HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2006
7. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die Vorlage des 1. Strafsenats zur Rügeverkümmerung: Vorsichtige Förmlichkeit des Gesetzes und effiziente Rechtsfortbildung

HRRS-Praxishinweis zur aktuellen Diskussion um die Rügeverkümmerung und ihren ersten absehbaren Konsequenzen; zugleich Besprechung von BGH HRRS 2006 Nr. 858 (BGH 1 StR 466/05, Beschl. vom 23. August 2006).

Von Karsten Gaede, Hamburg. *

Der Vorlagebeschluss des 1. Strafsenats zur rügevernichtenden Protokollberichtigung (hier so genannte Rügeverkümmerung) liegt vor. Die vorherige Diskussion[1] wurde in der HRRS bereits durch Krawczyk aufbereitet.[2] Dieser Beitrag möchte nun zeigen, was die Vorlage selbst an Neuem aufweist und welche Tendenzen ihr bereits entnommen werden können (vgl. I. und II.). Darüber hinaus soll das Verbot der Rügeverkümmerung erneut erörtert werden, zumal die Vorlage einerseits maßgebliche Argumente nicht aufgreift oder nicht ausschöpft, andererseits Argumente kritikwürdig verwendet (vgl. III.). Sollte das Verbot der Rügeverkümmerung fallen, wird für den Ansatz der neueren Rechtsprechung die Anerkennung eines wirksamen Beschwerdeverfahrens vorgeschlagen (vgl. IV.).

I. Der Vorlagebeschluss vor dem Hintergrund des Anfrageverfahrens

Nachdem das Schrifttum überwiegend und insbesondere der 4. Strafsenat[3] die vom 1. Strafsenat beabsichtigte Rechtsprechungsaufgabe zurückgewiesen hatten, wäre es nicht überraschend gewesen, wenn der 1. Strafsenat sein Ziel zwar beibehalten, den Vorlagebeschluss hingegen in seiner Argumentation überarbeitet hätte. Nunmehr hat der 1. Strafsenat jedoch eine Vorlage publiziert, die zunächst bis in die Wortlaute hinein weitgehend den Anfragebeschluss wiederholt.[4] Der Senat demonstriert, dass er seiner Argumentation unverminderte Überzeugungskraft beimisst. Erst im Anschluss an diesen ersten Teil der Vorlage handelt er den Antwortbeschluss des 4. Strafsenats ab. Der seit Geltung der StPO in ständiger Rechtsprechung maßgeblichen[5] Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers widmet er im Ergebnis weiter nur wenige Worte,[6] mit denen er diese schlicht nicht zu erkennen vermag und auch ihre gesetzliche Anknüpfung verneint. Seine eigene Argumentation stützt der 1. Strafsenat bekanntlich vor allem auf die - für ihn dominierende - Wahrheitsbindung des Revisionsgerichts und auf den Beschleunigungsgrundsatz.[7] Zu folgenden Punkten hat der 1. Strafsenat jedoch hervorhebenswerte neue Ausführungen getroffen:

Der 1. Strafsenat verwehrt sich gegen Bemerkungen des 4. Strafsenates, mit denen dieser die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage in Frage gestellt hat. [8] Der Senat betont, dass die Beruhensprüfung einzig Sache des nicht willkürlich vorlegenden Senats sei. Erörtert wird darüber hinaus die vom 4. Strafsenat aufgeworfene und nun vom 1. Strafsenat verneinte Folgefrage, ob nach einer Rügeverkümmerung eine erneute Urteilszustellung erforderlich wird. Gegen das Argument des 4. Strafsenats, der Gesetzgeber habe mittelbar die relative Unwirksamkeit einer Protokollberichtigung im strafrechtlichen Revisionsverfahren festgeschrieben, indem er von einer aus anderen Verfahren bekannten Regelung abgesehen habe, wendet sich der Senat mit dem Hinweis darauf, dass das Strafverfahren kein kontradiktorisches Parteiverfahren darstelle. Eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Rechtsprechung zur Rügeverkümmerung vermag der Senat nicht zu erkennen. Das von Jahn/Widmaier vorgeschlagene eng zu umgrenzende Freibeweisverfahren verwirft der Senat im Anschluss an Fezer und den 2. Strafsenat als nicht zu konturieren. [9]

Seinem früheren Argument, die Rechtsprechungsänderung dämme die Erfolgsaussichten unwahrer Verfahrensrügen ein, stellt der 1. Strafsenat nun zwar den Hinweis auf die jüngst erfolgte Anwendung des Missbrauchsverbots auf bewusst unwahre Verfahrensrügen an die Seite. [10] Bemerkenswerter weise betont er aber trotz der jüngsten Unzulässigkeitsentscheidung des 3. Strafsenats zum wiederholten Male, dass die Zulassung der Rügeverkümmerung "im Gegensatz zur Unzulässigkeit einer unwahren Verfahrensrüge" … "der einzige zweifelsfrei mit der formellen Beweiskraft des Protokolls gemäß § 274 StPO zu vereinbarende Weg" sei (!), "um einer derartigen Rüge den Erfolg zu verwehren". Diese bereits im

Schrifttum kritisierte [11] Entscheidung des 3. Strafsenats dürfte so kaum zur Befriedung des Streits um die Rügeverkümmerung beitragen, zumal sich auch der 3. Strafsenat selbst für eine Rechtsprechungsänderung ausgesprochen hat. [12]

