HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2006
7. Jahrgang
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II. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

931. BGH 3 StR 326/06 - Beschluss vom 26. Oktober 2006 (OLG Naumburg)

Recht auf Verfahrensbeschleunigung (rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; Kompensation bei aus erzieherischen Gründen verhängter Jugendstrafe).

Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 18 Abs. 2 JGG

Eine über die Feststellung einer rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hinausgehende Kompensation des Konventionsverstoßes zugunsten des Angeklagten in Form eines bezifferten Abschlags von der - sonst zu verhängenden - Jugendstrafe kommt nicht in Betracht, wenn die Verhängung von Jugendstrafe auch wegen schädlicher Neigungen erforderlich ist und die Strafe allein nach erzieherischen Erfordernissen bemessen wird.

916. BGH 2 StR 450/06 - Beschluss vom 8. November 2006 (LG Mühlhausen) Strafzumessung (allgemeine Milderungsgründe; vertypte Milderungsgründe). § 46 StGB; § 49 StGB; § 50 StGB

Beim Zusammentreffen allgemeiner Milderungsgründe und vertypter Milderungsgründe ist zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein zur Annahme eines minder schweren Falls führen, da die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB nicht verbraucht sind.


Entscheidung

962. BGH 1 StR 483/06 - Beschluss vom 10. November 2006 (LG Amberg)

Nachträgliche Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (keine neuen Umstände; Bewertung von ubiquitärem Vollzugsverhalten).

§ 66a StGB

1. Nach § 66a Abs. 2 Satz 2 StGB ist die endgültige Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Voraussetzung ist daher die prognostizierte Gefahr schwerwiegender Delikte gegen die Person; nicht erfasst sind Vermögensdelikte. Die Berücksichtigung des Verhaltens des Verurteilten im Strafvollzug soll dabei vor allem seine Entwicklung in einer Behandlung als gewichtigen Prognosefaktor erfassen, wobei weitere prognoserelevante Gesichtspunkte z.B. aggressive Handlungen gegen Strafvollzugsbedienstete oder Mitgefangene, Straftaten oder subkulturelle Aktivitäten im Vollzug, Drohungen oder andere Äußerungen sein können, die auf eine Rückkehr in kriminelle Subkulturen und eine Wiederaufnahme insbesondere von Gewalt- oder Sexualkriminalität hindeuten.

2. Ubiquitäre und vollzugstypische Verhaltensweisen können nicht ohne weitere Feststellungen nicht als Hinweise auf eine erhebliche Gefährlichkeit eines Verurteilten gewertet werden (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06 - Rdn. 32).


Entscheidung

909. BGH 2 StR 346/06 - Beschluss vom 20. Oktober 2006 (LG Frankfurt)

Strafzumessung (Gesamtstrafenbildung; starke Erhöhung der Einsatzstrafe; Darlegung; Urteilsgründe); Zurückverweisung (Beschlussverfahren; neue Hauptverhandlung).

§ 354 Abs. 1 b StPO; § 460 StPO; § 462 StPO; § 267 Abs. 3 StPO; § 46 StGB; § 54 StGB

1. Eine ganz erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe beider Gesamtstrafenbildung - etwa von neun Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren - erfordert eine eingehende Begründung, die sich nicht auf formelhafte Ausführungen beschränken darf, auch wenn die Gesamtstrafe aus einer sehr großen Zahl von Einzelstrafen zu bilden ist.

2. In Fällen, in denen dem Tatgericht bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe echte Zumessungsfehler unterlaufen sind, ist das Beschlussverfahren gem. §§ 460, 462 StPO in der Regel ungeeignet, sodass nicht gem. § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden, sondern eine neue Hauptverhandlung anzuordnen ist.


Entscheidung

983. BGH 5 StR 316/06 - Urteil vom 25. Oktober 2006 (LG Zwickau)

Rechtsfehlerhafte Prüfung der Sicherungsverwahrung (gesteigerte sexuelle Triebhaftigkeit; Abweichung von der Begutachtung durch den Sachverständigen: eigene Sachkunde, Darlegungspflicht; Symptomtaten und Gelegenheitstaten; Aufhebung des Strafausspruchs im Zusammenhang).

§ 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB; § 261 StPO; § 46 StGB

Die Anwendung des § 66 StGB ist unter dem Gesichtspunkt des Gelegenheitscharakters der Tat lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (vgl. BGH MDR 1980, 326, 327; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 7). Zum Begriff der Gelegenheitstat.