feuerverbot erteilt. Trotzdem schießt Müller auf ein nicht militärisches Ziel. Hier wird der Soldat nach dem Völkerstrafrecht bestraft, weil er auf ein nicht legitimes militärisches Ziel geschossen hat und Menschen verletzt oder gar getötet hat. Zudem hat der Soldat Müller den Gehorsam verweigert und sich nach § 20 WStG strafbar gemacht.

Dem Soldaten Meier wird auf einer Patrouillenfahrt in Afghanistan ein Feuerbefehl erteilt. Dennoch schießt der Soldat nicht. Es kommt zu keiner Außenwirkung. Es kommt auch nicht zu einer konkreten Gefährdung eigener Soldaten, weil die Angreifer von der Patrouille plötzlich ablassen und ausweichen. Hier greift das Völkerstrafrecht nicht. Gleichwohl greift das Wehrstrafrecht, das nach § 20 WStG auch hier die Gehorsamsverweigerung bestraft.

Insofern kommt es aufgrund der Anwendbarkeit des WStG nicht zu einer Strafbarkeitslücke. Das Wehrstrafrecht ist darüber hinaus noch umfassender als das allgemeine Strafrecht. Leider hat sich die Generalbundesanwaltschaft hierzu nicht geäußert.

Zudem gilt für deutsche Soldaten neben dem Wehrstrafrecht noch das umfassende Wehrdisziplinarrecht. In Deutschland ist das Wehrdisziplinarrecht, anders als beispielsweise in den USA nicht Teil des Wehrstrafrechts. Die Wehrdisziplinarordnung (WDO) wird dem Verwaltungsrecht zugeordnet. Daher kann man formal nicht davon sprechen, dass durch die WDO Strafbarkeitslücken geschlossen werden. Allerdings treffen gerichtliche Disziplinarmaßnahmen wie Beförderungsverbot, Dienstgradherabsetzung und Entfernung aus dem Dienstverhältnis, den Soldaten weit empfindlicher als geringe Strafen nach dem allgemeinen Strafrecht. Insofern lässt auch die WDO das Entstehen von Strafbarkeitslücken faktisch nicht zu.

8. Fazit

Im locus belli ist das allgemeine Strafrecht für die strafrechtliche Beurteilung militärischer Operationen nicht anwendbar. Nur das WStGB findet neben dem VStGB für Taten, die in einem Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stehen Anwendung. Die Grundlagen der Beurteilung militärischer Gewalt aus der Sicht des Strafrechts sind bisher kaum hinreichend geklärt.[78] Mit pauschalen Ausweitungen ohne die Berücksichtigung der Besonderheiten des Rechts des bewaffneten Konflikt sowie des Verfassungsrechts kann diese jedoch nicht gelingen. Hier ist ein neues Forschungsfeld entstanden, das erst noch bearbeitet werden muss.[79]

VII. Zusammenfassung

Der Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft leidet nicht nur an völkerrechtlicher Präzision, sondern übernimmt auch falsche völkerrechtliche Wertungen des VStGB. Das Verbot des unterschiedslosen Angriffs kann nicht unmittelbar in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gelten. Dies kann auch nicht aus der sogenannten Tadic-Rechtsprechung, die zur Begründung der problematischen Ausweitung der Kriegsverbrechentatbestände des IStGH-Statuts durch das VStGB herangezogen wird, gefolgert werden. Das völkerrechtliche Exzessverbot gilt auch für die relevanten Tatbestände des VStGB, für eine Umwandlung des im IStGH-Staut bestätigten Exzessverbots in ein Verhältnismäßigkeitserfordernis gibt es keine Legitimität. Das allgemeine Strafrecht ist für Taten die im Zusammenhang mit einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt begangen werden nicht anwendbar. Strafbarkeitslücken entstehen aufgrund des umfassenden WStG nicht. Im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gibt es begrifflich keine Kombattanten im Sinne der Genfer Abkommen. Daher sind auch die Soldaten der Bundeswehr im ISAF-Einsatz in Afghanistan keine Kombattanten im Rechtssinne, wohl aber rechtmäßige Kämpfer.

Der Einstellungsbeschluss der Generalanwaltschaft ist zu begrüßen. Mit seiner Begründung wird den deutschen Soldaten im Einsatz jedoch nicht das erforderliche und ihnen zustehende Maß an Rechtssicherheit gegeben.


