Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2010
11. Jahrgang
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1. Es verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn das Gericht beim unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte den Handel mit Betäubungsmitteln „aus reinem Gewinnstreben betrieben hat, ohne sich etwa aufgrund eigener Sucht zum Verkauf von Drogen gezwungen zu sehen.
2. Beim Verfall gemäß § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371, 373) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73d StGB ist gegenüber der des § 73 StGB subsidiär. Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind.
3. Dem Verfall unterliegt – sei es nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB stets nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit aus tatsächlichen Gründen nicht (mehr) möglich, kommt gemäß § 73a Satz 1 StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall).
Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB hat das Gericht bei vorliegendem Alkoholkonsum auf der Grundlage der getroffenen Feststellung zu der Trinkmenge eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu errechnen, die bei der Beurteilung der möglichen erheblichen Verminderung des Steuerungsvermögens zur Tatzeit in die erforderliche Gesamtwürdigung einzubeziehen ist. Für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, kommt es sowohl auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch auf die psychodiagnostischen Kriterien an (vgl. BGHSt 43, 66). Dabei steht das Fehlen von Ausfallerscheinungen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht unbedingt entgegen; gerade bei alkoholgewöhnten Tätern können äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 – 4 StR 187/07 m.w.N.).
Das Rücktrittsprivileg bewirkt, dass der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz sowie ausschließlich darauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen nicht strafschärfend berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGHSt 42, 43; BGH StV 2003, 218 m.w.N.). Dies gilt auch für die Entscheidung über das Vorliegen eines minder schweren Falles.
Versagt der Tatrichter dem Angeklagten aufgrund von Erfolgsnähe die Strafmilderung wegen Versuchs (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB), so darf innerhalb des nicht verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe nicht neuerlich zu Lasten des Angeklagten gewertet werden.
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB erfordert nach ständiger Rechtsprechung unter anderem, dass die Voraussetzungen (zumindest) des § 21 StGB zum Zeitpunkt der Anlasstat zweifelsfrei vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 9/10).
2. Wird die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist gemäß §§ 5 Abs. 3, 105 Abs. 1 JGG zu prüfen, ob von einer Jugendstrafe abzusehen ist.
1. Für die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen einer Straftat und einem Hang im Sinne des § 64 StGB ist es ausreichend, dass der Hang – gegebenenfalls auch neben anderen Umständen – mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat.
2. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise bei der so genannten Beschaffungskriminalität von Rauschgiftsüchtigen gegeben, wenn also die Straftat unmittelbar oder auch mittelbar – etwa über die Verbesserung der finanziellen Situation des Täters – der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Betroffene infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
2. In Fällen, in denen der Täter trotz bestehenden Defekts über einen langen Zeitraum keine Straftaten begangen hat, kann dies ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten sein, mit dem sich der Tatrichter im Rahmen einer Gesamtwürdigung auseinanderzusetzen hat. Dies ist insbesondere dann geboten, wenn die bisherigen Taten des Angeklagten überwiegend dem Bereich der Kleinkriminalität oder der mittelschweren Kriminalität zuzuordnen sind.
Die formelhafte Wendung, der Tatrichter habe „alle relevanten Aspekte erneut berücksichtigt und gegeneinander abgewogen“, ist keine hinreichende Begründung dafür, den Rahmen der Gesamtstrafenbildung nahezu auszuschöpfen.