Besonders beachtlich sind Passagen, in denen der Senat hilfsweise Ausführungen des 4. Strafsenats zur Umsetzung eines etwaigen Rechtsprechungswandels aufgreift. Der 4. Strafsenat hatte für diesen Fall gefordert, dass die Verfahrensbeteiligten vor einer Protokollberichtigung gehört werden müssten. Darüber hinaus will er die Berichtigungsmöglichkeit bzw. die umfassende Geltung der Berichtigung davon abhängig machen, dass ihr keiner der Verfahrensbeteiligten substantiiert (also etwa durch anwaltliche Versicherung oder dienstliche Erklärung) widerspricht. Dem stimmt der 1. Strafsenat bezüglich der Anhörungspflicht bei "substanziellen Berichtigungen" nun zu, so dass hierüber für rügevernichtende und damit auch substanziell bedeutsame Berichtigungen zwischen den Senaten Einheit herrschen dürfte. Dagegen widerspricht der 1. Strafsenat einem Recht der Verfahrensbeteiligten zum substantiierten Widerspruch "entschieden". Ansonsten erkennt der Senat den Kerneinwand gegen sein Vorhaben weiter in einem unbegründeten Misstrauen gegenüber vorsätzlichen Falschbeurkundungen. Er hält es für völlig ausgeschlossen, dass Vorsitzender und Urkundsbeamter, dann, wenn bei der vorherigen Anhörung einer oder mehrere der anderen Verfahrensbeteiligten widersprechen, gleichwohl ohne sichere Erinnerung oder gar wider besseres Wissen das Protokoll berichtigen.

II. Praktisch bedeutsame Tendenzen

Nachdem sich letztlich drei Strafsenate für die Zulässigkeit der Rügeverkümmerung ausgesprochen haben, während sich nur ein Strafsenat geschlossen gegen die Änderung gestellt hat, mag man die äußeren Zeichen in Richtung einer Rechtsprechungsänderung deuten.[13] Für die Praxis bedeutet die Vorlage jedenfalls, dass die Rechtsprechungsänderung mit der Abfassung eines Vorlagebeschlusses eine weitere Hürde genommen hat und dass ihr Eintreten nun doch ernsthaft möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist schon heute zu bedenken, was sich für diesen Fall andeutet: Nach den höchstrichterlichen Maßgaben wird die rügevernichtende Protokollberichtigung nur nach einer Anhörung aller Verfahrensbeteiligten und damit insbesondere der Verteidigung zulässig sein.[14] Zwar ist bislang ungewiss, ob die Protokollberichtigung weiter wie bisher außer Betracht zu bleiben hat, wenn keine vorherige Anhörung und/oder keine nachträgliche Anhörung in geeigneter Form eröffnet worden ist. Gleichwohl dürfte es schon zur Vermeidung solcher Fragen von Vorteil sein, wenn die Praxis die gebotene Anhörung bereits heute beachtet, damit weder unnötig Urteile gefährdet, noch nunmehr anerkannte Teilhaberechte verkürzt werden.

Dass allerdings auch eine "Widerspruchslösung mit Substantiierungsvorbehalt" am Ende des Vorlageverfahrens stehen wird,[15] kann kaum prognostiziert werden. Die Befugnis zum Widerspruch würde praktisch das Verbot der Rügeverkümmerung weitgehend aufrechterhalten, zumal wohl nicht zwingend eine sichere Erinnerung behauptet werden müsste, um eine substantiierte Infragestellung der Protokollberichtigung zu bejahen. Ein Revisionsführer, der heute eine Rüge auch nach einer Protokollberichtigung aufrechterhält, dürfte ihr oftmals auch widersprechen. Die Frage nach der unwahren Verfahrensrüge würde sich in der Tat auch hier zentral stellen, was derzeit dazu führen dürfte, dass diesem Vorschlag kaum Durchsetzungschancen beschieden sind.

Nimmt man daher zunächst an, dass die neue Rechtsprechung allein zu einem Anhörungsrecht führt, wird es aus Sicht der Verteidigung besonders darauf ankommen, was Verteidiger aus diesem Anhörungsrecht praktisch zu machen wissen. Will der Verteidiger die Rüge bewahren, muss er den Urkundspersonen zumindest genügend konkrete Zweifel an ihrer Erinnerung vermitteln können, auf Grund derer diese sodann von der etwaigen Protokollberichtigung absehen. Soll dies gelingen, kann und muss vor dem Hintergrund absehbar zunehmender Protokollberichtigungen der Rat Ventzkes auch hier aufgegriffen werden,[16] dass sich Verteidiger für die zunehmenden Freibeweiserhebungen über Verfahrensvorgänge eine bessere Ausgangsposition verschaffen sollten, indem sie auch Verfahrensvorgänge dokumentieren. Wenn die Tendenz schon dahin geht, vermehrt auf die späte Erinnerung von Verfahrensdetails und nicht mehr auf das unmittelbar während ihres Geschehens Protokollierte abzustellen, müssen die Verteidiger Strategien einsetzen, die ihnen zu den oftmals betroffenen Routinevorgängen eine "substantiierte Erinnerung" ermöglichen.

III. Entscheidende Gesichtspunkte des Streits um das Verbot der Rügeverkümmerung

Schaut man in jüngere Abhandlungen zur Rügeverkümmerung, scheint alles gesagt: Alles Wesentliche soll ausgetauscht sein. Wer dennoch an der Diskussion teilnimmt steht unter dem Verdacht, er wolle nur den Zustand ändern, dass noch nicht jeder alles gesagt habe. Die folgenden Ausführungen sollen auch nicht alle Aspekte wiederholen, die bis heute in die Diskussion eingeführt

worden sind.[17] Die nunmehr als Diskussionsgrundlage dienende Vorlage greift jedoch trotz der vorhandenen Abhandlungen maßgebliche Argumente gar nicht oder nicht erschöpfend auf. Zum Teil gebraucht sie Argumente in kritikwürdiger Form. Im Ganzen lohnt es, zu zentralen Gesichtspunkten der Diskussion zu zeigen, dass das Verbot der Rügeverkümmerung noch heute begründet ist. Vier Erwägungen seien hierzu angestellt:

1. Das Verbot der Rügeverkümmerung als Ausprägung der Gesetzeslage

Der 1. Strafsenat betont, dass das Verbot der rügevernichtenden Protokollberichtigung eine letztlich nicht aus einem Gesetz abzuleitende Kreation der Rechtsprechung sei, die folglich auch von dieser zurückgenommen werden könne.[18] Zudem besage die StPO zur Zulässigkeit der Protokollberichtigung überhaupt nichts. Diese Sichtweise vermag jedoch nur den zu überzeugen, der vergisst, dass es sich bei der zugrunde gelegten zeitlich unbegrenzten (!) Protokollberichtigung selbst in jedem Fall um eine Kreation der Rechtsprechung handelt.[19] Sie steht ihrerseits in einem Spannungsverhältnis zu § 274 StPO und zum seit jeher formalisierten Revisionsrecht einschließlich seiner Bestimmungen zur Verfahrensrüge.[20] Berichtigungen des Protokolls sind kaum zufällig in anderen Prozessordnungen stets geregelt. Sie sind am Maßstab des formorientierten Revisionsrechts auch in der StPO jedenfalls dann regelungsbedürftig, wenn sie - wie bei der Rügeverkümmerung der Fall - belastende Wirkungen zeitigen sollen. So nimmt es nicht wunder, dass sich die kreierte Protokollberichtigung in dem für ihre Zulassung auch nach Darstellung des 1. Strafsenats entscheidenden Urteil des Reichsgerichts erklärtermaßen nur deshalb durchsetzte, weil sie im konkreten Fall nicht zu einer Rügeverkümmerung führte.[21] Die Anerkennung der Protokollberichtigung unter Verzicht auf eine Regelung rechtfertigt sich so nach der noch herrschenden Judikatur bislang gerade auch dadurch, dass die Rechtsprechung dem Problem die entscheidende Spitze genommen hatte, indem sie eine belastende Wirkung der Berichtigung mit dem Verbot der Rügeverkümmerung ausgeschlossen hat. Die Fragen nach der Protokollberichtigung und nach der Rügeverkümmerung als möglicher Wirkung der Protokollberichtigung sind also in Wirklichkeit eng verbunden. Für eine belastend wirkende Protokollberichtigung (= die Rügeverkümmerung) wurde vom Reichsgericht dagegen ein von ihm nicht gefundener "bestimmter Anhalt" und damit - ganz im Sinne des heute geltenden strafprozessualen Gesetzesvorbehalts[22] - ein regelndes Gesetz gefordert, das bis heute! nicht gegeben wurde.[23] Mit anderen Worten: Rügevernichtend wirkende Protokollberichtigungen wurden verworfen, weil derartige Berichtigungen mit dem geltenden formalisierten Revisionsrecht und damit mit dem Gesetz nicht vereinbart werden konnten. Damit aber ist das Verbot der Rügeverkümmerung tatsächlich nichts anderes als eine Ableitung aus dem Gesetz, welche die Grenze markiert, die rechtsfortbildend anerkannte Protokollberichtigungen selbst nicht überschreiten dürfen.

Diese Sichtweise findet durch den Blick auf andere deutsche Prozessordnungen gesetzgeberische Bestätigung: In ihnen wurde die Zulässigkeit des berichtigten Protokolls gesetzlich festgeschrieben, mithin auch der "Anhalt" für die belastende Wirkung der Berichtigungen geschaffen. [24] Dass - wie der 1. Strafsenat meint - der Gesetzgeber diese Regelung für den Strafprozess unterlassen haben sollte, weil der Strafprozess kein Parteiprozess ist, wird durch nichts und auch nicht durch die Materialien belegt. [25] Es drängt sich vielmehr auf, dass der Gesetzgeber den vorgefundenen strafprozessualen status quo nicht antasten wollte, der sich gerade durch das Verbot der Rügeverkümmerung und so durch eine relative Wirkungslosigkeit der Berichtigung von den Vorschriften zur unbeschränkten Protokollberichtigung unterschied, die er in andere Verfahrensordnungen eingeführt hat. Zudem befremdet das Gegenargument eher, als dass es zu überzeugen vermag: Der 1. Strafsenat scheint auch sagen zu wollen, dass ein Umkehrschluss aus der gesetzgeberischen Nichtregelung in der StPO schon deshalb nicht erfolgen könne, weil die geregelten Verfahren anders als das Strafverfahren kontradiktorische Verfahren seien. Nur, soll das wirklich bedeuten, dass im Strafverfahren, der Grundlage für Strafe und dem klassischen Ort formstrenger Prozessgesetze, [26] wegen dieses Unterschieds eine sogar geringere Formsensibilität des Gesetzgebers zu unterstellen sein soll? Dass Deutschland kein Parteiverfahren im Strafverfahren verfolgt, ist auch Ausdruck der erkannten Ernsthaftigkeit dieses Verfahrens, das man Parteien allein nicht überantworten wollte, was eher für strengere Formen als für größere Rechtsprechungsfreiheiten im Vergleich zu "Parteiprozessordnun-

gen" spricht. Nimmt man hinzu, dass Strafverfahren heute zugunsten der Verteidigung auch kontradiktorisch und waffengleich gestaltet sein müssen, ganz egal ob national ein Parteiverfahren vorliegt, [27] ist das Gegenargument des Senats zurückzuweisen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die beabsichtigte zeitlich unbegrenzte Protokollberichtigung nicht die Anwartschaft des Beschwerdeführers vernichten darf, die aus dem - unberichtigten gesetzmäßigen - Protokoll in Verbindung mit dem genutzten Recht zur Verfahrensrüge sowie den Maßgaben der §§ 338, 337 StPO resultiert. Ohne eine gesetzliche Grundlage für eine belastende Protokollberichtigung verstößt die rügevernichtende Protokollberichtigung gegen das aktuelle Prozessgesetz. Es würde eine Rechtsprechung das keine Ausnahme vorsehende Gesetz zulasten des Angeklagten einschränken, indem man einer Protokollberichtigung den Vorzug gibt, welcher der Gesetzgeber niemals die Beweiskraft des § 274 StPO zugewiesen hat.