* Der Autor ist Rechtsanwalt und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sowie Doktorand an der Johannes Kepler Universität Linz. Besonderer Dank gilt Herrn Leitenden Regierungsdirektor Gerhard Stöhr, der den Anstoß für diese Untersuchung gegeben hat, sowie Herrn stud.iur. Leonhard Diekmann für die Hilfe bei der formalen Korrektur der Endfassung.

[1] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 46, 49, 51 ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011). Ausdrücklich auch Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft vom 19.04.2010 zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen des Luftangriffs vom 4. September, http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=12&newsid=360 (11.07.2011).

[2] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 45 ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011).

[3] Vgl. Ebenda, S. 46.

[4] Vgl. Ebenda, S. 51 ff.

[5] Vgl. Ipsen, Kombattanten und Nichtkombattanten, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des Humanitären Völkerrechts (1994), S. 56, der vom völkerrechtlichen Primärstatus spricht.

[6] Zivilpersonen können lediglich unter besonderen Voraussetzungen zum legitimen militärischen Ziel werden.

[7] Instruktiv International Committee Of The Red Cross, Interpretive Guidance On The Notion Of Direct Participation In Hostilities Under International Humanitarian Law, 2009, S. 39ff.

[8] So hat auch Bundesaußenminister Westerwelle im Februar 2010 die Situation im Verantwortungsbereich der Bundeswehr in Afghanistan als nichtinternationalen bewaffneten Konflikt qualifiziert. FAZ.NET vom 10.02. 2010, http://www.faz.net/artikel/C30190/bundeswehr-einsatz-westerwelle-bewaffneter-konflikt-in-afghanistan-30082331.html (11.07.2011).

[9] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 41ff ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011).

[10] Vgl. nur Häußler, Gezieltes Töten erlaubt, FAZ.NET vom 13.08.2010, http://www.faz.net/artikel/C31408/gastbeitrag-gezieltes-toeten-erlaubt-30038907.html (30.05.2011), Kreß/Nolte, Im ungleichen Krieg, FAZ.NET 31.12.2009 vom http://www.faz.net/artikel/C31408/gastbeitrag-im-ungleichen-krieg-30036993.html (30.05.2011).

[11] Gasser, Humanitäres Völkerrecht (2007), S. 81.

[12] Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Aktueller Begriff, Nr. 46 vom 28. Juni 2010, Zur völkerrechtlichen Kategorisierung von Konflikten, http://www.bundestag.de/ dokumente/analysen/2010/Kategorisierung_von_Konf-likten.pdf (30.05.2011).

[13] Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9. Aufl. (2008), S. 558.

[14] Für Afghanistan konstatieren das auch Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 83.

[15] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 46 ff. ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011).

[16] Vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches, Geleitwort der Bundesministerin de Justiz Däubler-Gmelin, S. VI.

[17] Ambos, in: Joecks / Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2009, Bd. 6 / 2, Vor § 8ff VStGB, Rn. 2, ähnlich: Werle, Völkerstrafrecht, 2. Aufl. (2007), Rn. 940 f.

[18] ICTRY, Prosecuter v. Tadic, Decision On The Defence Motion For Interlocutory Appeal On Jurisdiction, 2 octobre 1995, http://www.icty.org/x/cases/tadic/acdec/en/51002.htm (27.06.2011).

[19] Hobe, (Fn. 13), S. 191, Heintschel von Heinegg, in: Ipsen: Völkerrecht, 5. Aufl. (2008), § 16, Rn. 5 f., Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. (1984), § 551. Grundlegend kritisch zur Notwendigkeit von Völkergewohnheitsrecht im modernen Völkerrecht: Estreicher, Virginia Journal of International Law 2003, 5 ff.

[20] Ausführlich Dencker ZIS 2008, 298 ff.

[21] Ausführlich Satzger, Internationale und Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. (2011), § 15, Rn. 13.

[22] Dencker ZIS 2008, 298, 301.

[23] Meron AJIL 1996, 243.

[24] ICTRY, Prosecuter v. Tadic, Decision On The Defence Motion F or Interlocutory Appeal On Jurisdiction, 2 octobre 1995, http://www.icty.org/x/cases/tadic/acdec/en/51002.htm (27.06.2011), Hervorhebungen durch den Vefasser.

