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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 542

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, StB 52/09, Beschluss v. 15.12.2009, HRRS 2010 Nr. 542


BGH StB 52/09 - Beschluss vom 15. Dezember 2009 (Ermittlungsrichter des BGH)

BGHSt 54, 264; Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Inlandsbezug); terroristische Vereinigung (Inlandsbezug); Strafanwendungsrecht (Handlungsort, Erfolgsort).

§ 89a StGB; § 129a StGB; § 129b StGB; § 7 StGB; § 9 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine im Ausland außerhalb der Europäischen Union begangene Tathandlung im Sinne von § 129b Abs. 1 Satz 1, § 129 Abs. 1, § 129a Abs. 1 bis 5 StGB kann nicht über § 129b Abs. 1 Satz 2 1. Var. StGB unter dem Gesichtspunkt zur Anwendbarkeit dieser Strafvorschriften führen, dass ein eventuell durch die Handlung bewirkter Erfolg (§ 9 Abs. 1 StGB) im Inland eingetreten ist. (BGHSt)

2. Der Begriff des Opfers im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 2 3. Var. StGB bezieht sich nicht auf die Organisationstaten nach § 129b Abs. 1 Satz 1, §§ 129, 129a StGB, sondern auf die von der Vereinigung in Verfolgung ihrer Zwecke oder Tätigkeiten begangenen Straftaten. (BGHSt)

3. Soweit § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB in seiner ersten Alternative einen ausdrücklichen Ausschluss des Erfolgsorts als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Nicht-EU-Ausland enthält, stellt die Regelung eine vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme von § 9 StGB dar und schränkt dessen Anwendungsbereich ein. Dies hat zur Folge, dass der Erfolgsort einer Betätigungshandlung im Sinne von § 129b Abs. 1 Satz 1, §§ 129, 129a StGB abweichend von § 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB zur Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt nicht herangezogen werden kann. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2009 - 2 BGs 328/09 - wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.

Gründe

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB. Er legt ihm zur Last, sich in einem Lager der ausländischen terroristischen Vereinigung "Y" außerhalb Europas aufzuhalten und sich dort im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen für den bewaffneten Kampf unterweisen zu lassen.

Mit Beschluss vom 11. November 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Antrag des Generalbundesanwalts, die Telekommunikation, die über den Anschluss des in Deutschland lebenden "X" geführt wird, zu überwachen und aufzuzeichnen (§ 100a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StPO) sowie diesen Anschluss betreffende retrograde Verkehrsdaten zu erheben (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO, §§ 96, 113a TKG), mit der Begründung abgelehnt, es lägen weder zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte mit "X" verfahrensrelevante Telefongespräche führe, noch sei durch die beantragte Maßnahme eine (weitere) Aufklärung seines Aufenthaltsortes zu erwarten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Generalbundesanwalts, der der Ermittlungsrichter nicht abgeholfen hat, ist zulässig, jedoch im Ergebnis nicht begründet.

1. Nach den bisherigen Ermittlungen liegen (u. a.) zureichende Anhaltspunkte für folgendes Geschehen vor:

Der Beschuldigte, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, aber in Deutschland lebte, ... reiste Anfang des Jahres 2009 in das nicht der Europäischen Union zugehörige Land "Z". Dort wurde er in ein Ausbildungslager der "Y"-Vereinigung vermittelt, der er sich später als Mitglied anschloss. Er ist bislang nicht nach Deutschland zurückgekehrt. (wird weiter ausgeführt)