2. Strukturelle Irrtumsgefahren versus "diffuses Misstrauen"

Der 1. Strafsenat sieht weiter ein ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber den Urkundspersonen als Leitgedanke des Verbots der Rügeverkümmerung. Noch im Anfragebeschluss hatte der 1. Strafsenat erstaunlich undifferenziert die Sorge der bisher ständigen Rechtsprechung verworfen, indem er schlicht auf den subjektiven Sachverhalt abhob, dass sich die Berichtigenden ihrer Erinnerung ja sicher seien und seien müssten.[28] Nun fügt er hinzu, dass die Gegenseite selbst unter Berufung auf die drohende "psychologische Falle" der angegriffenen Urkundspersonen weiter nur den abwegigen Vorwurf einer gemeinschaftlichen, vorsätzlichen Falschbeurkundung in den Händen halte.

Schon ganz allgemein ist man - da es scheinbar verdrängt wird - geneigt, daran zu erinnern, dass eine Erinnerung noch so sicher, dennoch aber falsch sein kann. Die mit der Größe der Wahrheit geführte Argumentation des 1. Strafsenats kommt nicht umhin, die Wahrheit erst überzeugend zu belegen, bevor sie mit ihr unwiderlegbar argumentieren kann.[29] Die übereinstimmende Bekundung, eine Erinnerung sei sicher, mag bei Justizangehörigen besonderes und großes Gewicht haben, zumal sie schon auf Grund ihrer Verpflichtungen zur Reflektion von Zweifeln stets gehalten sind. Die mitgeteilte Sicherheit der Bekundungen soll nun aber gleichsam als unumstößlicher Wahrheitsbeweis genommen werden, auf Grund dessen man einen von jedem unpraktischen Zweifel befreiten "Streit für die Wahrheit" aufnimmt. Dies muss doch vor dem Hintergrund eines im Zweifel gerade verblassenden Beweismittels erstaunen,[30] zumal die bekundete Sicherheit von Erinnerungen sonst tendenziell als Indiz gesehen wird, das nicht unbedingt zur Wahrheit führen muss.[31] Den Umstand, dass Erinnerungen mit zunehmender Zeit gerade bei Routinevorgängen falsch sein können, kann die übereinstimmend bekundete Sicherheit nicht allumfassend ausräumen, zumal exakt die beteiligten Personen mit einer Falschprotokollierung bewiesen hätten, dass sie sich über die betroffene Förmlichkeit schon einmal - übereinstimmend - geirrt haben.

Im Besonderen ist dem Senat auch einzuwenden, dass er den Einwand der bisherigen h.M. verkürzt hat, um ihm das Angriffspotential zu nehmen: Der 1. Strafsenat antwortet, dass die subjektiv ("bewusst") falsche Erinnerung ein unerhörter Vorsatzvorwurf sei, während der 4. Strafsenat die objektiv falsche Erinnerung als Problem benannt hat. Eine Urkundsperson, die sich die Frage stellt, ob ihre vom Protokoll abweichende Erinnerung sicher genug ist, wird tatsächlich redlich und nicht grundlos darauf vertrauen können, dass ihre Erinnerung letztlich richtig ist. Sie wird sich zum Beispiel sagen, dass die Verhandlungen stets ordnungsgemäß verlaufen und nur ein Versehen bei der Niederschrift vorliegen kann, schließlich an diesen Fall auch glauben. Es braucht keinen bösen Willen, um durch Überlagerungseffekte und durch das anderenfalls drohende Ärgernis einer unzutreffend wiederholten Hauptverhandlung subjektiv den objektiv möglicherweise falschen Eindruck zu gewinnen, man erinnere sich an die Beachtung der wesentlichen Verfahrensförmlichkeit sicher genug. Man kann von einer unbewussten Neigung ausgehen, Fehler möglichst auszuschließen und zur sicheren Erinnerung zu tendieren. Regelmäßig hat die Urkundsperson Anknüpfungspunkte, die ihr ihre Erinnerung belastbar und damit als hinreichend sicher erscheinen lassen. Dies gilt zumal dann, wenn eine Urkundsperson mit ihrer als sicher erklärten Erinnerung der zweiten eine Brücke baut, ihre eigene Erinnerung in guter Absicht als sicher zu beurteilen. Wenn aber Urkundspersonen tatsächlich nicht ohne nachvollziehbaren Grund darauf vertrauen, sie erinnerten sich richtig an die Beachtung der wesentlichen Förmlichkeit, wenn sie also eine falsche Angabe nicht billigend in

Kauf nehmen, liegt noch kein Vorsatz vor. Zuzugestehen ist dem 1. Strafsenat in diesem Zusammenhang aber, dass Berichtigungen nach substantiierten "Gegenerinnerungen" tatsächlich selten erfolgen dürften: Gerade durch die beabsichtigte Rechtsprechungsänderung wird für die sich erinnernde Urkundsperson, auf die nun viele Beteiligte ihre Blicke richten, eine erhebliche Konflikt- bzw. Drucksituation geschaffen, in der sie zum einen ihre eigene Parteilichkeit,[32] zum anderen aber auch die eigene unnötige Vorsicht vor ihrer Erinnerung und damit eine entbehrliche Urteilsaufhebung fürchten dürfte. Dies wird oft den Ausschlag gegen die Berichtigung geben.

3. Der Ausschluss des (zu) schlechten Scheins durch vorbeugende Formen

Die prognostizierte eher geringe Zahl drohender Falschberichtigungen spricht aber nicht entscheidend gegen das Verbot der Rügeverkümmerung, wenn man ein Argument einbezieht, das heute "keine Konjunktur mehr hat" und so leider bislang keine wesentliche Rolle spielt.[33] Gemeint ist der Gedanke, dass verfahrensrechtliche Formen zum Teil deshalb so streng sind und entsprechend streng ausgelegt werden, weil schon bestimmte schädliche Eindrücke oder Gefahren zugunsten eines rechtsstaatlich gewonnenen und daher unangreifbaren Urteils vermieden sein sollen: Selbst wenn bestimmte Verfahrensrechte nicht der Substanz nach verletzt worden sein mögen oder wenn das Urteil nicht auf ihnen beruht, können Recht und Gesetz gebieten, die verfahrensrechtliche Anomalie dennoch nicht zu übersehen, sondern vorbeugend als zu sanktionierendes Übel ernst zu nehmen. So gibt es etwa noch heute nach dem Gesetz absolute Revisionsgründe und ebenso gibt es bis heute das Verbot der Rügeverkümmerung. Denn was leistet dieses heute als ineffizient beargwöhnte Verbot? Es schließt einen beachtlichen Zweifel aus, der sich aus der nachträglichen Protokollberichtigung strukturell ergibt und er trägt damit zur Legitimität des letztlich gefällten Strafurteils bei: Mit dem Verbot der Rügeverkümmerung wird verhindert, dass nachvollziehbare Zweifel an der ohne geregeltes Verfahren durchgeführten Protokollberichtigung verbleiben, die anderenfalls verbleiben dürften, wenn die Protokollberichtigung ein bereits konkret vor dem Erfolg stehendes Aufhebungsrecht unter der tätigen Mitwirkung derjenigen vernichtete, deren Hände Arbeit mit der Aufhebung vernichtet wäre.[34]