[25] Vgl. nur Gasser (Fn. 11), S. 59.

[26] ICTRY, Prosecuter v. Tadic, Decision On The Defence Motion For Interlocutory Appeal On Jurisdiction, 2 october1995, http://www.icty.org/x/cases/tadic/acdec/en/51002.htm (27.06.2011). Im Original ist " Annuaire Suisse de Droit International" fett gesetzt.

[27] Gasser (Fn. 11), S. 59.

[28] Ferguson, A Million Bullets (2008), S. 119.

[29] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 45 ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011).

[30] Vgl. Ebenda, S. 44.

[31] Solis, The Law of Armed Conflict (2010), S. 212.

[32] Der Unterschied zwischen Art. 3 der Genfer Konventionen (1949) und ZP II liegt darin, dass die Schwelle für die Anwendbarkeit des ZP II höher liegt. Beispielsweise durch das Erfordernis einer gewissen Kontrolle über ein Gebiet und eine höhere Intensität.

[33] Solis, (Fn. 31), S. 212.

[34] Gasser, (Fn. 11), S. 63.

[35] Dies führt sogar zu der bedenklichen Folge, dass die Schutzzeichen auf den Sanitätsfahrzeugen abgetarnt werden.

[36] Bouchet-Saulnier, The Practical Guide to Humanitarian Law (2007), S. 39.

[37] Vgl. Art. 13 Abs. 3 ZP II.

[38] BT-Drs. 14/2682 (14.02.200), S. 9 ff.

[39] Abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/0D8024D3-87EA-4E6A-8A27-05B987C38689/0/RomeStatuteEng.pdf (16.06.2011), Hervorhebungen durch den Verfasser.

[40] Abrufbar unter http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/ECB09E5F-26B0-48CD-862B-A9D6A191FC32/0/RomeStatuteFra.pdf (16.06.2011), Hervorhebungen durch den Verfasser.

[41] Vgl. Ambos, Fälle zum internationalen Strafrecht, 2. Aufl. (2010), S. 75, Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 84, Kreß/Nolte, Im ungleichen Krieg, FAZ.NET 31.12.2009 vom http://www.faz.net/artikel/C31408/gastbeitrag-im-ungleichen-krieg-30036993.html (30.05.2011), Kreß, "Da gilt Kriegsrecht", SPIEGEL 40 / 2009, Basak HRRS 2010, 513 515, Steiger/Bäumler AVR 2010, 198, 210.

[42] Vgl. Gasser (Fn. 11), S. 27: "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schließlich drückt aus, dass der Einsatz von Gewalt nur dann und nur insoweit berechtigt ist, als die Gewalt und die damit verursachten leiden und Zerstörung in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen.", ferner auch zumindest begrifflich Bothe, in: Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, § 8, Rn. 66, Oeter, Kampfmittel und Kampfmethoden, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, S. 143f, Schaller, Rechtssicherheit im Auslandseinsatz, SWP-Aktuell 2009, S.7.

[43] Vgl. nur Poretschkin, HuV-I 2010, 83, 84: "Der hierbei strikt anzuwendende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die oberste und zugleich einzig wirkliche Grenze bei den meisten Situationen." und 85: "Auch dem Völkerrecht ist nur zu entnehmen, dass zivile Kollateralschäden nur dann in Kauf genommen werden dürfen, wenn sie in einem hinreichenden Verhältnis zu dem militärischen Erfolg…stehen."

[44] Auf die Differenz zwischen englischer authentischer Fassung und deutscher Übersetzung weist bereits Dreist, UBWV 2006, 339 hin.

[45] Vgl. I. Zusatzprotokoll (1977), in: Dokumente zum Humanitären Völkerrecht / Documents on International Humanitarian Law, 2007, AA/DRK/BMVg

[46] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011) S. 64.

[47] Vgl. Ebenda, S. 66.

[48] Vgl. Ebenda.

[49] Vgl. Ebenda, S. 65.

[50] Vgl. Ebenda, S. 54.

[51] Vgl. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 56 ( http://www.generalbundesanwalt.de/docs/einstellungsvermerk20100416offen.pdf (29.07.2011).

[52] So etwa Ambos (Fn. 41), Fall 6 Rn. 44, S. 79, dessen generierter Fall explizit auf Ereignissen von Kundus im Jahr 2009 beruht, im Ergebnis aber zur Strafbarkeit der Beteiligten kommt.

