HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2012
13. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

6. BGH 3 StR 315/10 - Urteil vom 17. November 2011 (LG Verden)

BGHSt; Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan; nicht geringe Menge (Wirkungsweise; Wirkungsintensität; Konsumverhalten).

§ 29a BtMG; § 30 Abs. 1 BtMG

1. Für Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei 10 g der wirkungsbestimmenden Base. (BGHSt)

2. Der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen. (Bearbeiter)

3. Zwar ist nicht zu verkennen ist, dass sich - etwa wegen des Fehlens getrennter Märkte - ein praktisches Bedürfnis ergeben kann, zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Wirkungsweise, aber unterschiedlicher Wirkungsintensität einheitlich zu behandeln. Dem muss jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist. (Bearbeiter)


Entscheidung

35. BGH 1 ARs 19/11 - Beschluss vom 29. November 2011 (BGH)

Anfrageverfahren zur Aufgabe der Interessentheorie (Untreue; Bankrott; Merkmalszurechnung bei Organen juristischer Personen und Vertretern; Interessenformel).

§ 14 StGB; § 266 StGB; § 283 StGB

Der 1. Strafsenat des BGH schließt sich der vom 3. Strafsenat beabsichtigten Aufgabe der sog. Interessenformel an. Er gibt entgegenstehende eigene Rechtsprechung auf.


Entscheidung

8. BGH 3 StR 353/11 - Beschluss vom 25. Oktober 2011 (LG Hildesheim)

Bemessung der Jugendstrafe (Vorrang des Erziehungszwecks; Schwere der Schuld; äußerer Unrechtsgehalt der Tat; Teilnahme).

§ 17 Abs. 2 JGG

1. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben.

2. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist im Rahmen der Entscheidung über Verhängung und Bemessung von Jugendstrafe nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können. Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Dabei ist bei einer Teilnahme vorrangig auf die Schuld des Teilnehmers abzustellen.


Entscheidung

9. BGH 3 StR 355/11 - Beschluss vom 10. November 2011 (LG Mönchengladbach)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Kurier; Täterschaft; Teilnahme); besonderes persönliches Merkmal; Bande; Bandenabrede; Tatbegehung „als Mitglied einer Bande“; nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (Zäsurwirkung; Verschlechterungsverbot).

§ 28 StGB; § 29a BtMG; § 30 BtMG; § 30a BtMG; § 25 StGB; § 27 StGB; § 55 StGB; § 358 Abs. 2 StPO

1. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus.

2. Mitgliedschaft in einer Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits sind begrifflich voneinander zu trennen. Entsprechend handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „als Mitglied einer Bande“ - im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis - um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB.

3. Die bloße Schilderung eines wiederholten deliktischen Zusammenwirkens mehrerer ist für sich nicht ausreichend, um das Zustandekommen einer Bandenabrede zu belegen.