So wie bei der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts nachvollziehbare Zweifel und nicht die wahrhafte! Befangenheit die tragfähige Urteilsfindung durch die betroffenen Richter hindern, ist der mit dem Entzug der Rüge in gleichsam eigener Sache einhergehende belastende Schein ein Grund zur Vorsicht. Solange der Gesetzgeber, der nicht einmal die Protokollberichtigung selbst eingeführt hat, keine gesetzliche Anordnung trifft, diesen Zweifel nunmehr zu ignorieren oder durch ein anderes gesetzliches Verfahren auszuschließen, verdient die bislang gewahrte Vorsicht der Erhaltung. Einfach vor der Sondersituation der bereits erhobenen und vormals begründeten Verfahrensrüge die Augen zu verschließen[35] und schon das Problem mit dem Verweis auf die objektive Wahrheit bzw. auf die objektive Gerechtigkeit überhaupt nicht mehr sehen zu wollen, stünde der Justiz nicht gut zu Gesicht. Gerade weil der Beschwerdeführer im Ergebnis auf subjektive Erinnerungen verwiesen wird, die ihm sicher geglaubte Rechte nehmen, sollte der sichtbar beachteten Form weiter die Achtung geschenkt werden, die sie in fairen Verfahren vor allem bei der hier betroffenen Waffengleichheit[36] verdient.[37]

Das Streben nach Effizienz und letztlich auch nach einem Stück mehr an "objektiver Wahrheit" ist demgegenüber zwar nachvollziehbar, weil so auch Urteile aufzuheben sind, bei denen tatsächlich nur das Protokoll fehlerhaft sein mag.[38] Ohne gesetzliche Regelung, die hilft, den schlechten Schein anders auszuräumen, ist dem aber de lege lata nicht nachzugeben, zumal die Rechtsprechungsänderung die "objektive Wahrheit" - anders als sie es vorgibt - nicht garantieren könnte. Um dem berechtigten Kern der Vorlage Rechnung zu tragen, könnte und sollte vielmehr der Gesetzgeber tätig werden und beide Anliegen verbessert in neuer Form berücksichtigen: Soweit er nicht allgemein ein nach der Revisionseinlegung anlaufendes befristetes Beanstandungsverfahren schaffen will,[39] könnte er die nachträgliche Protokollberichtigung einführen, dabei aber die gebotene Sensibilität für die eigentümliche Sonderlage der erhobenen Verfahrensrüge durch ein Anhörungsverfahren vor einem bislang unbe-

teiligten Richter versinnbildlichen. Dieser Richter hätte bei einem Widerspruch gegen die Berichtigung über deren Berechtigung zu entscheiden. Gewinnt er die Überzeugung, dass tatsächlich ein Versehen und keine versäumte Verfahrensförmlichkeit vorliegt, kann zum einen eine Berichtigung erfolgen und so oft ein weiteres Verfahren vermieden werden. Zum anderen hätte der verurteilende Staat hinreichend demonstriert, dass er die Zweifel an der Berechtigung der nachträglichen Protokollberichtigung sichtbar ernst genommen und als letztlich im Einzelfall illegitim erwiesen hat.

4. Das "Argument" der Verfahrensbeschleunigung

Sucht man nach Neuem, welches den heutigen Trend hin zur Aufgabe des Verbots der Rügeverkümmerung erklärt, stößt man neben der allgemeinen Effizienzorientierung der Justiz einzig auf das "Argument" des zu Kompensationen zwingenden Beschleunigungsgrundsatzes, mit dem in Deutschland kurzerhand das Individualgrundrecht des Angeklagten auf Verfahrensbeschleunigung traditionell mit benannt zu werden pflegt. Dieses "Argument" wurde als das einzig Neue der heutigen Diskussion identifiziert,[40] ist aber vom Großen Senat für Strafsachen für die Rügeverkümmerung bereits im Jahr 1936 gebraucht worden, als man zur Verkürzung subjektiver Rechte zugunsten eines "objektiven Rechtsdenkens" besonders neigte.[41] Mit Recht wurde nun schon darauf verwiesen, dass das Individualrecht auf Verfahrensbeschleunigung[42] auch heute nicht dazu dienen darf, dem Angeklagten andere Verfahrensrechte nach Verfassungs- und oder einfachrechtlichem Strafprozessrecht zu nehmen.[43] Wie es der 4. Strafsenat - ohne jede Reaktion in der Vorlage - ausgedrückt hat, findet der Beschleunigungsgrundsatz "dort seine Grenze, wo das insgesamt ausgewogene - gerade auch dem Schutz des Angeklagten dienende - Rechtsmittelrecht der Rechtskraft der Entscheidung entgegensteht".[44]