2. Es kann dahinstehen, ob durch die vom Generalbundesanwalt beantragten Ermittlungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Erkenntnisse zur Aufklärung des dem Beschuldigten angelasteten Verhaltens oder seines Aufenthaltsorts zu erwarten wären. Keiner näheren Betrachtung bedarf auch die Frage, ob hinsichtlich des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB (eingeführt durch das Gesetz zur Verfolgung und Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. Juli 2009, BGBl I 2437 ff.) überhaupt ausreichende Verdachtsgründe für ein tatbestandsmäßiges Handeln des Beschuldigten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift am 4. August 2009 vorliegen. Der Beschuldigte hielt sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Monate in "Z" auf. In Anbetracht dieses Zeitablaufs erscheint es durchaus nicht fernliegend, dass sein Aufenthalt bei der terroristischen Vereinigung nach Inkrafttreten des § 89a StGB bereits nicht mehr Ausbildungszwecken diente. (wird weiter ausgeführt)

Die Anordnung der beantragten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die bisherigen Erkenntnisse keine zureichenden Anhaltspunkte dafür bieten, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten, der - soweit strafrechtlich relevant - als Ausländer ausschließlich im nichteuropäischen Ausland handelte, den für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts erforderlichen Inlandsbezug im Sinne des § 89a Abs. 3 Satz 2 StGB oder - was nach der Verdachtslage mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129b Abs. 1 Satz 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB ebenfalls in Betracht zu ziehen ist - im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB aufweist. Hierzu gilt im Einzelnen:

Die Ausweitung der Strafbarkeit nach §§ 129, 129a StGB auf ausländische kriminelle und terroristische Vereinigungen gemäß § 129b StGB sowie die Erstreckung des Anwendungsbereichs der Tatbestände zur Ahndung terroristischer Vorbereitungshandlungen gemäß §§ 89a, 89b StGB auf Auslandstaten (§ 89a Abs. 3 Satz 1 bzw. § 89b Abs. 3 Satz 1 StGB) hat den Gesetzgeber veranlasst, die Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf Taten außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von spezifischen, den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich der Norm einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Zweck dieser Regelungen ist es, einer uferlosen Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Ausländern Grenzen zu setzen (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.; BRDrucks. 69/09 S. 16; BTDrucks. 16/12428 S. 15 f.).

Eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im nicht der Europäischen Union zugehörigen Ausland erfordert gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB, dass entweder die Tat durch eine im Geltungsbereich des Strafgesetzbuches ausgeübte Tätigkeit begangen wird, der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder der Täter oder das Opfer sich im Inland befindet. In Anlehnung an diese Regelung (BRDrucks. aaO; BTDrucks. 16/12428 aaO) setzt § 89a Abs. 3 Satz 2 StGB für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts einen spezifischen Bezug zu Deutschland, seinen Staatsangehörigen oder der inländischen Wohnbevölkerung in der Weise voraus, dass die Handlung entweder durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll. Aus den jeweiligen Gesetzesfassungen wird jedoch nicht deutlich, ob § 129 Abs. 1 Satz 2 und § 89a Abs. 3 Satz 2 StGB spezielles und abschließendes Rechtsanwendungsrecht enthalten mit der Folge, dass die allgemeinen, zum Teil übereinstimmenden, zum Teil aber auch abweichenden allgemeinen Vorschriften des internationalen Strafrechts der §§ 3 bis 7 StGB nicht anwendbar sind, oder ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - sie neben die allgemeinen Regeln der §§ 3 ff. StGB treten und diese ergänzen.

