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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2008
9. Jahrgang
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1. Tatherrschaft ist nicht nur gegeben, wenn der Tatbeteiligte die Tatbestandsverwirklichung eigenhändig vornimmt, sondern bereits dann, wenn er in Arbeitsteilung mit Anderen eine für das Gelingen der Tat wesentliche Funktion innehat (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 74, 75). Dies ist der Fall, wenn sein Tatbeitrag „die Tat überhaupt erst ermöglicht“. Dem Umstand eines mangelnden eigenen Interesses an der Tat kommt im Hinblick auf einen erbrachten wesentlichen Tatbeitrag als Abgrenzungskriterium nur eine marginale indizielle Bedeutung zu (vgl. BGH wistra 2001, 420, 421). Er schließt, ebenso wenig wie der Umstand, dass der Tatbeteiligte (zunächst) in eine gemeinsame Planung der Tat nicht mit eingebunden war (vgl. BGH NStZ 2006, 44, 45), nicht aus, dass der Angeklagte die Tat als eigene wollte.
2. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) - auf der Grundlage gemeinsamen Wollens - einen die Tatbestandserfüllung fördernden Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann. Hat ein Tat-Beteiligter einen wesentlichen Beitrag geleistet, so ist er als Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte. Ob er ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Bedeutsame Anhaltspunkte dafür können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (vgl. BGH StV 1983, 501; NStZ-RR 2002, 74, 75; 2004, 40, 41).
3. Wenn der Angeklagte sein Tatopfer, mit dem er freundschaftlich verbunden war, zur „Bestrafung“ für die Nicht-Rückzahlung von Schulden gleichsam „hinrichtet“, bietet dies tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme (sonst) niedriger Beweggründe.
4. Eine Verurteilung von Teilnehmern wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen ist nur dann möglich, wenn diese selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des (Haupt-)Täters erbracht haben (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 43).
5. Die Arglosigkeit i.S. der Heimtücke kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles. Zu den Voraussetzungen für die Annahme, das Opfer habe seinen anfänglich bei Beginn der Tat vorhandenen Argwohn wieder aufgegeben.
1. Zur Anwendbarkeit des § 316a StGB, wenn das Tatopfer zu Beginn des Angriffs noch nicht Führer des Kraftfahrzeuges war. (BGHSt)
2. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats vom 20. November 2003 (BGHSt 49, 8 ff.) erfasst der Tatbestand des § 316 a StGB als taugliches Tatopfer nur den Führer oder den Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs. Erforderlich ist, dass das Tatopfer diese Eigenschaft zum Tatzeitpunkt, d.h. bei Verüben des Angriffs, besitzt. (Bearbeiter)
3. Die Anwendbarkeit des § 316 a StGB erfordert nicht, dass das Tatopfer bereits bei Beginn des Angriffs Führer oder Mitfahrer des Kraftfahrzeugs war. Das Tatbestandsmerkmal „Verüben eines Angriffs“ ist auch dann erfüllt, wenn ein Opfer durch einen vor Fahrtantritt begonnenen Angriff zur (Mit-)Fahrt gezwungen wird und der Angriff während der Fahrt fortgesetzt wird. (Bearbeiter)
4. In Fällen, in denen ein vollendeter Angriff auf das Tatopfer bereits außerhalb des Fahrzeugs oder jedenfalls vor Fahrtantritt stattgefunden hat, bedarf das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs besonders sorgfältiger Prüfung und wird nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein. Zu einem solchen Ausnahmefall der anfänglich nicht uneingeschränkten Kontrolle über den Fahrzeugführer. (Bearbeiter)
1. An dem von § 227 Abs. 1 StGB vorausgesetzten „unmittelbaren“ (Gefahrverwirklichungs-) Zusammenhang zwischen der todesursächlichen Körperverletzungshandlung und dem später eingetretenen Tod des Opfers fehlt es, wenn der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt (vgl. BGHSt 7 31, 96, 100; 51, 18, 21 m.w.N.), wie etwa eine Verkettung außergewöhnlicher unglücklicher Zufälle (vgl. BGHSt 31, 96, 100).
2. Dass ein kräftiger Tritt mit der Schuhspitze gegen den Rumpf eines am Boden Liegenden zum Tod des Verletzten führen kann, liegt nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit (vgl. BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9). Ein solcher Geschehensablauf ist, auch wenn es sich bei der konkreten Todesursache um eine „medizinische Rarität“ handelt, nicht so außergewöhnlich, dass der eingetretene Erfolg deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 96, 100).
3. Dass möglicherweise die Alkoholisierung des Tatopfers und eine Vorschädigung des Herzmuskels für den Todeserfolg mitursächlich waren, steht der Zurechnung ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 12).
4. Soweit § 227 Abs. 1 StGB ferner voraussetzt, dass dem Täter hinsichtlich der Verursachung des Todes wenigstens Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 18 StGB), ist alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (st. Rspr.; vgl. BGHSt 51, 18, 21 m.N.). Hierfür reicht es aus, dass der Erfolg nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag. Ferner ist erforderlich, dass der Eintritt des Todes des Opfers vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen vorhergesehen werden konnte (vgl. BGHSt 51, 18, 21; BGHR StGB § 227 [i.d.F. d. 6. StrRG] Todesfolge 1).
5. Dabei braucht sich die Vorhersehbarkeit aber gerade nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs zu erstrecken (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9, 12), insbesondere nicht auf die durch die Körperverletzungshandlung ausgelösten im Einzelnen ohnehin nicht einschätzbaren somatischen Vorgänge, die den Tod schließlich ausgelöst haben (vgl. BGHR aaO). Vielmehr genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolges im Allgemeinen (vgl. BGHSt 48, 34, 39).
1. Auch ein absichtlich herbeigeführter Verkehrsunfall kann einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff“ im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB darstellen (vgl. BGHSt 48, 233).
2. Der Straftatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB setzt voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Dass eine Sache von bedeutendem Wert nur in (wirtschaftlich) unbedeutendem Maße gefährdet wird, reicht hierfür nicht aus; vielmehr muss der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfanges sein (vgl. BGH NJW 1990, 194, 195). Für die Berechnung des Gefährdungsschadens kommt es auf die am Marktwert zu messende Wertminderung an (vgl. BGH NStZ 1999, 350, 351). Die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB liegt bei 750 Euro (BGHSt 48, 14, 23).