Dieser Kritik ist nur beizupflichten, denn es könnte kaum noch als Argument gelten, wenn man dem Angeklagten ein Recht schlicht verwehren wollte, weil der Angeklagte sonst aus einem weiteren verfassungsmäßigen Menschenrecht Ansprüche herleiten dürfte. Der Senat argumentiert aber tatsächlich differenzierter und meint, dass der Beschleunigungsgrundsatz gerade das Gewicht der Wahrheitsorientierung erhöhe. Es sei mit anderen Worten wichtiger, die Wahrheit zum Zuge kommen zu lassen, um somit anderenfalls unvermeidbare Verletzungen des Beschleunigungsgrundsatzes infolge justizbedingter Verfahrensfehler auch tatsächlich zu vermeiden. Selbst wenn man die Argumentation so nicht als erstaunliche Verkürzung der Rechte des Art. 6 EMRK begreift, überzeugt sie aber nicht. Zum einen muss man wiederum die Entscheidung des Rechtsinhabers achten, der gerade nicht gegen, sondern für die Verfahrensverlängerung entgegen der Protokollberichtigung eintritt. Zum anderen erscheint es vorschnell, das Recht auf Verfahrensbeschleunigung in der vorliegenden Konstellation ohne weiteres als stets verletzt anzusehen. Die Berufung des Beschwerdeführers auf das Verbot der Rügeverkümmerung gegenüber einer Protokollberichtigung könnte durchaus als Sonderfall betrachtet werden, in dem keine Verfahrensverzögerung angenommen wird, die dem Staat anzulasten wäre.[45] Die originär verfassungs- und menschenrechtlich zu beurteilende Frage könnte bei einer nicht willkürlich erfolgten Berichtigung durchaus so gesehen werden, dass eine Zurechnung der entstandenen Verfahrensverlängerung zum Staat ausgeschlossen ist, was aber - wie die Beurteilung der erfolgreichen Revision bei Art. 6 I 1 EMRK allgemein - noch näherer Prüfung bedarf. Da das Recht auf Verfahrensbeschleunigung auch eigenständig neben dem Recht auf ein faires Verfahren steht und als solches selbständig zu prüfen und auszulegen ist,[46] muss das Verbot der Rügeverkümmerung als Ausprägung der Verfahrensfairness jedenfalls nicht zugleich zwingend auch zu einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung führen.

IV. Kompensationen nach der Zulassung der Rügeverkümmerung

Nach den vorherigen Ausführungen ist es vorzugswürdig, das Verbot der Rügeverkümmerung fortbestehen zu lassen. Ohne ein gesetzlich geregeltes Berichtigungsverfahren, das die belastende Rügeverkümmerung gestattet und die strukturelle Problematik einer "Berichtigung in eigener Sache" entschärft, dürfen Aufhebungsrechte nicht entzogen werden.

Eine andere Frage ist indes, wie zu verfahren ist, wenn man anders als hier vertreten mit dem 1. Strafsenat eine weitgehende Kompetenz der Rechtsprechung bejaht, rechtsfortbildend tätig zu werden, auch wenn dies gesetzlich eingeräumte Rechte nimmt.[47] Von einem solchen Standpunkt aus betrachtet steht der sichere Fall des Verbots der Rügeverkümmerung bevor, eben weil die Rechtsprechung die Belastung des Revisionsführers derzeit schlicht als Ersatzgesetzgeber zu wollen scheint. Dann aber stellt sich auch die Folgefrage, wie die Rügeverkümmerung ausgestaltet sein soll. Hier ist zu hoffen, dass die Ausgestaltung des nun bedeutsameren Berichtigungsverfahrens manches von derjenigen rechtsstaatli-

chen Vorsicht in abgewandelter Form bewahrt, die man zuvor über die Rügeverkümmerung walten ließ.[48] Angemessen wäre es dabei, wenn der Große Senat für Strafsachen die von ihm beanspruchte Befugnis zur Rechtsfortbildung sodann auch gleichermaßen weit handhabt, wenn es de lege lata um diese Folgefrage geht.

Das Anhörungsrecht ist absehbar das Mindeste, was seitens der Rechtsprechung als verfahrensrechtlicher Grundrechtsschutz zu erwarten ist. Die Verteidigung könnte die Anhörung auch durch die bereits angeregte Dokumentation von Verfahrensvorgängen im Einzelfall durchaus wirksam nutzen. Das Recht zum substantiierten Widerspruch wird indes kaum bevorstehen, da die so letztlich weithin in die Hände der Verteidigung gelegte Beurteilung weitgehend zum status quo führen dürfte, was - hat sich einmal eine Mehrheit für die Rügeverkümmerung gefunden - kaum durchsetzbar sein dürfte. Darüber hinaus wird sich das hier vorgeschlagene Verfahren, in dem bestimmungsgemäß ein Richter nach einer Beweiserhebung die rügevernichtende Protokollberichtigung im Fall eines Widerspruchs konstitutiv bestätigen muss, indem er sich selbst von ihren tatsächlichen Voraussetzungen überzeugt, im Wege der Rechtsfortbildung in Reinkultur nicht schaffen lassen. Vom Standpunkt des BGH betrachtet erscheint es hingegen durchaus möglich, jedenfalls eine "echte" Beschwerde anzuerkennen,[49] mit der man von den früheren Maßstäben bei der Beschwerde gegen Protokollberichtigungen abkehrt und zu einer wirksameren Überprüfung gelangt.[50] Das Beschwerdegericht könnte die Protokollberichtigung nicht gegen die Urkundspersonen durchsetzen, wohl aber könnte es verstärkt prüfen, ob die nachträgliche Protokollberichtigung im Einzelfall so zweifelsfrei erscheint, dass man ihretwegen die Rügeverkümmerung zulässt. Dem stünde - lässt man die Protokollberichtigung überhaupt zu - § 274 StPO letztlich nicht entgegen,[51] denn eine solche Rechtsprechung würde je nach Entscheidung im Einzelfall entweder das frühere Verbot der Rügeverkümmerung bedeuten, das § 274 StPO nicht widerstreitet, oder sie würde dazu führen, dass das berichtigte Protokoll gilt. Ein nach Beschwerdegrundsätzen urteilendes Gericht könnte so im Streitfall unabhängig entscheiden, ob es die belastende Protokollberichtigung als Grundlage für die Revision zulässt. Unter Umständen könnte so jedenfalls im Ansatz über die Beschwerde demonstriert werden, dass die Protokollberichtigung zugunsten der angenommenen Wahrheit zwar möglich ist, aber einer nicht gänzlich unbedeutenden Kontrolle durch Dritte unterliegt, die einen leichtfertigen Umgang mit diesem unter Umständen rügevernichtenden Rechtsinstitut ausschließt.