a) Die Gesetzesmaterialien zu § 129b StGB geben zu dieser Frage keinen Aufschluss (BTDrucks. 14/8893 S. 8 f.; zur Entstehungsgeschichte der Norm: Stein GA 2005, 433, 449 ff.). In der Literatur wird nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass § 129b Abs. 1 StGB die Anwendbarkeit der §§ 3 ff. StGB nicht berührt, sondern lediglich für die im Nicht-EU-Ausland bestehenden Vereinigungen zusätzliche Voraussetzungen aufstellt (vgl. Krauß in LK 12. Aufl. § 129b Rdn. 8 ff.; Miebach/Schäfer in MünchKommStGB § 129b Rdn. 9 und 17 ff.; Fischer, StGB 57. Aufl. § 129b Rdn. 4; Stein in SKStGB § 129b Rdn. 4; Lenckner/SternbergLieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 129b Rdn. 3, 7; Altvater NStZ 2003, 179, 181; Stein GA 2005, 433, 453 ff.; aA Kress JA 2005, 220, 226). Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, dass sich § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB seinem Wortlaut nach ausschließlich auf Vereinigungen in Nicht-EU-Staaten beziehe und deshalb auf Vereinigungen innerhalb des Gebiets der Europäischen Union nicht anwendbar sei. Für Beteiligungshandlungen an kriminellen oder terroristischen Vereinigungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte daher das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB, da diese Taten sonst unbegrenzt innerstaatlicher Strafgewalt unterlägen, was mit völkerrechtlichen Grundsätzen zur Rechtsgeltungserstreckung nicht vereinbar sei. Da aber die in § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB aufgestellten Geltungsvoraussetzungen für sich betrachtet teilweise großzügiger seien als diejenigen der §§ 3 ff. StGB - etwa anders als § 7 StGB keine Tatortstrafbarkeit erforderten -, der Rechtsanwendungsbereich der §§ 129, 129 a StGB für Vereinigungen im Nicht-EU-Ausland aber nicht weiter sein könne als derjenige für Beteiligungshandlungen an Vereinigungen in EU-Staaten, könne § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht im Sinne einer abschließenden, die §§ 3 ff. StGB verdrängenden Spezialregelung verstanden werden (Stein in SKStGB aaO; ders. GA aaO).

Dieser Rechtsauffassung kann jedenfalls nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei § 129b StGB insgesamt um eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende Spezialregelung zum Strafanwendungsrecht handelt. Bedenken im Hinblick auf eine Anwendung des sich aus § 7 StGB ergebenden Erfordernisses einer Tatortstrafbarkeit auf Fälle, in denen der Täter einer Auslandstat im Sinne des § 129b Abs. 1 StGB Deutscher ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09 - zum Ausdruck gebracht. Unabhängig hiervon sind jedoch einer kumulativen Anwendung der allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff. StGB zumindest insoweit Grenzen gesetzt, als § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmen vom allgemeinen Rechtsanwendungsrecht enthält und dessen Anwendungsbereich ausdrücklich einschränkt (vgl. nachfolgend 3. b) aa). Die allgemeinen Regeln der §§ 3 ff. StGB können daher allenfalls zu einer weiteren Beschränkung, nicht aber zu einer Erweiterung der spezifischen Geltungsregelung des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB herangezogen werden. Jedes andere Verständnis einer kumulativen Anwendung der allgemeinen Vorschriften neben § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB wäre mit dem Willen des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Beteiligungshandlungen an Vereinigungen im Nicht-EU-Ausland im Vergleich zu Taten im EU-Gebiet strengeren Anforderungen zu unterstellen, nicht vereinbar.

b) Nichts anderes gilt für § 89a Abs. 3 StGB. Allerdings hat der Gesetzgeber zu dieser Regelung - anders als bei § 129b StGB - in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht, dass - unabhängig vom Tatort - eine Einschränkung des spezifischen Strafanwendungsrechts durch das Erfordernis einer Tatortstrafbarkeit im Sinne des § 7 StGB generell nicht in Betracht komme, da ansonsten die Verfolgung von terroristischen Vorbereitungshandlungen vor allem im außereuropäischen Ausland aufgrund der dortigen Rechtslage vielfach nicht möglich sei (BRDrucks. aaO; BTDrucks. 16/12428 aaO). Ob hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass § 89a Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB als lex specialis das allgemeine Strafanwendungsrecht der §§ 3 ff. StGB gänzlich verdrängt (so Heintschel-Heinegg in BeckOKStGB § 89 a Rdn. 30; Gazeas/Grosse/Wilde/Kießling NStZ 2009, 593, 599 f.), oder ob nur eine kumulative Anwendung des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB neben § 89a Abs. 3 StGB auszuscheiden hat, kann hier dahinstehen. Jedenfalls liegt es vor dem Hintergrund der übereinstimmenden Vorgaben in Art. 9 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 und 3) des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) in der Fassung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 28. November 2008 (Abl. EG 2008 Nr. L 330 S. 21) i. V. m. Art. 9 des Protokolls Nr. 36 des EUV-Lissabon nahe, den Geltungsbereich des § 129b StGB und des § 89a Abs. 3 StGB als identisch anzusehen und insoweit auch die Frage einer kumulativen Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften für beide Vorschriften einheitlich zu beantworten.