[53] Vgl. Ambos NJW 2010, 1725, 1727, derselbe (Fn. 17), Vor §§ 8 ff VStGB, Rn. 45, Zimmermann ZRP 2002, 97, 100, derselbe, NJW 2002, 3068, 3069, Werle (Fn. 17), Rn. 306, Steiger/Bäumler AVR 2010, 198, 206ff, Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85, Basak HRRS 2010, 513ff, m. w. N. Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft vom 16.04.2010, S. 51; a. A. nur Bothe, Krieg in Afghanistan - Was die Bundeswehr darf, Sueddeutsche.de, 15.12.2009, http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/krieg-in-afghanistan-was-die-bundeswehr-darf-1.125474 (23.05.2011), Hertel HRRS 2010, 339, undeutlich: Kreß, "Da gilt Kriegsrecht", SPIEGEL 40 / 2009.

[54] Vgl. nur Ambos (Fn. 17), Vor §§ 8 ff VstGB, Rn. 45, Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85. Darüber hinaus gehen jedoch Steiger/Bäumler AVR 2010, 189, 208, die beispielsweise § 211 StGB und § 11 VStGB nebeneinander anwenden wollen. Ähnlich auch Zimmermann ZRP 2002, 97, 100, Diehl, BOFAXE Nr. 343D (2010).

[55] § 2 VStGB: Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1 und 3 bis 5 besondere Bestimmungen trifft.

[56] BT-Drs. 14/8524, S. 13.

[57] Ebenda.

[58] Ebenda, S. 33.

[59] Ausführlich: Hertel, HRRS 2010, 342.

[60] Vgl. aber nur Basak HRRS 2010, 513, 518.

[61] Erste Lesung vom 22. März 2002, Dr. Norbert Röttgen, abgedruckt in: Lüder/Vormbaum, Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, 2002, S. 76.

[62] Vgl. Interview Vorsitzender des DBWV Kirsch in Cicero 1/2010, abrufbar unter https://www.dbwv.de/C12574E8003E04C8/Print/W27ZMJ5S743DBWNDE (30.05.2011).

[63] Vgl.: Bothe, Krieg in Afghanistan - Was die Bundeswehr darf, Sueddeutsche.de, 15.12.2009, http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/krieg-in-afghanistan-was-die-bundeswehr-darf-1.125474 (23.05.2011).

[64] Satzger (Fn. 21), § 16, Rn. 53, Werle (Fn. 17), Rn. 902, Steiger/Bäumler AVR 2010, 189, 213.

[65] Ipsen (Fn. 5), S. 56.

[66] Ebenda, S. 58.

[67] Ebenda, S. 58.

[68] Vgl. Wolff NZWehrr 1996, 9, 12, der aber im Ergebnis zur Anwendbarkeit des allgemeinen Strafrechts im bewaffneten Konflikt kommt.

[69] Vgl. auch BVerfG, 2 BvE 2/08 vom 30.6.2009, Absatz-Nr. 255 http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20090630_2bve000208.html (11.07.2011).

[70] Carl Schmitt, Politische Theologie, 2. Aufl. (1934), S. 18.

[71] Ebenda, S. 17.

[72] Vgl. Heller, Staatslehre, 6. Aufl. (1983 (1. Aufl. 1934)), S. 236.

[73] Vgl. nur § 1 Abs. 1 S. 2 SG: Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden.

[74] Vgl. m. w. N. Dau NZWehrr 1996, 1.

[75] Obwohl der Soldat sich hinsichtlich des ius ad bellum grundsätzlich nicht zu rechtfertigen hat.

[76] BT- Drucksache 14/8524, S. 13.

[77] § 20 Gehorsamsverweigerung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wird bestraft,

1. wer die Befolgung eines Befehls dadurch verweigert, daß

er sich mit Wort oder Tat gegen ihn auflehnt, oder

2. wer darauf beharrt, einen Befehl nicht zu befolgen,

nachdem dieser wiederholt worden ist.

(2) Verweigert der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 den Gehorsam gegenüber einem Befehl, der nicht sofort auszuführen ist, befolgt er ihn aber rechtzeitig und freiwillig, so kann das Gericht von Strafe absehen.

[78] Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 11.

[79] Vgl. Satzger JuS 2004, 943, 948.