* Für eine kritische Durchsicht des Beitrages danke ich herzlich Herrn Dr. Sören Braun, LL. M. (Cape Town), Hamburg.

[1] Vgl. Jahn/Widmaier JR 2006, 166 ff.; Fezer StV 2006, 290 ff.; zuvor auch Park StV 2005, 257 ff.; zust. aber Lampe NStZ 2006, 366 ff.

[2] Vgl. Krawczyk HRRS 2006, 344 ff.

[3] Vgl. BGH HRRS 2006 Nr. 545.

[4] Vgl. zu diesem BGH HRRS 2006 Nr. 185.

[5] So wie der Senat selbst die Entscheidung RGSt GS 70, 241 ff. letztlich außen vor lässt, die eine Ausnahmezeit begründete, muss man letztlich konstatieren, dass das Verbot der Rügeverkümmerung zur StPO in rechtsstaatlicher Zeit niemals aufgegeben war.

[6] Dies kritisiert schon zum Anfragebeschluss treffend Fezer StV 2006, 290 f.: "oberflächig und nachlässig", dessen im Juni 2006 publizierten kritischen Ausführungen der Strafsenat indes laut seinem Beschluss vom 23. August 2006 auch (noch) nicht zur Kenntnis genommen hat. Wie Fezer nun Krawczyk HRRS 2006, 344, 353.

[7] Vgl. zum Ganzen also wiederholend den besprochenen Vorlagebeschluss BGH HRRS 2006 Nr. 858, der weitere Argumente des 1. Strafsenats aufführt.

[8] Vgl. dazu und zu weiteren Ausführungen des 4. Strafsenats BGH HRRS 2006 Nr. 545.

[9] So schon BGH HRRS 2006 Nr. 513 im Anschluss an Fezer gegen Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 169 f.

[10] Vgl. BGH HRRS 2006 Nr. 713 m. Bespr. Kudlich HRRS 2007 Heft 1.

[11] Vgl. Auch vor diesem Hintergrund demnächst krit. Kudlich HRRS 2007, Heft 1 und Gaede StraFO 2007, Heft 1. Vgl. auch bereits Mikolajczyk ZIS 2006, 541 ff. und - in der genauen Aussage aber unentschieden - Widmaier NJW 2006, 3587 f.

[12] Siehe dazu und auch zur möglichen Motivation des Beschlusses Krawczyk HRRS 2006, 344, 351 f.

[13] So bedauernd auch Krawczyk HRRS 2006, 344, 352, 356.

[14] Vgl. insgesamt BGH HRRS 2006 Nr. 513, 545 und nun 858, auch schon Detter StraFo 2004, 329, 333. Vgl. auch § 164 II ZPO.

[15] Für ernsthaft erwägenswert hält sie mit dem 4. Strafsenat indes Krawczyk HRRS 2006, 344, 356.

[16] Vgl. Ventzke StV 2004, 300, 301; für den Fall der Rügeverkümmerung hebt dies beispielgebend auch bereits hervor Krawczyk HRRS 2006, 344, 356 f.

[17] Vgl. umfassend bereits Krawczyk HRRS 2006, 344 ff.

[18] Vgl. BGH HRRS 2006 Nr. 185 und Nr. 858; so auch apodiktisch Lampe NStZ 2006, 366, 367.

[19] Vgl. nur betont Fezer StV 2006, 290, 291 f.

[20] Vgl. etwa noch ablehnend RGSt 8, 141, 142 f.; 17, 346, 348; für die Berichtigung nach Rügeerhebung auch schon RGSt 2, 76, 77. Siehe aber auch früh RGSt 3, 47.

[21] Siehe RGSt 19, 367, 369 f. und später z.B. auch RGSt 57, 394, 396.

[22] Vgl. Kudlich, Strafprozess und allgemeines Missbrauchsverbot (1998), S. 126 ff., 363 f.; Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, Duncker & Humblot (2007), S. 310 ff. und 718 ff.

[23] Vgl. RGSt 43, 1, 9, eine Rechtsprechung, auf der RGSt 19, 367, 370 in der Sache aufbaute. Dazu, dass das Protokollrecht selbst Teil der Justizförmigkeit ist, vgl. Park StraFo 2004, 335, 341.

[24] Vgl. so schon den 4. Strafsenat in BGH HRRS 2006 Nr. 545.

[25] Vgl. insoweit nichtssagend BRDrucks. 551/74 S. 63 f.; BT-Drucks. 7/2769 S. 10 f., 15.

[26] Siehe im Zusammenhang etwa auch Krawczyk HRRS 2006, 344, 355 f. Legendär etwa das Wort von den "schützenden Formen", vgl. Zachariä, Die Gebrechen und die Reform des deutschen Strafverfahrens (1846), S. 84 f., 93, 123 ff. Zur Bedeutung von Form und Gesetz im fairen Verfahren nach Art. 6 EMRK vgl. m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 310 ff., 414 ff., 663 ff., 669 ff. und 718 ff. Zur Betonung der Waffengleichheit im dt. Strafverfahren schon des 19. Jh. kann bei Vargha, Die Vertheidigung in Strafsachen (1879, Neudruck 1979), S. 298 ff. Erhellendes aufgefunden werden; m.w.N. auch Egon Müller NJW 1976, 1063, 1064.

[27] Siehe etwa Dowsett v. GB, Rep. 2003-VII, §§ 41 ff.; Kamasinski v. AUT, Serie A, Nr. 168, § 102; Brandstetter v. AUT, Serie A, Nr. 211, § 66; Borgers v. Belgien, Serie A, Nr. 214-A, §§ 24, 28; Belziuk v. PL, Rep. 1998-II, §§ 37 ff.; zur Waffengleichheit des Art. 6 EMRK vertiefend m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 301 ff., 305 ff. und 641 ff.