3. Die bisherige Verdachtslage bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten den in § 89a Abs. 3 Satz 2 oder in § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB geforderten spezifischen Inlandsbezug aufweist.

a) Die Ermittlungsergebnisse lassen weder erkennen, dass der Beschuldigte im Sinne des § 89a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StGB als Ausländer über eine Lebensgrundlage im Inland verfügt, noch liegen ausreichende Hinweise dafür vor, dass sich entsprechend der 5. Alternative der Vorschrift eine vorbereitete terroristische Gewalttat gegen deutsche Staatsbürger richten sollte.

Der Begriff der inländischen Lebensgrundlage ist - wie in § 5 Nr. 8 Buchst. a StGB - als die Summe derjenigen Beziehungen zu verstehen, die den persönlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkt im Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt ausmachen (BRDrucks. aaO S. 17). Für eine diesen Anforderungen genügende Bindung des Beschuldigten an Deutschland gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen alle Umstände dafür, dass der Beschuldigte mit seiner Ausreise nach "Z" seinen bisherigen Lebensmittelpunkt in Deutschland endgültig aufgab. (wird ausgeführt)

Die Anwendung deutschen Strafrechts kann auch nicht aus dem in der 5. Alternative des § 89a Abs. 3 Satz 2 StGB geregelten passiven Persönlichkeitsprinzip hergeleitet werden. Das im Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten belegt bereits nicht mit der für einen tatsachengestützten Verdacht (§ 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO) erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass die "Y"-Vereinigung ihre Terrorakte auch gegen deutsche Staatsangehörige richtete und zu richten beabsichtigt. (wird ausgeführt)

b) Der fehlende Inlandsbezug steht auch einer Strafverfolgung des Beschuldigten wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129b, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB entgegen.

Zwar liegen ausreichende Hinweise dafür vor, dass sich der Beschuldigte der "Y"-Vereinigung als Mitglied angeschlossen hat und diese Vereinigung terroristische Ziele verfolgt. Die dem Beschuldigten angelastete Betätigung für die Vereinigung unterfällt aber nach der bisherigen Verdachtslage ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts, da für die - hier allein in Betracht kommenden - Rechtsanwendungsregeln der ersten und dritten Fallgruppe des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen.

aa) Nach den bisherigen Erkenntnissen hat der Beschuldigte die ihm angelasteten Beteiligungshandlungen nicht durch eine im Geltungsbereich des StGB ausgeübte Tätigkeit begangen (§ 129b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB).