[28] Verkürzend auch Lampe NStZ 2006, 366, 367 f., der meint, es gehe nur um ausgesprochenen Missbrauch durch die Urkundspersonen. Dazu dass es schon immer weniger um vorsätzlich falsche Berichtigungen ging, vgl. neben dem folgenden Text BGHSt 2, 125, 128 sowie Krawczyk HRRS 2006, 344, 346.

[29] Zur Zirkularität des Ansatzes des 1. Strafsenats vgl. schon BGH HRRS 2006 Nr. 545 und Krawczyk HRRS 2006, 344, 351, 353 f. Früher auch schon prägnant BGHSt 2, 125, 128.

[30] Die mit zunehmender Zeit nachlassende und durch regelgemäße Annahmen ersetzte Erinnerung betonten schon RGSt 43, 1, 5; OGHSt 1, 277, 281; BGHSt 2, 125, 128; BGH HRRS 2006 Nr. 545; Jahn/Widmaier JR 2006, 166 f.; Krawczyk HRRS 2006, 344, 353; Tepperwien, Meyer-Goßner-Festschr., S. 595, 605 ff.; Park StV 2005, 257, 259. Zur vernachlässigten "Irrtumslehre" Widmaier/Nack MAH Strafverteidigung § 33 Rn. 30 ff.

[31] Vgl. nur Widmaier/Nack MAH Strafverteidigung § 33 Rn. 15, zum Irrtum Rn. 30 ff. Siehe auch die Enttäuschung über den 1. Strafsenat bei Krawczyk HRRS 2006, 344, 353 f., die - da noch immer nur der Missbrauchsvorsatz abgehandelt wird - auch nach dem Vorlagebeschluss verbleiben dürfte.

[32] Vgl. Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 167 ff.

[33] Siehe aber doch schon kurz BGH HRRS 2006 Nr. 545: "Nach der gesetzlichen Regelung in § 274 StPO soll zudem schon dem Anschein von Manipulationen der Boden entzogen werden." Auch im Ansatz Detter StraFo 2004, 329, 332: "gewisser Rechtfertigungszwang der Urkundspersonen".

[34] Derartige Formen und Beteiligungsrechte werden etwa von Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 4. Aufl., S. 114 ff., 103 f. als Absorption von Zweifeln beschrieben, die für ein als legitim empfundenes Verfahrensergebnis konstitutiv ist; vgl. dazu und insbesondere zum Gesichtspunkt der normativ zu erwartenden Akzeptanz des Verfahrensergebnisses m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 363 ff., 370 ff., 403 ff.

[35] Treffend beschrieben wird sie hingegen noch bei RGSt 43, 1, 6 ff.

[36] Dazu, dass das Argument der Waffengleichheit traditionell bedeutsam war, vgl. OGHSt 1, 277, 280 und Krawczyk HRRS 2006, 344, 345 f. Zur Maßgeblichkeit äußerer Formen und Eindrücke bei der Waffengleichheit in der Rechtsprechung des EGMR vgl. etwa m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 305 ff. und 641 ff.

[37] Vgl. in diesem Sinne auch das berühmte Wort aus dem englischen Prozessrecht "It is not merely of some importance, but is of fundamental importance that justice should not only be done but should manifestly and undoubtedly be seen to be done.", so LJ Hewart in R. v. Sussex Justices, ex parte McCarthy (1924) K.B. 256, 259; zum EGMR siehe Piersack v. Belgien, Serie A, Nr. 53, § 30; Delcourt v. Belgien, Serie A, Nr. 11, § 31; m.w.N. zum Ganzen Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 215 ff. und 403 ff.

[38] Siehe Fezer StV 2006, 290, 291, der aufzeigt, dass beide Auffassungen das jeweilige Gegenanliegen bislang nicht voll zu berücksichtigen wissen; vgl. auch das Verständnis bei Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 170.

[39] Vgl. für dieses Fezer StV 2006, 290, 292.

[40] So Krawczyk HRRS 2006, 344, 352.

[41] Vgl. RGSt 70, 241, 242, freilich ohne den Hintergrund der anderenfalls "drohenden" Strafzumessungskompensation. Für den damaligen "Kampf gegen das subjektive Recht" vgl. nur Larenz, in: Grundfragen der neuen Rechtswissenschaft, S. 225 ff., 227 ff., Zitat S. 258 f.

[42] Zur primär individualrechtlichen Natur nach dem GG vgl. BVerfG NStZ 2006, 680 f., für die EMRK siehe Gaede wistra 2004, 166, 168 m.w.N.

[43] Vgl. Krawczyk HRRS 2006, 344, 353 f. m.w.N.; Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 170.

[44] Vgl. BGH HRRS 2006 Nr. 545, mit Verweis auf BGH StV 2006, 237, 238 f.; 241 f.

[45] So vielleicht auch Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 170 Fn. 48.

[46] Sie dazu m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 22), S. 223 ff.

[47] Siehe neben dem 1. Strafsenat auch BGH HRRS 2006 Nr. 713 ("Rechtslage geändert"); allgemein auch BGHSt 50, 40 ff. (GS Absprachen).

[48] Siehe auch schon die Überlegungen von Krawczyk HRRS 2006, 344, 356.

[49] Siehe schon im Ansatz Detter StraFo 2004, 329, 333, 335; BGH HRRS 2006 Nr. 513. Unklar aber doch in Richtung des hiesigen Vorschlages auch Lampe NStZ 2006, 366, 368, der einerseits betont, die Beschwerde müsse sich auf Rechtsfragen beschränken, andererseits dann doch möchte, dass der "nachvollziehbare Anlass für eine Berichtigung" und der "Verdacht einer willkürlichen Berichtigung" überprüft werden sollten.

[50] Zu deren heutigen Schranken m.w.N. Krawczyk HRRS 2006, 344, 352 f. m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 271 Rn. 28 f.

[51] Anders möglicherweise Krawczyk HRRS 2006, 344, 352 f. m.w.N. gegen den Ansatz von Detter.