Der Gesetzgeber greift zwar mit dieser Regelung das an den Begehungsort anknüpfende Territorialitätsprinzip der §§ 3, 9 StGB auf, bestimmt dessen Anwendungsbereich jedoch enger als in den allgemeinen Vorschriften. Nach § 9 StGB ist Begehungsort nicht nur der Handlungsort, sondern auch der Ort, an dem der tatbestandlich vorausgesetzte Erfolg eingetreten ist. Für den Teilnehmer ist zusätzlich der Ort der Teilnahmehandlung sowie der Ort, an dem nach seiner Vorstellung die Haupttat begangen werden sollte, Begehungsort im Sinne des § 9 StGB. Demgegenüber knüpft § 129b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB - in gleicher Weise wie § 91a StGB (nF) - allein an eine im räumlichen Geltungsbereich des StGB ausgeübte Tätigkeit an, sieht also für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ausschließlich den Handlungsort als bestimmend an und nicht den Erfolg der tatbestandsmäßigen Handlung (Krauß aaO Rdn. 19 a; Altvater aaO S. 181). Denn mit dem Begriff der Tätigkeit, wie er in der ersten Fallgruppe des § 129b StGB Verwendung findet, ist nicht die Tatbestandsverwirklichung in ihrer Gesamtheit gemeint, sondern nur die eigene Verhaltensweise des Täters (ebenso zu § 91a StGB nF: Fischer aaO § 91a Rdn. 3). § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB enthält deshalb in seiner ersten Alternative einen ausdrücklichen Ausschluss des Erfolgsorts als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Nicht-EU-Ausland. Die Regelung stellt insoweit eine vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme von § 9 StGB dar und schränkt dessen Anwendungsbereich ein (ebenso zu § 91 StGB aF: Laufhütte/Kuschel in LK 12. Aufl. § 91 Rdn. 1). Allein diese Auslegung, die nach dem Wortlaut der Vorschrift und der Gesetzessystematik zwingend ist, verleiht der Rechtsanwendungsregel des § 129b Abs.1 Satz 2 1. Alt. StGB die von der Literatur vermisste eigenständige Bedeutung (vgl. Miebach/Schäfer aaO Rdn. 17). Denn die vom Gesetzgeber gewollte Ausgestaltung der ersten Fallgruppe des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB als Ausnahmeregelung hat zur Folge, dass der Erfolgsort einer Betätigungshandlung im Sinne von § 129b Abs. 1 Satz 1, §§ 129, 129a StGB - unabhängig von der Frage, ob sich ein solcher bei dem abstrakten Gefährdungsdelikt überhaupt ausmachen lässt - abweichend von § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB zur Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt nicht herangezogen werden kann (aA Krauß aaO Rdn. 19 b ff.).

Eine Tätigkeit im Sinne von § 129b Abs. 1 Satz 1, § 129a Abs. 1 bis 5 StGB hat der Beschuldigte im räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht entfaltet. (wird ausgeführt)

bb) Ein Inlandsbezug kann auch nicht aus der dritten Fallgruppe des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB hergeleitet werden.

Nach dem Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. 14/8893 S. 9) wollte der Gesetzgeber mit dieser Rechtsanwendungsregel die Beteiligung an Vereinigungen erfassen, die Anschläge gegen deutsche Staatsangehörige oder gegen Ausländer im Inland begangen und dadurch deutsche Interessen im besonderen Maße beeinträchtigt haben (ebenso Krauß aaO Rdn. 23; Miebach/Schäfer aaO Rdn. 20; Altvater aaO S. 181). Der Begriff des Opfers bezieht sich danach nicht auf die Organisationstat, sondern auf die von der Vereinigung begangene Ausführungstat. Eine mitgliedschaftliche Betätigung oder Unterstützung einer Vereinigung im nicht der Europäischen Union zugehörigen Ausland, die noch keine konkrete Ausführungstat zum Nachteil eines deutschen Staatsangehörigen begangen hat, wird von der dritten Fallgruppe des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB daher nicht erfasst (Krauß aaO).

Anhaltspunkte dafür, dass durch eine terroristische Aktion der "Y"-Vereinigung deutsche Staatsbürger zu Schaden gekommen sind, ergeben die bisherigen Ermittlungen indes nicht.

4. Da auch anderweitige Ansätze für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht ersichtlich sind (§ 89b StGB scheidet aus den dargelegten Gründen nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 StGB aus und ist im Übrigen ohnehin keine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StGB), kommt die Anordnung der vom Generalbundesanwalt beantragten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht in Betracht.

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 542

Externe Fundstellen: BGHSt 54, 264; NJW 2010, 2448; StV 2010, 525

Bearbeiter: Ulf Buermeyer